BVwG W253 2135375-1

BVwGW253 2135375-13.8.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W253.2135375.1.00

 

Spruch:

W253 2135375-1/13E

 

Schriftliche Ausfertigung des am 28.06.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Jörg C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Peter KRASSNIG, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 02.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am nächsten Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei in XXXX, Afghanistan geboren und habe neun Jahre die Grundschule besucht. Von 2004 bis 2008 sei er mit seiner Familie im Iran gewesen und nachfolgend wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Mutter vor fünfundzwanzig Jahren seinen Vater ohne Erlaubnis ihrer Eltern geheiratet habe. Aus diesem Grund hätten sie ihre Eltern umbringen wollen, weshalb die Familie von 2004 bis 2008 in den Iran geflüchtet sei. Aufgrund der Annahme, dass es in Afghanistan wieder sicher für sie sei, sei er mit seiner Familie wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Etwa ein Jahr lang habe es keine Probleme gegeben. Anschließend seien sie jedoch von Verwandten mütterlicherseits geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Daraufhin habe die Familie beschlossen, dem Beschwerdeführer zur Flucht zu verhelfen; die Familie wolle folgen. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchte, von den Verwandten mütterlicherseits getötet zu werden.

 

3. Mit Schreiben vom 19.01.2016 übermittelte der Beschwerdeführer eine Kopie seiner Tazkira und führte diesbezüglich aus, dass er am

XXXX geboren sei. Das Original befinde sich in Afghanistan.

 

4. Mit Verfahrensanordnung vom 25.05.2016 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handelt, und setzte unter Zugrundlegung eines durchgeführten medizinischen Gutachtens als errechnetes fiktives Geburtsdatum den XXXX fest.

 

5. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.07.2016 führte der Beschwerdeführer aus, dass er der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und sunnitischer Moslem sei. Er sei am XXXX in der Provinz Parwan geboren. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, seine Mutter sei Paschtunin und sein Vater Tadschike. Vormals sei sein Vater Mujahedin gewesen. Der Großvater mütterlicherseits des Beschwerdeführers, welcher ein Talib gewesen sei, wäre nicht damit einverstanden gewesen, dass seine Tochter einen Tadschiken heirate; weil dies seine Ehre verletzt habe. Schließlich seien die Eltern des Beschwerdeführers gemeinsam geflohen und hätten in Parwan geheiratet. Einige Jahre später habe sein Großvater seinen Vater und seine Mutter angegriffen. Dieser habe die Mutter des Beschwerdeführers töten wollen. Daraufhin sei die Familie des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif geflohen. Nachdem sie einige Monate dort gewesen seien, habe der Onkel väterlicherseits, welcher ein Kommandant in XXXX gewesen sei, gesagt, dass die Familie des Beschwerdeführers wieder zurückkommen sollte. Die Eltern des Beschwerdeführers seien schließlich wieder nach Parwan gekommen, wo sie einige Jahre gelebt hätten. Letztlich wären sie wieder angegriffen worden. Zumal sein Onkel aufgehört habe zu kämpfen, habe er sie nicht mehr beschützen können, weshalb sie in den Iran geflüchtet seien. Einige Jahre später seien sie wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Anschließend sei ihr Haus angegriffen worden; unter anderem seien Raketen abgefeuert sowie Handgranaten ins Haus geworfen worden. Der Onkel des Beschwerdeführers habe schließlich nach Ermittlungen herausgefunden, dass der Großvater mit der Sache zu tun gehabt hätte. Vierzig Tage nach dem Tod seines Onkels, welcher im Zuge eines Selbstmordattentats ums Leben gekommen sei, sei das Haus erneut angegriffen worden. An diesem Tag sei sein Großvater zu ihnen nach Hause gekommen und habe der Mutter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass sie ihn enttäuscht hätte. Sie habe eine Narbe in seinem Herzen hinterlassen. Dieselbe Narbe werde der Großvater auch bei ihr hinterlassen. Daraufhin habe der Großvater den Beschwerdeführer in sein Auto gezerrt und habe ihn nach XXXX, XXXX gebracht, wo er diesen ausgepeitscht habe. Daraufhin sei etwa fünf bis sechs Monate Ruhe eingekehrt. Eines Tages sei ein Auto gekommen, aus dessen Fenster der Beschwerdeführer mit einer Waffe bedroht worden sei. Zudem sei ein Kuvert aus dem Fenster geworfen worden. In diesem Kuvert sei ein Foto des Beschwerdeführers enthalten gewesen und auf dessen Rückseite habe "Vergesst diesen!" gestanden. Sein Vater habe anschließend eine Anzeige bei der Polizei erstattet, jedoch sei dieses Kuvert dort verschwunden. Sein Vater sei der Ansicht gewesen, dass es nicht verloren gegangen sei, sondern der Leiter der Polizeistation damit etwas zu tun gehabt habe. Sein Vater wurde anschließend vom selben Auto, wie schon der Beschwerdeführer, verfolgt und sei mit einer Kalaschnikow auf die Eingangstüre des Hauses geschossen worden. Nach etwa ein bis zwei Wochen hätten dem Beschwerdeführer am Heimweg von der Schule, plötzlich einige Männer einen Sack über den Kopf gezogen und ihn nach Laghman gebracht. Seine Onkel mütterlicherseits sowie der Großvater mütterlicherseits seien auch dort gewesen. Sein Onkel XXXX sowie andere bewaffnete Männer hätten ihn immer wieder geschlagen. Nach einer Woche sei er mit einem Auto wieder zurück zu seiner Familie gebracht worden. Anschließend sei der Beschwerdeführer eines Tages angeschossen worden. Die Kugel der Kalaschnikow habe seinen Unterschenkel getroffen; die Narben seien sichtbar. Daraufhin sei beschlossen worden, den Beschwerdeführer von dort wegzubringen. Am Tag der Verabschiedung, als die gesamte Familie anwesend gewesen sei, sei auf die Türe geschossen worden, wobei die Scheiben zu Bruch gegangen seien. Am nächsten Tag sei der Beschwerdeführer mit seinem Vater nach Kabul gefahren, wo sein Vater einen Schlepper organisiert habe.

 

6. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Der Begründung des im Spruch bezeichneten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft darlegen habe können. Es bestehe für den Beschwerdeführer eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative, weil er seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten könne.

 

7. Mit Verfahrensanordnung vom 30.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

 

8. Mit Schreiben vom 12.09.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides und führte - neben Ausführungen zum Sachverhalt - im Wesentlichen aus, dass die Art und Weise, in welcher die Behörde ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entspreche. Auch im Asylverfahren würden die AVG-Prinzipien der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs gelten. Diesen Anforderungen habe die belangte Behörde nicht genügt, weshalb das Verfahren mit Mangelhaftigkeit behaftet sei. Weiters seien die im angefochtenen Bescheid aufgelisteten Grundanforderungen an die Glaubwürdigkeitsprüfung erfüllt; es ergebe sich aus der Niederschrift der Einvernahme kein Widerspruch hinsichtlich seiner Fluchtgründe. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei ihm Asyl zu gewähren, zumal gegen ihn Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien und sicher wieder auch gegen ihn gesetzt werden. Schließlich sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde grob mangelhaft, nicht nachvollziehbar und lasse eine hinreichende Auseinandersetzung mit seinem Fall vermissen.

 

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 21.09.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 20.10.2016 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W169 abgenommen und neu zugewiesen.

 

10. Mit Schreiben vom 27.06.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein, in der er vor allem darauf hinwies, dass er weder in einer der Provinzen Afghanistans Sicherheit finden könne, da überall unvermeidbare und unvorhersehbare Gefahren für Zivilisten bestehen, noch werde er sich mangels sozio-ökonomischen Zugangs in Kabul oder anderen Städten eine Lebensgrundlage aufbauen können. Der Beschwerdeführer verwies unter anderem auf ein Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018. Ihm sei zumindest subsidiärer Schutz iSd § 8 AsylG zuzusprechen.

 

11. Am 28.06.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen, nachdem der erkennende Richter dem Beschwerdeführer den beschwerdegegenständlichen Bescheid erläutert hatte, weil der Beschwerdeführer angab, wissen zu wollen, warum er einen negativen Bescheid erhalten habe. Ein Vertreter der belangten Behörden nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden zudem weitere Unterlagen vorgelegt.

 

Nach Schluss der Verhandlung verkündete der Richter das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Das Verhandlungsprotokoll wurde der belangten Behörde am 29.06.2018 samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt.

 

12. Am selben Tag übermittelte der Verein Menschenrechte Österreich dem Bundesverwaltungsgericht die Vollmacht vom 14.06.2018. Zudem wurde der Vollständigkeit halber zum Vorbringen des Beschwerdeführers auf Seite 10 des Verhandlungsprotokolls vorgebracht, dass mit dem Beschwerdeführer mehrmals der Bescheid, die Beschwerde und seine Fluchtgründe besprochen worden seien.

 

13. Mit Schreiben vom 09.07.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Vollmachtsverhältnis des Beschwerdeführers für das Asylverfahren zu Dr. Peter KRASSNIG, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, angezeigt. In diesem wurde fristgerecht die Ausfertigung des Erkenntnisses bzw. Beschlusses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG beantragt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Stellungnahme des Beschwerdeführers, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der unter I. angeführte Verfahrensgang wird festgestellt.

 

1.2. Zum Beschwerdeführer:

 

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Moslem und seine Muttersprache ist Dari. Er ist im erwerbsfähigen Alter und gesund. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

 

Das fiktive Geburtsdatum lautet XXXX und wurde im Zuge eines medizinischen Altersfeststellungsverfahrens festgestellt.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Parwan, XXXX, XXXX. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, zwei Schwestern und drei Brüdern, lebt in der Provinz Parwan. Seine Eltern, eine Schwester sowie seine drei Brüder wohnen in einem Haus in XXXX in der Provinz Parwan etwa eineinhalb Autostunden von Kabul entfernt. Die zweite Schwester des Beschwerdeführers ist bereits verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann im XXXX in der Provinz Parwan.

 

Der Vater des Beschwerdeführers sichert den Lebensunterhalt der Familie als Immobilienmakler. Die Mutter betreibt ein Frisörgeschäft. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan sechs Jahre eine höhere Schule besucht und seinem Vater regelmäßig in dessen Maklerbüro geholfen. Der Beschwerdeführer hat seit seiner Einreise in Österreich regelmäßigen Kontakt, oft mehrfach täglich, zu seiner Familie.

 

Der Beschwerdeführer hält sich seit September 2015 in Österreich auf. Er hat die Deutschkurse A1 und A2 besucht, jedoch verfügt er über kein Deutschzertifikat.

 

Der Beschwerdeführer ist seit XXXX.2018 in einer Pizzeria in XXXX beschäftigt. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein. Es können keine substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. intensive Freundschaften, Beziehungen, Lebensgemeinschaften, Kinder) festgestellt werden. Es leben keine nahen Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich.

 

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Großvater mütterlicherseits oder von seinem Onkel mütterlicherseits misshandelt bzw. bedroht worden ist.

 

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer psychische oder physische Gewalt durch die Familie seiner Mutter in Afghanistan droht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht von seiner Familie unterstützt werden kann.

 

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Eine Rückkehr in den Heimatort des Beschwerdeführers in der Provinz Parwan ist möglich und hat der Beschwerdeführer auch selbst angegeben, mehrfach von Parwan aus nach Kabul gereist zu sein (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls).

 

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Kabul bzw. Heimatort) Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

 

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul bzw. in dessen Herkunftsort ausschließen, konnten ebenfalls nicht festgestellt werden. Er kann dort seine Existenz - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern und auf die Unterstützung seiner Familie zählen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er nicht in der Lage ist, in der Stadt Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Die Stadt Kabul ist über den Flughafen direkt erreichbar.

 

1.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

 

1.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Information vom 30.01.2018:

 

[...]

 

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

 

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

 

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

 

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

 

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

 

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

 

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

 

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

 

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

 

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

 

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

 

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

 

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

 

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

 

[...]

 

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

 

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

 

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

 

[...]

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

 

[...]

 

Zivilist/innen

 

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

 

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

 

[...]

 

High-profile Angriffe:

 

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

 

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

 

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

 

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

 

[...]

 

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

 

Interreligiöse Angriffe

 

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

 

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

 

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

 

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

 

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

 

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Taliban

 

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

 

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

 

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

 

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

 

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

 

Politische Entwicklungen

 

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

 

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

 

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

 

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

 

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

 

[...]

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

[...]

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

[...]

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

[...]

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

[...]

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

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Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

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Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

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Parwan

 

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul. Die Provinz Parwan grenzt an die Provinzen (Maidan) Wardak, Bamyan, Baghlan, Panjshir und Kapisa. Charikar ist die Provinzhauptstadt, während Jabal Saraj, Salang, Sayed Khel, Shinwar, Syiah Gird, Shikh Ali, Ghorband und Shurk Parsa zu den restlichen Distrikten zählen. (Pajhwok o.D.ae). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 675.795 geschätzt (CSO 2016), und die der Provinzhauptstadt Charikar auf 57.746 (UN OCHA 26.8.2015). Rund 70% der Bevölkerung sind ethnische Tadschiken, 18% Pashtunen und 11% Hazara - Turkmenen kommen auf 1% (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

 

Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Parwan Highway verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen (Khaama Press 2.11.2015; vgl. auch: Kabul Tribune 26.6.2016; Bakhtar News)

 

[...]

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Parwan 140 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 1.2.2017; vgl. auch: LWJ 12.11.2016). Als eine der sichersten Einrichtungen in Afghanistan ist dieser Flughafen Ziel von high-profile Angriffen durch Taliban und andere Aufständische (LWJ 12.11.2016; vgl. auch:

Pajhwok 26.10.2016). Aktiv sind die Taliban unter anderem in dem abgelegenen Dorf Dara Saidan in der Provinz (Tolonews 10.12.2016).

 

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Khaama Press 12.12.2016; Khaama Press 24.4.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 3.1.2017; Pajhwok 29.10.2016).

 

Die Polizei hat in der Vergangenheit große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Etwa 100 Personen wurden in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden verhaftet (Pajhwok 6.10.2016).

 

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Erreichbarkeit

 

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Parwan

 

Es existieren Taxiverbindungen, aber auch Verbindungen durch Minivans und Motorräder (UNHCR o.D.).

 

Beispiele für Busverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

 

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Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

 

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NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Die afghanische Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle - speziell in den städtischen Regionen - wo tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportvereinigungen mit wenig Einschränkung durch Behörden operieren (FH 27.1.2016). Registriert sind 4.001 lokale NGOs und 434 internationale NGOs (ICNL 26.10.2016). Drohungen und Gewalt durch Taliban und andere Akteure haben NGO-Aktivitäten gedämpft und die Rekrutierung von ausländischen Entwicklungsmitarbeiter/innen erschwert (FH 27.1.2016).

 

Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse (USDOS 13.4.2016). Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht (AA 9 .2016). Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 13.4.2016). Gleichwohl sind nationale und internationale Menschenrechtsgruppen regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).

 

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Am 31. Mai 2016 hat das afghanische Wirtschaftsministerium unter Beteiligung von NGOs eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das NGO-Gesetz zu überarbeiten (AA 9 .2016).

 

Es gibt keine gesetzlichen Hindernisse für die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen (ICNL 26.10.2016).

 

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Ethnische Minderheiten

 

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Paschtunen:

 

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.4.2016). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Paschtunen siedeln sich in einem halbmondförmigen Gürtel an, der sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

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Tadschiken

 

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (GIZ 1.2017). Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015).

 

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

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Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

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Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

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Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

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Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

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Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

 

Memorandum of Understanding (MoU)

 

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU - Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9 .2016).

 

[...]

 

Ausbildungen für Rückkehr/innen in Afghanistan

 

In Afghanistan bieten staatliche Schulen, unter Leitung des Ministeriums für Bildung, und private Berufsschulen, Trainings/Ausbildungen an. Die Einschreibung an Bildungseinrichtungen können Rückkehrer/innen beim Ministerium für Rückkehr beantragen. Diese verweisen Rückkehrer/innen an die Bildungsabteilung in Kabul (Marif Shahr); danach werden die Rückkehrer/innen in jenen Bildungseinrichtungen eingeschrieben, deren nachgewiesenem Bildungsniveau sie entsprechen. Um ausländische Abschlüsse anzuerkennen, sollten relevante Unterlagen (Zeugnisse, Diploma oder Abschlüsse) an das Ministerium für ausländische Angelegenheiten geschickt werden. Unter der Bedingung, dass diese Unterlagen zuvor vom Ministerium für ausländische Angelegenheiten im Gastland geprüft wurden, wird das Ministerium die Unterlagen akzeptieren. Danach werden die Unterlagen an das Ministerium für höhere Bildung weitergeleitet. Im Anschluss werden die vom Ministerium anerkannten Kopien der Unterlagen an den Inhaber zurückversandt (IOM 2016).

 

Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen

 

Laut UNHCR handelt es sich bei afghanischen UMF allgemein um männliche unbegleitete Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die so eine Reise auf sich nehmen - motiviert werden sie aus unterschiedlichen Gründen. Diese zusammenhängenden Faktoren inkludieren Armut, Unsicherheit, inadäquate Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, sowie Erwartungshaltung von Familie und Peergruppe. Sowohl aus Gegenden mit einer geringen Zahl an entsandten Kindern, als auch aus Gegenden mit einer hohen Zahl entsandter Kinder, waren europäische Länder typischerweise das gewünschte Ziel. Der Iran wurde teilweise als Zwischenstation ausgewählt, da dort lebende Familienmitglieder und Verwandte helfen konnten Arbeit zu finden. Die Hauptabreiseorte waren Herat, Islam Qala [Anm.: im Westen von Herat] und Nimroz. Es ist allgemein bekannt, dass Schmuggelnetzwerke für diese Reise verwendet werden (UNHCR 12.2014).

 

[...]

 

1.4.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan Interethnische Beziehungen, Mischehen Hazara, Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Sayed vom 25.09.2017:

 

Haben Personen, welche einer Mischehe zwischen Hazara und Paschtunen angehören in Afghanistan mit Diskriminierungen zu rechnen, wenn ja, wie manifestiert sich diese und von welcher Seite geht diese aus.

 

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Zusammenfassung:

 

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass inter-ethnische Beziehungen oder Mischehen in Afghanistan existieren. Laut nachfolgend zitierten Quellen überschreiten Zweisprachigkeit, Mischehen, Religion und politische Ideologien ethnische Grenzen - sogar über die Landesgrenzen nach Pakistan. Nachfolgend zitierter Quelle ist zu entnehmen, dass kein echter ethnischer Konflikt per se innerhalb der Bevölkerung existiert, die Politik von den Menschen abgetrennt und ethnisiert ist.

 

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Einzelquellen

 

[...]

 

Landinfo berichtet, dass die afghanischen Behörden Ehen nicht systematisch registrieren und daher keine Ehestatistiken existieren; schwierig sind daher Schlussfolgerungen zu Abweichungen hinsichtlich Heiratstradition zu machen. Im Rahmen einer Befragung von 4.800 Frauen aus unterschiedlichen Teilen Afghanistan gaben 8,9% an, eine Mischehe/interethnische Ehe zu führen.

 

Andere Quellen betonten, dass Mischehen/interethnische Ehen mit Partner/innen unterschiedlicher Herkunftsethnien relativ umfassend sind. Global Security gibt an, dass eine substantielle Anzahl an Mischehen zwischen den ethnischen Gruppen besteht; dies führt zu einem Verwischen der Loyalitäten der unterschiedlichen ethnischen Gruppen.

 

Wenngleich endogame Ehen bevorzugt werden, so haben Faktoren wie Migration die Anzahl der inter-ethnischen Ehen erhöht.

 

Landinfo sind keine Informationen bekannt, in denen Quellen von Abweichung berichten; gleichwohl haben manche angedeutet, dass es bei Usbeken, Turkmenen und Tadschiken weitreichende Zurückhaltung hinsichtlich der Heirat mit Paschtunen gibt.

 

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Die US amerikanische Universität Western Florida schreibt: die ethnische Diversität Afghanistan bedeutet nicht, dass die Mitglieder unterschiedlicher Ethnien nicht miteinander interagieren. Eine substantielle Menge an inter-ethnischen Ehen existiert zwischen den ethnischen Gruppen; diese inter-ethnischen Ehen tendieren dazu, die Loyalitäten unterschiedlicher Ethnien zu verwischen. Beispielsweise verdankt der Hauptkommandant der Tadschiken rund um Mazar-e Sharif, Atta Mohammed, der mit einer Paschtunin verheiratet ist, seinen Schwiegereltern sein Leben; diese haben es geschafft ihn aus einer Gegend zu schmuggeln, in denen die Taliban die Kontrolle übernommen hatten. Inter-ethnische Heirat bedeutet auch, dass physische Charakteristika in überraschenden Kombinationen sich wiederfinden.

 

[...]

 

Die US amerikanische Bibliothek des Kongress schreibt über Usbeken, dass obwohl Mischehen zwischen den Ethnien, wie Usbeken, Turkmenen und Tadschiken stattfinden, eine Abneigung gegen die Heirat mit Paschtunen verbreitet ist.

 

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Leo Karrer schreibt in dessen Publikation über die ethnische Gruppe der Paschtunen: "Obwohl keine genauen Bevölkerungszahlen existieren, eine Großzahl von muttersprachlichen Paschtunen, deren Abstammung hauptsächlich multiethnische ist (Mischehen zwischen den Ethnien ist häufig in der Region) und Nicht-Paschtu-Sprecher behaupten paschtunischer Abstammung zu sein - ist davon auszugehen, dass die Zahl (50 Millionen) wahrscheinlich eine vernünftige Schätzung für die Größe der Paschtunen ist."

 

[...]

 

1.4.3. Auszug aus der Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07.06.2017 zu Afghanistan, Blutrache und Blutfehde:

 

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Ehre und Vergeltung bei Ehrverletzungen (badal) spielen eine zentrale Rolle im paschtunischen Ehrenkodex (Paschtunwali). In den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 weist UNHCR mit Bezug auf verschiedene Quellen darauf hin, dass Vergeltung durch Blutrache auf einem traditionellen Verständnis von Verhalten und Ehre beruht. Eine Blutfehde besteht zwischen zwei Familien, wobei Mitglieder der einen Familie solche der anderen zur Vergeltung einer Tat töten. Die Blutrache sei hauptsächlich eine paschtunische Tradition und im paschtunischen Ehrenkodex (Paschtunwali) verankert, werde aber auch von anderen ethnischen Gruppen praktiziert. Auslöser einer Blutfehde könne ein Mord oder eine ungelöste Streitigkeit sein.

 

Gemäß einem in den UNHCR-Richtlinien zitierten Landinfo-Bericht vom 1. November 2011, der sich auf eine Publikation von Thomas Barfield, Anthropologe mit Schwerpunkt Afghanistan an der Boston University, aus dem Jahr 2003 beruft, ist Vergeltung (badal) bei verletzter Ehre eine zentrale Institution des Paschtunwali. Thomas Ruttig, Kodirektor des Afghanistan Analysts Network in Kabul, gab am 23. Februar 2017 gegenüber dem Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) an, bei badal handele es sich um einen Austausch zwischen zwei Familien infolge einer Ehrverletzung. Das Prinzip des badal entspreche dem qesas/quisas-Prinzip der Scharia. Laut einem Bericht der Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom Januar 2016 steht der Begriff badal für Austausch und kann sich beispielsweise auch auf den Austausch von zwei Frauen zwischen zwei Familien beziehen, indem eine Tochter aus jeder Familie mit einem Mann aus der jeweils anderen Familie verheiratet wird.

 

Das Recht auf Rache und die Erwartung einer Vergeltung ist gemäß dem Landinfo-Bericht zentral für das nichtstaatliche Rechtssystem des Paschtunwali. Die Verantwortung für die Bestrafung von immoralischem Verhalten wie Diebstahl, Vergewaltigung oder Mord liege nicht bei der Gemeinschaft, sondern beim Opfer, und Rache sei eine akzeptable Reaktion. Die Grenzen der Legitimität der Rache würden durch lokale Traditionen, die öffentliche Meinung und den Paschtunwali bestimmt. Wird keine Rache ausgeübt, könne dies als moralische Schwäche ausgelegt werden, die auf ganze Familienverbände bezogen werden könne. Sowohl das Anzeigen eines Mordes bei den staatlichen Behörden als auch Verhandlungen über finanzielle Entschädigung mit der Täterfamilie können als Schwäche und als Zeichen ausgelegt werden, dass die Familie nicht stark genug ist, ihre Ehre zu verteidigen. Der Familienverband des Opfers habe eine kollektive Verantwortung, Vergeltung zu üben und die Ehre wiederherzustellen. Laut Angaben eines Vertreters der Peace Training & Research Organization (PTRO) in Kabul gegenüber der SFH vom 1. Juni 2017 ist die Ausübung von Vergeltung auch ein Signal an andere, dass die betroffene Familie stark ist und sich verteidigen kann. Dies gelte unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit.

 

Blutrache wird überall in Afghanistan sowie von und zwischen allen Volksgruppen praktiziert. Thomas Ruttig, Kodirektor des Afghanistan Analysts Network in Kabul, gab gegenüber der SFH am 30. Mai 2017 folgendes an: Blutrache sei in Afghanistan kein ausschließlich ländliches Phänomen, sondern überall und auch zwischen allen Ethnien möglich. Die kriegsbedingten großen Wanderungsbewegungen vom Land in die Städte hätten dazu beigetragen, dass Gebräuche wie Blutrache auch in den Städten praktiziert würden. Noah Coburn, Anthropologe mit Schwerpunkt Afghanistan am Bennington College, bestätigte am 31. Mai 2017 gegenüber der SFH, dass Blutrache in Afghanistan sowohl auf dem Land als auch in den Städten einschließlich Kabul verbreitet ist und zwischen verschiedenen Ethnien, beispielsweise einer paschtunischen und einer tadschikischen Familie, vorkommen kann. Gemäß Angaben von Thomas Barfield vom 30. Mai 2017 gegenüber der SFH ist Blutrache in ländlichen Gebieten eher üblich, kann jedoch wegen der großen Zahl der vom Land zugewanderten Stadtbewohner auch in Städten vorkommen. Die ethnische Zugehörigkeit spiele bezüglich Blutrache keine zentrale Rolle, und sie könne daher auch zwischen Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen ausgeübt werden. In solchen Fällen könne eine Beilegung jedoch schwieriger sein als in Fällen von Blutrache zwischen Angehörigen derselben ethnischen Gruppe, da es weniger Ansatzpunkte für eine Mediation gebe. Gemäß PTRO (1. Juni 2017) ist Blutrache sowohl in den Städten wie auch auf dem Land üblich. Mächtige Familien übten bei einer Ehrverletzung normalerweise Vergeltung, während weniger mächtige und arme Familien in der Regel Verhandlungen und eine Versöhnung durch Älteste oder eine Bestrafung durch die Regierung akzeptierten.

 

Keine festen Regeln wie beispielsweise Mindestalter; Blutrache kann auch nach Jahren oder Jahrzehnten ausgeübt werden. Laut Thomas Barfield (30. Mai 2017) zielt eine Blutrache hauptsächlich auf diejenige Person ab, die einer Tat wie beispielsweise eines Mordes bezichtigt wird, unabhängig von ihrem Alter. Unter bestimmten Bedingungen könne gemäß dem Landinfo-Bericht aber auch die Tötung des Bruders des Täters oder eines anderen Verwandten der väterlichen Linie eine Alternative darstellen. Thomas Ruttig (30. Mai 2017) gab an, es gebe keine klaren Regeln für die Ausübung von Blutrache, wie beispielsweise ein Mindestalter, ab dem eine Person Ziel einer Blutrache werden könne. Wenn eine Familie Rache üben wolle, würde sie nach einer Gelegenheit dafür suchen. Gemäß Noah Coburn (31. Mai 2017) kann ein männliches Familienmitglied im frühen Teenageralter Ziel einer Blutrache werden, möglicherweise aber auch bereits im Alter von neun oder zehn Jahren. Eine Blutfehde kann gemäß Thomas Ruttig und Thomas Barfield (30. Mai 2017) auch nach Jahren oder Jahrzehnten einsetzen oder Jahre oder Jahrzehnte dauern. Laut UNHCR (19. April 2016) kann eine Blutrache auch in solchen Fällen erst Jahre oder Jahrzehnte nach der ursprünglichen Tat einsetzen, wenn sich eine Opferfamilie nicht sofort in der Lage fühlt, Rache auszuüben. Landinfo zitiert unter Berufung auf Barfield (2003) ein paschtunisches Sprichwort, das die geringe Bedeutung der Zeit in diesem Zusammenhang ausdrückt: "Ein Mann übte nach hundert Jahren Rache, bedauerte jedoch, übereilt gehandelt zu haben".

 

Staatliche Prozesse und traditionelle Bräuche wie Blutrache laufen unabhängig voneinander ab; ein Urteil eines staatlichen Gerichts beendet eine Blutrache nicht. Bei staatlichen Prozessen und traditionellen Bräuchen wie der Blutrache handelt es sich gemäß Angaben von Thomas Ruttig (30. Mai 2017) um "zwei völlig verschiedene Welten". Laut Thomas Barfield (30. Mai 2017) hat Blutrache keinen Zusammenhang mit formalen rechtlichen Abläufen, sondern ist illegal. Ein Freispruch durch ein Gericht kann gemäß Angaben von Thomas Barfield und Noah Coburn eine Blutrache nicht beenden. Für eine Tat inhaftierte Personen bleiben laut Thomas Barfield (30. Mai 2017) daher über die Inhaftierung hinaus Ziel einer Blutrache, da es nach ihrer Freilassung möglich sei, sie anzugreifen. Eine Blutrache könne durch die Tötung einer Person beendet werden, wobei eine solche Tötung andererseits auch einen neuen Racheakt der Gegenseite auslösen könne. Üblicherweise ende eine Blutrache, wenn beide Seiten einer förmlichen Beendigung durch einen Versöhnungsprozess zustimmten, bei dem Blutgeld gezahlt würde. Gemäß UNHCR (19. April 2016) können Akte der Blutrache auch dann ausgeübt werden, wenn ein Täter bereits im Rahmen des staatlichen Rechtssystems bestraft wurde. Laut Landinfo (1. November 2011) schließt eine Entscheidung im Rechtssystem der Regierung das Risiko einer gewaltsamen Vergeltung nicht notwendigerweise aus. Von der Opferfamilie könne immer noch erwartet werden, dass sie den Mörder nach seiner Entlassung tötet, außer die Fehde sei beigelegt worden. Eine lokale Gemeinschaft betrachte eine Tötung aus Rache, die durch die Tradition legitimiert ist, nicht als ein Verbrechen.

 

[...]

 

Schutz durch den Staat

 

Weit verbreitete Straflosigkeit und Korruption bei den Behörden; Bürgerinnen und Bürger misstrauen der Polizei und fürchten sie. Gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 ergeben sich Afghanistans schwache rechtsstaatliche Strukturen unter anderem aus der sehr weit verbreiteten Korruption und einer Kultur der Straflosigkeit. Urheber von Menschenrechtsverletzungen werden kaum bestraft, und Angehörige von staatlichen Institutionen wie der afghanischen nationalen und der afghanischen lokalen Polizei begehen selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür verurteilt zu werden. Staatliche Behörden und Institutionen einschließlich Polizei und Justiz sind auf allen Ebenen von Korruption betroffen. Ein Bericht des Congressional Research Service vom 19. Mai 2017 hebt hervor, dass der Zustand der afghanischen nationalen Polizei von unabhängiger Seite negativ beurteilt wird. Die Korruption habe ein solches Ausmaß erreicht, dass Bürgerinnen und Bürger der Polizei misstrauen und sie fürchten. Unter anderem sei diese auch oft in lokale Streitigkeiten verwickelt. USDOS (3. März 2017) berichtet ebenfalls von Korruption bei staatlichen Behörden, die straflos bleibt. Durch Zahlung von Bestechungsgeldern würden Gefängnisstrafen reduziert, Untersuchungen abgebrochen oder Anklagen zurückgenommen. Polizeiangehörige verlangten Bestechungsgelder für Entlassungen aus dem Gefängnis oder Vermeidung von Festnahmen. Ein Vertreter der Peace Training & Research Organization (PTRO) in Kabul gab am 1. Juni 2017 gegenüber der SFH ebenfalls an, dass Gerichten in Afghanistan kein Vertrauen geschenkt würde. Durch Bestechung könnten sie nämlich dazu gebracht werden, die Dauer von Gefängnisstrafen zu verkürzen oder die Art der Bestrafung zu ändern.

 

Staatliche Institutionen bieten kaum Schutz vor Blutrache; Zugang zu staatlichem Schutz hängt von finanziellen Mitteln und vom Einfluss der betroffenen Familie ab. Staatliche Gerichte und die Polizei in Afghanistan können gemäß Thomas Ruttig (30. Mai 2017) wegen der oben beschriebenen weit verbreiteten Straflosigkeit und Korruption eine Blutrache nicht verhindern oder beenden und seien oft auch nicht willens, dies zu tun. Es sei sogar möglich, dass auch Richter und Polizeiangehörige "eine Blutrache als ein legitimes - weil "traditionelles" - Vorgehen betrachteten". Noah Coburn gab am 31. Mai 2017 gegenüber der SFH an, der Zugang zu staatlichem Schutz hänge von den finanziellen Mitteln und dem Einfluss der betroffenen Familie ab. Wenn die Familie für genügend bedeutend erachtet würde oder ausreichende Bestechungsgelder zahlen könne, könnten die Behörden sich unter Umständen für den Fall interessieren. Generell könne die Polizei von einer Blutrache betroffene Personen jedoch nicht wirksam schützen.

 

Staatlicher Schutz ist äußerst unwahrscheinlich, wenn Polizeiangehörige in Blutrache verwickelt sind. In Fällen, in denen ein Polizist in eine Blutrache verwickelt ist, muss man laut Thomas Ruttig (30. Mai 2017) damit rechnen, dass aus Gründen des "Korpsgeistes" andere Polizeiangehörige und Behördenvertreter nicht gegen ihn vorgehen werden. Dies sei umso wahrscheinlicher, je höher die Position des Polizisten sei. Laut Thomas Barfield (30. Mai 2017) ist die Polizei in Fällen von Blutrache kaum hilfreich, und man kann sich nicht auf sie verlassen. Dies sei umso mehr der Fall, wenn ein Behörden- oder Polizeiangehöriger in die Blutrache verwickelt sei und mit Rache drohe, außer wenn die bedrohte Familie ihrerseits Verbindungen zu noch mächtigeren Personen habe. Gemäß Noah Coburn (31. Mai 2017) ist es unwahrscheinlich, dass eine bedrohte Familie staatlichen Schutz erhält, wenn ein Polizeiangehöriger auf der Seite der anderen Familie in die Blutrache verwickelt ist.

 

[...]

 

2. Beweiswürdigung:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde, im bekämpften Bescheid und im Beschwerdeschriftsatz, in die vorgelegten Urkunden sowie in das diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, letzte Information vom 30.01.2018, der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan Interethnische Beziehungen, Mischehen Hazara, Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Sayed vom 25.09.2017 und dem Auszug aus der Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07.06.2017 zu Afghanistan, Blutrache und Blutfehde.

 

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

 

2.1. Zum Verfahrensgang:

 

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

2.2. Zum Beschwerdeführer:

 

Die Feststellungen zur Staats- und Volksgruppenangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Der erkennende Richter hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

 

Dass der Beschwerdeführer sunnitischer Moslem ist, ergibt sich aus der diesbezüglichen unbedenklichen Angabe in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie im Beschwerdeverfahren.

 

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie im Beschwerdeverfahren. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wurde medizinisch festgestellt. Im bezughabenden Verwaltungsakt der belangten Behörde liegt dazu ein Befund eines Facharztes für Radiologie vom 02.12.2015 (AS 77) sowie ein gerichtsmedizinisches Gutachten zur Altersfeststellung vom 30.04.2016 (AS 101 bis 125) ein. Nach diesem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten ist das fiktive Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX, welches für das gegenständliche Verfahren herangezogen wird. Somit konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zweifelsfrei volljährig ist. Überdies wirkte der Beschwerdeführer, auf Grund seiner optischen Erscheinung, in der mündlichen Verhandlung keinesfalls jünger als das gutachterlich festgestellte Mindestalter. In diesem Zusammenhang wird weiters festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer betreffend sein Geburtsdatum in einige Widersprüche verstrickte. Bei seiner Erstbefragung am 03.09.2015 wurde der XXXX protokolliert, was darauf hindeutet, dass das genaue Geburtsdatum vom Beschwerdeführer nicht genannt werden konnte. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.07.2016 gab er den XXXX an. Sein Geburtsdatum im afghanischen Kalender konnte er allerdings nicht nennen. Anschließend hat er das Ergebnis der Altersfeststellung ausdrücklich akzeptiert (AS 158, Seite 4 der niederschriftlichen Einvernahme). Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer befragt nach seinem Geburtsdatum den XXXX an. Der Aufforderung des erkennenden Richters, sein Geburtsdatum im afghanischen Kalender zu nennen, konnte der Beschwerdeführer nicht nachkommen (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Gefragt, warum er sein Geburtsdatum im afghanischen Kalender nicht nennen könne, obwohl er Afghane sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er keine weiteren Daten nennen möchte, weil es schon wegen der von ihm genannten Daten Schwierigkeiten geben würde (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Soweit daher in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name, Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

 

Die Feststellung, dass die Muttersprache des Beschwerdeführers Dari ist, ergibt sich aus dessen diesbezüglich unbedenklichen gleichbleibenden Angaben während des verwaltungsbehördlichen Verfahrens als auch des Beschwerdeverfahrens.

 

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben. Betreffend seine Arbeitsfähigkeit ist außerdem auf die vorgelegten unbedenklichen Unterlagen insbesondere der Arbeitsbestätigung der Pizzeria XXXX in XXXX zu verweisen.

 

Dass der Beschwerdeführer ledig ist, keine Kinder hat und in Afghanistan geboren und aufgewachsen ist, ergibt sich aus seinen eigenen unbedenklichen Angaben.

 

Die Feststellungen zu seiner Kernfamilie gründen auf den diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Ebenso gründen die Feststellungen betreffend die Aufenthaltsorte seiner Angehörigen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem zur Entscheidung berufenen Richter.

 

Die Angaben bezüglich des Bildungsstandes des Beschwerdeführers und seinen beruflichen Erfahrungen gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen. Der erkennende Richter sieht keinen Grund, weshalb der Beschwerdeführer hier unwahre Angaben machen sollte. Gleiches gilt für die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit seiner Eltern.

 

Dass der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt zu seiner Familie hat, stützt sich auf dessen unbedenklicher Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie im Zuge der mündlichen Verhandlung.

 

Dass der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht hat, ergibt sich aus den vorgelegten unbedenklichen Unterlagen in der öffentlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit XXXX.2018 in einer Pizzeria beschäftigt ist, ergibt sich aus der vorgelegten Arbeitszeitbestätigung sowie dem vorgelegten Sozialversicherungsdatenauszug.

 

Dass keine maßgeblichen privaten Kontakte in Österreich bestehen, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers. So gab er lediglich an, früher in XXXX bei einem Verein Fußball gespielt zu haben (Seite 21 des Verhandlungsprotokolls). Auch aus den vorgelegten Unterlagen lassen sich keine nennenswerten sozialen Kontakte des Beschwerdeführers in Österreich ableiten. Der Beschwerdeführer gab zwar an, seit acht Monaten eine Freundin in Österreich zu haben, welche er auch beabsichtige, zu heiraten (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls), allerdings konnte er den erkennenden Richter nicht vom Vorliegen einer aufrechten Beziehung mit herausragender Intensität überzeugen. Geeignete Anhaltspunkte, die das Bestehen einer solchen Beziehung darlegen würden, wurden vom Beschwerdeführer nicht dargebracht und kamen auch keine hervor.

 

Die Feststellung, dass keine nahen Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich leben, ergibt sich aus der diesbezüglich glaubhaften Angabe des Beschwerdeführers. So gab er in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass sein Cousin eine Zeit lang in Österreich gewesen sei. Allerdings habe dieser aufgrund einer vorgeworfenen Vergewaltigung eine "negative Entscheidung" bekommen und sei er abgeschoben worden (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls).

 

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der Einsichtnahme in den aktuellen Strafregisterauszug.

 

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Eine individuell konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat konnte in Gesamtwürdigung seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht festgestellt werden.

 

Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern.

 

Der Beschwerdeführer bringt hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Wesentlichen vor, von der Familie seiner Mutter misshandelt worden zu sein. Der Beschwerdeführer konnte sein Fluchtvorbringen jedoch nicht glaubhaft darlegen: Seine Schilderungen erscheinen auch vor dem Hintergrund der Berichtslage unplausibel. Es ergaben sich allerdings auch erhebliche Ungereimtheiten in den Aussagen des Beschwerdeführers. Wie schon vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beweiswürdigend ausgeführt, kommt dem Beschwerdeführer keine persönliche Glaubwürdigkeit aufgrund seines auch in der mündlichen Verhandlung vor dem zur Entscheidung berufenen Richter gezeigten Aussageverhaltens zu. Wesentlich ist auch, dass sich der Beschwerdeführer im Zuge seines Fluchtvorbringens in Widersprüche verstrickte, welche er nicht aufklären konnte:

 

So gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst an, dass seine Familie und er von 2004 bis 2008 aus Furcht vor der Familie seiner Mutter in den Iran geflüchtet seien. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer sieben Jahre alt gewesen (AS 157 f; Seite 3 f der Niederschrift). Im weiteren Verlauf der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer weiter an, neun Jahre in XXXX, Afghanistan zu Schule gegangen zu sein. Bei Schuleintritt sei er sieben Jahre alt gewesen. Er sei mit seiner Familie in XXXX gewesen, seitdem er die Schule besucht habe (AS 157; Seite 3 der Niederschrift). Um schließlich gefragt, wie alt er zu dem Zeitpunkt gewesen sei, als der Großvater in das Haus der Familie des Beschwerdeführers gekommen sei und ihn mitgenommen habe, anzugeben, dass er achteinhalb bis neun Jahre alt gewesen sei (AS 166; Seite 12 der Niederschrift).

 

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wies der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang daraufhin, dass es im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme Fehler geben würde (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls); er vermochte die aufgetretenen Widersprüche allerdings nicht zu entkräften: Der Beschwerdeführer führte aus, dass er insgesamt sieben Jahre die Schule besucht habe. Damit meine er auch, dass er im Iran in den Kindergarten gegangen sei. Weiters gab er an, dass er mit der zweiten oder dritten Klasse begonnen habe, als er nach Afghanistan zurückgehrt sei. Insgesamt habe er in Afghanistan sechs Jahre die Schule besucht. Geht der zur Entscheidung berufene Richter nunmehr davon aus, dass der Beschwerdeführer von 2004 bis 2008 im Iran aufhältig gewesen sei, so wäre er zu diesem Zeitpunkt nach dem gutachterlich festgestellten Alter mindestens sechs Jahre alt gewesen. Dies würde bedeuten, dass er mit ca. zehn Jahren wieder zurück nach Afghanistan gekommen sei, was allerdings mit seinen weiteren Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach er - wie bereits oben ausgeführt - bei der Entführung durch seinen Großvater in Afghanistan ca. achteinhalb bis neun Jahre gewesen sei, im Widerspruch steht. Insgesamt stehen die Angaben in einem eindeutigen Widerspruch zu seinen einstigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach der Beschwerdeführer, seitdem er in die Schule gegangen sei, in XXXX, Afghanistan gelebt habe (AS 157; Seite 3 der Niederschrift). Für den erkennenden Richter überwiegt schon auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer trotz einer guten Schulausbildung nicht in der Lage ist, einen chronologisch nachvollziehbaren widerspruchsfreien Lebenslauf wiederzugeben, der Eindruck, dass sich dieser einer für ihn vermeintlich erfolgversprechenden Fluchtgeschichte bedienen möchte. Dieser Eindruck wird durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer, seine widersprüchlichen Angaben vor dem Bundesamt erkennend, nicht in der Lage ist, diese trotz angeblicher Vorbereitung während der mündlichen Verhandlung, zu wiederlegen, noch erhärtet. Es gelingt dem Beschwerdeführer nicht plausibel nachvollziehbare Gründe für die zeitlichen Widersprüche zu nennen.

 

Dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie aus Furcht vor der Familie seiner Mutter in den Iran geflüchtet sei, vermochte er aufgrund obiger Unstimmigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Abfolge nicht schlüssig und glaubwürdig darzustellen.

 

Weiters gab der Beschwerdeführer abweichend von seiner bisherigen Darstellung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 161; Seite 7 der Niederschrift), vor dem zur Entscheidung berufenen Richter an, von seinem Onkel mütterlicherseits entführt und misshandelt worden zu sein (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Gefragt, wie er sich den Unterschied erkläre, dass er im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben habe, dass es sein Großvater gewesen sei, welcher ihn zum Zwecke der Misshandlung mitgenommen habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Großvater und Onkel mütterlicherseits gleich seien; sein Onkel habe ihn mitgenommen, weil sein Großvater ihn dazu aufgefordert habe (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Diese Antwort ist geradezu lebensfremd und nicht nachvollziehbar, vermochte der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Begriffe "Großvater/Onkel" noch sehr wohl zu trennen:

"[...] An diesem Tag kam mein Großvater zu uns nach Hause. [...] Mein Onkel XXXX kam immer wieder, er hat mich geschlagen und mir gesagt, dass wir die Kinder von einem Esel sind [...]" (AS 161 f, Seite 7 f der Niederschrift). Ebenso gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt an, dass er Narben einer Schussverletzung am Bein habe (AS 162 f, Seite 8 f der Niederschrift). Vor dem zur Entscheidung berufenen Richter führte der Beschwerdeführer zu diesen Narben im Gegensatz dazu aus, dass diese von den Misshandlungen herrühren würden, es seien ihm Nägel ins Bein geschlagen worden (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls). Auf diesen Widerspruch angesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, dass er Verletzungen beiderlei Art habe (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Vorbringen ist allerdings nicht geeignet, den Widerspruch zu entkräften. Vielmehr sind die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich und nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer erweckt durch seine Ausführung den Anschein, ihm vorgehaltenen Widersprüche, durch das Vorbringen von Schutzbehauptungen, entkräften zu wollen. Dies vor allem deshalb als es für den zur Entscheidung berufenen Richter zumindest befremdlich erscheint, dass der Beschwerdeführer, zur Genesis der Verletzungen, nicht in der Lage ist gleichbleibende Angaben zu machen. Unabhängig von der tatsächlichen Schwere einer angeblichen Verletzung, vermag es der zur Entscheidung berufene Richter nicht logisch nachzuvollziehen, dass ein wohl als sehr drastisch zu bezeichnender Übergriff, nämlich das Einschlagen von Nägeln in die Extremitäten, vom Beschwerdeführer in keiner Weise bis zur mündlichen Verhandlung, von diesem vorgebracht wurde.

 

Betreffend das Verhältnis zu seinem Großvater mütterlicherseits, welcher - wie der Beschwerdeführer mehrmals ausführte - hinter den Vorfällen stecken würde (AS 161 ff, Seite 7 ff der Niederschrift), verstrickte sich der Beschwerdeführer in eklatante Widersprüche, weshalb ihm seine persönliche Glaubwürdigkeit zu versagen ist: In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte der Beschwerdeführer aus, dass eines Tages sein Großvater zu seiner Familie und ihm nach Hause gekommen sei, ihn am Oberarm gepackt und zu einem Pick-up gezerrt habe. Daraufhin sei er nach XXXX gebracht und ausgepeitscht worden (AS 161; Seite 7 der Niederschrift). Auch bei seiner vorgebrachten Entführung nach Laghman sei sein Großvater gekommen und habe mit den Männern gesprochen. Sein Großvater und sein Onkel hätten ihn beschimpft (AS 169, Seite 15 der Niederschrift). Weiters führte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift aus, dass sein Großvater ihn mitgenommen und ihn ausgepeitscht habe (AS 282). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer im Gegensatz zum bisher Vorgebrachten plötzlich an, seinen Großvater persönlich nie gesehen zu haben; er kenne ihn nicht (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls).

 

Schließlich vermochte der Beschwerdeführer nicht schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, dass sein vorgebrachtes Fluchtvorbringen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität darstellt. So beantwortete er im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, wie es zu Hause laufe, mit: "Bei uns zu Hause ist alles in Ordnung, es gibt aber ein bisschen Schwierigkeiten zwischen meinem Großvater und meiner Mutter." (Seite 16 des Verhandlungsprotokolls).

 

Im Übrigen ist im Zusammenhang mit der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers festzuhalten, dass er im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht den erkennenden Richter des Öfteren fragte, ob ihm die Beantwortung einer Frage schaden könne. So führte er betreffend sein Geburtsdatum aus: "Welches Geburtsdatum soll ich jetzt nennen, wenn ich mein Geburtsdatum im afghanischen Kalender nenne, schadet mir das nicht?" (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auch in Bezug auf seinen Cousin, welcher nach Afghanistan abgeschoben worden sei, stellte der Beschwerdeführer auf die Frage nach dessen Namen, die Gegenfrage, ob ihm das schaden werde, wenn er seinen Namen nenne (Seite 19 des Verhandlungsprotokolls). Zudem beantwortete der Beschwerdeführer einige Fragen des erkennenden Richters erst nach einer Überlegungsphase (Seite 8, 10 f des Verhandlungsprotokolls). Daraus verstärkt sich für den zur Entscheidung berufenen Richter der Gesamteindruck, dass der Beschwerdeführer versuchte, sein Vorbringen an die jeweilige Fragesituation anzupassen.

 

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen kommt somit in einer Gesamtschau keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

2.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Dass eine Rückkehr in seine Heimatregion bzw. seinen Herkunftsstaat möglich ist, ergibt sich aus den Länderfeststellungen und den Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend seine Ausbildung, den Verbleib und die berufliche Tätigkeit seiner Kernfamilie; dies stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:

 

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht von seiner Familie unterstützt werden kann, ergibt sich aus seiner eigenen Angabe vor dem erkennenden Richter, wonach sein Vater als Immobilienmakler tätig sei und die Familie versorge (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Aus diesem Grund kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer von seiner Familie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan (wenn auch nur geringfügig) unterstützt wird, und war diesbezüglich eine Negativfeststellung zu treffen.

 

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan (Kabul bzw. Heimatort) Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer über eine Schulbildung und Berufserfahrung verfügt. Der erwerbsfähige Beschwerdeführer kann auch nach Rückkehr nach Afghanistan eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in Kabul bzw. in dessen Herkunftsort nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Auch ergibt sich unter Zugrundelegung der Länderberichte unter dem Aspekt der Sicherheitslage in Kabul keine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer.

 

Es ist zudem notorisch, dass der Beschwerdeführer bei einer freiwilligen Rückkehr nach negativem Verfahrensausgang Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er Rückkehrhilfe bzw. zusätzlich die Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt beantragen kann.

 

Die Feststellung, dass die Stadt Kabul über den dortigen Flughafen direkt erreichbar ist, gründet sich auf das Länderinformationsblatt.

 

Die dargestellten Umstände rechtfertigen aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer in Kabul bzw. dessen Herkunftsort eine Existenz aufbauen und sichern kann. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als junger Erwachsener in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit darlegen musste.

 

2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da dieser aktuelle Länderbericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Auch die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme angeführten Berichte konnten diesen nichts Substantiiertes entgegensetzen.

 

Insoweit in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zu Grunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuellen Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

In der Stellungnahme vom 27.06.2018 verwies der Beschwerdeführer auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, 7 K 1757/16.WI.A (in Folge kurz "Stahlmann-Gutachten"), welches im Auftrag des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden erstellt wurde, das dem Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht als Beweismittel vorgelegt wurde.

 

Zunächst ist zu beachten, dass der pauschale Verweis des Beschwerdeführers respektive von seinem Rechtsvertreter auf das Stahlmann-Gutachten nicht geeignet ist, eine konkrete und individuell den Beschwerdeführer treffende Bedrohung bzw. eine Verfolgung aufzuzeigen.

 

Das Stahlmann-Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit geschlossen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Außerdem sind die Schlussfolgerungen der Gutachterin, dass eine Ansiedlung in Kabul ohne familiäre oder soziale Unterstützung nicht möglich ist, aufgrund der zugrundeliegenden Quellen zu allgemein gehalten, um daraus eine verallgemeinerungsfähige, über den Einzelfall hinausgehende Feststellung zu treffen. Es wird zwar seitens der Gutachterin eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür aufgezeigt, dass es für afghanische Rückkehrer schwer ist in Kabul eine Arbeit und eine Wohnung zu finden, sie liefert jedoch keinen Nachweis dafür, dass sich die beschriebenen Risiken bei einer bestimmten Anzahl von Rückkehrern tatsächlich realisiert haben und deswegen jeder Rückkehrer einer tatsächlichen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre.

 

Schließlich weist dieses Gutachten für das erkennende Gericht auch nicht denselben Beweiswert auf, wie länderkundliche Informationen (LIB, UNHCR-Richtlinien, etc.), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, sodass das Gericht seine Feststellungen auf das Länderinformationsblatt, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan Interethnische Beziehungen, Mischehen Hazara, Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Sayed vom 25.09.2017 und den Auszug aus der Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07.06.2017 zu Afghanistan, Blutrache und Blutfehde stützt.

 

Der Verweis auf das Stahlmann-Gutachten in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Stellungnahme war daher im Hinblick auf die obigen Ausführungen nicht geeignet, zu anderen Feststellungen als den getroffenen zu gelangen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Zu Spruchpunkt A)

 

3.1.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden: GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Darüber hinaus ist der Antrag gemäß § 11 AsylG 2005 abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat Schutz gewährleistet werden kann und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann. Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind. Darüber hinaus ist nach Art. 8 der Statusrichtlinie zu prüfen, ob der Antragsteller in diesen Landesteil sicher und legal reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG abzuweisen.

 

3.1.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 offen steht.

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Es ist somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen (siehe zB VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (zuletzt VwGH 12.06.2018, Ra 2018/20/0250, mit Verweis auf VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mwN).

 

Es obliegt grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Es reicht für den Antragsteller nicht aus, sich bloß auf eine allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu berufen. Die allgemeine Situation in Afghanistan ist nämlich nicht so gelagert, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2017/20/0361).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137).

 

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül somit insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Nach allgemeiner Auffassung soll die Frage der Zumutbarkeit danach beurteilt werden, ob der in einem Teil seines Herkunftslandes verfolgte oder von ernsthaften Schäden (iSd Art. 15 Statusrichtlinie) bedrohte Asylwerber in einem anderen Teil des Herkunftsstaates ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härte führen kann. Dabei ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände des Asylwerbers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, mwN).

 

Bei der Einzelfallprüfung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Kabul kommt den Fragestellungen, ob der Asylwerber bereits vor seiner Flucht in Kabul gelebt hat, ob er dort über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, die es ihm ermöglichen, seinen Lebensunterhalt zu sichern, oder ob er auch ohne solche Anknüpfungspunkte seinen Lebensunterhalt derart sichern kann, dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende, aussichtslose Lage gelangt, maßgebliches Gewicht zu (vgl. dazu zB VfGH 11.12.2013, U 2643/2012).

 

Der UNHCR formuliert in seinen Richtlinien, dass die Beantwortung der Frage, ob dem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren abhängt. Dazu müssten die persönlichen Umstände des Betroffenen (einschließlich allfälliger Traumata infolge früherer Verfolgung), die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden (siehe VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

Nach den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, welchen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ist (siehe VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN), ist eine interne Schutzalternative grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzigen Ausnahmen von der Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen (Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, S 10 und 95 ff).

 

Auch der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben (siehe dazu VfGH 13.09.2013, U 370/2012, mwN).

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in einem vor kurzem ergangenen Erkenntnis ausgesprochen, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren ist, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (VfGH 12.12.2017, E 2068/2017; siehe auch unlängst VwGH 20.02.2018, Ra 2018/20/0067).

 

Mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat wird die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze damit in Bezug auf Kabul nicht dargetan (zuletzt VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind:

 

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Verfolgung und Gefährdung seiner Person war nicht glaubhaft. Dies ist zudem insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszuschließen.

 

Eine Verfolgung oder Gefährdung konnte vom Beschwerdeführer, wie in der Beweiswürdigung dargestellt, nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Fluchtgründe aus einer Gesamtschau seiner Angaben im Verfahren.

 

Der Beschwerdeführer kann unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf die Hauptstadt Kabul bzw. seinen Heimatort verwiesen werden. Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben mehrfach von Parwan aus nach Kabul gereist zu sein (siehe unter II.1.3.).

 

Es wird nicht verkannt, dass die Sicherheitslage auch in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Festzuhalten ist aber, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat und dass Kabul auf Grund des vorhandenen Flughafens über den Luftweg sicher zu erreichen ist. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in der Stadt Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist anzuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass eine Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat (bzw. ein bestimmtes Gebiet innerhalb eines Staates) automatisch eine Verletzung von Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich in der Regel gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Auch die in der aktuellen Kurzinformation vom 30.01.2018 genannten jüngsten notorischen Anschläge entsprechen diesem Muster (Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.01.2018, Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.01.2018, Angriff auf die NGO Save the Children am 24.01.2018, Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.01.2018). Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul insgesamt als nicht ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Stadt Kabul kann somit nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste.

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten reicht es entsprechend der oben wiedergegeben Judikatur nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen:

 

Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren nicht darzulegen. Der Beschwerdeführer hat die meiste Zeit seines Lebens in Afghanistan verbracht, seine Kernfamilie lebt eineinhalb Autostunden von Kabul entfernt und sein Vater kommt aufgrund der Tätigkeit als Immobilienmakler für den Lebensunterhalt seiner Familie auf. Mit der Ansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul ist daher keineswegs die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinne der obigen Rechtsgrundsätze in Bezug auf Kabul behaftet.

 

Wie bereits unter II.1.2. festgestellt, ist der volljährige Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig. Er weist Sprachkenntnisse in Dari auf. Der Beschwerdeführer hat überdies sechs Jahre die Schule besucht und verfügt daher über eine Schulbildung. Weiters verfügt er über eine mehrjährige Berufserfahrung. Die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben kann daher vorausgesetzt werden. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan gelebt hat und in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen ist, ist zudem davon auszugehen, dass er mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut ist. Darüber hinaus ist ausdrücklich festzuhalten, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers, zu welcher er regelmäßig Kontakt pflegt, nur etwa eineinhalb Autostunden von Kabul entfernt wohnt und der Beschwerdeführer selbst ausgeführt hat, dass er mehrfach zwischen seinem Heimatort und Kabul hin und her gereist ist.

 

Wenn nach ständiger Rechtsprechung die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul sogar einem Beschwerdeführer, welcher nicht in Afghanistan geboren ist, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist, zugemutet wird (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017-17), muss dies umso mehr für den Fall des Beschwerdeführers gelten, der in Afghanistan aufgewachsen ist, die kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan sowie die örtlichen Gegebenheiten kennt und darüber hinaus im regelmäßigem Kontakt zu seiner Kernfamilie steht, welche nicht weit von Kabul entfernt wohnt.

 

Der Beschwerdeführer kann durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Es besteht die Möglichkeit direkt nach der Ankunft in Kabul bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak in Kabul untergebracht zu werden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei er seine Berufserfahrungen nutzen könnte. Da in Kabul Häuser und Wohnungen zur Verfügung stehen, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine einfache Unterkunft finden könnte. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (zB Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

 

Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Daher wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer passable Chancen hätte, sich am Arbeitsmarkt in Kabul zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden, also somit in Kabul ein Leben ohne unbillige Härten führen könnte, wie es auch andere Landsleute führen können.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar ist.

 

Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Aufgrund der vorgenommenen Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des VwGH sowie des VfGH und Bezugnahme der Rechtsprechung des EGMR war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.1.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und

 

der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung aus den in § 57 AsylG 2005 angeführten Gründen hätten schließen lassen.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn 1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird, 2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, 3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder 4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"Schutz des Privat- und Familienlebens

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

(4-6) ..."

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (siehe VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 06.09.2017, Ra 2017/20/0209; zuletzt VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

Vom Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. dazu EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.03.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; ebenso VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423, sowie VwGH 26.01.2006, 2002/20/0235, wonach das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Der Begriff des Familienlebens ist darüber hinaus nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, ua). Bei dem Begriff "Familienleben" im Sinne des Art. 8 EMRK handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516/2005 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben.

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den größten Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen. Der Beschwerdeführer beherrscht auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Das gegenständliche Asylverfahren dauert über 2 1/2 Jahre an. Im gegenständlichen Fall wiegt die Verfahrensdauer allerdings nicht so schwer, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85f). In diesem Fall sind die bereits oben dargestellten Integrationsmaßnahmen, die der Beschwerdeführer im Rahmen seines Aufenthaltes gesetzt hat, gegenüberzustellen.

 

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Auch hinsichtlich des - erst seit kurzem - aufrechten Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich iSd § 66 Abs. 2 Z 8 FPG zu berücksichtigen ist, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Die berufliche Integration des Beschwerdeführers ist somit zu relativieren (vgl. VwGH vom 12.12.2012, 2012/18/0207).

 

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen die Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr - letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich, vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188).

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den tragenden Gründen des gegenständlichen Erkenntnisses betreffend die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Umstände vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan iSd § 50 FPG ergeben würden. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

3.1.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.2. Zu Spruchpunkt B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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