VwGH 98/18/0394

VwGH98/18/039421.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des A M in Linz, geboren am 1. August 1968, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, Spittelwiese 15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. September 1998, Zl. St 336-1/97, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FlKonv;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FlKonv;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 21. September 1998 wurde gemäß § 75 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren zu seinen Fluchtgründen angegeben, daß er seine Heimat aus politischen Gründen verlassen hätte. Am 3. April 1987 hätte er gemeinsam mit einigen Bekannten in Pristina, vorwiegend in und vor Schulen Flugzettel gegen die bevorstehende Änderung der albanischen Fahne verteilt. Am 2. Juli 1987 hätte er erneut eine derartige Aktion durchgeführt. Nach Durchführung der Fahnenänderung hätte er am 20. Februar 1988 neuerlich vor Schulen Flugzettel verteilt. Am 1. April 1988, als der Beschwerdeführer bei der Arbeit gewesen wäre, hätte die Miliz in seinem Elternhaus nach ihm gefragt. Nachdem der Beschwerdeführer davon erfahren hätte, wäre er geflohen.

Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 17. November 1995 auf seine Angaben im Asylverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, in seinem Heimatland den Militärdienst noch nicht abgeleistet zu haben. Bei einer Rückkehr nach Jugoslawien würde er sofort zur Armee eingezogen und an der Front eingesetzt werden.

Mit Schriftsatz vom 19. März 1997 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, auf Grund seiner Volkszugehörigkeit und der gegen das Regime gerichteten Aktivitäten in seiner Heimat der Verhaftung, unangemessener, schwerer Bestrafung und der Folterung ausgesetzt zu sein. Weiters habe der Beschwerdeführer angegeben, im Besitz eines Schreibens der Polizei in Pristina zu sein, woraus hervorginge, daß er sich bereits im Jahr 1993 bei der Polizei hätte melden sollen. Nach der Flucht hätte die Polizei mehrmals nach dem Beschwerdeführer gesucht. Bei einer Rückkehr in den Kosovo hätte er eine strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung zu befürchten. Weiters habe der Beschwerdeführer auf die allgemeine Lage in seinem Heimatland verwiesen.

Auch in der Berufungsschrift vom 6. Oktober 1997 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß die albanische Bevölkerungsgruppe von serbisch-nationalistischen Kreisen rigoros bekämpft würde. Er habe neuerlich auf seine Aktivitäten (Verteilen von Flugzetteln) hingewiesen und sich auf einen Bericht eines Informationsdienstes betreffend Übergriffe von serbischen Kräften auf die albanische Bevölkerung berufen. Daraus ergebe sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Kosovo mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" inhaftiert würde.

Die Hinweise des Beschwerdeführers auf die derzeitige brisante politische Situation im Kosovo sowie der Verweis auf diesbezügliche Berichte seien nicht geeignet, eine individuelle Gefährdung bzw. Bedrohung des Beschwerdeführers darzutun.

Die Wehrdienstverweigerung wäre nur dann geeignet, eine Gefährdung bzw. Bedrohung darzutun, wenn die Einberufung aus einem der Gründe des § 57 Abs. 2 FrG erfolgt wäre oder der Beschwerdeführer aus diesen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung oder eine schlechtere Behandlung während des Militärdienstes zu erwarten hätte. Derartiges habe der Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer habe lediglich vorgebracht, wegen Wehrdienstverweigerung eine "strenge Bestrafung" zu befürchten. Er habe somit nicht dargetan, daß die Gefahr bestehe, einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Sollte der Beschwerdeführer, was er nicht bewiesen habe, tatsächlich im Jahr 1988 Flugzettel verteilt haben, sei es auf Grund der Zeitdifferenz "mehr als zweifelhaft", daß die Miliz noch im Jahr 1993 deswegen nach ihm gesucht habe. Aus der bloßen Tatsache, daß die Polizei nach dem Beschwerdeführer gesucht habe, könne jedoch keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG abgeleitet werden. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe sich die Polizei nur nach dessen Aufenthalt erkundigt, was als rechtlich zulässig angesehen werden müsse.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 98/18/0120, mwN).

2.1. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß die albanische Bevölkerungsgruppe im Kosovo systematisch unterdrückt werde und Übergriffen seitens der Staatsgewalt ausgesetzt sei. Es gehe "der Gesamtstaat" gegen die albanische Minderheit im Kosovo vor. Das Ergebnis dieser langjährigen Entwicklung sei der derzeit herrschende Bürgerkrieg. Vor diesem Hintergrund sei "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" anzunehmen, daß die Wehrdienstverweigerung eines ethnischen Albaners mit höherer Strafe verfolgt werde als die Wehrdienstverweigerung eines Serben. Überdies wäre die Ableistung des Wehrdienstes für einen Angehörigen der albanischen Bevölkerungsgruppe mit Repressalien verbunden. Ein Angehöriger dieser Volksgruppe, der wegen politischer Aktivitäten und antiserbischer Propaganda gesucht werde, würde "gerade heute" sofort verhaftet werden und müßte mit den schlimmsten Gefahren für seine Freiheit, seine Gesundheit und sogar für sein Leben rechnen.

2.2. Dem ist zunächst zu entgegnen, daß der Hinweis auf die allgemeine politische Lage im Heimatstaat des Fremden ebenso wie die Tatsache der Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo an sich keine geeignete Grundlage darstellt, um eine aktuelle und konkrete Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa das zu den mit § 57 Abs. 1 und Abs. 2 inhaltsgleichen Bestimmungen des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 17. Februar 1997, Zl. 97/18/0103, mit ausführlichen weiteren Judikaturhinweisen). Daran kann auch der vom Beschwerdeführer behauptete Bürgerkrieg im Kosovo nichts ändern. Auch ein Bürgerkrieg ist nämlich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an sich weder geeignet, eine Bedrohung und/oder Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa die zum FrG aus 1992 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0443, vom 30. April 1996, Zl. 94/18/1074, und vom 14. November 1996, Zlen. 95/18/1135, 1216), noch die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu begründen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0435, und vom 30. April 1997, Zl. 95/01/0239).

Zum Vorbringen betreffend die vom Beschwerdeführer befürchtete Gefährdung bzw. Bedrohung auf Grund der Wehrdienstverweigerung ist auszuführen, daß der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid diesbezüglich nur vorgebracht hat, eine strenge Bestrafung zu befürchten. Er hat somit im Verwaltungsverfahren weder eine auf seine Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe abzielende strengere Bestrafung oder Schlechterbehandlung während des Wehrdienstes noch eine deshalb zu erwartende unmenschliche Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe geltend gemacht. Überdies hat er nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides im Verwaltungsverfahren die Feststellung, daß in seiner Heimat für Wehrdienstverweigerer ein "Amnestiegesetz" in Kraft getreten sei, nicht bestritten.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Befürchtung äußert, auf Grund des Verteilens von Flugzetteln im Jahr 1988 noch immer gefährdet und/oder bedroht zu werden, ist ihm zu entgegnen, daß die in der Beschwerde nicht konkret bekämpfte Beweiswürdigung der belangten Behörde, es sei auf Grund des großen dazwischen liegenden Zeitraumes "mehr als zweifelhaft" - somit nicht glaubwürdig -, daß sich die Ladung des Beschwerdeführers im Jahr 1993 auf diese Aktivitäten bezogen habe, im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken begegnet.

Die Ansicht der belangten Behörde, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine ihn individuell betreffende Gefährdung bzw. Bedrohung darzutun, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ein Ermittlungsverfahren über die allgemeine Lage im Kosovo durchzuführen und dazu eine Äußerung des Bundesasylamtes gemäß § 75 Abs. 3 FrG einzuholen, ist ihm zu entgegnen, daß Feststellungen über die allgemeine Lage im Heimatstaat - jedenfalls in Fällen, in denen wie vorliegend keine zusätzlichen Anhaltspunkte für eine den Beschwerdeführer individuell betreffende Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegen - nicht geeignet sind, die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den betreffenden Staat zu tragen.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 21. Jänner 1999

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