VwGH 2012/18/0207

VwGH2012/18/020712.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des VTN in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 2. April 2010, Zl. E1/5202/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, eine auf § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützte Ausweisung.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 22. September 2002 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am nächsten Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei seit 10. Februar 2009 "gemäß den §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden". Die Behandlung einer gegen die letztinstanzliche Entscheidung eingebrachten Beschwerde sei vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Jänner 2009 abgelehnt worden.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 10. Februar 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet auf, weil er weder über einen Einreisetitel noch einen Aufenthaltstitel verfüge. Es komme ihm auch sonst kein Aufenthaltsrecht zu.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sei auf die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich von mehr als siebeneinhalb Jahren Bedacht zu nehmen. Er führe eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Er habe Deutschkurse an der Volkshochschule besucht. Seine Deutschkenntnisse seien "daher entsprechend gut fortgeschritten". Der Beschwerdeführer sei unbescholten. Er gehe seit 2003 mit wenigen Unterbrechungen einer geregelten Arbeit nach. Es werde durch die gegenständliche Entscheidung sohin in erheblicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration sei aber angesichts dessen, dass der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers während des Asylverfahrens nur "temporär berechtigt" gewesen sei, gemindert. Sein Asylbegehren habe sich als unberechtigt herausgestellt. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er das Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem ein unsicherer Aufenthaltsstatus gegeben gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe von vornherein nicht damit rechnen dürfen, nach einem negativen Ausgang des Asylverfahrens weiter in Österreich bleiben zu dürfen. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass das Asylbegehren des Beschwerdeführers bereits am 24. September 2003 in erster Instanz "negativ entschieden" worden sei. Aus diesem Grund sei auch die berufliche Integration des Beschwerdeführers zu relativieren. Bei Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit habe er bereits gewusst, dass sein Aufenthalt in Österreich nur an "das Abwarten der Entscheidungen über Ihre Asylanträge geknüpft" gewesen sei. Seit 21. Oktober 2009 beziehe der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung. Er könne somit nicht aus Eigenem für seinen Lebensunterhalt sorgen.

Was die in der Berufung erwähnte österreichische Lebensgefährtin betreffe, sei vom Beschwerdeführer schließlich selbst eingeräumt worden, dass ein Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung nicht erfolge. Da auch sonst keine Umstände eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses ersehen werden könnten, könne nicht von einem gemeinsamen Familienleben ausgegangen werden. Im gegenständlichen Fall werde somit ausschließlich in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinn des Art. 8 EMRK eingegriffen.

Sonstige familiäre Bindungen in Österreich seien weder behauptet worden noch ersichtlich.

Vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung sei zwar der bisher auch während des unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration Bedeutung beizumessen. Jedoch sei diese im vorliegenden Fall nicht dergestalt, dass von der Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dies gelte ebenso, wenn Fremde nach Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. In solchen Fällen sei die Erlassung einer Ausweisung erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.

Es sei sohin sowohl aus dem Blickwinkel des § 66 FPG als auch des Ermessens nicht von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.

Des Weiteren hindere der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels die Erlassung der Ausweisung nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles nach den Bestimmungen des FPG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (13. April 2010) geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Richtigkeit der behördlichen Ausführungen, wonach er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügte. Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und es sei sohin der darauf Bezug nehmende, die Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, begegnet sohin keinen Bedenken.

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid in ihrer Beurteilung nach § 66 FPG und führt dazu jene Umstände ins Treffen, die bereits seitens der belangten Behörde in die Interessenabwägung eingeflossen sind.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der belangten Behörde aber bei ihrer Beurteilung kein Fehler unterlaufen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei ihm die unverhältnismäßig lange Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht zur Last zu legen. Dieses Vorbringen ändert aber nichts daran, dass der Beschwerdeführer einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestellt hat und durch seinen weiteren Verbleib in Österreich dem geltenden Einwanderungsregime widerspricht. Im Hinblick auf das Ergebnis des Asylverfahrens ist ihm aber auch die im Jahr 2002 erfolgte illegale Einreise als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht anzulasten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2012, Zl. 2010/21/0443). Allein die Länge des Asylverfahrens vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das Asylbegehren des Beschwerdeführers in erster Instanz bereits im September 2003 abgewiesen wurde. Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer weiterhin subjektiv hoffte, dass seinem Asylbegehren im Rechtsmittelverfahren stattgegeben werde, vermag er vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren nicht darzulegen, weshalb ihm spätestens ab dieser Zeit sein unsicherer Aufenthaltsstatus nicht bewusst gewesen wäre.

Was die im Verwaltungsverfahren angesprochene Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin betrifft, ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschwerde hinreichend deutlich, dass diese auch schon im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr bestand.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass das Verhalten des Beschwerdeführers eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt. Es trifft zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 28. August 2012).

Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf alle Umstände des Einzelfalls gegen die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers - nach dem oben Gesagten verfügte er schon im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Österreich nicht über familiäre Bindungen - abzuwägen. Die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist aber nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Umstände, die die belangte Behörde zur Gänze berücksichtigt hat, sind nämlich auch in Verbindung mit früheren Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers insgesamt nicht von einem solchen Gewicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von der Erlassung einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich war im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch zu berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können.

Auch unter Bedachtnahme auf den Hinweis des Beschwerdeführers auf seine Schwester, die bereits österreichische Staatsbürgerin sei, ist es somit im vorliegenden Fall nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK - in Anwendung des § 66 FPG - nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat.

Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 12. Dezember 2012

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