AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2175940.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 09.12.2015 in die Republik Österreich als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 10.12.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, aus der Provinz Samangan zu stammen. Er habe Afghanistan verlassen, weil die Taliban seine Ortschaft übernommen hätten. Sie hätten gewollt, dass sein Bruder und er mitmachen sollten. Sein Vater habe abgelehnt, deswegen seien sie bedroht worden und der Vater hätte gemeinsam mit ihnen das Land verlassen.
Am 30.08.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) im Beisein seiner Rechtsvertreterin, einer Vertrauensperson und eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er in Samangan geboren jedoch in Baghlan aufgewachsen sei. Er wisse nicht, wo sich seine Familie befinde. Er habe Afghanistan verlassen, weil die Taliban ihn und seinen Bruder hätten mitnehmen wollen. Seinem Vater sei es gelungen, den Taliban Wertgegenstände auszufolgen, weswegen diese von der Mitnahme Abstand genommen hätten. Noch in derselben Nacht sei der BF mit seiner Familie geflohen. Er habe auf der Flucht seine Familie verloren. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.
Mit Eingabe vom 13.09.2017 gab der BF durch seine gesetzliche Vertreterin eine schriftliche Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Kurzinformation von 11.05.2017 ab. Dabei wies der BF darauf hin, dass er nach wie vor minderjährig und als solcher als besonders vulnerable Person anzusehen sei. Es drohe ihm, ein Opfer von Zwangsrekrutierungen zu werden, zudem sei er als Hazara Angehöriger einer Minderheit, die auch bedroht werde. Er habe in Afghanistan kein soziales Netz. Die Sicherheitslage in Baghlan sei volatil, was auch für die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan gelte. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei dem BF aus verschiedenen Gründen nicht zumutbar.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht. Ihm drohe auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei, bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Zudem bestehe für den BF eine taugliche innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative. Der BF sei gesund und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Mazar-e Sharif bestreiten. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten, zumal er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne.
Der BF erhob mit Eingabe vom 07.11.2017, bevollmächtigt vertreten durch die Kinder- und Jugendhilfe Tirol als Rechtvertreterin für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der Bescheid im vollen Umfang angefochten werde. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, ebenso die Beweiswürdigung. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen die belangte Behörde dem Vorbringen des BF, von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden, keinen Glauben geschenkt habe. Vielmehr habe der BF nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weswegen er mit seiner Familie Afghanistan habe verlassen müssen. Im Falle einer Neuansiedlung in Mazar- e Sharif könne der BF auf kein soziales oder familiäres Netzwerk zurückgreifen. Die Situation von Rückkehrern sei prekär, auch werde der BF nur eingeschränkt Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen können, da nicht sichergestellt sei, dass er diese auch bekomme. Auch inhaltlich sei der Bescheid rechtswidrig. Dem BF sei aufgrund der ihm drohenden Zwangsrekrutierung Asyl zu gewähren, jedenfalls sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, da ihm aufgrund seiner individuellen Situation eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Der BF sei in Österreich gut integriert, sodass die Abschiebung nach Afghanistan dauerhaft unzulässig sei.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 09.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Der BF legte mit Eingabe vom 22.02.2018 die Vollmacht für den Verein Menschenrechte Österreich vor. Der BF legte durch seinen Rechtsvertreter am 21.03.2018 eine Reihe von Integrationsunterlagen, unter anderem eine Beschäftigungsbewilligung und einen Lehrlingsvertrag, vor.
Das BVwG führte am 22.03.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, den Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" und Auszüge aus der UNHCR Richtlinie vom 19.04.2016 vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Bereits mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung hatte das BVwG eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Hazara als Talibankämpfer vom 21.02.2017 vorgelegt.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschrechte Österreich, führte in seiner Stellungnahme vom 12.04.2018 im Wesentlichen aus, dass Kabul fast täglich durch Attentate erschüttert werde. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage, Unterkünfte für alle Rückkehrer zur Verfügung zu stellen. Der BF würde daher keinen Zugang zu Unterkunft und Arbeit finden. Der BF sei in Österreich sehr gut integriert. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Der BF legte am 04.06.2018 die Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs vor. Mit Eingaben vom 04.07.2018 und vom 21.01.2019 übermittelte der BF weitere Integrationsunterlagen, unter anderem ein A2 Zertifikat.
Das BVwG übermittelte mit Schreiben vom 24.04.2019 ergänzend das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 26.03.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und räumte den Parteien die Möglichkeit ein hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Der BF führte durch seine bevollmächtige Vertretung in seiner Stellungnahme vom 13.05.2019im Wesentlichen aus, dass die Lebensbedingungen in Afghanistan laut UNHCR derart seien, dass 72,4 Prozent der städtischen Bevölkerung in Slums leben würde. Der BF würde im Falle einer Rückkehr keinen Zuagng zum Arbeitsmarkt finden, in den Städten sei die Armut weit verbreitet. Der BF verfüge in Afghanistan über kein familäres oder soziales Netzwerk. Er sei bedroht, von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden, und würden die Taliban den BF überall finden können. Beim BF handle es sich um einen Mann im wehrfähigen Alter. Auch laut EASO sei es dem BF aufgrund seiner persönlichen Situation nicht zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren. Auch die anerkannte Afghanistan Expertin Frderiecke Stahlamn habe in deren Gutachten zu Afghanistan vom 28.02.2018 ausgeführt, dass es die Gefahr, allein afgrund der Anwesenheit in Afghanistan ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleichen, im gesamten Staatsgebiet bestehe. Daher werde erneut beantragt, der Beschwerde Folge zu geben. Der BF legte eine Reihe von weiteren Integrationsunterlagen vor. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG führte am 04.06.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 10.12.2015 bis 24.01.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht. Eine Einsicht in das AJ-WEB ergab, dass der BF seit 25.01.2018 in ungekündigter Stelle eine Lehrlingsausbildung als Koch absolviert.
Aus dem vom BvWG am 04.06.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , in der Provinz Samangan, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, gesund und ledig. Die Muttersprache des BF ist Dari. Neben Dari spricht der BF auch etwas Englisch und Deutsch. Der BF ist Zivilist. Der BF ist volljährig, ledig und hat keine Kinder.
Der BF wuchs im Dorf XXXX in der Provinz Baghlan auf. Er lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan. Der BF besuchte keine Schule.
Der Vater des BF heißt XXXX . Seine Mutter heißt XXXX . Der BF hat Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester. Der aktuelle Aufenthaltsort der Familienangehörigen des BF kann nicht festgestellt werden. Der BF verlor seine Familie auf der Flucht zwischen Pakistan und dem Iran.
Der Vater des BF hatte in Afghanistan ein Lebensmittelgeschäft und eine Landwirtschaft. Die Mutter des BF ist Hausfrau. Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses und von Grundstücken.
Der BF reiste im Jahr 2015 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling aus Afghanistan aus und gelangte über den Pakistan, den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 10.12.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden, ist nicht glaubhaft.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Dem BF droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Dezember 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezog in der Zeit vom 10.12.2015 bis 24.01.2018 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Seit 25.01.2018 ist er in ungekündigter Stellung als Koch und damit als Arbeiterlehrling beschäftigt und bezieht ein eigenes Einkommen. Der BF besucht die Berufsschule.
Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Der BF nahm am 30.05.2018 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teil. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Baghlan aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat zwar keine Schulausbildung, hat jedoch bereits Berufserfahrung in der Gastronomie gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.
Der BF ist weitgehend gesund. Er leidet an Spannungskopfschmerzen. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.02.2017 zu AFGHANISTAN: Hazara als Talibankämpfer enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1 Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1 Herkunftsprovinz Baghlan
Baghlan, die Herkunftsprovinz des BF, liegt in Nordostafghanistan und gilt als eine der industriellen Provinzen Afghanistans. Sie befindet sich auf der Route der Autobahn Kabul-Nord, welche neun Provinzen miteinander verbindet. Ihre Hauptstadt heißt Pul-i-Khumri und ist als Wirtschaftszentrum bekannt. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Andarab, Baghlan-e-Jadid/Baghlan-e Markazi, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah/Banu, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri, Tala Wa Barfak/Barfak, Jalga/Khwajahejran. Im Nordosten grenzt Baghlan an die Provinzen Panjsher, Takhar und Kunduz, im Westen an Samangan und Bamyan, im Süden grenzt sie an die Provinz Parwan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 943.394 geschätzt.
Im Februar 2017 galt Baghlan als eine der am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hatte sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban anfingen, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Quellen zufolge versuchen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen ihre Aktivitäten in einigen Schlüsselprovinzen des Nordens und Nordostens zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehen die afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte mit Anti-Terrorismus-Operationen gegen diesen Gruppierungen vor. Als einer der Gründe für die sich verschlechternde Sicherheitslage wird vom Gouverneur der Provinz die Korruption angegeben, die er gleichzeitig zu bekämpfen versprach. Baghlan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 102 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden von UNAMA 222 zivile Opfer (66 getötete Zivilisten und 156 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von Blindgängern/Landminen und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 38% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
In Baghlan werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden der Provinz von Aufständischen zu befreien. Bei diesen Militäroperationen werden Aufständische und in manchen Fällen auch ihre Anführer getötet. Berichten zufolge waren im August 2017 die Taliban im Nordwesten der Provinz aktiv. Anfang 2017 fiel der Distrikt Tala Wa Barfak an die Taliban; später wurde er jedoch von den Regierungsmächten wieder eingenommen.
In Baghlan stellen Kohlenbergwerke, nach der Drogenproduktion, eine der Haupteinnahmequellen der Taliban dar, nachdem im Jahr 2017 einige Bergwerke der Provinz unter Kontrolle aufständischer Gruppierungen gekommen war. Berichtet wurde von Vorfällen, in denen die Gruppierung Check-Points errichtete, um Geld von Kohle-transportierenden Fahrzeugen.
Bei der Provinz Baghlan handelt es laut den EASO Richtlinien vom Juni 2018 um einen Landesteil Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.
1.5.1.2 Provinz Balkh
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2 Sichere Einreise
Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4 Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar-e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5 Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der BF zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6 Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen
10 - 15 % Schiiten, wie es auch der BF ist.
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.
1.5.7 Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen und Hazara als Talibankämpfer
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.
Einem Bericht von EASO zum Thema Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppierungen in Afghanistan ist zu entnehmen, dass es auch zu Rekrutierungen von Hazara durch die Taliban kommt und es in Bamyan und Daikundi einige höherrangige Kommandanten der Hazara unter den Taliban gibt, wobei anzunehmen ist, dass es sich dabei um lokale Talibaneinheiten handelt. Auch das Interesse daran, sich den Taliban anzuschließen, ist lokal begrenzt. Somit existiert zwar eine Zusammenarbeit zwischen Taliban und Hazara, eine Rekrutierung von Hazara durch Taliban ist aber nicht weit verbreitet. Angeführt werden einige Dörfer in Ghazni, wo es aktive Talibankämpfer gab und 2012 etwa ein Dutzend Hazara für die Taliban gekämpft haben. Es gab dem Bericht zufolge aber keine Hinweise darauf, dass es sich um Zwangsrekrutierung gehandelt hat zumal der Kontakt zu den Taliban von der örtlichen Gemeinschaft ausging. Warum oder wie die Taliban Hazara oder Schiiten zwangsweise rekrutieren sollten, sei nicht bekannt zumal die Taliban diesen ja auch trauen müssten. Angeführt werden noch sunnitische Hazara in Bamyan und Parwan - wo in einigen Gemeinden Hazara Funktionen innerhalb der Taliban oder deren ziviler Schattenverwaltung übernommen haben. Dem Bericht zufolge handelt es sich dabei um Einzelfälle.
Aus dem von ACCORD dokumentierten Expertengespräch mit Thomas Ruttig und Michael Daxner vom 4.5.2016 geht folgendes hervor:
"[...] Dass Hazara rekrutiert werden für die Taleban, ist eher eine Ausnahme, allerdings habe ich oben bereits die sunnitischen Hazara angesprochen. Von denen ist bekannt, dass einige von ihnen in den Taleban-Strukturen mitkämpfen. Bei den schiitischen Hasaras ist es eher eine Ausnahme, es gibt aber bestimmte alte Überreste schiitischer Mudschaheddin-Führer in relativ entlegenen Gegenden, die in so einer Art Allianz mit den Taleban sind. [...]"
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als unglaubhaft.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden, und dass der BF zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war.
Er schilderte bei seiner Erstbefragung als fluchtauslösenden Grund den Umstand, dass die Taliban sein Herkunftsdorf eingenommen haben, und gewollt hätten, dass der BF und sein Bruder sich diesen anschließen sollten. Deswegen seien sie bedroht worden und sein Vater hätte mit den Brüdern das Land verlassen (vgl. AS 15).
Bei seiner Ersteinvernahme vor der belangten Behörde schilderte der auch damals noch minderjährige BF, dass eines Abends maskierte Männer in das Haus seiner Familie eingedrungen seien, und ihn und seinen Bruder XXXX mitnehmen haben wollen. Sie hätten den BF und seinen Bruder aus dem Schlafzimmer in den Garten gebracht. Dort sei sein Vater gewesen, der den Männern alles, was die Familie gehabt habe, angeboten habe, damit die beiden Söhne nicht mitgenommen werden. Die Männer nahmen die Wertgegenstände und ließen die beiden jungen Burschen bei deren Familie. Noch in derselben Nacht sei die Familie geflohen. (vgl. AS 119). Auffallend ist bei dieser Schilderung der Ereignisse durch den BF, dass diese - sofern diese in der geschilderten Art und Weise tatsächlich stattfanden, was bezweifelt wird - sehr kurz und ohne Details vom BF erzählt werden, während hingegen die ebenfalls in diesem Zusammenhang geschilderte Flucht und der Reiseweg detailreicher ausgeführt werden. Dies spricht eindeutig dafür, dass sich der BF noch sehr gut an seinen Fluchtweg und die Umstände der Flucht erinnern kann, jedoch die vorgeblichen Ereignisse mit den Männern mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Konstrukt sind, um einen Fluchtgrund plausibel machen zu können. So vermochte der BF bei seiner Ersteinvernahme auch nicht anzugeben, ob es sich bei diesen Männern tatsächlich um Taliban handelte, oder ob es nicht eine kriminelle Gruppe gewesen war, deren Ziel es gewesen war, an die Wertgegenstände der Familie des BF zu gelangen. Bei allen Schilderungen des BF dazu handelt es sich um Vermutungen seinerseits, die er nicht glaubhaft machen konnte (vgl. AS 120 f).
Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG schilderte der nunmehr schon volljährige BF den Vorfall in etwa im gleichen Wortlaut, wie er diesen bei der belangten Behörde ausführte (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Auch bei dieser Erzählung fehlen die erlebnisbasierten Details, die das Fluchtvorbringen nachvollziehbar machen würden. Bei einem derartigen traumatischen Erlebnis, wie es eine drohende Zwangsrekrutierung durch fremde Männer gewesen sein muss, wäre zu erwarten gewesen, dass der BF diesen Vorfall genauer zu schildern in der Lage ist.
Zudem führt der BF selbst aus, dass die Taliban nicht wissen, wer der BF ist (vgl. S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung:
"RI: Wissen die Taliban, wer Sie sind? BF: Wie meinen Sie das? RI:
Wissen die Taliban, wer Sie sind? Kennen Sie Ihren Namen? BF:
Nein.") Daraus folgt, dass es sich beim BF um keine exponierte Person handelt, und dass er als Person nicht ins Visier der Taliban geraten ist. Es mag sein, dass es tatsächlich die Taliban waren, die in jener Nacht das Dorf des BF überfielen. Es mag auch sein, dass es die Taliban waren, die sich die Wertgegenstände der Familie des BF aneigneten und zu diesem Zweck drohten, die beiden Brüder der Familie mitzunehmen. Im Fokus des Interesses der Taliban, sofern es Taliban und keine kriminelle Gruppe waren, standen jedenfalls nicht der BF und sein Bruder, sondern das Auto und die Wertgegenstände der Familie.
Der BF gibt selbst an, dass die Taliban nicht mitbekommen hätten, dass die Familie des BF Hazara sind. Auch das spricht dafür, dass diese Männer die Familie des BF nicht kannte, und diese nicht gezielt in deren Fokus stand. Damit kann der Schluss gezogen werden, dass auch der BF als Person und Individuum für die Taliban nicht von Interesse ist. Er ist damit auch keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen, und hat auch in Zukunft keine solche zu befürchten.
Dafür spricht auch, dass laut den zitierten Länderinformationen seitens der Taliban nur in den seltensten Fällen eine Zwangsrekrutierung von Hazara vorgenommen wird, was vor allem damit zusammenhängt, dass auch für die Taliban Vertrauen eine große Rolle spielt, und dieses Vertrauen zwischen Sunniten, wie es die Taliban mehrheitlich sind, und Schiiten, wie es der BF als schiitischer Hazara ist, nicht gegeben ist. Allein schon aus diesem Grund kann ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohen könnte.
Es kann zudem im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Angaben des BF zu dem Vorfall im Jahr 2015 der Wahrheit entsprechen, zumal auch unter Zugrundelegung dieses Vorbringens nicht davon auszugehen ist, dass die Taliban den BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan suchen und töten bzw. sonst verfolgen würden. Sie kennen weder seinen Namen, noch handelt es sich beim BF um eine exponierte Person, und es ist bei dieser Konstellation gänzlich unwahrscheinlich, dass die Taliban den BF in Mazar- e Sharif oder an einem anderen Ort in Afghanistan suchen oder gar finden würden.
Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die Taliban drohen.
Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.
Die Feststellung, dass dem BF auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara sowie seiner Religionszugehörigkeit als schiitischer Muslim aktuell in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt droht, ergibt sich aus seinen diesbezüglich relativ unsubstantiierten Angaben, aus denen eine individuelle Betroffenheit seiner Person im Hinblick auf diesbezügliche Gewalthandlungen nicht erkennbar ist (vgl. S. 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung: "RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Ich habe allgemein Angst vor Afghanistan. Gestern war unser neues Jahr. Es gab drei Anschläge in der Hauptstadt. Außerdem habe ich keine Familie mehr dort. Wo soll ich hingehen? Es ist besser, wenn ich hier sterbe, als wenn ich abgeschoben werde. Wenn ich vom Flughafen hinausgehe, wohin soll ich gehen? Wohin? Wenn man niemanden hat, keine Familie hat, wo soll man hingehen. In Afghanistan, wenn man niemanden hat und kein Geld hat, muss man unter der Brücke schlafen. So wird es sein."). Aus diesen Ausführungen lassen sich anschaulich die Befürchtungen des für den Fall seiner Rückkehr nachvollziehen, dazu zählt jedoch definitiv nicht dir Furcht, als Hazara und Schiit in irgendeiner Weise bedroht zu werden. Auch an anderen Stellen seiner diversen Einvernahmen im Asylverfahren brachte der BF zu dieser in seiner Beschwerde und seinen schriftlichen Stellungnahmen behaupteten Bedrohung nichts vor, weswegen die entsprechende Feststellung getroffen wird.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits richtig anführte, gibt es beim BF abseits dieser oben genannten Fluchtgründe keine besonderen Vulnerabilitäten des BF, die eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan wahrscheinlich erscheinen lassen. Der BF war nach seinen eigenen Angaben nie politisch aktiv, er brachte auch keine konkret seine Person betreffenden geschlechtsspezifischen Verfolgungsgefahren vor.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Baghlan zu den relativ instabilen Provinzen Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.
Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.
Die Feststellungen, dass der BF in der Lage sein wird, in Mazar-e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar-e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die unter Punkt
1.5.3.1 genannte Basisinfrastruktur steht dem BF zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.
Aufgrund seiner schulischen und beruflichen Kenntnisse sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert. Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Gefährdungsfaktoren, wie es der BF ist, dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (vgl. S 134f der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 in der deutschen Übersetzung).
Worin die vom BF insbesondere in seiner Beschwerde und der Stellungnahme angeführte reale Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan konkret liegt, vermochte der BF nicht darzutun.
Im Gutachten von Stahlmann, welches der BF in seiner Stellungnahme zitiert, wird zwar der Schluss gezogen, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in diesem Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und Quelleninterpretation vorgenommen wird. Von regionalen Einzelfällen werden Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen. Die Gutachterin trifft zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen, die im Übrigen einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen, und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Insbesondere weist das Gutachten von Stahlmann nicht denselben Beweiswert für das erkennende Gericht auf, wie länderkundliche Informationen (z.B. Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2019, EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, und vermag daher die auf objektiven und für jedermann nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderinformationen nicht zu entkräften. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kommt in seiner Entscheidung vom 11.04.2018, Zl. A 11 S 1729/17 unter ausführlicher Würdigung des zitierten Gutachtens von Fredericke Stahlmann zu dem Ergebnis, dass der Senat an seiner Rechtsprechung festhält, wonach derzeit im Fall leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtung und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbotes und Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind, sofern nicht spezifische individuelle Einschränkungen oder Handicaps festgestellt werden können.
Im gegenständlichen Verfahren nahm das BVwG eine individuelle Einzelfallprüfung vor, wie sie sowohl von EASO als auch von UNHCR für die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative gefordert wird. Das erkennende Gericht kommt zu dem Schluss, dass entgegen dem Vorbringen des BF, in seinem Fall eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar ist.
Der BF ist nach seinen eigenen glaubhaften Angaben weitgehend gesund. Er leidet zwar an Spannungskopfschmerzen, wie dies durch medizinische Befunde vom Oktober 2017 belegt ist (siehe Beilagen zu OZ 5). Dabei handelt es sich jedoch um keine schwere, lebensbedrohliche Krankheit. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der BF auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des BF in seinen Heimatstaat entgegenstehen.
2.5 Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht. Die vom BF in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichungen zu den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen gibt, wird dem entgegengehalten, dass diese Länderinformationen der Staatendokumentation auf dem aktuellen Stand sind, und alle, für das gegenständliche Verfahren wesentlichen Aspekte berücksichtigen. Insoweit der BF auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul Bezug nimmt, ist festzuhalten, dass der BF, folgend der Empfehlung der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif, nicht jedoch nach Kabul verwiesen wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet.
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).
Wie oben ausgeführt ist es dem BF nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Eine Prüfung des Zusammenhanges der vorgebrachten Gefahr der Zwangsrekrutierung mit einem Konventionsgrund durch die Taliban erübrigt sich daher und kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Da sich weder aus dem Vorbringen des BF noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des BF ergeben haben, ist kein unter Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.
Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht (vgl. die unten stehenden Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).
Auch für den Fall, dass die Taliban tatsächlich nach dem aus Baghlan stammenden BF suchen sollten, ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihn diese in der Stadt Mazar-e Sharif finden würden, zumal es sich beim BF um keine exponierte Person handelt und vor diesem Hintergrund eine Suche nach dem BF in dieser Stadt aussichtslos erscheint. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, wie diese Personen - nach mehr als drei Jahren - von einer Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif erfahren sollten.
Eine konkrete individuelle Verfolgung des BF in Afghanistan auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt - konnte von ihm ebenfalls nicht glaubhaft gemacht werden. In Ermangelung von dem BF individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und vor dem Hintergrund des in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterials zu prüfen, ob der BF bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkrieges hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der BF als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:
Den oben zitierten Länderfeststellungen ist u.a. zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden bzw. Hazara überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen würden. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des BVwG jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Der Verwaltungsgerichtshof schloss in einer Entscheidung eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nicht aus, weil das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen hatte (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106); dies ist jedoch im vorliegenden Erkenntnis nicht der Fall. In einer weiteren Entscheidung behob der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, weil dieses sich im zugrunde liegenden Fall nicht mit dem Beschwerdevorbringen zu einer möglichen Gruppenverfolgung der Hazara in Ghazni auseinandergesetzt hatte (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0171); der vorliegende Fall ist mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil der BF im vorliegenden Fall ursprünglich nicht aus der Provinz Ghazni stammt - zudem erfolgte eine hinreichende amtswegige Auseinandersetzung mit dem relevanten Länderberichtsmaterial sowie der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.
3.2 Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK. (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/01606-12)
Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Diese Gefährdung bzw. Bedrohung muss, wie schon ausgeführt, von einem Akteur im Sinne des Art. 6 der Statusrichtlinie ausgehen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/01606-12). Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Artikels 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588).
Die bloße Möglichkeit einer dem Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).
§ 11 AsylG 2005 unterscheidet dabei nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative.
Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann.
Für den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, Afghanistan, gilt es an dieser Stelle auszuführen, dass nach Ansicht des EGMR die allgemeine Situation in Afghanistan nicht dergestalt ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers eine ernsthafte Bedrohung für die durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. EGMR Urteil Husseini v. Sweden vom 13.10.2011, Beschwerdenummer 10611/09, Ziffer 84 sowie das Erkenntnis des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Artikel 3 EMRK verstoße würde:
EGMR AGR/Niederlande, 12.01.2016, 13.442/08; VwGH 23.02.2016, 2015/01/0134). Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage ist damit eine Rückkehr nach Afghanistan nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Die Zumutbarkeit des Aufenthaltes ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen (oder auf Grund derer andere Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthaltes in diesem Gebiet zu verneinen. (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/001)
Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen.
Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005; vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgaben des Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie).
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner jüngsten Rechtsprechung hierzu aus, dass im Einzelfall mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).
Mit Bezug auf die Verhältnisse in Afghanistan führte der VwGH aus, dass es zutreffen könne, dass ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Rückhalt und ohne finanzielle Unterstützung in der afghanischen Hauptstadt Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sei. Soweit es sich aber um einen jungen und gesunden Mann, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, handle, sei - auf der Grundlage der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat - nicht zu erkennen, dass eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Einschätzung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (in diesem Punkt gleichlautend auch die aktuellen UNCHR Richtlinien vom 30.08.2018), denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).
Im Ergebnis bestätigte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.12.2017, Zl. E 2068/2017, mit dem die Beschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen abgewiesen wurde, der nicht in Afghanistan geboren wurde, nie dort gelebt hat und auch über keine Angehörigen in Afghanistan verfügt, die jüngere Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095), wonach mit dem alleinigen Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Artikel 3 EMRK dargetan wird.
Es bedarf somit, wie zuvor ausgeführt, im Rahmen einer Einzelfallprüfung einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat.
Im Fall des BF ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses bei der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.
Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist - wie oben bereits dargestellt - davon auszugehen, dass der BF weder aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe sein Land verlassen hat, noch, dass er im Falle seiner Rückkehr einer realen Gefahr im Sinne von Artikel 2 oder Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre, die eine Zuerkennung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Denn auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des BF sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 8 AsylG 2005 darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).
Auch die vom BF medizinisch objektivierten Spannungskopfschmerzen stehen einer Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegen, da aus den Länderfeststellungen eine ausreichende medizinische Versorgung hervorgeht.
Es ist dem BF aufgrund der in seiner Herkunftsprovinz Baghlan laut EASO herrschenden willkürlichen Gewalt, die auch Zivilisten treffen kann, nicht möglich, dorthin zurückzukehren. Der BF kann jedoch aufgrund der allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände festgestellter Maßen auch auf eine andere Region des Landes - nämlich in die Stadt Mazar-e Sharif - verwiesen werden. Der Rückreiseweg in diese Stadt ist festgestellter Maßen sicher über deren internationalen Flughafen möglich und finanziell abgesichert, zumal gemäß § 52a BFA-VG iVm § 12 Abs 2 GVG-B 2005 die Rückkehrhilfe jedenfalls die notwendigen Kosten der Rückreise umfasst. Zusätzlich stehen dem BF bei seiner Rückkehr diverse Hilfsprogramme (ERIN, RESTART II, "Post Arrival Assistance") zur Verfügung.
Das BVwG verkennt im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation von Rückkehrern nicht, dass sich insbesondere die Arbeitssuche und die Wohnraumbeschaffung in Mazar-e Sharif zunehmend schwierig gestalten. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Der BF ist, wie aus den Feststellungen ersichtlich, jung, weitgehend gesund, arbeitsfähig, hat zwar keine Schulausbildung in Afghanistan genossen, hat jedoch bereits Berufserfahrung in Österreich in der Gastronomie gesammelt, spricht zumindest eine der Landessprachen, ist in Afghanistan aufgewachsen und damit mit der auch mit der Kultur vertraut. In Zusammenschau mit den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen, insbesondere den EASO Leitlinien vom Juni 2018 und den aktuellen UNHCR Richtlinien von 30.08.2018 ergeben sich auch rechtlich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative nicht zugemutet werden kann.
Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass für den BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif besteht und ihm diese auch zumutbar ist, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass der BF in einer dieser Städte nach eventuell anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).
Der BF konnte auch, wie zuvor ausgeführt, im gesamten Verfahren keine individuellen Umstände glaubhaft machen, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Artikels 3 EMRK maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Rückverbringung des BF nach Afghanistan steht daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem BF nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen ist.
3.2 Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (§ 58 Abs. 2 AsylG 2005).
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, welche insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel zu erteilen ist, und der BF auch nicht Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG substantiiert behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.
Gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Artikel 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 09.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.04.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich;
31.01.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande;
31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).
Bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen ist auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist. Dem öffentlichen Interesse, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; zum hohen Stellenwert der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften siehe etwa: VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; VwGH 16.01.2007, 2006/18/0453; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).
Gegenständlich haben sich keine Anhaltspunkte für ein Familienleben des BF in Österreich ergeben und wurden auch nicht vorgebracht. Auch betreffend das Privatleben in Österreich ist aufgrund der gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung nicht zu erkennen, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme einen unzulässigen Eingriff in die Rechte des BF darstellen würde:
Der BF gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, stellte am 10.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens. Er war sich von Anfang an seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst. Auch übersteigt die Dauer dieses Asylverfahrens noch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013).
Im Laufe seines Aufenthaltes in Österreich hat der BF, wie aus den Feststellungen ersichtlich, zwar diverse Maßnahmen zur Integration gesetzt, und er befindet sich auch seit 25.01.2018 in einer Lehrlingsausbildung als Koch. Der VwGH hat ein seinem Grundsatzerkenntnis vom 28.02.2019, Ro 2019/01/003-3 zur Frage, ob eine Lehre bzw. Berufsausübung eines Asylwerbers in einem Mangelberuf, wie ihn der BF als Kochlehrling ausübt, im öffentlichen Interesse gelegen ist, ausgeführt, dass diese Interessen des inländischen Arbeitsmarktes nicht von Art. 8 EMRK umfasst sind (vgl. VwgH 05.10.2010, 2010/22/0147, zum Argument, Köche seinen "sehr rar und begehrt", mit Verweis auf VwGH 26.05.2003, 2011/18/0071, zu dem mit einem Aufenthaltsverbot verbundenen befürchteten Verlust inländischer Arbeitsplätze).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung auch die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN).
Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).
Der BF hält sich seit rund dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Es wird zwar nicht verkannt, dass der unbescholtene BF besondere Bemühungen bei der Erlangung von Deutschkenntnissen und eines Lehrverhältnisses als Koch gezeigt hat, er keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht und auch Anstrengungen zur sozialen Integration unternommen hat. Allerdings besteht allein dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 10.04.2019, Ra 2019/18/0058-8, darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 19.04.2012, 2011/18/0253).
Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.
Aus den tragenden Gründen des vorliegenden Erkenntnisses betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergibt sich ferner, dass gegenständlich auch keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG vorliegen. Einer Abschiebung nach Afghanistan steht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen (§ 50 Abs. 3 FPG).
Die Abschiebung des BF nach Afghanistan ist daher zulässig.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Da derartige besondere Umstände vom BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.
Die Beschwerde ist sohin auch hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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