VwGH 98/18/0120

VwGH98/18/012030.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der N in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in Wien IX, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. April 1998, Zl. SD 925/97, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1998 wurde gemäß § 75 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in der Türkei gemäß "§ 37 Abs. 1 oder Abs. 2 des Fremdengesetzes 1992" (richtig: § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG) bedroht sei.

Nach Wiedergabe des § 75 Abs. 1 und des § 57 Abs. 1 und 2 FrG führte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen folgendes aus:

Die Beschwerdeführerin sei am 29. Februar 1996 mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist. Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei zweitinstanzlich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Jänner 1997 abgewiesen worden. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes sei die Beschwerdeführerin ohne Berechtigung hiezu in Österreich geblieben. Im Rahmen des fremdenpolizeilichen Verfahrens habe sie angegeben, Zweck ihrer Einreise wäre nicht "Tourismus" gewesen, sondern die Absicht, bei ihrem Vater in Österreich auf Dauer Aufenthalt zu nehmen. Über das Vorliegen einer allfälligen Bedrohung oder Verfolgung in der Türkei habe sie nichts geäußert. In einer Stellungnahme vom 24. März 1997 habe sie angegeben, aus einer "Sonderzone", in der Bürgerkrieg herrsche, beinahe 40 % der Häuser zerstört seien und ein Lebensmittelembargo bestehe, zu kommen. In einem weiteren Schriftsatz (vom 28. Mai 1997) habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß in ihrer Heimatgemeinde Repressionen durch die kurdischen Rebellen wie auch durch das türkische Militär an der "Tagesordnung" wären. Anfang des Jahres 1996 wäre sie "mit der Entführung durch die Kurden bedroht" gewesen, woraufhin sie nach Österreich geflüchtet wäre. Eine Rückkehr in die Türkei würde sie in Lebensgefahr bringen. Bescheinigungsmittel hätte die Beschwerdeführerin nachbringen wollen. Sowohl in ihrem Feststellungsantrag vom 25. September 1997 als auch in der Berufung habe die Beschwerdeführerin angegeben, nicht - wie vorher behauptet - für immer in Österreich bleiben zu wollen, sondern lediglich eine Beruhigung der Lage in ihrer Heimat abwarten zu wollen.

Als Gründe für ihre Bedrohung habe sie angeführt, daß sie bereits zweimal durch das türkische Militär zu Einvernahmen festgehalten (Antrag) bzw. festgenommen (Berufung) worden wäre und daß sie "ihr Heimatdorf nicht mehr sehen würde". Daraus schließe die Beschwerdeführerin auf eine berechtigte Gefahr für ihr Leben, ihre Freiheit oder sonstige gegen sie gerichtete unmenschliche Behandlung. Wo diese Einvernahmen stattgefunden hätten oder was deren Gegenstand gewesen wäre, habe die Beschwerdeführerin ebensowenig angegeben wie die Gründe dafür. Sie sei auch jegliche Erklärung dafür schuldig geblieben, weshalb sie aus diesen Einvernahmen den Schluß ziehe, daß ihr Leben oder ihre Freiheit gefährdet wäre oder sie deswegen mit unmenschlicher Behandlung zu rechnen hätte. Daß nach ihrer "Flucht nach Österreich" zwei andere Mädchen festgenommen worden wären, werde von der Beschwerdeführerin lediglich behauptet, ohne darzutun, was dies konkret mit ihrer Person zu tun habe. Trotz mehrfacher Ankündigung, Bescheinigungsmittel für die von ihr behaupteten Verfolgungen nachzubringen, habe die Beschwerdeführerin dies bisher nicht getan. Die - völlig unsubstantiierte - Behauptung, sie würde "ihr Heimatdorf nicht mehr sehen", reiche jedenfalls nicht aus, um daraus eine Bedrohung der Beschwerdeführerin i.S. des Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ableiten zu können. Ebensowenig sei eine konkret gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Bedrohung aus der Tatsache ableitbar, daß sie der Volksgruppe der Kurden angehöre. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht einmal im Ansatz zu entnehmen, worin die auf der "Tagesordnung" stehenden Repressalien der türkischen Behörden oder ihrer kurdischen Landsleute bestehen sollen.

Demnach habe die belangte Behörde keine stichhältigen Gründe i.S. des § 57 Abs. 1 und 2 FrG erkennen können, welche die Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland unzulässig machten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG (1992) das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG (1992) glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0103, mwN). Diese Judikatur hat im Hinblick darauf, daß § 54 Abs. 1 und 2 FrG mit § 37 Abs. 1 und 2 FrG 1992 inhaltlich zur Gänze übereinstimmt auch auf dem Boden des Fremdengesetzes 1997 ihre Gültigkeit.

2.1. Die Beschwerde bekämpft die Auffassung der belangten Behörde, das zur Stützung des Standpunktes der Beschwerdeführerin erstattete Vorbringen wäre nicht konkret und daher eine Bedrohung i.S. des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht ersichtlich. Dies sei unrichtig, habe doch die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung wie auch in der Berufung dargetan, daß sie durch das türkische Militär mit dem Umbringen bedroht worden wäre. Die Tatsache, daß dies nicht "wortwörtlich erfolgte", sondern mit der Umschreibung, "ihr Heimatdorf nicht mehr zu sehen", hindere nicht die Feststellung, daß eine konkrete Bedrohung vorliege. Es sei daher seitens der belangten Behörde das konkrete Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht gewürdigt worden, weshalb "Aktenwidrigkeit" vorliege. Da in der Weltöffentlichkeit die besondere Spannungssituation im türkisch-irakischen Grenzgebiet bekannt sei, hätte die belangte Behörde "bei richtiger Würdigung des gesamten Akteninhaltes" sehr wohl von einem dem "Konkretisierungsgebot entsprechenden Inhalt ausgehen müssen". Der bekämpfte Bescheid "unterliegt daher Verfahrensmängeln und verletzt darüber hinaus den Artikel 3 EMRK, der zwingendes Recht darstellt".

2.2. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde das Vorliegen einer Gefährdung und/oder Bedrohung der Beschwerdeführerin in der Türkei i.S. des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG entsprechend den sich aus der Judikatur ergebenden Anforderungen (s. oben II.1.) nicht glaubhaft zu machen. Insbesondere gelingt es ihr hiemit nicht, die von der belangten Behörde nachvollziehbar argumentierte Ansicht zu erschüttern, die im Feststellungsverfahren gemachten Angaben der Beschwerdeführerin ihre - behauptete - Gefährdungs- und Bedrohungssituation betreffend entbehrten der erforderlichen Konkretheit, wozu kommt, daß in der Beschwerde die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung unbestritten bleibt, die Beschwerdeführerin habe die mehrfach zugesagte Vorlage von ihre Behauptungen stützenden Bescheinigungsmitteln unterlassen. Entgegen der Beschwerde ist die von der Beschwerdeführerin dem "türkischen Militär" zugeschriebene Äußerung, sie werde "ihr Heimatdorf nicht mehr sehen", ohne weitere, die Umstände des Falles näher beleuchtende Angaben, nicht einer Drohung "mit dem Umbringen" gleichzusetzen. Wenn daher die belangte Behörde die besagte - von der Beschwerde in den Vordergrund gerückte - Äußerung nicht als zur Glaubhaftmachung einer aktuellen (im Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin in die Türkei gegebenen) Gefährdung bzw. Bedrohung ihrer Person i.S. des § 57 Abs. 1 bzw. 2 FrG ausreichend erachtete, so begegnet dies keinen Bedenken. Dem Beschwerdehinweis, es sei die besondere Spannungssituation im türkisch-irakischen Grenzgebiet allgemein bekannt, ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, daß derartige Hinweise auf die allgemeine politische Lage im Heimatstaat des Fremden ebenso wie die Tatsache der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe (hier: der Kurden) für sich keine geeignete Grundlage darstellen, eine Gefährdung bzw. Bedrohung im erwähnten Sinn glaubhaft zu machen (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 97/18/0103, mwN).

Zu der völlig begründungslos gebliebenen Beschwerdebehauptung, der bekämpfte Bescheid verletze Art. 3 MRK, sei auf die gleichfalls ständige hg. Judikatur verwiesen, wonach die bloße Möglichkeit einer diesem Artikel widersprechenden Behandlung des Fremden in jenem Staat, in den er abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung dorthin aus dem Blickwinkel des § 37 FrG (1992) als unzulässig erscheinen zu lassen, für eine solche Beurteilung vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, daß gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt wäre (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0177, mwN). Solche konkrete Anhaltspunkte zu liefern, hat die Beschwerdeführerin indes, wie dargetan, verabsäumt.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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