VwGH 97/18/0177

VwGH97/18/017717.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des B in Neuhaus/Triesting, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien VII, Neubaugasse 12-14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. September 1996, Zl. SD 561/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
EMRK Art3;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
EMRK Art3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. September 1996 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 24. Mai 1995 gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er im Staatsgebiet der Jugoslawischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nachdem die belangte Behörde zunächst darauf hinwies, daß die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides auch für ihre Entscheidung maßgebend gewesen seien, führte sie folgendes aus:

Die vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Antrages angeführten Gründe erwiesen sich vor dem Hintergrund der zu § 54 iVm § 37 Abs. 1 und 2 FrG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht stichhältig. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Asylverfahrens angegeben, sich bisher in seinem Heimatstaat nie politisch betätigt zu haben und auch nicht zu wissen, welchen Inhalt die ihm von seinem Vater übergebenen Flugblätter gehabt hätten. Der Beschwerdeführer habe bis auf den Vorfall vom 2. Mai 1995, von dem er behaupte, von Polizeiorganen geschlagen worden zu sein, keine gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen staatlicher Behörden seines Heimatlandes geltend gemacht. Derartige Übergriffe seien aber als Handlungen von Einzelpersonen anzusehen, die sich nicht als vom Staat initiierte Verfolgungshandlungen erwiesen. Jedenfalls stellten sie kein genügendes Indiz dafür dar, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner politischen Ansichten bzw. seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe in seinem Heimatstaat gemäß § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG bedroht wäre, zumal sich die Gefährdung/Bedrohung nach den genannten Bestimmungen auf das gesamte Staatsgebiet der Jugoslawischen Föderation beziehen müßte. Die Annahme des Beschwerdeführers, daß er bei einer Rückkehr in seine Heimat gleich seinem Vater verfolgt werden könnte, sei nicht mehr als eine Vermutung, die keine objektiven Anhaltspunkte für sich habe. Der Umstand, daß sich sein Vater politisch betätigt und Flugblätter verteilt habe, reiche nicht aus, eine Gefährdung/Bedrohung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland annehmen zu können. Auch mit dem Hinweis auf die vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen asylrechtlicher Verfahren geäußerte Rechtsauffassung, wonach systematische Gruppenverfolgung asylbegründend sei, könne für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, habe sich doch sein Asylantrag mittlerweile als unbegründet erwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 97/18/0454, mwN).

2. Nach den unbestrittenen Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid vom 19. März 1996 - vom angefochtenen Bescheid im Verweisungsweg übernommen - begründete der Beschwerdeführer (unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Angaben im Asylverfahren) seinen Feststellungsantrag vom 24. Mai 1995 im wesentlichen wie folgt: Sein Vater sei vor sieben Jahren wegen einer gegen die serbische Regierung gerichteten Rede sechs Monate inhaftiert gewesen und habe seinen Posten als Lehrer verloren. Er könne über die politische Tätigkeit seines Vaters keine Auskunft geben; er selbst sei nicht politisch tätig gewesen. Am 2. Mai 1995 habe ihm sein Vater zu Hause ein Paket mit dem Auftrag übergeben, dieses zu Verwandten zu bringen. Bei Verlassen des Hauses hätten sich drei von ihm als Sicherheitsbeamte erkannte Personen auf dem Grundstück aufgehalten, von denen er angenommen habe, sie würden seinen Vater verfolgen. Die Polizisten hätten den Beschwerdeführer aufgefordert, zu ihnen zu kommen. Bei dem Versuch, die Flucht zu ergreifen, sei er von einem Polizisten an den Haaren erfaßt worden, und das Paket sei zu Boden gefallen. Die darin befindlichen Blätter seien herausgefallen und ein Polizist habe ein Blatt an sich genommen. Daraufhin sei er von einem der Polizisten mit einem Gummiknüppel geschlagen worden. Sein Vater habe interveniert und sei von den beiden anderen Polizisten geschlagen worden. Dem Beschwerdeführer sei die Flucht gelungen; er sei zum Haus seines Onkels gelaufen, dem er von dem Vorfall berichtet habe. Sein Onkel habe sodann das Haus verlassen, sei nach zwei Stunden zurückgekehrt und habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß sein Vater festgenommen worden sei und die Polizei nach ihm fahnde. Sein Onkel habe ihn danach in das Zentrum von Prizren gebracht; gegen Mitternacht des 2. Mai 1995 sei er dann mit einem Schlepper in dessen Fahrzeug abgefahren und nach Passieren von drei Grenzen nach Österreich gelangt. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würde er sicher von den Polizisten verfolgt werden. "Unter Umständen würde es sich um die am Abend des 2. Mai 1995 sichergestellten Flugblätter handeln". Es wäre dies die Erklärung dafür, daß ihn die Polizisten derart verprügelt hätten. Durch die Schläge mit dem Gummiknüppel habe er Striemen auf dem Rücken und den Oberschenkeln.

3. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme hätten objektiviert werden können, daß der Beschwerdeführer im Staatsgebiet der Jugoslawischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG bedroht wäre.

4. Mit seinem diese Rechtsansicht bekämpfenden Beschwerdevorbringen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

4.1. Soweit die Beschwerde - unter Bezugnahme auf Berichte von "Menschenrechtsorganisationen und internationalen Einrichtungen" - die allgemeine politische Situation im Heimatland des Beschwerdeführers ins Treffen führt und der belangten Behörde insoweit Feststellungsmängel vorwirft, ist ihre Argumentation ebensowenig zielführend wie der Hinweis auf die "systematische Überziehung staatlicher Gewalt gegenüber ethnischen Kosovo-Albanern". Denn weder die politische und menschenrechtliche Situation im Kosovo noch die (durch verschiedene Benachteiligungen gekennzeichnete) Lage der albanischen Volksgruppe bzw. die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (wie im Fall des Beschwerdeführers), jeweils für sich, aber auch in ihrem Zusammenhalt, sind geeignet, eine konkrete, den Beschwerdeführer individuell betreffende aktuelle Gefährdung oder/und Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 oder/und Abs. 2 FrG darzutun (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis Zl. 97/18/0454, sowie die hg. Erkenntnisse vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0530, vom 6. Mai 1997, Zl. 97/18/0180, und vom 13. November 1997, Zl. 96/18/0612).

4.2. Gleiches gilt in Ansehung der Annahme des Beschwerdeführers, er würde im Fall einer Rückkehr in seine Heimat das gleiche Schicksal wie sein Vater erleiden. Der Umstand, daß sein Vater ein "behördenbekannter politischer Aktivist ist" und daß beim Beschwerdeführer selbst "Flugblätter gefunden wurden, in Zusammenhalt mit den bereits erlittenen schwerwiegenden Mißhandlungen", reichen zur Glaubhaftmachung einer Verfolgung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1 oder/und Abs. 2 FrG entsprechend den sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergebenden Anforderungen (s. oben II.1.) nicht aus. Die Tatsache, daß der Vater bereits jahrelang ein den Behörden bekannter regimekritischer politischer Aktivist ist und als solcher aufgrund des besagten Vorfalles am 2. Mai 1995 (neuerlich) in Haft genommen wurde, der Beschwerdeführer hingegen - seiner eigenen Aussage zufolge - nie politisch tätig gewesen ist und an jenem Tag - dies legt eine verständige Würdigung des von ihm geschilderten Vorfalles nahe - offensichtlich nur zufällig mit der Polizei in Kontakt geriet (Ziel der polizeilichen Observation war zweifellos der Vater des Beschwerdeführers), schließen zwar die in der Beschwerde geäußerte Befürchtung nicht aus, lassen sie aber nicht - was erforderlich wäre - als wahrscheinlich erkennen. Im übrigen weist der einmalige Vorfall, selbst wenn man die gegen den Beschwerdeführer geführten Schläge nicht bloß als Übergriffe von Einzelpersonen werten sollte, nicht jenes Maß an Verfolgungsintensität auf, das den Schluß zuließe, der Beschwerdeführer wäre im Fall seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Jugoslawien dort einer Gefahr i.S. des § 37 Abs. 1 FrG oder/und einer Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 2 leg. cit. ausgesetzt (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 96/18/0612).

4.3. Nicht zu teilen vermag der Gerichtshof auch die Beschwerdemeinung, die "schwerwiegendste rechtliche Fehlbeurteilung" sei der belangten Behörde dadurch unterlaufen, daß sie dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die nicht erfolgte Asylgewährung ohne weitere Prüfung "auch gleich jegliche Bedrohung seines Lebens, seiner Freiheit und seiner Unversehrtheit im Fall einer Rückkehr in seine Heimat kategorisch abzusprechen versucht".

Mit der damit angesprochenen Passage in der Begründung des angefochtenen Bescheides (s. oben I.1. am Ende) nahm die belangte Behörde ohne weiteres erkennbar auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug, derzufolge bei der negativen Feststellung im Umfang der Gründe nach § 37 Abs. 2 FrG seitens der Fremdenbehörde eine Bedachtnahme auf den den Asylantrag des Fremden abweisenden rechtskräftigen Bescheid jedenfalls dann auf keine Bedenken stößt, wenn die Begründung des Antrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG über die von dem Fremden im Asylverfahren gemachten Angaben zur Stützung des Asylantrages nicht hinausgeht, (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0090, und die dort zitierten Entscheidungen). Da die genannte Voraussetzung auf den vorliegenden Fall zutrifft, durfte die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung in Ansehung des § 37 Abs. 2 FrG auch den für den Beschwerdeführer negativen Asylbescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Februar 1996 heranziehen.

Daß aber die belangte Behörde - insoweit ohne Bezugnahme auf den vorgenannten Asylbescheid - eine Gefährdung des Beschwerdeführers i.S. des § 37 Abs. 1 FrG im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat, weil nicht glaubhaft gemacht, in rechtlich einwandfreier Weise verneinte, ergibt sich aus den Erwägungen unter II.4.1. und 4.2.

4.4. Zur Entkräftung des auf Art. 3 MRK abstellenden Beschwerdevorbringens sei abschließend auf das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 97/18/0144, verwiesen, wonach die bloße Möglichkeit einer diesem Artikel widersprechenden Behandlung des Fremden in jenem Staat, in den er abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung dorthin aus dem Blickwinkel des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen, für eine solche Beurteilung vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen, daß gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt wäre.

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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