AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2187394.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch: VMÖ gegen den Bescheid des BFA RD Salzburg Außenstelle Salzburg vom 26.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Am XXXX fand durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass sein Vater in seinem Dorf in einem Geschäft CDs unter anderem mit christlichen Inhalten verkauft habe. Deshalb seien sie geschlagen und von den Dorfbewohnern mit dem Tod bedroht worden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei sein Leben in Gefahr.
2. Am XXXX fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "Bundesamt" oder "BFA") statt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein Vater in seinem Geschäft CDs/DVDs mit religiösen Inhalten verkauft habe. Die Dorfältesten hätten seine Familie deshalb zu Hause eingesperrt. Sein Vater habe dann entschieden, den Beschwerdeführer fortzuschicken.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
4. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er und seine Familie aufgrund ihrer christlichen religiösen Orientierung und wegen der illegalen Verbreitung "religiöser Literatur" durch das DVD/CD-Geschäft in Afghanistan verfolgt sei.
5. Das Bundesamt legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom XXXX vor.
6. Mit Schreiben vom XXXX reichte das Bundesamt eine Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer nach.
7. Mit Schriftsatz vom XXXX legte der Beschwerdeführer Zeugnisse und einen Lehrvertrag vor.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Das Bundesamt hatte auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.
9. Mit Parteiengehör vom XXXX wurde den Parteien das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 zur Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt.
10. Mit Schreiben vom XXXX erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme und führte zusammengefasst aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan insbesondere in Kabul und Ghazni volatil sei. Eine Rückkehr sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar und der Zugriff der Taliban unvermeidbar.
11. Mit Schreiben vom 13.02.2020 legte der Beschwerdeführer eine Mitteilung des Lehrverhältnisses vor. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese mit Schreiben vom 19.02.2020 an die belangte Behörde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX alias XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist ledig. Seine Muttersprache ist Dari.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni, Distrikt XXXX , geboren, wo er aufwuchs und bis zu seiner Ausreise im Jahr XXXX lebte.
Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan sechs Jahre die Grundschule. Er wuchs mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester im Haus seiner Familie auf. Die Familie des Beschwerdeführers lebte bis zum Frühjahr XXXX im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Seither lebt die Familie des Beschwerdeführers in Pakistan. Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet als Tagelöhner und erhält die Familie. Der Vater des Beschwerdeführers ist im Sommer XXXX in Pakistan verstorben. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist schlecht. Das Haus der Familie des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf wird derzeit von einem Onkel des Beschwerdeführers bewohnt. Das Geschäft des Vaters des Beschwerdeführers wurde verkauft. Drei Onkel väterlicherseits und drei Tanten mütterlicherseits leben nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter in Pakistan. Zu seinen restlichen Familienangehörigen, die in Afghanistan leben, hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt.
Der Beschwerdeführer verfügt über Berufserfahrung als Verkäufer im Geschäft seines Vaters und als Landarbeiter.
Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert und ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist gesund, anpassungs- und arbeitsfähig.
1.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am XXXX aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer hat bisher mehrere Deutschkurse (ÖSD Zertifikat A1, ÖSD Zertifikat A2) besucht. Er hat zudem einen Kurs für das Niveau B1 besucht, die Prüfung jedoch noch nicht bestanden. Der Beschwerdeführer kann sich im Alltag auf Deutsch gut verständigen und eine Unterhaltung führen.
Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr XXXX die Landesberufsschule XXXX und schloss das erste Schuljahr erfolgreich ab (Schulbesuchsbestätigung vom XXXX , Jahreszeugnis vom XXXX ). Das zweite Schuljahr der Berufsschule beginnt am XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über einen Lehrvertrag für den Lehrberuf Koch ab XXXX bis XXXX (Lehrvertrag vom XXXX mit ‚ XXXX , Beschäftigungsbewilligung des AMS XXXX vom XXXX ) und erhält hierfür von seinem Ausbildungsbetrieb eine Lehrlingsentschädigung von EUR 795,31 netto monatlich (Lohn/Gehaltsabrechnung September XXXX ). Der Beschwerdeführer ist seit XXXX von der Grundversorgung abgemeldet. Unterkunft und Verpflegung werden während der Lehre vom Ausbildungsbetrieb des Beschwerdeführers bereitgestellt (Empfehlungsschreiben des Dienstgebers vom XXXX ).
Der Beschwerdeführer möchte nach der Ausbildung zum Koch die Matura nachholen.
Der Beschwerdeführer spielt in seiner Freizeit Fußball. Er ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer anderen Gemeinschaftseinrichtung. Der Beschwerdeführer ist nicht ehrenamtlich tätig.
Der Beschwerdeführer hat einige österreichische Freunde in Österreich (Empfehlungsschreiben XXXX vom XXXX ). Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten.
Der Beschwerdeführer ist unbescholten (Strafregisterauszug vom XXXX).
1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der des Beschwerdeführers hat in seinem Geschäft keine CDs/DVDs mit christlichen Inhalten verkauft. Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aufgrund der Tatsache, dass sein Vater in seinem Heimatdorf ein Geschäft für den Verkauf von CDs/DVDs betrieben hat, keine Gefahr der Verfolgung und/oder der physischen oder psychischen Gewalt durch andere Dorfbewohner, staatliche Einrichtungen oder sonstige Personen. Dem Beschwerdeführer und seiner Familie wurde in ihrem Heimatdorf keine Konversion zum Christentum unterstellt. Der Beschwerdeführer und seine Familie wurden nicht geschlagen und nicht von einem Dorfgericht verurteilt.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan nicht aufgrund von Drohungen konkret gegen ihn und/oder seine Familie verlassen. Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan keine Gefahr der physischen oder psychischen Gewalt wegen unterstellter Konversion zum Christentum oder aufgrund des tatsächlichen oder auch nur unterstellten Abfalls vom Islam oder aus anderen Gründen. Die Bewohner des Dorfes des Beschwerdeführers sind nicht in der Lage, den Beschwerdeführer außerhalb seiner Heimatprovinz und insbesondere in anderen Großstädten Afghanistans ausfindig zu machen.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten und/oder zur Volksgruppe der Hazara keine konkret und individuell gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan sind nicht allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist nicht aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt. Rückkehrer aus Europa sind aufgrund dieser Tatsache in Afghanistan nicht generell der Gefahr der physischen oder psychischen Gewalt ausgesetzt.
1.4. Zu einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
In den Städten Mazar-e Sharif und Herat droht dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Der Beschwerdeführer kann die Städte Mazar-e Sharif und Herat sicher mit dem Flugzeug erreichen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, sich eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer kann sich in Mazar-e Sharif oder Herat niederlassen und sich eine Existenz aufbauen, die mit jener andere vor Ort ansässiger Personen vergleichbar ist. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan
1.5.1. Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB 13.11.2019, S. 12). Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 - im Folgenden "LIB 13.11.2019", S. 13).
1.5.2. Allgemeine Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil, nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (LIB 13.11.2019, S. 18). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (LIB 13.11.2019, S. 18-19).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten. Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 13.11.2019, S. 23)
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (LIB 13.11.2019, S. 25).
1.5.3. Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).
Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel (LIB 13.11.2019, S. 26).
In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren, wobei der Begriff Zwangsrekrutierung von Quellen unterschiedlich interpretiert und Informationen zur Rekrutierung unterschiedlich kategorisiert werden. Landinfo versteht Zwang im Zusammenhang mit Rekrutierung dahingehend, dass jemand, der sich einer Mobilisierung widersetzt, speziellen Zwangsmaßnahmen und Übergriffen (zumeist körperlicher Bestrafung) durch den Rekrutierer ausgesetzt ist. Die Zwangsmaßnahmen können auch andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen. Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Druck und Zwang, den Taliban beizutreten, sind jedoch nicht immer gewalttätig (LIB 13.11.2019, S. 261).
1.5.4. Ghazni
Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans und grenzt an die Provinzen Bamyan und Wardak im Norden, Logar, Paktya und Paktika im Osten, Zabul im Süden und Uruzgan und Daykundi im Westen. Die Provinz ist in 19 Distrikte unterteilt: die Provinzhauptstadt Ghazni-Stadt sowie den Distrikte Ab Band, Ajristan, Andar (auch Shelgar genannt), De Hyak, Gelan, Giro, Jaghatu, Jaghuri, Khwaja Omari, Malistan, Muqur, Nawa, Nawur, Qara Bagh, Rashidan, Waghaz, Wali Muhammad Shahid (Khugyani) und Zanakhan. Nach Schätzungen der CSO für den Zeitraum 2019-20 leben 1.338.597 Menschen in Ghazni. Die Provinz wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt. Fast die Hälfte der Bevölkerung von Ghazni sind Paschtunen, etwas weniger als die Hälfte sind Hazara und rund 5% sind Tadschiken (LIB 13.11.2019, S. 87).
Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, welche die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet und auch die Straße zu Paktikas Hauptstadt Sharan zweigt in der Stadt Ghazni von der Ring Road ab, die Straße nach Paktyas Hauptstadt Gardez dagegen etwas nördlich der Stadt. Die Kontrolle über Ghazni ist daher von strategischer Bedeutung. Einem Bericht vom Dezember 2018 zufolge steht die Ghazni-Paktika-Autobahn unter Taliban-Kontrolle und ist für Zivil- und Regierungsfahrzeuge gesperrt, wobei die Aufständischen weiterhin Druck auf die Kabul-Kandahar-Autobahn ausüben, bzw. Straßenkontrollen durchführen. Im Mai 2019 war die Ghazni-Paktika-Autobahn seit einem Jahr geschlossen. Auch die Ghazni-Paktia-Autobahn war Anfang März 2019 trotz einer 20-tägigen Militäroperation gegen die Taliban immer noch gesperrt. Im Mai 2019 führten die Regierungskräfte an den Rändern von Ghazni-Stadt Räumungsoperationen zur Befreiung der Verkehrswege durch. Die Kontrolle über die Straße nach Gardez, der Provinzhauptstadt von Paktia ist bedeutsam für die Verteidigung von Ghazni, da sich die Militärbasis des für die Provinz zuständigen Corps dort befindet (LIB 13.11.2019, S. 87-88).
Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben (LIB 13.11.2019, S. 88).
Aufgrund der Präsenz von Taliban-Aufständischen in manchen Regionen der Provinz, gilt Ghazni als relativ unruhig, so standen beispielsweise Ende 2018, einem Bericht zufolge, acht Distrikte der Provinz unter Kontrolle der Taliban gestanden haben, fünf weitere Distrikte waren stark umkämpft. Dem Innenminister zufolge, hat sich die Sicherheitslage in der Provinz verschlechtert und die Taliban erlitten bei jüngsten Zusammenstößen schwere Verluste (LIB 13.11.2019, S. 88).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) in Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 84% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Kämpfe, gefolgt von Luftangriffen und gezielten oder vorsätzlichen Morden. Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA Ghazni mit insgesamt 186 zivilen Opfern (77 Tote, 109 Verletzte) zu den fünf Provinzen mit den größten Auswirkungen des Konflikts auf Zivilisten in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 90).
Einem UN-Bericht zufolge, war Ghazni neben Helmand und Farah zwischen Februar und Juni 2019 eines der aktivsten Konfliktgebiete Afghanistans. Mehr als die Hälfte aller Luftangriffe fanden in diesem Zeitraum in den Provinzen Helmand und Ghazni statt. Anfang April 2019 beschloss die Regierung die "Operation Khalid", welche unter anderem auf Ghazni fokussiert. Auch die Winteroperationen 2018/2019 der ANDSF konzentrierten sich unter anderem auf diese Provinz. In der Provinz kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen; ebenso werden Luftangriffe in der Provinz durchgeführt. Bei manchen militärischen Operationen werden beispielsweise Taliban getötet. Außerdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 90).
1.5.5. Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (LIB 13.11.2019, S. 61).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den
7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (LIB 13.11.2019, S. 62).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (LIB 13.11.2019, S. 63).
Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert. Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (LIB 13.11.2019, S. 63).
1.5.6. Herat
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden. Herat ist in 16 Distrikte unterteilt. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt. Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (LIB 13.11.2019, S. 105).
Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (LIB 13.11.2019, S. 107).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden. Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 106).
Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (LIB 13.11.2019, S. 106).
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet:
Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (LIB 13.11.2019, S. 106).
Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (LIB 13.11.2019, S. 106-107). 2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (LIB 13.11.2019, S. 107).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 108).
In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen. Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 108). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 109). Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (LIB 13.11.2019, S. 109).
1.5.7. Wirtschaft und Versorgungslage in den Städten Herat und Mazar-e Sharif
1.5.7.1. Zu Herat
Der Einschätzung einer in Afghanistan tätigen internationalen NGO zufolge gehört Herat zu den "bessergestellten" und "sichereren Provinzen" Afghanistans und weist historisch im Vergleich mit anderen Teilen des Landes wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Aufgrund der sehr jungen Bevölkerung ist der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter in Herat - wie auch in anderen afghanischen Städten - vergleichsweise klein. Erwerbstätige müssen also eine große Anzahl an von ihnen abhängigen Personen versorgen. Hinzu kommt, dass die Hälfte der arbeitstätigen Bevölkerung in Herat Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind (LIB 13.11.2019, S. 336).
Die Herater Wirtschaft bietet seit langem Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt. Manche alten Handwerksberufe (Teppichknüpfereien, Glasbläsereien, die Herstellung von Stickereien) haben es geschafft zu überleben, während sich auch bestimmte moderne Industrien entwickelt haben (z.B. Lebensmittelverarbeitung und Verpackung). Die meisten der in KMUs Beschäftigten sind entweder Tagelöhner oder kleine Unternehmer. Die Arbeitsplätze sind allerdings von der volatilen Sicherheitslage bedroht (insbesondere Entführungen von Geschäftsleuten oder deren Angehörigen durch kriminelle Netzwerke, im stillen Einverständnis mit der Polizei). Als weitere Probleme werden Stromknappheit, bzw. -ausfälle, Schwierigkeiten, mit iranischen oder anderen ausländischen Importen zu konkurrieren und eine steigende Arbeitslosigkeit genannt (LIB 13.11.2019, S. 336).
Laut Prognose des FEWS befindet sich Herat im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in der zweithöchsten Stufe (Phase 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.).
1.5.7.2. Zu Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (LIB 13.11.2019, S. 336). Laut Prognose des FEWS befindet sich Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 in Phase 1 des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung und im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 (stressed). In Phase 1, auch "minimal" genannt, sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019,
3.1.)
1.5.8. Dürre und Überschwemmungen
Während der Wintersaat von Dezember 2017 bis Februar 2018 gab es in Afghanistan eine ausgedehnte Zeit der Trockenheit. Dies verschlechterte die Situation für die von Lebensmittelunsicherheit geprägte Bevölkerung weiter und hatte zerstörerische Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen, was wiederum zu Binnenflucht führte und es den Binnenvertriebenen mittelfristig erschwert, sich wirtschaftlich zu erholen sowie die Grundbedürfnisse selbständig zu decken (LIB 13.11.2019, S. 337).
Günstige Regenfälle im Frühling und beinahe normale Temperaturen haben 2019 die Weidebedingungen wieder verbessert. Da sich viele Haushalte noch von der Dürre des Jahres 2018 erholen müssen, gilt die Ernährungslage für viele Haushalte im Zeitraum 10.2019-1.2020, weiterhin als "angespannt" bis "krisenhaft". Es wird erwartet, dass viele Haushalte vor allem in den höher gelegenen Regionen ihre Vorräte vor dem Winter aufbrauchen werden und bei begrenztem Einkommen und Zugang auf Märkte angewiesen sein werden (LIB 13.11.2019, S. 337).
Im März 2019 fanden in Afghanistan Überschwemmungen statt, welche Schätzungen zufolge, Auswirkungen auf mehr als 120.000 Personen in 14 Provinzen hatten. Sturzfluten Ende März 2019 hatten insbesondere für die Bevölkerung in den Provinzen Balkh und Herat schlimme Auswirkungen (WHO 3.2019). Unter anderem waren von den Überschwemmungen auch Menschen betroffen, die zuvor von der Dürre vertrieben wurden (LIB 13.11.2019, S. 337).
Der Jahresbericht 2018 des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) nennt eine Zahl von rund 371.000 neuen IDPs aufgrund der Dürre in Afghanistan im Jahr 2018. Durch die Dürre wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2018 mehr als 260.000 Menschen aus den Provinzen Badghis, Daikundi, Herat und Ghor zu IDPs, zahlreiche Menschen verließen auch ihre Heimatprovinzen Jawzjan und Farah. Die meisten von ihnen kamen in Lager in den Städten Herat oder Qala-e-Naw (Badghis). Die Lager werden täglich mit Wasser und Lebensmitteln beliefert und es werden Zelte, Notunterkünfte, Hygiene-, Gesundheits- und Nahrungsdienste zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2018 sind im Westen Afghanistans aufgrund der Dürre ca. 19 Siedlungen für Binnenvertriebene entstanden, der Großteil davon ca. 20-25 km von Herat-Stadt entfernt. Vertriebene Personen siedelten sich hauptsächlich in Stadtrandgebieten an, um sich in der Stadt Zugang zu Dienstleistungen (die in den Siedlungen, welche grundsätzlich auf leeren Feldern entstanden, nicht vorhanden sind) und dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. In der Stadt kam es zu Demonstrationen von Bewohnern, welche die Binnenvertriebenen bezichtigten, ihnen die Arbeitsplätze wegzunehmen. Das gestiegene Angebot an billigen Arbeitskräften drückte den Tageslohn von 6-8 USD auf 2-3 USD (LIB 13.11.2019, S. 330-331).
1.5.9. Erreichbarkeit von Städten
Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (LIB 13.11.2019, S. 229). Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt. Die afghanische Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts. Sie verbindet außerdem Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 230-231).
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (LIB 13.11.2019, S. 236).
Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. Mehrere internationale Airlines fliegen nach Kabul (LIB 13.11.2019, S. 237).
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet. Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif:
Turkish Airlines aus Istanbul. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (LIB 13.11.2019, S. 237).
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (LIB 13.11.2019, S. 238).
1.5.10. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).
1.5.11. Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).
1.5.12. Sicherheitsbehörden
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, S. 249).
1.5.13. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Außerdem wurde Afghanistan für den Zeitraum 2018-2020 erstmals zum Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen gewählt. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert. Die afghanische Regierung ist jedoch nicht in der Lage, die Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, S. 264).
Die afghanische Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle, speziell in den städtischen Regionen, wo tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportvereinigungen mit wenig Einschränkung durch Behörden tätig sind (LIB 13.11.2019, S. 256). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 257).
1.5.14. Religionsfreiheit
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus; in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist. Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie. Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (LIB 13.11.2019, S. 277).
Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen. Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist, sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (LIB 13.11.2019, S. 277).
Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung. Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (LIB 13.11.2019, S. 278).
1.5.15. Schiiten
Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt. Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Gemeindeleitern sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (LIB 13.11.2019, S. 279).
Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (LIB 13.11.2019, S. 279-280). Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 280).
1.5.16. Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt; Jahrzehntelange Kriege und schwierige Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen sowie in Kabul (LIB 13.11.2019, S. 290-291). Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild (LIB 13.11.2019, S. 290).
Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB 13.11.2019, S. 290).
Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, was im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter steht. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Berichten zufolge halten Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - an (LIB 13.11.2019, S. 291).
Während des Jahres 2018 intensivierte der IS Angriffe gegen die Hazara. Angriffe gegen Schiiten, davon vorwiegend gegen Hazara, forderten im Zeitraum 1.1.2018 bis 30.9.2018 211 Todesopfer. Das von schiitischen Hazara bewohnte Gebiet Dasht-e Barchi in Westkabul ist immer wieder Ziel von Angriffen. Die Regierung hat Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte verlautbart. Angriffe werden auch als Vergeltung gegen mutmaßliche schiitische Unterstützung der iranischen Aktivitäten in Syrien durchgeführt (LIB 13.11.2019, S. 291).
In Randgebieten des Hazaradjat kommt es immer wieder zu Spannungen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Nomaden und sesshaften Landwirten, oftmals Hazara (LIB 13.11.2019, S. 291).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert. NGOs berichten, dass Polizeibeamte, die der Hazara-Gemeinschaft angehören, öfter als andere Ethnien in unsicheren Gebieten eingesetzt werden oder im Innenministerium an symbolische Positionen ohne Kompetenzen befördert werden (LIB 13.11.2019, S. 291).
1.5.17. Christentum und Konversion zum Christentum
Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden. USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen. Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (LIB 13.11.2019, S. 281).
Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger.
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen. Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (LIB 13.11.2019, S. 281).
Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden.
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt. Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul. Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (LIB 13.11.2019, S. 281-282).
Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie. Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren. Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv; bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet. Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (LIB 13.11.2019, S. 282).
Personen, die sich nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum beteiligen, werden nicht notwendigerweise als ungläubig angesehen. Personen im städtischen Raum ist es möglich, auf Moscheebesuche oder das Fasten während des Ramadan zu verzichten. Solche abweichenden Verhaltensweisen werden im städtischen Raum und in gebildeten Milieus eher geduldet als im ländlichen Raum (Accord Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen,
3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa (jeweilige rechtliche Lage, staatliche und gesellschaftliche Behandlung, Diskriminierung, staatlicher bzw. rechtlicher Schutz bzw. Schutz durch internationale Organisationen, regionale Unterschiede, Möglichkeiten zur Ausübung des christlichen Glaubens, Veränderungen hinsichtlich der Lage der christlichen Gemeinschaft) [a-10159] vom 01.07.2019).
1.5.18. IDPs und Flüchtlinge
Im Jahresverlauf 2018 verstärkten sich Migrationsbewegungen innerhalb des Landes aufgrund des bewaffneten Konfliktes und einer historischen Dürre. UNHCR berichtet für das gesamte Jahr 2018 von ca. 350.000-372.000 Personen, die aufgrund des bewaffneten Konfliktes zu Binnenvertriebenen (IDPs, internally displaced persons) wurden (LIB 13.11.2019, S. 329).
Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz (LIB 13.11.2019, S. 330).
Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (LIB 13.11.2019, S. 330).
Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und zeitnahen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft (LIB 13.11.2019, S. 330).
IDPs sind in den Möglichkeiten eingeschränkt, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Oft kommt es nach der ersten Binnenvertreibung zu einer weiteren Binnenwanderung. Mehr als 80% der Binnenvertriebenen benötigen Nahrungsmittelhilfe. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten, grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen (LIB 13.11.2019, S. 330).
Die afghanische Regierung kooperiert mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung bezüglich vulnerabler Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen (LIB 13.11.2019, S. 330).
1.5.19. Grundversorgung und Wirtschaft
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt (LIB 13.11.2019, S. 333). Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant (LIB 13.11.2019, S. 333). Die afghanische Wirtschaft ist stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB 13.11.2019, S. 333).
Letzten Schätzungen zufolge sind 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos - Frauen und Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Schätzungen zufolge sind 877.000 Jugendliche arbeitslos; zwei Drittel von ihnen sind junge Männer (LIB 13.11.2019, S. 334). Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, Seite 29-31).
Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Eine Quelle betont jedoch die Wichtigkeit von Netzwerken, ohne die es nicht möglich sei, einen Job zu finden. Bei Ausschreibung einer Stelle in einem Unternehmen gibt es in der Regel eine sehr hohe Anzahl an Bewerbungen und durch persönliche Kontakte und Empfehlungen wird mitunter Einfluss und Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt. Eine im Jahr 2012 von der ILO durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen. Analysen der norwegischen COI-Einheit Landinfo zufolge, gibt es keine Hinweise darüber, dass sich die Situation seit 2012 geändert hätte (LIB 13.11.2019, S. 334).
In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Ministerium für Arbeit und Soziale Belange (MoLSAMD) und der NGO ACBAR angeboten; dabei soll der persönliche Lebenslauf zur Beratung mitgebracht werden. Auch Rückkehrende haben dazu Zugang - als Voraussetzung gilt hierfür die afghanische Staatsbürgerschaft (LIB 13.11.2019, S. 334-335).
Es existiert ein funktionierendes Band- und Finanzwesen, Geldaustausch ist zudem über ein informelles, aber funktionierendes Hawala-System möglich (LIB 13.11.2019, S. 338-339).
1.5.20. Armut und Lebensmittelsicherheit
Einer Befragung aus dem Jahr 2016/2017 an rund 155.000 Personen zufolge (Afghan Living Condition Survey - ALCS), sind rund 45% oder 13 Millionen Menschen in Afghanistan von anhaltender oder vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen, wobei der Anteil der Betroffenen im Osten, Norden und Nordosten am höchsten ist. Gegenüber dem Zeitraum 2011-12 ist ihr Anteil bei einem Ausgangsniveau von 30% um 15 Prozentpunkte gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 337).
Im Zeitraum 2016-17 lebten dem ALCS zufolge 54,5% der Afghanen unter der Armutsgrenze. Im ländlichen Raum war der Anteil an Bewohnern unter der Armutsgrenze mit 58,6% höher als im städtischen Bereich (41,6%). Schätzungen zufolge, ist beispielsweise der Anteil der Bewohner unter der Armutsgrenze in Kabul Stadt und Herat-Stadt bei rund 34-35%. Rund 1,1 Millionen Bewohner von Kabul-Stadt leben unter der Armutsgrenze. In Herat-Stadt beträgt ihre Anzahl rund 327.000 (LIB 13.11.2019, S. 337-338).
Der afghanische Staat gewährt seinen Bürgern kostenfreie Bildung und Gesundheitsleistungen, darüber hinaus sind keine Sozialleistungen vorgesehen. Ein Sozialversicherungs- oder Pensionssystem gibt es, von einigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Armee und Polizei), nicht. Es gibt kein öffentliches Krankenversicherungssystem. Ein eingeschränktes Angebot an privaten Krankenversicherungen existiert, jedoch sind die Gebühren für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung zu hoch (LIB 13.11.2019, S. 341).
1.5.21. Medizinische Versorgung
Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger/innen zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger/innen haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt
Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren (LIB 13.11.2019, S. 345). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).
1.5.22. Rückkehr
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).
Rückkehrer haben zu Beginn meist positive Reintegrationserfahrungen, insbesondere durch die Wiedervereinigung mit der Familie. Jedoch ist der Reintegrationsprozess der Rückkehrer oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen (LIB 13.11.2019, S. 354).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. UNHCR beklagt zudem, dass sich viele Rückkehrer in Gebieten befinden, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. UNHCR verzeichnete jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem deutschen Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. UNHCR berichtet von Fällen zwangsrückgeführter Personen aus Europa, die von religiösen Extremisten bezichtigt werden, verwestlicht zu sein; viele werden der Spionage verdächtigt. Auch glaubt man, Rückkehrer aus Europa wären reich und sie würden die Gastgebergemeinschaft ausnutzen. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).
Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung, vulnerable Personen einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran zu unterstützen, bleibt begrenzt und ist weiterhin von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft abhängig. Moscheen unterstützen in der Regel nur besonders vulnerable Personen und für eine begrenzte Zeit. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch. Deshalb versuchen sie in der Regel, so bald wie möglich wieder in den Iran zurückzukehren (LIB 13.11.2019, S. 355).
Viele Rückkehrer, die wieder in Afghanistan sind, werden de-facto IDPs, weil die Konfliktsituation sowie das Fehlen an gemeinschaftlichen Netzwerken sie daran hindert, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Trotz offenem Werben für Rückkehr sind essentielle Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheit in den grenznahen Provinzen nicht auf einen Massenzuzug vorbereitet. Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).
Die Regierung Afghanistans bemüht sich gemeinsam mit internationalen Unterstützern, Land an Rückkehrer zu vergeben. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an (LIB 13.11.2019, S. 356-357).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).
IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro sowie Informationen, etwa über Hotels. Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können, je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden. Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt (LIB 13.11.2019, S. 358).
1.5.23. Wohnungen
In Kabul und im Umland sowie in anderen Städten steht eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Private Immobilienhändler in den Städten bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser und Wohnungen an. Die Miete für eine Wohnung liegt zwischen 300 USD und 500 USD. Die Lebenshaltungskosten pro Monat belaufen sich auf bis zu 400 USD (Stand 2018), für jemanden mit gehobenem Lebensstandard. Diese Preise gelten für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul, wo Einrichtungen und Dienstleistungen wie Sicherheit, Wasserversorgung, Schulen, Kliniken und Elektrizität verfügbar sind. In ländlichen Gebieten können sowohl die Mietkosten, als auch die Lebenshaltungskosten um mehr als 50% sinken. Betriebs- und Nebenkosten wie Wasser und Strom kosten in der Regel nicht mehr als 40 USD pro Monat. Abhängig vom Verbrauch können die Kosten allerdings höher sein (LIB 13.11.2019, S. 359). Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, Seite 29-31).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in
den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der
mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt
genommenen und in das Verfahren eingebrachten Unterlagen
(Aufgelistet in der Ladung zur mündlichen Verhandlung am XXXX = OZ
7, Verhandlungsschrift vom XXXX = OZ 10, Parteiengehör zum neuen LIB
vom XXXX = OZ 12).
2.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich
Die Feststellungen beruhen auf den in Klammer angeführten Beweisen. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation, seine Schulbildung und Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben (BFA-Akt, AS 1-7; AS 213-216; Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom XXXX = OZ 10, S. 6-9). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung, dass die Familie des Beschwerdeführers bis zum Frühjahr XXXX im Heimatdorf des Beschwerdeführers lebte und dann nach Pakistan übersiedelte, beruht auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 8). Dass der Vater des Beschwerdeführers im Sommer XXXX verstorben ist, ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 10, S. 8). Die Feststellung zur wirtschaftlichen Lage der Familie des Beschwerdeführers in Pakistan basiert ebenfalls aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 10, S. 8-9). Dass drei Onkeln und drei Tanten des Beschwerdeführers nach wie vor im Heimatdorf leben und ein Onkel des Beschwerdeführers derzeit das Haus der Familie des Beschwerdeführers bewohnt, ergibt sich aus der Darstellung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 8 und S. 9). Die Feststellungen, zu welchen Familienangehörigen der Beschwerdeführer in Kontakt steht, ergibt sich aus den diesbezüglichen Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 10, S. 8 und S. 9).
Die Feststellungen zu der bisherigen Berufserfahrung des Beschwerdeführers in Afghanistan basieren auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht (BFA-Akt, AS 216; OZ 10, S. 7).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (BFA-Akt, AS 212; OZ 10, S. 15).
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 13-15), sowie auf die vorgelegten Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben.
Dass der Beschwerdeführer derzeit eine Lehre zum Koch macht, die Berufsschule besucht sowie die Feststellung zu seinem Einkommen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie aus diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (Lohn/Gehaltsabrechnung vom September XXXX , Empfehlungsschreiben des Dienstgebers vom XXXX , Lehrvertrag vom XXXX ). Dass er vorhat, die Matura nachzuholen basiert auf der Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 14).
Dass der Beschwerdeführer viele österreichische Freunde in Österreich hat, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 10, S. 15), sowie aus dem vorgelegten Empfehlungsschreiben (Empfehlungsschreiben XXXX vom XXXX).
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, weil der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen verstanden und beantwortet hat (OZ 10, S. 14).
Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungs- und insbesondere arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 10, S. 14).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom XXXX ).
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
2.2.1. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers konnte aus den folgenden Gründen nicht festgestellt werden:
Bei der Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass dieser im Zeitpunkt seiner Antragstellung am XXXX und der Erstbefragung am XXXX minderjährig war. Die Minderjährigkeit ist ausgehend von den im gesamten Verfahren verwendeten Geburtsdatum mit XXXX bzw. den vom Beschwerdeführer vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht angegebenen Geburtsdaten XXXX und XXXX (= XXXX ) vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdaten mit XXXX alias XXXX (BFA-Akt, AS 1; AS 213; OZ 10, S. 6) anzunehmen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers ereigneten sich die von ihm vorgebrachten Bedrohungen Ende September XXXX . Nach diesen Angaben war der Beschwerdeführer somit zu dem Zeitpunkt der vorgebrachten Bedrohungen ca. XXXX bzw. XXXX Jahre alt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers kann aufgrund seiner Minderjährigkeit bei der Erstbefragung somit nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich das erkennende Gericht bewusst ist, dass es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung, dies insbesondere im Hinblick auf die Schilderung der Fluchtgeschichte bedarf (etwa VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jegliche Angaben eines Minderjährigen als wahr anzusehen sind. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung am XXXX jedenfalls bereits XXXX Jahre alt war. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt war der Beschwerdeführer knapp volljährig. Es ist somit bei der Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers von den Wiedergabefähigkeiten eines normal entwickelten XXXX -jährigen bzw. XXXX -jährigen Mannes auszugehen.
Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren (BFA-Akt, AS 11; AS 216-217; OZ 10, S. 10) angab, dass sein Vater in seinem Heimatdorf ein Geschäft betrieb, in welchem unter anderem CDs und DVDs verkauft wurden. Auf Basis dieser im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und in diesem Punkt widerspruchsfreien Angaben geht das Gericht davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers tatsächlich ein Geschäft zum Verkauf von DVDs und CDs und anderen Produkten betrieben hat.
Die darüberhinausgehenden vom Beschwerdeführer als fluchtauslösend vorgebrachten Ereignisse wiesen aber gravierende Widersprüche auf. So gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme beim Bundesamt an, dass die Dorfbewohner die Familie des Beschwerdeführers zunächst aufgefordert hätten, das Geschäft zu schließen, weil sie gedacht hätten, dass die Familie des Beschwerdeführers andere Menschen auffordern würde, Christen zu werden und dass die Familienangehörigen des Beschwerdeführers auch Christen geworden wären. Das Geschäft sei dann zugesperrt worden und die Dorfältesten hätten sich entschlossen, eine Jirga abzuhalten. Nach diesem Gespräch wären die Dorfältesten zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen und hätten die Familie des Beschwerdeführers aufgefordert, das Haus nicht mehr zu verlassen. Der Vater des Beschwerdeführers habe dann mit den Dorfältesten gestritten und der Beschwerdeführer und sein Vater seien geschlagen worden. Danach hätten die Dorfältesten entschieden, dass der Beschwerdeführer und seine Familie das Haus für drei Tage nicht verlassen dürfte (BFA-Akt, AS 216 bis 217). In der mündlichen Verhandlung schilderte Beschwerdeführer den Ablauf dieser Ereignisse hingegen so, dass die Dorfbewohner sich zusammengetan hätten und die Familie des Beschwerdeführers angezeigt hätten, dass sie Christen geworden wären. Dadurch sei das Geschäft geschlossen worden. Die Dorfbewohner hätten ein inoffizielles Gericht gebildet und den Beschwerdeführer und seine Familie dazu verurteilt, dass sie das Geschäft nicht weiterbetreiben dürften. Der Vater des Beschwerdeführers hätte sich verteidigt und die Bevölkerung des Dorfes habe den Beschwerdeführer und seine Familie drei Tage als Gefangene gehalten. Dann sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, sein Vater sei geschlagen worden (OZ 10, S. 10). Die Schilderungen des Beschwerdeführers waren somit im zentralen Ablauf widersprüchlich: Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass es zuerst ein Dorfgericht, dann Streit, dann drei Tage Gefangenschaft und dann nochmals ein Gespräch mit den Dorfältesten gegeben habe. In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer den Ablauf hingegen so, dass es zuerst ein Gericht gegeben habe, dann seien er und seine Familie verurteilt worden, dann wären sie drei Tage als Gefangene gehalten worden und dann sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Es wird nicht verkannt, dass die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse schon einige Jahre zurückliegen. Es ist aber davon auszugehen, dass jemand, der ein so einschneidendes Erlebnis wie eine Verurteilung durch ein inoffizielles Gericht der Dorfbewohner und eine dreitägige Gefangenschaft sowie Schläge auf ihn selbst und auf seinen Vater miterlebt hat, den Ablauf dieser Ereignisse zumindest in ihrer Reihenfolge einheitlich wiedergeben kann. Der Beschwerdeführer schilderte diese Abläufe aber vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung unterschiedlich. Es entstand der Eindruck, dass der Beschwerdeführer Ereignisse schilderte, die er nicht selbst erlebt hat, sondern eine erdachte Rahmengeschichte präsentierte.
Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ersucht wurde, die Sitzung des Dorfgerichtes detailliert zu schildern, gab der Beschwerdeführer mehrfach ausweichende und oberflächliche Antworten (OZ 7, S. 11). Näher befragt nach dem Inhalt des Gespräches mit den Dorfbewohnern gab der Beschwerdeführer an, der Ältestenrat wäre zu seiner Familie nach Hause gekommen. Der Beschwerdeführer führte dabei zunächst aus, dass er bei dem Gespräch auch anwesend gewesen sei, um gleich darauf zu schildern, dass er im Zimmer nebenan gewesen sei, seinen Vater habe schreien hören und dann ins Zimmer gegangen sei, um seinen Vater zu verteidigen (OZ 10, S. 11: R: Waren Sie bei diesem Gespräch dabei? BF: Ja, ich war auch zu Hause. R: Was wurde genau gesagt? BF: Sie haben alle behauptet, dass wir Christen geworden sind. Sie haben auch gemeint, dass wir deshalb verurteilt werden müssen. Sie haben auch sofort behauptet, dass das Geschäft geschlossen werden muss. In unserem Kulturkreis ist es so, dass ich als Jugendlicher bei diesem Gespräch nicht dabei sein darf, aber an diesem Tag war ich zu Hause. R: Was ist nach dem Gespräch passiert? BF: Mein Vater hat sich verteidigt und wurde
geschlagen ... Ich war in einem anderen Zimmer, aber ich habe meinen
Vater schreien gehört. Ich bin ins Zimmer gegangen und meinen Vater zu verteidigen, dann haben sie mich auch geschlagen.) Der Beschwerdeführer schilderte somit die Situation, in der er und sein Vater angeblich geschlagen worden wären, in der mündlichen Verhandlung dahingehend widersprüchlich, als er zwar angab bei dem Gespräch dabei gewesen sein, dann gleich darauf aber schilderte, dass er erst aus dem Nachbarzimmer gekommen sei. Auch beim Bundesamt schilderte er die Schläge durch die Dorfbewohner vollkommen oberflächlich und gab auch nicht an, sich im Nebenzimmer befunden zu haben (BFA-Akt, AS 216). Die Schilderungen des Beschwerdeführers zu den vorgebrachten fluchtauslösenden Ereignissen waren somit in wesentlichen Punkten vage und widersprüchlich.
Der Beschwerdeführer gab auch weder beim Bundesamt, noch in der mündlichen Verhandlung an, von einem Dorfbewohner persönlich bedroht worden zu sein (OZ 10, S. 12: R: Hat jemand der Weißbärtigen mal etwas zu Ihnen direkt gesagt? BF: Persönlich nicht, sie haben nur mit meinem Vater gesprochen. R: Was genau haben sie zu Ihrem Vater gesagt? Wissen Sie das noch? BF: Den Sinn der Sätze werde ich so weitergeben, erstens haben die Leuten das Verkaufen der CDs als Sünde bezeichnet und zweitens haben sie uns selbst als Christen bezeichnet. R: Gab es jemals eine Drohung gegen Ihre Familie? BF: Am Anfang nicht, aber als das Problem begonnen hat, sagten sie offen, dass wir verurteilt werden müssen. R: Wozu wären Sie verurteilt worden? BF: Solange ich dort war, ist praktisch nichts passiert, aber ich kann mir vorstellen, dass nachdem diese Leute uns verurteilt hätten, hätten sie auch das Recht gehabt zu uns nach Hause zu kommen, uns gefangen zuhalten, das wäre sicher möglich gewesen.).
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer schilderte, dass seine Familie sieben oder acht Monate vor der mündlichen Verhandlung nach Pakistan gezogen sei (OZ 10, S. 8). Als Grund für die Übersiedlung nach Pakistan verwies der Beschwerdeführer vage auf eine Anzeige von "den Leuten, die mit meinem Vater Probleme hatten". Im Rahmen der Befragung zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie nach seiner Ausreise weiterhin im Dorf lebte, und auch weiterhin CDs verkaufte. Die christlichen CDs sollten davon jedenfalls ausgenommen sein (OZ 10, S. 11: R: Hatte Ihre Familie nach Ihrer Ausreise noch Probleme im Dorf? BF: Wie ich durch den Kontakt von meiner Familie mitbekommen habe, hat mein Vater diesen Personen versprochen, nie mehr christliche CDs verkaufen und gebeten, die anderen CDs weiterverkaufen zu können, weil wir davon gelebt haben. Es sind aber zweimal pro Woche Personen gekommen, um zu prüfen, ob wir keine christlichen CDs verkaufen.).
Nach den Angaben des Beschwerdeführers war es seiner Familie somit möglich, auch nach seiner Ausreise weiterhin mehrere Jahre im Dorf zu leben. Dies ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Dezember XXXX nach Österreich eingereist ist und sich die von ihm geschilderten Ereignisse ca. 2 Monate vor seiner Einreise nach Österreich abgespielt hätten (BFA-Akt, AS 7). Daraus ergibt sich, dass die Familie des Beschwerdeführers nach den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Ereignissen annähernd XXXX Jahre weiterhin unbehelligt im Dorf leben und offenbar auch weiterhin CDs verkaufen konnten.
Das Gericht geht aufgrund der in wesentlichen Punkten widersprüchlichen und oberflächlichen Schilderungen des Beschwerdeführers davon aus, dass eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers oder seiner Familie aufgrund des Verkaufs von CDs mit christlichen Inhalten nicht stattgefunden hat. Da die Schilderungen des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen widersprüchlich und vage waren, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers im Sortiment seines Geschäfts keine CDs/DVDs mit christlichen Inhalten gehabt hat und dies somit auch nicht zu Anfeindungen führen konnte. Die Familie des Beschwerdeführers konnte nach den vom Beschwerdeführer als fluchtauslösend vorgebrachten Ereignissen mehrere Jahre unbehelligt in ihrem Dorf weiterleben und CDs verkaufen.
Da die vorgebrachten Anfeindungen der Familie des Beschwerdeführers nicht stattgefunden haben, droht dem Beschwerdeführer in seinem Heimatdorf oder an anderen Orten in Afghanistan auch keine Verfolgung aus Gründen einer auch nur unterstellten Konversion zum Christentum oder anderweitigen Apostasie oder aus anderen Gründen.
2.2.2. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde die Gefahr der Rekrutierung durch die Taliban ansprach (S. 5 der Beschwerde) ist dazu festzuhalten, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens und insbesondere in der mündlichen Verhandlung dazu keine konkreten Angaben machte. Auf die Frage was ihm konkret passieren würde, wenn er jetzt wieder in seinen Herkunftsort zurückkehren müsste, gab der Beschwerdeführer an: "Als erstes ist mein Vater verstorben und von meiner Familie ist niemand mehr dort. Ich habe Angst, geschlagen zu werden oder zufällig Opfer einer Explosion zu werden. Es ist sonnenklar, dass sie versuchen, auf die Hazaras mehr Druck auszuzüben." (OZ 10, S. 12). Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er, abgesehen von dem Verkauf von CDs mit christlichen Inhalten, keine weiteren Probleme in Afghanistan gehabt habe (OZ 10, S. 13). Den Länderinformationen, insbesondere der EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (S. 53 bis 54) ist zudem zu entnehmen, dass die Taliban keinen Mangel an freiwilligen Zuläufern haben und Zwangsrekrutierung nur in außergewöhnlichen Fällen anwenden. Mangels konkreter und glaubhafter Angaben des Beschwerdeführers zu tatsächlich stattgefundenen Rekrutierungsversuchen ist vor dem Hintergrund dieser Länderinformationen davon auszugehen, dass eine Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Beschwerdeführer nicht besteht.
Eine konkrete und individuelle Bedrohung und eine demensprechend bestehende reale Gefahr einer physischen oder psychischen Gewalt bei einer Rückkehr in Afghanistan konnte in Bezug auf den Beschwerdeführer somit nicht festgestellt werden. Das Gericht geht davon aus, dass eine solche Gefahr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht besteht.
2.2.3. Zur vorgebrachten Verfolgung des Beschwerdeführers auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als schiitischer Muslim:
Die Feststellungen, wonach dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara in seinem Herkunftsstaat keine konkret gegen ihn gerichtete psychische bzw. physische Gewalt droht, ergeben sich aus seinem lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 12).
Eine persönliche Bedrohung, weil er Hazara und Schiit sei, wurde jedoch von ihm weder in der Einvernahme vor dem Bundesamt, noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Dazu befragt führte er in der mündlichen Verhandlung allgemein aus, dass seine Familie und er persönlich keine Probleme aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gehabt hätten, aber die ganze Welt wisse, dass die Hazara ein Problem mit den Taliban hätten (OZ 10, S. 12). Eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara ist folglich nicht abzuleiten. Zum allgemeinen Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm würden aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara eventuell Übergriffe durch die Taliban drohen, ist zudem auszuführen, dass sich weder aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, noch aus den UNHCR-RICHTLINIEN vom 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-RL 2018, insbesondere Kapitel III., Pkt. 13 lit b), ergibt, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Es wird auch von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme berichtet. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen Übergriffen wurde allerdings nicht substantiiert dargetan.
Dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara konkret Übergriffe drohen, konnte daher nicht festgestellt werden.
2.2.4. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ihm drohe aufgrund eines von ihm angenommen westlichen Lebensstils eine persönliche konkrete individuelle Verfolgung in Afghanistan (OZ 10, S. 17), ist festzuhalten, dass keine besonderen, risikoerhöhenden Umstände vom Beschwerdeführer vorgebracht oder im Verfahren anderweitig hervorgekommen sind, die auf eine besondere, in Afghanistan potentiell auffällige Verwestlichung des Beschwerdeführers deuten lassen. Der Beschwerdeführer legte keine konkreten von ihm ausgeübten Verhaltensweisen dar, die im Fall einer Rückkehr risikoerhöhende Umstände darstellen würden.
Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre. Mangels Hinweise auf risikoerhöhende Umstände ist somit auf Basis der aktuellen Länderinformationen und der Feststellungen zur Lebensweise des Beschwerdeführers in Österreich nicht von einer risikorelevanten Verwestlichung des Beschwerdeführers auszugehen. Generell ist das Risiko einer Verfolgung aufgrund einer unterstellten verwestlichten Lebensweise für Männer nach den EASO Leitlinien 2019 als minimal einzustufen (EASO Leitlinien 2019, Seite 65).
2.2.5. Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.
2.3. Zur maßgeblichen Lage in Afghanistan
2.3.1. Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Lage in Afghanistan stellt sich im Hinblick auf die aktuellsten Länderberichte diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einsicht in aktuelle Berichte, wie in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in seiner aktuellen Fassung) versichert hat. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.
Bezüglich des Vorbringens der Gefahr der Zwangsrekrutierung und Verfolgung durch die Taliban (S. 5 der Beschwerde, S. 9 der Stellungnahme vom XXXX ) ist auf Pkt. 2.2.2. zu verweisen.
Wenn der Beschwerdeführer mit Verweis auf die UNCHR-Richtlinien darauf hinweist (S. 7 der Stellungnahme vom XXXX ), dass dem Beschwerdeführer aufgrund eines fehlenden sozialen Netzwerks, der prekären wirtschaftlichen Lage in Afghanistan sowie der volatilen Sicherheitslage keine Rückkehr möglich sei, ist auf die Ausführungen in Pkt. 2.3.3. und Pkt. 2.3.4. zu verweisen.
Soweit der Beschwerdeführer bezüglich der Sicherheitslage in Afghanistan landesweit auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 erstellt im Auftrag des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (im Folgenden "Stahlmann-Gutachten") verweist (S. 5 der Stellungnahme vom XXXX ), ist dazu Folgendes auszuführen:
Das Stahlmann-Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit geschlossen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht.
Die Einschätzung deckt sich auch nicht mit den in den Feststellungen zitierten Länderberichten. Diesen ist zu entnehmen, dass regionale Unterschiede sowie individuelle Umstände die jeweilige Person betreffend, wie z.B. ein soziales/familiäres Netzwerk, ihr Gesundheitszustand, ihre örtlichen und kulturellen Kenntnisse Afghanistans, bei der Einschätzung der individuellen Gefährdungslage einer Person zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund vermag das Bundesverwaltungsgericht der pauschalen Behauptung, es bestünde im gesamten Staatsgebiet Afghanistans die Gefahr, allein auf Grund der Anwesenheit einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, nicht zu folgen.
Auch den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 ist zu entnehmen, dass eine Rückkehr nach Afghanistan für alleinstehende, junge, gesunde Männer ohne besondere Vulnerabilität in urbane und semi-urbane Gebiete, die über die erforderliche Infrastruktur verfügen und unter Kontrolle der Regierung stehen, auch ohne familiäres Netzwerk möglich ist (UNHCR RL 2018, S. 125).
Da die Informationen des Länderinformationsblattes auf mehreren offengelegten und für die Verfahrensparteien nachprüfbaren Quellen beruhen, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Objektivität dieser Informationen zu zweifeln. Insbesondere weist das auch das vom Beschwerdeführer zitierte Stahlmann-Gutachten für das erkennende Gericht nicht denselben Beweiswert auf, wie die in den Feststellungen zitierten herangezogenen länderkundliche Informationen (LIB, UNHCR-Richtlinien, etc.), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen.
2.3.2. Die Feststellung zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz, Ghazni, ergeben sich aus den Länderberichten, wonach Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen des Landes zählt.
2.3.3. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten spezifisch zur Lage in der Provinz Balkh und der Stadt Mazar-e Sharif bzw. zur Provinz Herat und der Stadt Herat.
Zwar kommt es in der Provinz Balkh manchmal zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Insgesamt zählt Balkh zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (Feststellungen im LIB zu Balkh). Das Gericht geht auf Basis der in den Feststellungen zitierten Länderinformationen davon aus, dass die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif stabil ist, so dass dem Beschwerdeführer bei einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kein reales Risiko eines Eingriffes in seine körperliche Integrität droht.
Die Provinz Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In den EASO Leitlinien 2019 (EASO Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019) wird die Stadt Herat ebenfalls als eines der Gebiete aufgezählt, in denen das Ausmaß willkürlicher Gewalt nicht ein derart hohes Niveau erreicht, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen (EASO Leitlinien 2019, S. 29). Aus dem aktuellen LIB geht zudem hervor, dass die Stadt Herat als sicher gilt (LIB 13.11.2019, S. 106).
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom XXXX unter Zitierung des LIB vom 13.11.2019 vorbringt, dass die Zahl der zivilen Todesopfer in Afghanistan im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sei, ist anzumerken, dass auch in den Regionen Balkh und Herat die Zahl der zivilen Todesopfer angestiegen ist (s. LIB 13.11.2019, S. 63 und S. 108). Dennoch ist festzuhalten, dass die Städte Herat und Mazar-e Sharif, die nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes dem Beschwerdeführer als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen, als relativ stabil und sicher gelten. So zählt Herat-Stadt als "sehr sicher" (LIB 13.11.2019, S. 106). Auch die Provinz Balkh mit der Hauptstadt Mazar e-Sharif zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (LIB 13.11.2019, S. 62).
Die Grundversorgung ist in Afghanistan generell - und so auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat - grundlegend gesichert. Zwar ist die Situation, insbesondere in Herat, wegen der Zahl der Binnenvertriebenen und der Dürre im Jahr 2018 und der darauffolgenden Überflutungen angespannt. Der aktuellen Quellenlage ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung (mit Nahrungsmittel und Trinkwasser) in Mazar-e Sharif oder Herat generell nicht mehr gewährleistet oder das Gesundheitsversorgungssystem zusammengebrochen wäre. Aus den aktuellen "Ecoi.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und soziökonomische Lage in Herat und Masar-e Sharif vom 02.10.2019" ergibt sich außerdem, dass laut Prognose des FEWS Herat sich im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in der zweithöchsten Stufe (Phase 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung befindet. In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.). Laut Prognose des FEWS befindet sich Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 in Phase 1 und im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Phase 1, auch "minimal" genannt, sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.) Die Nahrungsmittelversorgung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat ist folglich zwar angespannt, aber auf einem Niveau, das eine grundsätzliche Versorgung mit den notwendigen Lebensmitteln zulässt.
2.3.4. Dass die Wohnraum-, Arbeitsmarkt- und Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in großen Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt. Aus den in den Feststellungen zitierten Länderberichten, insbesondere aus dem aktuellen LIB und dem EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018 geht aber hervor, dass es auf Grund der aktuellen Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt zwar schwierig, aber insbesondere im Bereich der Gelegenheitsarbeiten als Taglöhner auch ohne besondere Vorkenntnisse möglich ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und auf diese Weise ein Einkommen auf dem dort üblichen Niveau zu erzielen. Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten. Aus dem LIB geht insbesondere auch hervor, dass es verschiedene Angebote von NGOs gibt, die Rückkehrer bei einer Ansiedelung zu Anfangs finanziell und beratend unterstützen.
Bezüglich der Unterkunft besteht für den Beschwerdeführer in Herat oder Mazar-e Sharif ebenfalls die Möglichkeit, in einem Teehaus ("Tea House") zu wohnen, bis der Beschwerdeführer eine dauerhafte Unterkunft gefunden hat. Diese Möglichkeit besteht nach dem EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018, S. 31, in den großen Städten, somit auch in Mazar-e Sharif und Herat.
Nach den vorliegenden Länderberichten besteht Bedarf am Arbeitsmarkt überwiegend in Hinblick auf manuelle Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018). Es sind im Beweisverfahren keine Hinweise darauf hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Gesundheits- und Arbeitsfähigkeit nicht in der Lage sein sollte, sich mit Hilfsarbeiten entsprechend den dortigen Anforderungen ein ausreichendes Einkommen zu sichern.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, (AsylG) lautet auszugsweise:
Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
...
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
3.1.2. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan, in der Provinz Ghazni, geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise im Jahr XXXX . Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan keine Gefahr der Verfolgung und/oder der physischen oder psychischen Gewalt durch andere Dorfbewohner, staatliche Einrichtungen oder sonstige Personen droht. Dem Beschwerdeführer und seiner Familie wurde in ihrem Heimatdorf keine Konversion zum Christentum unterstellt. Der Beschwerdeführer und seine Familie wurden nicht geschlagen und nicht von einem Dorfgericht "verurteilt". Da der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall sich nicht ereignet hat, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Verfolgung oder Bedrohung durch andere Dorfbewohner, staatliche Einrichtungen oder die Taliban in Afghanistan. Es ist daher keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund gegeben.
3.1.3. Zur geltend gemachten Verfolgungsgefahr wegen Apostasie:
Wie festgestellt wurde, ist beim Beschwerdeführer ein innerer Entschluss zur Distanzierung vom Islam nicht festzustellen. Es sind, jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, nach den festgestellten allgemeinen Umständen keine Handlungen oder Maßnahmen gegen diesen wegen eines vermuteten "Abfalls vom Islam" zu prognostizieren. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer keine Verhaltensweisen verinnerlicht hat, die bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Glaubensabfall gewertet werden würden und dem Beschwerdeführer somit aus diesem Grund auch keine Gefahr einer Verfolgung droht. Ein konkret islamfeindliches Verhalten des Beschwerdeführers wurde nicht festgestellt.
Eine wohlbegründete Furcht aus Gründen der Religion bzw. der Apostasie liegt beim Beschwerdeführer daher nicht vor.
3.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten wurde nicht festgestellt.
In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und vor dem Hintergrund der in der Beschwerde getroffenen Ausführungen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Afghanistan auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder als Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Schiiten - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Auf ganz Afghanistan bezogen gibt es zwar Diskriminierungen von Hazara und durchaus sicherheitsrelevante Vorfälle, eine gezielte und auf die Gruppe der Hazara/Schiiten bezogene Verfolgung wird aber in den Länderquellen nicht angenommen. Auch die EASO Leitlinien 2018 halten dazu fest, dass allein die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara für sich genommen im Regelfall keine Gefahr der Verfolgung begründet (vgl. EASO Leitlinien 2018, Seite 61). Die diesbezüglichen Feststellungen stehen somit in Einklang mit den Informationen zu Hazara im LIB und decken sich mit der Risikoeinschätzung der EASO Leitlinien 2018. Aus der Aktualisierung der EASO Leitlinien mit Juni 2019 (EASO Country Guidance: Afghanistan Guidance Note and Common Analysis of June 2019) ergibt sich keine veränderte Einschätzung der generellen Situation der Hazara: Auch in den mit Juni 2019 aktualisierten EASO Leitlinien wird zur Situation der Hazara festgehalten, dass allein die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara im Allgemeinen nicht zu einem Risikolevel führt, welches für sich genommen bereits wohlbegründete Furcht vor Verfolgung begründet. Diese kann sich - vorbehaltlich der konkreten Umstände des Einzelfalles - im Zusammentreffen mit anderen Risikoprofilen ergeben, was im konkreten Fall nicht vorgebracht wurde und auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen ist (siehe die Ausführungen in der Beweiswürdigung).
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
3.1.5. Auch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund seines Aufenthaltes in Europa nunmehr als verwestlicht zu gelten und im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch aus diesem Grund einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, war keine asylrelevante Verfolgungsgefahr abzuleiten. Wie den Feststellungen und der korrespondierenden Beweiswürdigung zu entnehmen ist, konnte der Beschwerdeführer eine derartige europäische oder "westliche" Lebenseinstellung seiner Person, die zu einer Gefährdung führen könnte, nicht plausibel darlegen und es ist ihm damit nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung iSd GFK aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa im Zusammenhang mit einer "westlichen Wertehaltung" darzulegen. Aus den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen ist zudem nicht ersichtlich, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN). Insbesondere verneint der VwGH in seiner Judikatur auch eine Vergleichbarkeit solcher Sachverhalte mit seiner Judikatur zum "selbstbestimmten westlichen Lebensstil" von Frauen (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329).
3.1.6. Darüber hinaus ist auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" für Rückkehrer aus Europa vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar: So geht aus diesen - auf das Wesentliche zusammengefasst - zwar hervor, dass Rückkehrer Konflikten, Unsicherheiten und weitreichender Armut ausgesetzt sein können (wobei die Länderberichte hierbei auf Personen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, Bezug nehmen). Eine Verfolgung von "Rückkehrern" im Sinne der GFK kann darin nicht erkannt werden.
3.1.7. Hinweise, dass der Beschwerdeführer aus irgendwelchen anderen Gründen einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sein könnte, wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet und sind im Verfahren auch nicht in anderer Weise hervorgekommen.
3.1.8. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
3.1.9. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.2.1. § 8 AsylG lautet auszugsweise:
Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
...
Gemäß Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573).
Für die zur Prüfung der Notwendigkeit von subsidiärem Schutz erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei seiner Rückkehr abzustellen. Dies ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. EuGH 17.02.2009, C-465/07, Elgafaji; VfGH 13.09.2013, U370/2012; VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0029).
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, Ghazni, ist nach den Länderinformationen als relativ volatil einzustufen. Aus diesem Grund könnte eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in seine Heimatregion für ihn mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist.
3.2.2. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht.
§ 11 AsylG lautet:
Innerstaatliche Fluchtalternative
§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.
Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 AsylG auf eine andere Region des Landes aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden kann (VfGH 11.10.2012, U677/12).
Für die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative (im Folgenden auch "IFA") sind zwei getrennte und selbständige Voraussetzungen zu prüfen. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Daher scheidet das ins Auge gefasste Gebiet aus, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 EMRK widersprechen. Von dieser Frage ist getrennt zu beurteilen, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann, bzw. dass vom ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem betreffenden Gebiet niederzulassen (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
3.2.3. Die folgende Prüfung einer IFA für den Beschwerdeführer erfolgt anhand der kursiv wiedergegebenen Prüfkriterien des Leitfadens zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan der UNHCR-Österreich vom November 2018 (im Folgenden "UNHCR IFA Leitfaden"), soweit diese Kriterien für den Beschwerdeführer relevant sind. Der UNHCR IFA Leitfaden fasst die Kriterien der UNHCR RL 2018 für die Analyse, ob in einem Fall an einem bestimmten Ort eine IFA vorliegt zusammen. Inhaltlich erfolgt die Prüfung der IFA anhand der in den Feststellungen zitierten Länderinformationen.
- Gibt es einen bestimmten Ort, der für den Beschwerdeführer als IFA in Frage kommt?
Als IFA kommen die Städte Mazar-e-Sharif und Herat in Betracht.
- Steht das IFA-Gebiet unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Kräften?
Mazar-e-Sharif und Herat stehen nach den vorliegenden Länderinformationen nicht unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Kräften.
- Ist das IFA-Gebiet von aktiven Kampfhandlungen betroffen?
Mazar-e Sharif: Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Aus dem vorliegenden aktuellen Berichtsmaterial geht hervor, dass die Sicherheitslage in der Stadt Mazar-e Sharif nach wie vor als ausreichend gut zu bewerten ist.
Herat: Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Die Stadt Herat gilt als sehr sicher (LIB 13.11.2019, S. 106).
In den EASO Leitlinien 2019 (EASO Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019) werden die Städte Herat und Mazar-e Sharif als jene Gebiete aufgezählt, in denen das Ausmaß willkürlicher Gewalt nicht ein derart hohes Niveau erreicht, dass wesentliche Gründe zur Annahme vorliegen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen (EASO Leitlinien 2019, S. 29).
- Geht die ursprünglich befürchtete Verfolgung von einem nicht-staatlichen Akteur aus?
Die vorgebrachte Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatlichen Akteure wurde nicht festgestellt, weshalb dieser Punkt im gegenständlichen Fall nicht relevant ist.
- Ist die befürchtete Verfolgung das Resultat von schädlichen traditionellen Bräuchen oder religiösen Normen?
Dieses Prüfkriterium ist relevant für Frauen mit spezifischen Profilen oder im Fall des Verstoßes gegen soziale Normen und für den Beschwerdeführer nicht einschlägig.
- Droht im IFA-Gebiet eine neue Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden?
Mazar-e Sharif: Wie dargestellt, ist die Sicherheitslage in der Provinz Balkh und konkret in Mazar-e-Sharif derzeit als stabil und ruhig zu bezeichnen. Auf Basis der vorliegenden Staateninformationen ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Mazar-e-Sharif eine Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden droht.
Dabei wird nicht verkannt, dass nach vorliegenden Länderinformationen Terroranschläge insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, auch in Mazar-e-Sharif nicht auszuschließen sind. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in Mazar-e-Sharif verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Mazar-e-Sharif nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.
Herat: Wie festgestellt, wird Herat als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet und die Stadt Herat gilt als sicher. Es wird nicht verkannt, dass die Länderberichte in der Stadt Herat einen Anstieg von Kriminalität verzeichnen und dass in einigen Distrikten der Provinz Herat Talibanaktivitäten stattfinden. Auf Basis der vorliegenden Länderinformationen, insbesondere im Hinblick auf die EASO Leitlinien 2019 ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Herat eine neue Verfolgung oder ein anderer schwerer Schaden droht. Die Stadt Herat wird in den EASO Leitlinien 2019 als einer der Städte bzw. Provinzen angeführt, in denen willkürliche auf so niedrigem Niveau stattfindet, dass im Allgemeinen kein reales Risiko für eine Zivilperson besteht (EASO Leitlinien 2019, S. 29).
- Ist das IFA-Gebiet praktisch, sicher und auf legalem Weg zu erreichen?
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 13.11.2019, S. 237). Die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher, zumal aus den Länderinformationen nichts Gegenteiliges hervorgeht.
Herat hat einen Flughafen, der außerhalb der Stadt, ca. 10 km außerhalb der Stadt liegt und ist von Kabul aus auf diesem Weg sicher zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 238).
- Wie sind die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers?
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund, arbeits- und anpassungsfähig und ledig. Er besuchte in Afghanistan sechs Jahre die Grundschule. Er wuchs mit seinen Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester im Haus seiner Familie auf. Die Familie des Beschwerdeführers lebte bis zum Frühjahr XXXX im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Seither lebt die Familie des Beschwerdeführers in Pakistan. Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet als Tagelöhner und erhält die Familie. Der Vater des Beschwerdeführers ist im Sommer XXXX in Pakistan verstorben. Die wirtschaftliche Lage der Familie ist schlecht. Das Haus der Familie des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf wird derzeit von einem Onkel des Beschwerdeführers bewohnt. Das Geschäft des Vaters des Beschwerdeführers wurde verkauft. Drei Onkel väterlicherseits und drei Tanten mütterlicherseits leben nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter in Pakistan. Zu seinen restlichen Familienangehörigen, die in Afghanistan leben, hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer verfügt über Berufserfahrung als Verkäufer im Geschäft seines Vaters und als Landarbeiter. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vollkommen vertraut. Auf Grund dieser Erfahrungen ist vor dem Hintergrund der sonstigen Umstände des Beschwerdeführers (Gesundheit, Arbeitsfähigkeit) davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Neuansiedelung in Mazar-e-Sharif oder Herat in gleicher Weise wie andere Rückkehrer in der gleichen Situation zurechtfinden wird.
Der Beschwerdeführer gehört auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, dass sich der Beschwerdeführer bei Neuansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat häufig an den oben angegebenen - mit höherer Wahrscheinlichkeit von Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente betroffenen - Orten aufhalten wird.
- Wird der Beschwerdeführer im IFA-Gebiet auf Dauer in Sicherheit leben können?
Auf Grund der anhaltenden Stabilität in der Region Balkh und der dargestellten grundsätzlich ruhigen Sicherheitslage in Mazar-e-Sharif, sowie auch in der Stadt Herat, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e-Sharif oder Herat trotz der Schwankungen der allgemeinen Sicherheitslage auf Grund des bewaffneten Konflikts auch auf Dauer sicher wird leben können. Insbesondere sind beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände hervorgekommen, die gegen diese Einschätzung sprechen.
- Werden die grundlegenden Menschenrechte im IFA-Gebiet geachtet?
Es ergeben sich aus den Länderberichten keine Hinweise darauf, dass die grundlegenden Menschenrechte in Mazar-e Sharif oder Herat nicht geachtet werden.
- Kann der Beschwerdeführer im IFA-Gebiet wirtschaftlich überleben?
Da der Beschwerdeführer jung, gesund und arbeitsfähig ist, spricht nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif oder Herat durch Annahme von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Nach den vorliegenden Länderberichten besteht Bedarf am Arbeitsmarkt überwiegend in Hinblick auf manuelle Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke vom Januar 2018).
Insgesamt ist festzuhalten, dass die sozioökonomischen Rahmenbedingungen für einen Rückkehrer auch in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat schwierig sind. Der Zugang zu Grundversorgung, medizinischer Versorgung, Arbeits- und Wohnungsmarkt ist jedoch gegeben. Die Arbeitslosigkeit ist zwar hoch, jedoch wäre nach der festgestellten Berichtslage nicht erkennbar, dass ganz generell nicht die Grundlage bzw. (Lebens‑) Bedingungen an sich für die - in weiterer Folge, wie nachstehend auch erwogen, dann von weiteren persönlichen Umständen des Einzelnen abhängig - Existenzsicherung allgemein wie auch das Erreichen und Halten eines - auch der übrigen dortigen Bevölkerung entsprechenden - angemessenen Lebensstandards vorhanden wären (s. dazu auch EASO Leitlinien 2019, S. 34, LIB 13.11.2019, S. 353ff.).
- Hat der Beschwerdeführer Zugang zu einer Unterkunft?
Mazar-e Sharif: Die Wohnsituation in der Stadt Mazar-e-Sharif ist angespannt. Es stehen nach den Länderinformationen aber ausreichende (wenn auch einfache) Unterkünfte zur Verfügung. Insbesondere kann - wie dies Landinfo im EASO-Bericht Netzwerke Januar 2018 aufzeigte - anstelle einer ganzen Wohnung ein einzelnes (und damit gegenüber einem ganzen Apartment deutlich günstigeres) Zimmer gemietet werden, z. B. vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house"). Es ist zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden muss, dass eine einzelne Person eine ganze Wohnung für sich mieten müsste. So könnte auch eine Wohnung von mehreren Personen/Rückkehren, jedenfalls für eine Übergangszeit, geteilt werden, was die Mietkosten (erheblich) senken würde.
Herat: Da Stämme in Herat weniger Rolle spielen, ist es für Rückkehrer leichter, sich dort niederzulassen. Zudem besteht für den Beschwerdeführer auch in Herat die Möglichkeit vorübergehend in einem "Teehaus" ("tea house") zu wohnen (EASO Leitlinien 2019, S. 132-133).
- Ist grundlegende Versorgung und Infrastruktur verfügbar?
Auch wenn die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur eingeschränkt möglich ist, so ist die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Städten Mazar-e Sharif und Herat dennoch zumindest grundlegend gesichert.
Die grundsätzliche Versorgung mit Gütern wird nach den getroffenen, auf aktuellen Berichten beruhenden Feststellungen - s. dazu auch die Hinweise der UNHCR RL 2018 S. 111 - auch nicht durch eine im Jahr 2018 auch die Provinz Balkh betreffende Trockenperiode (Dürre) und die darauffolgenden Überschwemmungen abgeschnitten, zumal aufgrund dieser Ereignisse umfangreiche Hilfe durch NGOs zur Verfügung gestellt wurde bzw. wird (LIB 13.11.2019, S. 330-331).
Mazar-e Sharif: Laut Prognose des FEWS befindet sich Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 in Phase 1 des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung und im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 (stressed). In Phase 1, auch "minimal" genannt, sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI.net Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019,
3.1.)
Herat: Laut Prognose des FEWS befindet sich Herat im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in der zweithöchsten Stufe (Phase 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI.net
Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.).
Die Nahrungsmittelversorgung ist somit in der Stadt Herat schwieriger als in Mazar-e Sharif, jedoch trotz der angespannten Lage aufgrund der Dürre und Überflutungen im Jahr 2018 grundsätzlich sichergestellt und wie den aktuellen Länderinformationen zu entnehmen ist, laut Prognose des FEWS bis Januar 2020 grundsätzlich gewährleistet.
Sind Lebensgrundlagen bzw. erwiesene und nachhaltige Unterstützung vorhanden?
Der Beschwerdeführer kann sich - möglicherweise nach Anfangsschwierigkeiten - durch Annahme von Gelegenheitsarbeiten eine Lebensgrundlage schaffen. Es kamen im Verfahren keine Umstände hervor, die darauf schließen lassen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen, wie dies auch andere in Mazar-e Sharif oder Herat ansässige Personen tun können.
Der Beschwerdeführer kann nach den vorliegenden Länderinformationen sowohl staatliche als auch NGO-Hilfe für Rückkehrer nach Afghanistan in Anspruch nehmen und damit die Grundlage für sein weiteres Leben in Mazar-e Sharif oder Herat schaffen. Diese steht nach den in den Feststellungen zitierten Länderinformationen durch die afghanische Regierung sowie durch NGOs in Form von Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft sowie zur Verfügung.
- Besteht Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk?
Nach Angaben des Beschwerdeführers lebt seine Kernfamilie mittlerweile in Pakistan. Sein Vater ist im Sommer XXXX verstorben. Der Beschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seiner Mutter in Pakistan. Zu seinen restlichen Familienangehörigen, die in Afghanistan leben, hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Da die finanzielle Situation der Familie in Pakistan angespannt ist und auch nur seltener Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie in Pakistan besteht, ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auf ein Unterstützungsnetzwerk zurückgreifen kann.
Selbst wenn die Herkunftsfamilie den Beschwerdeführer nicht unterstützen kann, führt dies jedoch nicht zum Ausschluss einer IFA:
Den UNHCR RL 2018 (S. 110 englische Version, S. 123 deutsche Version) ist zu entnehmen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne besondere Vulnerabilität im erwerbsfähigen Alter sich auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten in zumutbarer Weise ansiedeln können, wenn eine notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung gegeben ist und das Gebiet unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (S. 125). Dies ist derzeit in Mazar-e Sharif und Herat der Fall. In den EASO Leitlinien 2019 (S. 36) wird ebenfalls festgehalten, dass, obwohl die Situation im Zusammenhang mit der Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat gewisse Härten mit sich bringt, eine IFA für alleinstehende, erwerbsfähige Männer unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände aber angemessen sein kann. Dies ist aufgrund der vorgenommenen Prüfung der individuellen Umstände des Beschwerdeführers bei ihm der Fall.
Somit steht dem Beschwerdeführer im Ergebnis eine IFA in Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung, auf die er entsprechend den Anforderungen der UNHCR RL 2018 sowie den Kriterien der EASO Leitlinien 2019 in zumutbarer Weise verwiesen werden kann. Unter Berücksichtigung der Länderberichte, der von UNHCR-Richtlinie und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif oder Herat in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Es liegen keine exzeptionellen Gründe vor, die einer Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat entgegenstehen würden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat möglich und auch zumutbar ist.
Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3. Zu den Spruchpunkten III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides - Kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017 (FPG) zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.
3.3.1. Prüfung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 AsylG
§ 57 Abs 1 AsylG lautet auszugsweise:
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3.2. Zur Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-Verfahrensgesetzt, BGBl. I Nr. 87/2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018 (BFA-VG) auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
3.3.3. Zum Familienleben des Beschwerdeführers
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Da der Beschwerdeführer über keine nahen Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK auszuschließen. Es ist daher zu prüfen, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen könnte.
3.3.4. Zum Privatleben des Beschwerdeführers
Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Im Erkenntnis vom 26. Juni 2007, Zl. 2007/01/0479, hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH vom 17. März 2005, VfSlg. 17.516, und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Fremdensachen - darauf hingewiesen, dass auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen ist, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 17. 2. 2007. 2006/01/0216). Eine lange Dauer des Asylverfahrens macht für sich allein keinesfalls von vornherein eine Ausweisung unzulässig (VwGH 2010/22/0094).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29. 9. 2007, B 1150/07; 12. 6. 2007, B 2126/06; VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/479; 26. 1. 20006, 2002/20/0423;
17. 12. 2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194;
Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354; 27.3.2007, 2005/21/0378), und stellt im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/10/0479, fest, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte".
Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw. bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw. die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.
Das bedeutet für den konkreten Fall:
Der Beschwerdeführer hält sich seit Dezember XXXX , sohin seit XXXX Jahren in Österreich auf. Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Der Asylantrag hat sich als unberechtigt erwiesen. Die Dauer des Verfahrens überstieg nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).
Der Beschwerdeführer hat bisher mehrere Deutschkurse (ÖSD Zertifikat A1, ÖSD Zertifikat A2) besucht. Er hat zudem einen Kurs für das Niveau B1 besucht, die Prüfung jedoch noch nicht bestanden. Der Beschwerdeführer kann sich im Alltag auf Deutsch gut verständigen und eine Unterhaltung führen.
Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr XXXX die Landesberufsschule XXXX und schloss das erste Schuljahr erfolgreich ab (Schulbesuchsbestätigung vom XXXX , Jahreszeugnis vom XXXX ). Das zweite Schuljahr der Berufsschule beginnt am XXXX . Der Beschwerdeführer verfügt über einen Lehrvertrag für den Lehrberuf Koch ab XXXX bis XXXX (Lehrvertrag vom XXXX mit ‚ XXXX , Beschäftigungsbewilligung des AMS XXXX vom XXXX ) und erhält hierfür von seinem Ausbildungsbetrieb eine Lehrlingsentschädigung von EUR 795,31 netto monatlich (Lohn/Gehaltsabrechnung September XXXX ). Der Beschwerdeführer ist seit XXXX von der Grundversorgung abgemeldet. Unterkunft und Verpflegung werden während der Lehre vom Ausbildungsbetrieb des Beschwerdeführers bereitgestellt (Empfehlungsschreiben des Dienstgebers vom XXXX ). Der Beschwerdeführer möchte nach der Ausbildung zum Koch die Matura nachholen.
Der Beschwerdeführer spielt in seiner Freizeit Fußball. Er ist nicht Mitglied eines Vereins oder einer anderen Gemeinschaftseinrichtung. Der Beschwerdeführer ist nicht ehrenamtlich tätig.
Der Beschwerdeführer hat einige österreichische Freunde in Österreich (Empfehlungsschreiben XXXX vom XXXX ). Der Beschwerdeführer ist unbescholten (Strafregisterauszug vom XXXX ).
Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich ist mit etwas über 4 Jahren noch als relativ kurz zu bewerten. Im Hinblick auf die geringe Zeitspanne, in der sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält (ab Dezember XXXX ), kann selbst unter Miteinbeziehung der geschilderten integrativer Merkmale eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörigen geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; 30.04.2009, 2009/21/0086; 08.07.2009, 2008/21/0533; 08.03.2005, 2004/18/0354). Somit kann nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, 2011/18/0036; 10.05.2011, 2011/18/0100; 22.03.2011, 2007/18/0628; 26.11.2009, 2007/18/0305), zu geben ist.
Wie bereits ausgeführt, musste sich der Beschwerdeführer bei allen Integrationsbemühungen zudem seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in jüngster Zeit gerade auch in Bezug auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers (Afghanistan) mit ähnlich gelagerten Fragen der Erteilung von Aufenthaltstiteln auseinanderzusetzten (vgl. VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371, 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, 27. Juni 2019, Ra 2019/14/0142-6). Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371, mwN), was zunächst die Berücksichtigung anderer öffentliche Interessen zugunsten des Fremden ausschließt. Gerade zur Lehre bzw. Berufsausübung als öffentliches Interesse ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der solche Interessen des inländischen Arbeitsmarktes nicht von Art. 8 EMRK umfasst sind (28.02.2019, Ro 2019/01/0003). Diese Rechtsprechung steht daher einer Berücksichtigung der Lehre (sogar in einem Mangelberuf) als öffentliches Interesse zugunsten des Fremden entgegen (VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).
Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn - wie im konkreten Fallintegrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (rezent VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur. Dieser Umstand wurde vom VwGH wiederholt in Fällen berücksichtigt und als entscheidungswesentlich angesehen, in denen Amtsrevisionen Folge gegeben und die entsprechenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben wurden (siehe erneut VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).
Im Übrigen bewirkt der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).
Der Beschwerdeführer verfügt nicht zuletzt über relevante Bindungen zum Herkunftsstaat: Der Beschwerdeführer hat sein gesamtes Leben bis zur Ausreise in Afghanistan verbracht. Er beherrscht eine der Landessprachen auf muttersprachlichem Niveau, besuchte dort sechs Jahre lang die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft sowie im Geschäft seines Vaters im Verkauf. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut ist. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich bei seiner Rückkehr in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates wieder eingliedern können wird.
In Gesamtbetrachtung überwiegen nach vorgenommener Interessensabwägung aufgrund der vorliegenden Umstände somit die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Dass im gegenständlichen Fall durch eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in das Privatleben des BF iSv Art. 8 Abs. 2 EMKR eingegriffen würde, kann nicht erkannt werden.
3.3.5. Ergebnis zur Interessenabwägung
Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt somit keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG dar.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist ebenfalls nicht geboten.
Die Voraussetzungen des § 10 AsylG liegen vor. Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG zu erlassen.
§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Der Beschwerdeführer hat weder behauptet über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen, noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.
Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.3.6. Zur Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Der für die Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung relevante § 50 FPG lautet:
Verbot der Abschiebung
§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Voraussetzungen des § 50 Abs 1 FPG entsprechen jenen des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf Grund des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint (siehe Punkt II.3.2.).
Die Voraussetzungen des § 50 Abs 2 FPG entsprechen jenen des § 3 Abs 1 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verneint (siehe Punkt.II.3.1.).
Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat ist gegeben, weil den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz zugrundeliegenden Feststellungen zufolge keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.
3.4. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides - Ausreisefrist
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und er hat zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.
Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.
Die Beschwerde ist daher hinsichtlich Spruchpunkt VI. als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
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