BVwG W156 1429579-1

BVwGW156 1429579-119.5.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W156.1429579.1.00

 

Spruch:

W156 1429579-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Wien, vom 14.09.2012, XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß

§ 3 AsylG 2005 idgF. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.05.2015 erteilt.

IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 05.06.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hiezu am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er im Wesentlichen zum Fluchtgrund Folgendes zu Protokoll:

"Vor ca. 2 Jahren war mein Cousin mit Namen XXXX, er ist ein Talibankommandant, bei einem Begräbnis in der Stadt XXXX. Er hat mit weiteren 8 Talibankämpfern bei mir übernachtet. Die Regierung hat das erfahren. Es sind Soldaten zu uns gekommen und es hat einen Kampf gegeben. Es wurden einige Taliban getötet. Mein Cousin hat meine Mutter, meinen Bruder und meine Schwester mitgenommen und ist mit ihnen geflüchtet. Die Taliban sowie die Regierung glaubten, dass ich jeweils der anderen Seite helfe. Ich bin dann von zu Hause nach Pakistan geflüchtet.

Im Falle der Rückkehr befürchte ich, von der Behörde festgenommen zu werden."

Am 30.07.2012 wurden der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BAA einvernommen und brachte nach Angaben zu seiner Person, der Bestätigung der physischen und psychischen Gesundheit im Wesentlichen vor:

"LA: Weshalb zittern Ihre Hände?

AW: Ich faste. Außerdem bin ich heute früh aufgestanden und habe fast nicht geschlafen. Es ist Stress.

LA: Sind Sie ein gläubiger Mensch?

AW: Einmal im Jahr gibt es diesen Monat.

Nachgefragt bin ich religiös. Ich lebe schon nach dem Koran und bete auch.

...

LA: Welcher Arbeit ging Ihr Vater nach?

AW: Er war Bauer und wir arbeiteten gemeinsam auf unseren Feldern.

LA: Wie alt sind Ihre Schwestern? Sind diese verheiratet?

AW: Meine ältere Schwester namens XXXX ist verheiratet. Meine jüngere Schwester namens XXXX ist zu Hause. Mein Bruder namens XXXX ist verschollen.

LA: Seit wann ist Ihr Bruder verschollen?

AW: Seit etwa dreieinhalb Jahren. Zwei Kinder sind von meiner älteren Schwester.

....

LA: Standen Sie während der Reise in Kontakt zu Ihren Familienangehörigen?

AW: Ja. Zuletzt hatte ich vor einem Monat mit meinen Verwandten Kontakt. Ein Nachbar von uns hat ein Handy. Über ihn erreiche ich meine Familie.

LA: Wie geht es Ihrer Familie aktuell?

AW: Es gibt schon Probleme. Mein Vater ist krank, gelähmt. Nicht besonders gut. (Anm. AW weint.)

...

LA: Weshalb reisten Sie vor zweieinhalb Jahren zu Ihrem Onkel in den Iran?

AW: Mein Cousin ist damals ein Kommandant bei den Taliban gewesen. Nachgefragt ist er derzeit in Pakistan im Gefängnis.

In unserem Dorf ist ein Mullah ums Leben gekommen. Mein Cousin war auch am Begräbnis. Am Abend kam er zu uns, um bei uns zu übernachten. Nachgefragt war er nicht alleine, auch andere Männer waren bei ihm.

Irgendein Soldat der Regierung hat erfahren, dass die Taliban heute bei uns übernachten und die Polizei ist zu uns nach Hause gekommen. Die haben aufeinander geschossen. Wir haben es durch den Hintereingang aus dem Haus raus geschafft. Mein Bruder ging mit meinem Cousin zusammen mit. Die Taliban meinten, dass wir die Regierung benachrichtigt hatten, dass sie hier sind. Die Regierung geht davon aus, dass wir mit den Taliban zusammenarbeiten, weil sie bei uns waren. Sie sagten, die Taliban würden Anschläge machen und dann bei uns leben.

LA: Wann ist das alles passiert?

AW: Das ist zweieinhalb Jahre her. Das war kurz vor meiner Ausreise in den Iran. Deshalb kam ich in den Iran. Mein Vater war alt. Ihm konnte nicht so viel passieren. Wenn die uns erwischt haben, wären wir im Gefängnis gelandet.

LA: Wie ist dieser Mullah in Ihrem Dorf ums Leben gekommen?

AW: Das war im Kampf gegen die Regierung. Er war auch in dieser Gruppe der Taliban.

LA: Wie hieß diese Talibangruppe?

AW: Es gibt keinen Namen.

LA: War Ihr Bruder auch bei den Taliban? Wie ist es gemeint, ...

AW: Den jüngeren Bruder hat mein Cousin mitgenommen und mir gab er Geld, dass ich auch wegflüchte.

LA: Wie viele Brüder haben Sie insgesamt?

AW: Wir sind zwei Brüder. Er ist jünger und heißt XXXX.

LA: Wohin hat Ihr Cousin Ihren Bruder mitgenommen?

AW: Bis jetzt wissen wir es nicht. Wir wissen, dass mein Cousin im Gefängnis ist, aber wo mein Bruder sich befindet, wissen wir nicht. Pakistanische Polizisten haben ihn erwischt. Ob er z.B. in Afghanistan ums Leben gekommen ist, weiß ich nicht.

LA: War Ihr Cousin öfters bei Ihnen zu Besuch?

AW: Sehr selten, aber immer alleine.

Nachgefragt hieß dieser Cousin mütterlicherseits XXXX.

LA: Wie viele Cousins haben Sie?

AW: Einen. Er ist der Einzige.

LA: Haben Sie in der Familie auch mit den Taliban zusammengearbeitet?

AW: Wir nicht.

Nachgefragt haben wir sie auch nicht mit Lebensmittel versorgt. Nur an diesem Abend kam mein Cousin mit diesen Leuten und sie haben bei uns gegessen.

LA: Wie viele Personen kamen zum Essen?

AW: Es waren sieben oder acht Personen.

LA: Kannten Sie diese Leute?

AW: Nein. Nur mein Cousin war uns bekannt.

LA: Ist Ihnen an diesen Personen etwas Spezielles aufgefallen?

AW: Sie hatten einen langen Bart mit Turban und bewaffnet waren die auch.

LA: Auf welcher Seite stehen Sie - Regierung oder Taliban?

AW: Wir sind arme Leute. Wir führen unser Leben. Beides ist egal. Wenn ich mit der Regierung arbeite, habe ich Probleme. Wenn ich zu den Taliban gehe, sterbe ich.

Dort muss man mit den Taliban zusammenarbeiten. Als ich den Ladungsbescheid bekommen habe, rief ich zu Hause an. Da sagten sie, dass es wieder Krieg zwischen den Taliban und der Regierung hinter unserem Haus gegeben hat.

LA: Gab es in Ihrer Region, in der Nähe Ihres Hauses, öfter derartige Auseinandersetzungen?

AW: Die Taliban drohten uns, dass sie jedem, der wählen geht (den Fingerabdruck abgibt), den Finger abschneiden wird. Von uns ging dann keiner hin.

LA: Was genau ist bei jenem Vorfall passiert, als die Polizei zu Ihnen kam?

AW: In der Umgebung gibt es die "XXXX" (staatlich engagierte Wachmänner aus der Region). Vielleicht haben die etwas gesagt. Sie sind einfach gekommen und in unser Haus gestürzt.

LA: Wer ist in Ihr Haus gestürzt?

AW: Die Polizei.

Nachgefragt hab ich nicht gesehen, wie viele es waren.

LA: Zu welcher Tageszeit war das?

AW: Es ist nicht hell geworden. Es war noch Nacht. Später wurde es hell.

LA: Was haben Sie zu diesem Zeitpunkt gemacht?

AW: Wir haben geschlafen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Taliban auch noch bei uns zu Hause. Sie sind nicht nur zum Essen geblieben. Die haben auch bei uns geschlafen, aber zum Frühgebet wollten sie mit uns beten und danach gehen.

LA: In dieser Nacht lagen Sie im Bett. Wie haben Sie dann gemerkt, dass die Polizei gekommen ist?

AW: Ich, meine Cousin und meine Familie waren in einem Zimmer. Die Fremden (Taliban) waren in einem anderen Zimmer. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Wir haben nur die Schüsse gehört. Die haben aufeinander geschossen.

LA: Wurde im Haus geschossen oder außerhalb?

AW: Es war von beiden Seiten. Die einen waren draußen, die anderen drinnen. Die Hälfte der Taliban war schon draußen, die andere Hälfte hat noch geschossen.

LA: Was haben Sie gemacht, nachdem Sie durch diese Schießerei aufgewacht sind?

AW: Wir sind mit meinem Cousin raus gegangen, weil unsere Scheiben alle zerbrochen waren. Er hat uns raus gebracht.

LA: Wohin gingen Sie?

AW: Wir gingen hinter das Haus. Mein Cousin meinte, dass es zu gefährlich wäre und wir alle von dort weggehen sollten.

LA: Sind Sie Ihrem Cousin gefolgt und von hinter dem Haus weggegangen?

AW: Mein Cousin nahm meinen jüngeren Bruder mit. Ich habe von meiner Mutter Geld bekommen, um wegzugehen.

LA: War das alles in derselben Nacht?

AW: Ja. An diesem Tag in der Früh nahm ich ein Taxi und fuhr weg.

LA: Wie lange dauerten die Schusswechsel in der Nacht?

AW: Ich weiß nicht genau. Die haben auf einmal geschossen. Die Taliban gingen dann weg. Ein paar wurden von Kugeln getroffen. Mein Cousin ist geflüchtet.

LA: Gab es Tote?

AW: Meine Mutter hat mir gesagt, dass die Taliban zurückgekommen sind. Als ich im Iran war, hab ich angerufen.

LA: Sind Personen bei der Schießerei in der Nacht verstorben?

AW: Die Taliban.

Nachgefragt weiß ich nicht genau, wie viele es waren.

LA: Waren Sie nach dieser Schießerei noch einmal zu Hause?

AW: Nein.

LA: Wann hat Ihnen Ihre Mutter das Geld gegeben?

AW: In diesem Moment, als mein Cousin mit meinem kleinen Bruder weggegangen ist, sagte meine Mutter: "Ich habe einen Bruder im Iran. Hier nimm das Geld und geh hin."

LA: Wie viel Geld hat Sie Ihnen gegeben?

AW: Es waren 10.000 oder 15.000. Außerdem hatte ich noch mein eigenes Geld von den Schneiderarbeiten.

LA: Weshalb hat Ihre Mutter das Geld in dieser Nacht mit aus dem Haus genommen?

AW: Sie hat es auf einer Seite im Kopftuch gebunden gehabt.

LA: Wie sind Sie zu Ihren Ersparnissen aus der Schneiderarbeit gekommen?

AW: Das war bei mir in der Tasche.

LA: Was wollten die Taliban von Ihrer Familie, als diese zurückgekehrt sind?

AW: Meine Mutter ist erst nach zwei, drei Tagen zurückgekehrt. Die Nachbarn sagten den Polizisten, dass die Taliban bei uns waren und wir diese unterstützt haben.

LA: Sie sagten zuvor, Ihre Mutter hätte Ihnen gesagt, dass die Taliban zurückgekehrt wären. Weshalb sind sie zurückgekommen?

AW: Sie sind nicht zurückgekommen. Sie haben auch auf uns geschossen. Wir glaubten, dass die Taliban zurückkommen. An diesem Abend wurde ich auch durch das Glas verletzt. Die Taliban glaubten wahrscheinlich, dass wir die Regierung geholt haben.

LA: Wer hat die Toten aus Ihrem Haus entfernt?

AW: Die Soldaten.

LA: Woher wissen Sie es, dass die Soldaten das gemacht haben?

AW: Die Dorfbewohner haben es erzählt.

LA: Wem haben die Dorfbewohner das erzählt?

AW: Unseren Nachbarn.

Nachgefragt hat es meine Mutter von den Nachbarn erfahren.

LA: Wurden die Glasscheiben in Ihrem Haus wieder repariert?

AW: Ich weiß nicht mehr. Es ist so lange her. Unsere zwei Kühe sind ums Leben gekommen. Das Gewand und unser gesamtes Haus waren durcheinander.

LA: Hat Ihre Familie den Soldaten erklärt, was passiert ist?

AW: Es ist niemand gekommen. Meine Mutter hat niemand gefragt. Niemand kam zu uns. Von unserer Familie ging auch niemand hin und hat erklärt, was passiert ist.

LA: Der Vorfall war vor zweieinhalb Jahren. Seither war niemand bei Ihrer Familie, um deshalb nachzufragen. Habe ich das richtig verstanden?

AW: In unserem Bezirk gibt es immer wieder Probleme und Streit mit den Taliban. Die Taliban nehmen Jugendliche mit.

LA: Hat in der Zeit, nachdem Sie weggefahren sind, einmal jemand nach Ihnen gefragt?

AW: Vielleicht haben sie sich informiert, wer noch hier lebt.

LA: Was sagten Ihre Eltern, wenn jemand nach Ihnen fragte?

AW: Ich wollte wieder zurück nach Hause zu meinen Eltern gehen. Sie wussten aber nicht, wo mein Bruder ist. Weil mein Vater sehr schwach ist, wollte ich dort bleiben und heiraten.

LA: Weshalb sind Sie nach Ihrem einjährigen Aufenthalt aus dem Iran ausgereist?

AW: Ich war wie im Gefängnis dort. Ich konnte mich nicht frei bewegen. Außerdem hat mein Onkel junge Mädchen zu Hause. Ich kann auch dort nicht leben.

LA: Haben Sie in Griechenland einen Asylantrag gestellt?

AW: Ich bekam dort einen Brief, dass ich Griechenland innerhalb eines Monats verlassen muss. Ich hatte auch kein Geld, aber ich hatte Freunde, die eigene Familien und Häuser hatten. Sie nahmen mich mit und ein Jahr und drei Monate war ich dort bei denen. Ich habe dort auch gearbeitet, aber ich musste alles für den Aufenthalt und das Essen ausgeben (konnte nichts sparen). Auch wenn man Geld hat ist es gefährlich. Dann kommen die Schwarzen und schlagen dich und attackieren dich vielleicht mit einem Messer. Wir wurden vor den Augen der Polizisten geschlagen.

LA: Weshalb waren Sie in der Türkei im Gefängnis?

AW: Ich wurde dort verhaftet. Ich war als Flüchtling dort und hatte keine Dokumente.

LA: Wie war es Ihnen möglich nach Ihrer Entlassung aus dem türkischen Gefängnis nach Griechenland weiterzureisen?

AW: Normalerweise schoben sie die verhafteten Leute in die Herkunftsländer ab. Wir sagten aber, dass wir da Probleme haben. Dann bekamen wir einen Zettel, dass wir innerhalb eines Monats ausreisen müssen.

LA: Wovon haben Sie im Iran und in Griechenland gelebt?

AW: Im Iran arbeitet mein Onkel auf der Baustelle, er macht Wandverputze. Ich habe ihm geholfen. In Griechenland habe ich auf den Feldern gearbeitet. Im Garten haben wir Mandarinen gesammelt. Ich war auch im Olivengarten.

LA: Angenommen Sie würden zum aktuellen Zeitpunkt in Ihr Heimatland zu Ihrer Familie zurückkehren, was würde Sie erwarten? Was hätten Sie zu befürchten?

AW: Ich habe Angst vor den Taliban. Die werden mich mitnehmen, um ihnen beim Kriegführen zu helfen. Zweitens fürchte ich mich vor den XXXX. Sie werden weiterhin Informationen weitergeben, dass ich wieder hier bin. Dort, wo wir wohnen, gibt es keine Jugendlichen. Einige gingen in den Iran. Es gibt dort die Probleme mit den Taliban. Die jungen Leute nehmen alles mit.

LA: Haben Sie abgesehen davon etwas im Falle der Rückkehr zu befürchten?

AW: Nein, sonst nichts.

LA: Waren Sie jemals in einer Partei oder führten Sie sonstige politische Aktivitäten aus?

AW: Beides Nein.

LA: Haben Sie aufgrund Ihrer Religion oder Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit jemals Probleme gehabt?

AW: Beides Nein.

LA: Zusammengefasst sagten Sie also, dass Sie Ihr Heimatland verlassen haben, weil die Taliban einmal bei Ihnen übernachtet haben, es zu einer Schießerei mit der Regierung kam und Sie deshalb von der Regierung gesucht werden. Stimmt das?

AW: Ja, so ist es.

LA: Haben Sie sonstige Fluchtgründe?

AW: Nein, das ist der einzige Fluchtgrund.

LA: Das Bundesasylamt erstellt neutrale Berichte zu verschiedenen Ländern. Dem Bericht zu Afghanistan geht kurz zusammengefasst hervor, dass die allgemeine Sicherheitslage im Großteil des Landes sehr bedenklich ist. Vereinzelte Regionen wie z.B. Kabul werden jedoch als sicher erachtet. Im Norden des Landes, in der Provinz XXXX, sind die sicherheitsrelevanten Zwischenfälle zwischen 2009 und 2011 zurückgegangen. Wollen Sie dazu etwas sagen?

AW: An dem Tag, als ich zu Hause angerufen habe, gab es Streit zwischen den Taliban und der Regierung. Manchmal attackieren die Taliban die Regierung. Manchmal, wenn die Regierung ein Versteck herausfindet, bombardiert diese die Taliban.

LA: Weiters geht den Berichten hervor, dass die Rückkehrsituation wesentlich vom sozialen Umfeld in der unmittelbaren Heimatregion abhängig ist. Wollen Sie dazu etwas sagen?

AW: Ich will auch zu meinen Eltern. Wenn ich diese Probleme nicht hätte, was würde ich sonst hier machen.

LA: Es kann sein, dass zur genaueren Prüfung Ihres Vorbringens eine Anfrage bzw. Recherche in Ihrem Heimatland unter Verwendung der Verbindungsbeamten oder Vertrauensanwälte der österreichischen Botschaft oder der konsularischen Vertretung von Nöten sein wird. Sind Sie damit einverstanden?

AW: Ja. Nur bitte machen Sie die Situation für mich oder meine Familie dort nicht noch schlimmer. Meiner Mutter geht es sehr schlecht, sie weint die ganze Zeit. Ein Sohn ist verschwunden, ich bin hier."

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom vom 14.09.2012, Zl. XXXX, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf sein Heimatland Afghanistan gemäß § 8 (Spruchpunkt II.) und ordnete die Ausweisung aus dem österreichischen Staatsgebiet gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG an (Spruchpunkt III.).

Der Entscheidung wurden folgende Feststellungen zugrunde gelegt:

Zur Person des BF:

Er führe den Namen XXXX und habe angegeben, am XXXX geboren zu sein.

Er sei afghanischer Staatsangehöriger, moslemischen sunnitischen Glaubens und er gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen.

Er sei ledig und gesund.

Nicht festgestellt werden habe können der von ihm behauptete Fluchtgrund sowie eine dadurch resultierte Gefährdungslage im Falle der Rückkehr.

Er habe weder glaubhaft machen können, dass ein Angriff auf sein Haus stattgefunden hätte und er daraufhin flüchten hätten müssen, noch dass er eine Verfolgung seitens der Taliban oder von Seiten des Staates zu befürchten hätten.

Es habe keine (wie auch immer geartete) Gefährdung seiner Person im Fall der Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden können.

Seine Familie lebe in seiner Heimatregion in Afghanistan. Er verfüge über sozial-familiären Anschluss in seinem Heimatland. Er könne im Fall der Rückkehr seine Lebensgrundlage (wie bisher) sichern.

Zur Lage im Herkunftsland wurden von der belangten Behörde umfangreiche Feststellungen getroffen.

Beweiswürdigend wurde von der belangten Behörde ausgeführt:

betreffend die Feststellungen zu Person:

Was seine Identität beträfe, so könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass er tatsächlich die von ihm angeführte besitze, zumal er kein seine Identität bestätigendes Dokument vorlegen habe können. Soweit er im Asylverfahren namentlich genannt werde, diene dies der Individualisierung seiner Person als Verfahrenspartei.

An den Tatsachen, dass er afghanischer Staatsangehöriger, moslemisch sunnitischen Glaubens sei und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre sowie ledig und gesund sei, bestünden keine Zweifel.

Sein gesamtes Vorbringen zum Fluchtgrund wäre durchzogen von Ungereimtheiten, Widersprüchen und Sinnwidrigkeiten, weshalb ihm in dieser Hinsicht die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen wäre.

Zunächst einmal wäre es auffällig, dass er keine genauere Bezeichnung der ihn angeblich verfolgenden Talibangruppierung kenne. Es liege in der Regel im ersten Interesse einer tatsächlich verfolgten Person, zumindest grundlegende Informationen über die eigenen Verfolger zu erlangen.

Weiters wäre sein Vorbringen über den von ihm behauptete fluchtauslösenden Vorfall letztlich als völlig absurd zu bewerten.

So wäre es ihm nicht möglich lebensnahe Details zum eigentlichen Geschehen vorzubringen. Er stelle in den Raum, dass es in der Nacht plötzlich zu einem Schusswechsel gekommen wäre, woraufhin er mit seinem Cousin und seiner Kernfamilie "durch die Hintertür" aus dem Haus geflüchtet wäre.

Alleine die Art und Weise seiner Schilderung ließen Rückschlüsse auf die (Un‑)Glaubwürdigkeit ziehen. Er habe diese Szenerie völlig undetailliert und lebensfremd geschildert und sei dabei weder auf ein (stark anzunehmendes) Gefühlsinnenleben eingegangen, noch sei er mit einem einzigen Wort auf seinen angeblich halbseitig gelähmten Vater und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der unmittelbaren Flucht zu sprechen gekommen. Als Detail wäre z.B. anzunehmen gewesen, dass es bei der Stürmung seines Hauses zu Kindergeschrei seitens der Kinder seiner Schwester gekommen wäre. Oder aber wäre eine genauere Schilderung zum eigentlichen unmittelbaren Fluchtvorgang aus dem Haus zu erwarten gewesen. Trotz Nachfrage habe er ausschließlich seine Rahmengeschichte geschildert, wonach ihm mit seinem Cousin die Flucht "durch die Hintertür" gelungen wäre.

Zudem wäre völlig unplausibel, dass er "durch die Hintertür" flüchten hätten können, falls tatsächlich ein staatlicher Angriff auf sein Haus stattgefunden hätte. Es wäre vielmehr richtungweisend in der Entscheidung seines Vorbringens als unglaubwürdig zu qualifizieren, dass er einen vermeintlich staatlichen Angriff auf eine Splittergruppe der meistgesuchten Terrororganisation in Afghanistan derart naiv darstelle. Falls afghanische Behörden tatsächlich staatsfeindliche Personen in seinem Haus vermutet hätten, so wäre 1. der Einsatz militärischer (Groß‑)Einheiten und 2. damit verbunden wesentlich höhere Durchschlagskraft der angreifenden Seite zu erwarten gewesen, und wäre 3. - auch völlig abgesehen von der Art der angreifenden Einheiten - anzunehmen gewesen, dass diese im Zuge des Angriffs auf staatsfeindliche Gruppierungen mögliche Fluchtwege berücksichtigt hätten und (beliebige) Personen nicht einfach "durch die Hintertür" flüchten hätten können (!). Seine Sicht der Vorgehensweisen afghanischer Behörden und die Unterstellung der völligen Unfähigkeit dieser wären deutliche Zeichen, dass er selbst noch nie in Kontakt mit diesen gekommen wäre - geschweige denn, durch diese ein Angriff auf sein Leben stattgefunden hätte.

Dazu passend sei er in der Einvernahme beim BAT zunächst auch auf die Frage nach den Ausmaßen der Stürmung ausgewichen. Habe er in der Erstbefragung noch unmissverständlich angegeben, dass es auf Seiten der Taliban zu Toten gekommen wäre, so habe er in der Einvernahme beim BAT zunächst nicht auf die diesbezügliche deutlich und einfach gestellte Frage geantwortet. Erst auf weitere Nachfrage schiene ihm wieder einzufallen, dass er in der Erstbefragung von Verlusten auf Seiten der Taliban gesprochen hätte. Anders wäre diese ausweichende Antwort auf diese vermeintlich einfache Frage in diesem Fall nicht zu erklären.

Auch hinsichtlich der Szenerie nach der unmittelbaren Flucht aus dem Haus sei es zu unglaubwürdigen Momenten gekommen. So widerspräche er sich zum zuvor behaupteten Aufenthaltsort seines Bruders. Stellte er zu Beginn der Einvernahme beim BAT noch in den Raum, dass sein Bruder "seit dreieinhalb Jahren verschollen" gewesen wäre, so habe er diese Aussage indirekt abgeändert, indem er im Zuge der Stürmung auf sein Haus "vor ca. zwei Jahren" behaupteten habe, dass sein Bruder zu diesem Zeitpunkt mit ihm aus dem Haus geflüchtet wäre. Dies wäre unter den zuvor behaupteten Umständen jedoch gar nicht möglich gewesen. Eine Verwechslung mit einem anderen Bruder wäre dabei auch auszuschließen, zumal es laut eigener Aussagen dezidiert nur zwei Brüder gewesen wären. Es wäre daher offensichtlich, dass er zu seinem Fluchtvorbringen mit Konstrukten agiert habe, anstatt sich auf wahre Vorkommnisse zu berufen.

Ferner wäre seine völlig schemenhafte Darstellung der Ereignisse zur Szenerie nach der unmittelbaren Flucht hinter dem Haus völlig grotesk. Seine Mutter hätte ihn mit den Worten "ich habe einen Bruder im Iran, nimm das Geld und geh hin" aufgefordert, das Land zu verlassen. Diese Erzählung gliche einer Farce, denn im Falle der Wahrunterstellung wäre 1. eine genauere Wohnortsbeschreibung seines Onkels seitens seiner Mutter, 2. ein gewisser Ausdruck zum möglicherweise aufgetretenen Trennungsschmerz (Ausreise ins Ungewisse) und 3. seine Versicherung zum Verbleib seiner restlichen Familie zu erwarten gewesen. Seine völlig schemenhafte und von der Realität abgehobene Erzählform wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass er sein Vorbringen zum Fluchtgrund lediglich ausgedacht hätte.

Ferner sei es zu Ungereimtheiten gekommen, wenn man seine Aussagen in der Erstbefragung jenen in der Einvernahme beim BAT gegenübergestellt hätte. Habe er erst noch davon gesprochen, dass in der Nacht des Vorfalles genau acht Personen bei ihnen übernachtet hätten und anschließend Soldaten den Angriff vornahmen, so habe er diese Details abgewandelt und gemeint in der Einvernahme beim BAT fortan, dass es sieben oder acht Personen gewesen wären und die Polizei das Haus gestürmt hätte. Auch wenn es sich um vermeintlich feine Abweichungen handele, so wäre zur ersten Ungereimtheit zweifelhaft, weshalb er in der Einvernahme beim BAT auf die schwammige Formulierung umgestiegen sei, wenn er sich davor erinnert hätten, dass es genau acht Personen gewesen wären und wäre weiters äußerst fraglich, weshalb er die afghanischen Behörden einmal dem Militär und einmal der Polizei zugehörig eingeordnet hätte, zumal angenommen werden dürfe, dass ere diese Behörden alleine aufgrund seines bisherigen Lebensmittelpunktes in Afghanistan sehr wohl unterscheiden könne.

Nicht nur, dass damit nahezu jeder Teilbereich seines Vorbringens unglaubwürdig wäre, so gleiche es zudem auch in Gesamtbetrachtung der angeblichen Vorfälle an äußersten Zufall, dass ausgerechnet an jenem Abend, als einmal Taliban bei ihm übernachtet hätten, die Polizei sein Haus gestürmt hätte - noch dazu in Anbetracht der behaupteten Tatsache, dass sein Cousin als Talibankommandant öfter bei ihm zu Besuch gewesen sein soll.

Angesichts obiger Darlegungen wäre unglaubwürdig, dass der von ihm behauptete Angriff auf sein Haus jemals stattgefunden hätte. Dadurch wäre seine Behauptung, wonach er nunmehr im Fokus der afghanischen Behörden stehen würde, völlig haltlos sowie spekulativ in den Raum gestellt und wäre diese darüber hinaus alleine dadurch untergraben, da er als einfacher Bauer und Nicht-Mitglied der Taliban sicherlich nicht zu jenen dringlich von Seiten des Staates gesuchten Personen gehöre.

Nicht zuletzt die Tatsachen, dass sich während seiner nunmehr knapp dreijährigen Abwesenheit niemand in seinem Elternhaus nach seiner Person erkundigt habe und auch seine restliche Familie offensichtlich unbedarft in seiner ursprünglichen Heimatregion in Afghanistan lebe, verstärke rückwirkend die Feststellung der erkennenden Behörde zur Unglaubwürdigkeit seines behaupteten Fluchtvorbringens und offenbare sich dadurch, dass er auch im Falle der Rückkehr nichts Diesbezügliches zu befürchten habe.

Zusammenfassend wäre bezüglich seines Vorbringens zum Fluchtgrund somit klar zu erkennen, dass er weder eine Verfolgung noch eine sonstige (wie auch immer geartete) Gefährdung seiner Person glaubhaft machen könne. Seinem Vorbringen könnten keine Umstände entnommen werden, aus denen - glaubhaft - hervorgegangen wäre, dass er in seinem Heimatland tatsächlich unmittelbaren und/oder mittelbaren (staatlichen) Verfolgungen ausgesetzt gewesen bzw. im Falle der Rückkehr ausgesetzt wäre.

Es wäre zu erkennen, dass er in seinem Asylverfahren bewusst Falschaussagen getätigt habe. Daher müsse angenommen werden, dass er nicht nur seinen erdachten Fluchtgrund zu seinem Vorteil einsetzen wolle, sondern vielmehr auch seine allgemeine Lage im Falle der Rückkehr äußerst drastisch darstellen haben wollen. Es könne daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass seine allgemeine (Lebensgrund‑) Lage im Falle der Rückkehr durchaus gesichert sei und er in ein intaktes soziales und/oder familiäres Umfeld zurückkehre.

Bezüglich Arbeits- und Wohngelegenheit wäre eine im Falle einer Rückkehr eintretende unzumutbare Lebenssituation somit nicht festzustellen. Darüber hinaus wären bei dieser Feststellung auch folgende Sachverhalte zu berücksichtigen:

Er habe seinen Lebensunterhalt bis zu seiner Ausreise im Familienverband durch Feldarbeit und Schneiderarbeiten gesichert. Nunmehr seien seine Felder verpachtet und seine Familie erhalte die Hälfte der Ernte vom Pächter. Im Falle der Rückkehr könne er sich an dieser Versorgungskette anschließen und seine Familie mit der Weiterführung seiner Schneiderarbeit unterstützen.

Was die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan anbelange, so sei bekannt, dass die einzelnen Regionen von Afghanistan differenziert zu betrachten seien. Auch wenn aktuell generelle Anschlägen nicht auszuschließen seien, so existiere dennoch nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in Afghanistan einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Insbesondere in seinem Fall ging den Länderfeststellungen hervor, dass seine Heimatregion (Provinz XXXX) zu den stabilsten Regionen in Afghanistan gehöre. Auch wenn er in der Einvernahme beim BAT gegenteilig behaupte, dass es gerade in seiner Region zu ständigen Konflikten kommen würde, so wäre nicht zuletzt die Tatsache, dass seine Familie nach wie vor in der Heimatregion lebe, ein deutliches Indiz dafür, dass ein Leben in dieser Region nicht zwangsläufig lebensbedrohlich und weiters auch nicht unzumutbar sei.

Selbst falls er nun eine Rückkehr in seine unmittelbare Heimatregion (aus welchen Gründen auch immer) nicht in Betracht ziehe, so stehe es ihm frei, sich auch in einem anderen Landesteil Afghanistans wie z. B. der Stadt Herat oder der Stadt Kabul niederzulassen. Als der paschtunischen Volksgruppe zugehöriger Schneider werde er die Möglichkeit haben, einer Arbeit nachzugehen (siehe auch Länderfeststellungen). (Finanzielle und/oder soziale) Unterstützung sei dabei seitens der Familie (Onkel) zu erwarten.

Die Feststellungen zum Herkunftsland würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BAA basieren. Diese sei gemäß § 60 Abs. 2 AsylG 2005 zur Objektivität verpflichtet und unterliege der Beobachtung eines Beirates. Es sei daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt worden seien und somit keine Bedenken bestünden, sich darauf zu stützen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden seien, werde angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden könnten.

Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsland sei festzuhalten, dass diese Kenntnisse - vor allem für eine Person, die ihr gesamtes bisheriges Leben in diesem Land verbracht habe - als notorisch vorauszusetzen seien. Aufgrund seines Vorbringens sei lediglich eine relevante Auswahl der aktuellen Länderfeststellungen eingefügt worden.

Mit Schreiben vom 28.09.2012 wurde fristgerecht Beschwerde beim der belangten Behörde eingebracht und im Wesentlichen mit dem Vorbringen begründet, dass die belangte Behörde ihm vorgeworfen habe, dass er keine genauere Bezeichnung der Talibangruppe kenne, die ihn verfolgt habe. Er habe bei der Einvernahme bereits angegeben, dass diese Talibangruppe keinen eigenen Namen habe. Diesen Umstand könne ihm die Erstbehörde nicht vorwerfen. Ansonsten habe er den Aussagen vor der belangten Behörde nichts hinzuzufügen.

In der Beschwerdeergänzung vom 20.02.12014 wird im Wesentlichen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides entgegen getreten und die darin dargelegten Widersprüche entkräftet.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2014 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 30.07.2012 aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetsch nicht den Angaben des BF entsprechen. Im Zuge der Einvernahme durch das Bundesverwaltungsgericht wurde folgendes verfahrensrelevante Vorbringen erstattet:

"R: Nennen Sie die Volksgruppe und Konfession, der Sie angehören.

BF: Ich bin Paschtune und Sunnit.

R: Nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit.

BF: Afghanistan.

....

R: Die heutige D verstehen Sie ohne Probleme?

BF: Ja.

R: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

BF: Paschtu ist meine Muttersprache, da meine Freunde dari-sprechend sind, habe ich in der Pension in Österreich auch ein wenig Dari gelernt. Ich spreche auch ein bisschen Deutsch.

....

R: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

BF: Ich habe immer in XXXX gelebt.

R: In welchem Ort?

BF: Im Dorf XXXX.

R: Waren Sie außerhalb Ihrer Heimatprovinz aufhältig?

BF: 2 oder 3 Tage war ich in Pakistan. Danach war ich ca. ein Jahr im Iran aufhältig.

R: Wo?

BF: In XXXX.

R: Sonst noch wo?

BF: Ca. einen Monat hielt ich mich in der Türkei auf, danach war ich in Griechenland.

R: Wie lange?

BF: Ca. ein Jahr und 3 Monate.

R: Wann haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen?

BF: Vor ca. 4 Jahren.

R: Schildern Sie bitte nochmals genau die Fluchtroute.

BF: Vor ca. 4 Jahren fuhr ich von unserem Dorf mit einem Linien-PKW (Sammeltaxi) zum Bazar und von dort mit einem anderen PKW zur afghan./pak. Grenze XXXX, von dort fuhr ich mit einem anderen Linien-PKW nach XXXX/Pakistan, ich bin mit dem PKW über die afghan./pak. Grenze gefahren. Dort blieb ich ca. 2 oder 3 Tage bei meinem Onkel väterlicherseits. Danach wurde ich von einem Schlepper mit einem Bus nach Karachi gebracht. Von dort wurde ich weiter mit einem PKW nach XXXX gebracht. Von dort wurde ich von einem Schlepper aus dem Stamm XXXX mit einem Auto der Marke Dartson mit vielen andere Personen über die iranische Grenze gebracht .Ich wurde dann in weiterer Folge nach XXXX gebracht, wo ich ca. ein Jahr bei meinem Onkel mütterlicherseits wohnte. Dieser Onkel hat auch den Schlepper bezahlt.

R: Wer hat die Kosten bis zu diesem Onkel übernommen?

BF: Alle Kosten hat mein Onkel mütterlicherseits übernommen.

R: Von XXXX weg?

BF: Von XXXX bis XXXX habe ich die Reise selbst bezahlt. Von XXXX bis XXXX hat mein Onkel bezahlt, dann von Griechenland nach Österreich habe ich es wieder selbst bezahlt. Danach wurde ich von einem anderen Schlepper zur iran./türk. Grenze gebracht, die ich ca. 13 Stunden zu Fuß in die Türkei übersetzte.

R: Von Afghanistan über die Grenze nach Pakistan und von dort in den Iran sind Sie mit einem Auto oder Linien-PKW gefahren, ohne Dokumente?

BF: Zwischen Afghanistan und Pakistan kann man ohne Dokumente tagsüber fahren. Zwischen Pakistan und dem Iran kann man offiziell nicht ohne Dokumente fahren. Ich wurde von einem Schlepper über die Grenze gebracht, wenn man von der iran. Polizei erwischt wird, wird man erschossen. Das ist sehr gefährlich.

Nach der Grenze, als ich gemeinsam mit 5 weiteren Personen mit einem PKW unterwegs war, wurden wir von der türk. Polizei aufgegriffen und festgenommen. Wir wurden von der türk. Polizei in XXXX (phonetisch) festgenommen und wir wurden in Schubhaft genommen. Dort waren viele andere Afghanen, aber auch Pakistani inhaftiert. Viele davon wurden auch nach Afghanistan oder Pakistan abgeschoben. Ich erzählte der Polizei von meinen Problemen in Afghanistan, daher wurde ich nicht abgeschoben. Mir wurden auch die Fingerabdrücke abgenommen und nach ca. einem Monat Anhaltung wurde ich dann gemeinsam mit 17 weiteren Personen freigelassen. Ich bekam einen Zettel mit der Aufforderung, die Türkei innerhalb eines Monats zu verlassen. Ich fuhr weiter nach Istanbul, wo ich einige Tage verbrachte, während dieser Zeit habe ich wieder mit einem Schlepper Kontakt aufgenommen. Seine Kontaktperson brachte mich mit einem Kastenwagen und einem Schlauchboot nach Griechenland. Dort ging ich selbstständig zur Polizei. Mir wurden die Fingerabdrücke abgenommen.

R: Also 2 Mal, in der Türkei und in Griechenland?

BF: Ja, beide Mal auf Papier. Dort habe ich nicht um Asyl angesucht und ich hatte auch keinen D. Ich wurde nach einer Anhaltung von einer Nacht und einem Tag mit einem Landesverweis freigelassen. Ich fuhr mit einem Zug nach Athen, wo ich einige Tage verbrachte. Danach fuhr ich mit einem Schiff auf die Insel Khioz (phonetisch), wo ich ca. ein Jahr verbrachte. Von dort fuhr ich auf die Insel Patra, Patra ist auch eine Insel, von dort fahren viele LKWs in viele europäische Länder. Dorf verbrachte ich ein paar Tage und wurde dann anschließend von einem Schlepper auf der Ladefläche eines weißen LKWs versteckt. Ich bekam etwas zu essen und trinken. Mit diesem LKW war ich ca. 3 Tage über mir unbekannte Länder bis nach Wien unterwegs. Damals wusste ich noch nicht, dass ich in Wien ausgestiegen bin, erst später stellte ich fest, dass ich dann in Wien ausgestiegen bin.

R: Der LKW hat Sie also in Wien abgesetzt?

BF: Ja.

R: Wie sind Sie dann nach Traiskirchen gelangt?

BF: In Wien war ich eine Weile zu Fuß unterwegs und kannte mich nicht aus. Bis mir von einem Zeitungsverkäufer, einem Inder oder Pakistani, geholfen wurde. Er zeigte mir den Weg nach Traiskirchen. Ich fuhr dann mit einem Zug, der nach Baden fuhr. Der Zeitungsverkäufer sagte mir, dass ich die 13. oder 14. Station aussteigen sollte.

.....

R: Schildern Sie die Gründe, aus denen Sie Afghanistan verlassen haben.

BF: Afghanistan habe ich wegen diesem Vorfall verlassen müssen. Dass die Taliban mit meinem Cousin mütterlicherseits zu uns nach Hause gekommen sind und bei uns übernachtet haben. Die Regierung erfuhr davon und unser Haus wurde dann von der Polizei in der Nacht angegriffen. Es wurde auf beiden Seiten geschossen. Mein Problem ist jetzt, dass die Regierung glaubt, dass ich und meine Familie die Taliban unterstützen und die Taliban meinten, dass entweder ich oder mein Cousin XXXX die Regierung von dem Aufenthalt der Taliban bei uns zu Hause informiert habe.

R: Wann war dieser Vorfall?

BF: Vor ca. 4 Jahren.

R: Im Sommer oder Winter?

BF: Es ist in Afghanistan so, dass das Wetter tagsüber etwas wärmer ist und nachts frisch.

R: Sie können es also nicht eingrenzen?

BF: Es war schon warm. Es war schon Sommerzeit.

R: Schildern Sie bitte den Vorfall. Was ist vor dem Vorfall passiert, was währenddessen und was nachher?

BF: Wir haben in Afghanistan ein gutes Leben geführt. Mein kleiner Bruder ist in die Schule gegangen. Ich habe als Schneider gearbeitet und nebenbei habe ich auch meinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Eines Tages ist in unserer Ortschaft ein Mullah gestorben. Mein Cousin mütterlicherseits und seine Freunde haben bei seinem Begräbnis teilgenommen. Da es Abend wurde und diese nicht weitergehen konnten, kamen sie zu uns nach Hause.

R: Wie groß ist diese Ortschaft?

BF: Unser Dorf ist nicht sehr groß, wir haben 4 bis 5 Häuser.

R: Es war der Mullah dieser Ortschaft?

BF: Nein, in der Nähe von uns gab es ein anderes Dorf, der Mullah war von dort.

R: Warum ist er dann in Ihrer Ortschaft begraben worden?

BF: Ich meine die gesamte Ortschaft, nicht in unserem Dorf. Wo genau der Mullah begraben wurde, weiß ich nicht.

R: Gibt es einen Namen dieser Ortschaft? Ist es der Distrikt, die Region? Etc.?

BF: Unser Dorf heißt XXXX. Wie das Dorf, in dem dieser Mullah lebte, weiß ich nicht, aber das Dorf, wo der Mullah begraben wurde, wurde XXXX genannt.

R: Wie weit sind diese Dörfer auseinander?

BF: Ca. eine halbe Stunde mit dem Auto.

R: Der Mullah ist in einer Nachbarortschaft gestorben?

BF: Soviel uns mein Cousin erzählt hat, ja.

R: Der Cousin ist von einem Begräbnis an einem unbekannten Ort zu Ihnen gekommen?

BF: Ja.

R: D.h. er ist bei Einbruch der Dunkelheit gekommen?

BF: Ja. Mein Cousin klopfte an unsere Haustür, ich machte auf. Er fragte, ob er mit seinen Freunden bei uns übernachten dürfe. Ich sagte ihm, dass wir wegen der Taliban Probleme bekommen würden.

R: D.h. es ist der Familie schon bekannt, dass der Cousin bei den Taliban ist?

BF: Ja.

R: Mein Cousin sagte mir, dass wir seinetwegen diese Freunde bei uns übernachten lassen sollten, da sie sonst keinen Platz zum übernachten hätten. Mein Cousin sagte auch, dass sie gleich in der Früh wieder weggehen würden. Nur wegen meinem Cousin haben ich und meine Familie ihnen erlaubt, bei uns zu übernachten. Die Taliban sind dann bei uns oben im Zimmer gesessen, wir haben ihnen Essen und Tee serviert.

R: Wer von der Familie war anwesend?

BF: Meine Eltern, meine beiden Schwestern, mein jüngerer Bruder und ich.

R: Beide Schwestern?

BF: Ja. Mein Cousin hat bei der Familie im Zimmer geschlafen, die Taliban wo anders.

R: Im selben Stockwerk?

BF: Im oberen Zimmer haben die Taliban geschlafen.

R: Wie viele Stockwerke hat das Haus?

BF: Wir haben oben nur ein Zimmer.

R: Was heißt oben?

BF: Das Haus ist ebenerdig, auf dem Dach gibt es ein Zimmer.

BFV wirft ein, dass bereits wie zu Beginn der Verhandlung bemerkt wird, hinsichtlich der Anwesenheit der Schwester der Schriftsatz nicht der Richtigkeit entspricht. Der BF hat uns in unserer letzten Besprechung am 18.03.2014 mitgeteilt, dass beide Schwestern anwesend waren und keine der Schwestern zu diesem Zeitpunkt 2 Kinder hatte.

R: D.h. dass Sie keine Nichten und Neffen hatten?

BF: Zu diesem Zeitpunkt war meine ältere Schwester auch nicht verheiratet.

R: Keine der Schwestern hatte zu diesem Zeitpunkt Kinder, beide waren aber dort?

BF: Ja.

BFV: Des Weiteren wird der Sachverhalt dahingehend korrigiert, dass es mit dem Vater des BF lediglich eine Befragung gegeben hat. Diese Fehler sind auf Missverständnisse mit einem auch nicht sehr fähigen D seitens der BFV in der 1. Sachverhaltsaufnahme zurückzuführen.

R: Die Taliban waren also oben im Zimmer und der Cousin bei der Familie unten. Was ist dann passiert?

BF: Angermerkt wird, dass das obere Zimmer nur von außen über eine Treppe erreichbar ist. Während wir dann schliefen, hörte ich plötzlich Schüsse. Als wir rauskamen, sah ich, dass alle Taliban unten im Garten standen und die Polizei oben. Es wurde geschossen, es wurde gegenseitig aufeinander geschossen. Mein Cousin ist mit uns durch eine hintere kleine Türe hinausgegangen. Wir gingen ein Stück zu Fuß weiter.

R: Bitte zeichnen Sie das Haus mit der Umgebung auf (Haus, Straße, Felder etc.).

BF kommt dem nach. Die Skizze des Hauses wird als Anlage 2 zum Akt genommen.

R: Sie haben geschlafen, dann hörten Sie Schüsse und Sie gehen raus in den Garten?

BF: Ja, als wir feststellten, dass da geschossen wird, sind wir sofort durch die hintere Türe rausgegangen.

R: Wo kommt man von dem Zimmer, wo die Familie war, hin, direkt ins Haus oder in ein anderes Zimmer?

BF: Da ist das Zimmer gewesen, davor war ein Vorzimmer, wir sind vom Zimmer, in dem wir geschlafen haben, ins Vorzimmer gekommen, da gab es ein Fenster. Wir haben den Vorfall gesehen und sind durch das Vorzimmer durch den Hinterausgang hinausgegangen.

R: Weiter.

BF: Als die Taliban dann feststellten, dass XXXX mit unserer gesamten Familie aus dem Haus flüchtet, begannen sie auch, in unsere Richtung zu schießen, weil sie dachten, dass XXXX und wir die Regierung informiert haben. Die Hälfte von den Taliban schossen in unsere Richtung, die andere Hälfte auf die Polizei.

R: Alle Taliban waren aber unten?

BF: Ja, im Garten.

R: Wo ist der Garten?

BF zeichnet auf Anlage 2 ein, wo der Garten beim Haus ist bzw. zeichnet nochmals das Haus und wo sich davon der Garten befindet.

R: Nach mehrmaligem Nachfragen wird angegeben, dass das "obere Zimmer" (in Folge: Gästezimmer) außerhalb des "unteren Zimmers" am anderen Ende des Gartens über einem Lagerraum befindlich ist und nicht mit den Zimmern, in denen sich die Familie befunden hat, verbunden ist. Nach Angaben des BF führt der sogenannte Haupteingang in den von Mauern umgebenen Garten, an dessen einen Ende sich das "Haus" befindet und gegenüber das Lager mit dem oberen Zimmer.

R ersucht BF, das Haus genau mit all den Zimmern zu skizzieren.

Nach mehrmaligen Nachfragen skizziert der BF das "Haupthaus", das nicht über die gesamte Breite des Gartens reicht, sondern eine Ecke freilässt, in der sich der Hinterausgang aus dem Garten befindet.

BF: Als wir an dieser Ecke waren, wurde auf uns seitens der Taliban geschossen.

R: Wo war währenddessen die Polizei?

BF: Sie standen auf dem Dach des Gästezimmers.

R: Die gesamte Polizei?

BF: Ja.

R: Und alle Taliban waren unten?

BF: Ja.

R: Was geschah weiter?

BF: Als wir unseren Garten verließen, sind wir über einen Bach gesprungen und gingen auf dem Feldweg ein Stück weiter. Mein Cousin sagte, dass es gefährlich wäre, hier zu bleiben, er nahm meinen jüngeren Bruder mit und sagte mir, ich solle auch von dort weggehen. Ich hatte etwas Geld in der Kleidungstasche und meine Mutter hatte auch etwas Geld bei sich. Dieses Geld hat sie, wie die afghan. Frauen das traditionell machen, im Kopftuch eingebunden. Meine Mutter hat mir dieses Geld gegeben und so begann dann meine Reise.

R: Was war mit der Mutter und dem Rest der Familie?

BF: Ich ging auf dem Feldweg bis zur Hauptstraße und so begann meine Reise. Meine Eltern und meine 2 Schwestern sind zu einem Nachbardorf namens XXXX gegangen, das habe ich erst später erfahren.

R: Wann in etwa haben sich die Wege getrennt?

BF: Wir waren ca. 2 bis 3 Stunden zu Fuß unterwegs, bis wir zu diesem Entschluss kamen, dass wir uns trennen.

R: D.h. die Familie und der Cousin gingen 2 bis 3 Stunden auf dem Feldweg.

BF: Ja, dann haben wir uns getrennt und ich ging zur Hauptstraße.

R: Warum hat der Cousin nur Ihren Bruder und nicht auch Sie mitgenommen?

BF: Da ich erwachsen war und selbst weitergehen konnte, hat er mich nicht mitgenommen. Da mein Bruder sehr jung war und es für ihn seitens der Taliban Gefahr bestand, dass sie ihn zu ihren Gunsten mitnehmen.

R: Es besteht die Gefahr, dass der Cousin seine eigene Truppe verraten hat, dann nimmt er den jungen Bruder mit, anstatt dass dieser bei der Familie bleibt. Da war der kleine Bruder ja mehr beim Cousin in Gefahr, da dieser in Ungnade gefallen sei.

BF: Wir wissen nicht ganz genau, wer die Regierung informiert hat. Wenn das mein Cousin war, hätten wir unseren Bruder nicht mit ihm geschickt. Wir wussten es nicht.

R: Sie haben nachher noch Informationen erhalten, auch wenn Sie es nicht selbst erlebt haben. Was ist Ihnen nachher erzählt worden?

BF: Meine Familie kehrte dann nach 2 oder 3 Tagen nach Hause zurück. Sie stellten fest, dass unsere Kuh gestorben war, unser Haus wurde geplündert. Es fehlte Goldschmuck, auch unsere Weizenernte wurde in Brand gesetzt. Als ich im Iran war, telefonierte ich mit meiner Mutter. Sie sagten mir, dass die Taliban wieder bei uns waren und meine Mutter, nach XXXX und nach mir fragten. Sie sagten meiner Mutter auch, dass entweder mein Cousin oder ich sie verraten hätten.

R: Woher wissen Sie, dass es Taliban waren? Waren es dieselben Taliban, die bei Ihnen übernachtet haben?

BF: Da sie meinen Cousin namentlich nannten und Bärte und Turbane trugen, stellte meine Mutter fest, dass es Taliban waren.

R: Was haben die Taliban genau gefragt?

BF: Die Taliban meinten, dass entweder ich oder mein Cousin XXXX sie verraten hätten, sonst hätte niemand gesehen, dass die Taliban zu uns gekommen sind. Auch die Nachbarn nicht.

R: Dass die Taliban von niemand gesehen wurden, ist das, was die Taliban behaupten oder eine Vermutung vom BF.

D: Das haben die Taliban gesagt.

R: Sonst haben sie nichts gesagt?

BF: Nein.

R: Waren sie nochmals dort?

BF: Nein, nur einmal.

R: Seit diesem Vorfall haben die Taliban die Mutter nur einmal aufgesucht.

BF: Ja.

R: War irgendwer von der Familie bei der Polizei oder bei der Regierung?

BF: Die Polizei war auch bei uns zu Hause, sie haben meinen Vater zu dem Vorfall befragt, unser Haus wurde innen auch durchsucht.

R: D.h. es wurde eine polizeiliche Untersuchung vorgenommen?

BF: Ja.

R: Sind Sie von den Taliban oder den Behörden bedroht worden oder wurde eine Drohung ausgesprochen, dass etwas passieren würde?

BF: Ja, die Taliban drohten schon, uns zu töten.

R: Wann und wem gegenüber?

BF: Mich und meinen Cousin, sie sagten das meiner Mutter.

R: Das ist trotz Befragung noch nicht gesagt worden.

BF: Die Taliban gehen so vor, das ist doch klar. Bei uns in der Nähe wurde ein Soldat der afghan. Nationalarmee von den Taliban geköpft. So gehen die Taliban vor.

R: Seit dem Vorfall und der Drohung ist bei der Familie niemand von der Regierung und von den Taliban erschienen?

BF: Nein. Aber unsere Nachbarn werden gefragt, mein Vater ist alt und krank, sonst gibt es keine männliche Person. Die Nachbarn werden über uns befragt. Auch die XXXX unterstützen die Taliban.

R: Sie haben gesagt, Ihr Vater ist vor 4 Monaten gestorben, wie es Ihrer Familie sonst, lebt sie noch dort?

BF: Meine Schwester wurde mit einem Nachbarn von uns namens XXXX verheiratet. Jetzt wohnen meine Mutter und meine kleinere Schwester bei der älteren Schwester.

R: Aber noch in diesem Ort?

BF: Ja. Ich rufe meinen Schwager XXXX manchmal an, aber er sagt, ich soll ihn nicht ständig kontaktieren, weil sie sonst Probleme bekommen könnten. Er schlägt meine Schwester auch und behandelt sie sehr schlecht.

R: Aber sie leben noch dort?

BF: Ja. (BF bricht in Tränen aus).

R unterbricht die Verhandlung um 13.18h bis 13.21h.

R: Haben Sie sich in irgendeiner Weise politisch engagiert, sodass man heraussehen konnte, ob Sie eher auf der Regierungsseite oder auf der Seite der Taliban waren?

BF: Nein.

R: Warum sollten Ihnen die Regierung unterstellen, dass mit den Taliban zusammenzuarbeiten? Sie haben sich nie in einer Weise engagiert.

BF: Nein. Ich bin gegen die Taliban, sie lassen die Mädchen nicht in die Schule und Burschen werden auch am Schulweg geschlagen.

R: Es gab nie ein Engagement von Ihnen, dass man Ihnen regierungsnahes oder talibannahes Engagement vorwerfen könnte?

BF: Nein.

R: Auch von Ihren Eltern nicht?

BF: Nein.

R: Das wusste man auch?

BF: Ja, mein Cousin kam schon zu uns, aber alleine. Auch die Frauen, die zum Arzt gehen, werden von den Taliban geschlagen und das finde ich nicht gut.

R: Sie selbst wurden niemals bedroht, nur über Hörensagen?

BF: Ja, das stimmt.

....

R: Welche Verfolgungshandlung wurde gegen Sie gesetzt? Was hat die Regierung gegen Sie getan?

BF: Nur das eine Mal, wie vorhin erwähnt, war die Polizei bei uns. Sonst nichts.

R: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Wenn ich nach Afghanistan zurück bin, wäre mein Leben sowohl seitens der Regierung als auch seitens der Taliban in Gefahr. Wenn ich jetzt mit der Regierung arbeite, wäre in diesem Fall mein Leben und das Leben meiner Familie in Gefahr. Die Taliban würden uns töten und wenn ich für die Taliban arbeite, würde mich die Regierung töten. Wenn ich neutral bleibe, werde ich unbedingt von den Taliban mitgenommen.

R: Warum sollten Sie für die Regierung arbeiten, diese hat sich die letzten 4 Jahre nicht für Sie interessiert?

BF: Man muss ja auf einer Seite sein. Als junger Mann ist es dort unmöglich, in unserem Dorf zu leben. Man wird von den Taliban mit Gewalt mitgenommen, sonst wird man geköpft.

R: Sie haben als Schneider gearbeitet?

BF: Ja.

R: Diesen Beruf können Sie außerhalb des Heimatbezirkes auch ausüben?

BF: In diesem Fall werde ich auch meine Familie besuchen wollen und man würde erfahren, wo ich bin, das ist gefährlich. Meine Schwestern und meine Mutter führen wirklich ein schweres Leben jetzt. Ich möchte, dass sie auch zu mir kommen und hier in Ruhe leben.

R: Sprechen Sie Deutsch, besuchen Sie derzeit einen Deutschkurse

BF: Ja.

R: Besuchen Sie in Österreich andere Kurse, Vereine, eine Schule oder Universität?

Es werden vorgelegt als Anlage 3 bis 5 Bestätigungen der Stadtgemeinde XXXX und der Pension betreffend die Integration des BF und zum Akt genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BvWG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom BvWG nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBL I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren am 1.1.1990. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischen Glaubens. Seine Identität ist nicht festgestellt.

Er wurde in XXXX, Dorf XXXX geboren und hat bis zu seiner aktuellen Flucht nach Europa bis auf ein paar Tage in Pakistan, ein Jahr im Iran, einen Monat in der Türkei sowie ein Jahr und 3 Monate in Griechenland gelebt.

Er ist ledig und kinderlos. Seine Mutter und seine Schwester sind weiterhin in XXXX aufhältig. Sein Vater ist verstorben und sein jüngerer Bruder seit rund 4 Jahren verschollen.

Der BF hat als Schneider gearbeitet und nebenbei seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen.

Vor ca. 4 Jahren in Afghanistan starb ein Mullah und wurde im Nebendorf begraben. Sein Cousin XXXX mütterlicherseits, ein Mitglied der Taliban, sowie weitere Taliban haben bei seinem Begräbnis teilgenommen. Am Abend suchte der Cousin das Haus der Familie des BF zur Übernachtung auf. Anwesend waren dort seine Eltern, seine beiden - damals unverheirateten Schwestern, sein jüngerer Bruder und der BF. Der Regierung wurde verraten, dass die Taliban im Haus des BF übernachteten, woraufhin die Polizei zu dem Haus kam. Es kam zu einer Schießerei zwischen den Taliban und der Polizei. Der BF und seine Familie flüchteten aus dem Haus. Die Mutter des BF gab ihm Geld, damit er das Land verlassen konnte.

Die Mutter des BF kehrte zwei bis drei Tage nach dem Vorfall wieder in ihr Haus zurück. Danach wurde sie einmal nach dem Aufenthalt des BF gefragt. Seither ist es zu keinen Vorfällen mehr gekommen.

In Afghanistan war der Beschwerdeführer weder Mitglied einer politischen Vereinigung oder bewaffneten Gruppe. Er war in Afghanistan weder in Haft noch besteht ein Haftbefehl gegen ihn. Er wurde in Afghanistan weder aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe noch einer sozialen Gruppe verfolgt.

Der Beschwerdeführer hat zwei Onkel und eine Großmutter väterlicherseits in Afghanistan, im Dorf Dashte Barchi, zwei Onkel und eine Großmutter mütterlicherseits, die in Teheran leben. Kontakt zu den Verwandten in Afghanistan hat der Beschwerdeführer lediglich im Zeitraum der Abschiebung gehabt. Sein älterer Bruder flüchtete nach Schweden. Der BF besucht seit 20.November 2012 einen Deutschkurs.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keinen Besitz und war auch kein sonstiges Naheverhältnis zum Herkunftsstaat feststellbar.

Eine Verfolgung durch den Herkunftsstaat, oder auch durch Drittpersonen im Herkunftsstaat wurde weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdevorbringen geltend gemacht. Die Flüchtlingseigenschaft ist daher nicht feststellbar.

Entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsland:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 28.01.2014

Sicherheitslage

Afghanistan ist mit einem Truppenabzug internationaler Kampfkräfte konfrontiert und der Übergabe der Sicherheit an die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) bis zum Ende des Jahres 2014. Es wird damit einen wesentlichen Sicherheits- und Entwicklungswandel in den nächsten drei Jahren durchlaufen. (WB 28.2.2013). Die finale Tranche des Transfers der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte wurde am 18. Juni verkündet (UNSC 6.9.2013). Nachdem die Übergangsphase fortschreitet und die ANSF ihre Sicherheitsverantwortung übernehmen, transformiert die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) zunehmend ihre Rolle von einer kämpferischen hin zu einer unterstützenden. Die ISAF wird, wie bisher, die ANSF ausbilden, beraten und unterstützen bis die Übergangsphase mit Ende 2014 abgeschlossen ist. Bis Ende 2014 wird die ISAF jedoch - sofern benötigt - auch weiterhin Kampfunterstützung liefern (NATO 1.8.2013). Auf die Transition wird ein Jahrzehnt der Transformation (2015-2024) folgen, Afghanistan hat verstärkte eigene Anstrengungen zugesagt um sich zu einem voll funktionsfähigen und fiskalisch lebensfähigen Staat zu entwickeln. Dafür hat Afghanistan die Zusage langfristiger internationaler Unterstützung erhalten (AA 4.6.2013).

(...)

Die Akte der Taliban gegen Zivilisten hielten im Jahr 2012 weiter an, insbesondere undifferenzierte Attacken verursachten hohe Zahlen ziviler Todesopfer (HRW 31.1.2013). Die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle nahm 2012 im Vergleich zum Vorjahr leicht ab und setzte somit den Trend fort. Die Führungs- und Operationsfähigkeit der Insurgenz konnte geschwächt werden (AA 4.6.2013).

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 erschwerten die Dynamiken von Politik und Sicherheit jedoch den Schutz von Zivilisten und begrenzten den Zugang zu Menschenrechten. Dem verstärkt forcierten Übergang der Sicherheitsverantwortung von internationalen Militärkräften zu afghanischen Kräften sowie der Schließung von internationalen Militärbasen standen vermehrte Attacken durch regierungsfeindliche Elemente (AEG) auf die ANSF, insbesondere an Checkpoints und bei strategischen Autobahnen gegenüber. Die Bemühungen der Aufständischen ihren territorialen Einfluss in umkämpften Gebieten durchzusetzen, führte zu vermehrten Bodenkämpfen zwischen AEG, pro-Regierungselementen und pro-Regierungskräften. Besonders afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten wurden in den Kämpfen oder von unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtung (IED) häufiger getötet oder verletzt. Der Anstieg ziviler Opfer in der ersten Jahreshälfte 2013 kehrte die Abnahme ziviler Opfer und Verletzter, die im Jahre 2012 verzeichnet wurde, um. Die Opferzahl erreichte den hohen Wert von 2011 (UNAMA 7.2013).

(...)

Insgesamt sammelte UNAMA für die ersten zehn Monate des Jahres 2013 Daten zu 2,568 zivilen Todesopfern und 4,826 zivilen Verletzten. Es wurde damit ein Anstieg von 13 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2012 verzeichnet. Um die 75 Prozent der Opfer wurden regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben. Deren Einsatz von unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs), inklusive komplexer Attacken und Selbstmordattentate, verursachten 49 Prozent aller Opfer und stellten weiterhin die größte Gefahr für Zivilisten dar. 10 Prozent der zivilen Opfer rechnete die UNAMA pro-Regierungstruppen zu. 11 Prozent der Opfer wurden Bodenoperationen und Attacken zugerechnet, die keiner Partei zugeschrieben werden konnten. Aufgrund von Bodenkämpfen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und Pro-Regierungstruppen wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2012 456 Zivilisten getötet und 1,454 verletzt. Dies stellt einen Anstieg von 36 Prozent zum Vergleichszeitraum 2012 dar. Besonders signifikant war er mit 52 Prozent in den östlichen Regionen Es wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 89 Selbstmordanschläge durch die Vereinten Nationen erfasst, gleich viele wie im Jahr 2012, 45 dieser waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Paktika und Kabul (UNSC 6.12.2013).

(...)

Erhöhte Unsicherheit und Attacken gegen Hilfsorganisationen gefährden die Möglichkeit humanitärer Organisationen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen (USAID 5.7.2013).

(...)

Infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz im Raum sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen konnte eine partielle Stabilisierung in Teilen Nord- und Westafghanistans, aber auch in der Hauptstadt Kabul erzielt werden. In diesen Gebieten ist die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle (AA 4.6.2013).

Spezifische Aspekte der Sicherheitslage - Wichtige aufständische Gruppen

Die Sicherheitslage in Afghanistan wird durch bewaffnete Gruppen bedroht, die lose miteinander verbunden sind (CRS 23.10.2013). Neben den Taliban existieren weitere Gruppierungen, die halbautonom agieren. Zu nennen wären zum Beispiel die Netzwerke der Familie Haqqani oder der Familie Mansur, sowie die so genannte Tora Bora Front, die aus ehemaligen Anhängern der Hizb-e Islami von Yunus Khalis besteht. Außerdem gibt es noch selbstständige Widerstandsgruppen, wie die Hizb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar (BAA 2011).

Taliban und Frühjahrsoffensive 2013

Die Taliban sind die berüchtigtste in Afghanistan aktive Bewegung. Sie operiert hauptsächlich im Süden Afghanistans - besonders in den traditionellen Hochburgen Helmand und Kandahar. Geleitet werden die Taliban durch den Gründer und Führer der afghanischen Taliban Mullah Omar und der Quetta-Shura - einer Gruppe von Veteranen der Taliban, die in Quetta, Pakistan, lokalisiert sind. Dies ist jene Gruppe, die vormals Afghanistan regierte und al-Qaida Zuflucht gewährte, bevor sie von den amerikanischen Kräften entmachtet wurde (Thomson Reuters 29.7.2011).

Der territoriale Einfluss und die Kontrolle der Taliban nahmen 2012 ab. Nichtdestotrotz blieb der Einfluss der Aufständischen in vielen ländlichen Gebieten erhalten, die damit als Ausgangspunkte für Attacken auf Städte dienten. Dies ermöglichte den Taliban, Angriffe in derselben Häufigkeit wie 2012 durchzuführen - jedoch in weniger bevölkerungsreichen Gegenden (USDOD 7.2013).

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" an, mit der Intention komplexe Selbstmordattentate und Insiderangriffe gegen die "Basis der Fremdeindringlinge, deren diplomatische Zentren und militärische Stützpunkte" durchzuführen. Die großen Vorfälle dieser Offensive waren u.a. im März ein Bombenanschlag auf das Verteidigungsministerium in Kabul mit 9 Toten und auf das Polizeihauptquartier in Jalalabad mit 5 Toten, ein Anschlag auf ein Gericht in Farah im April und ein Anschlag auf den Supreme Court im Juni mit 17 Toten (UNSC 13.6.2013; vgl. BBC 25.6.2013 ). Der Taliban-Führer Mullah Muhammad Omar proklamierte, dass Angriffe durch mit den Taliban sympathisierender Mitglieder der ANSF auf die internationalen Streitkräfte eine Schlüsselstrategie der Taliban seien, um die Kontrolle zu erobern (CSIS 28.3.2013). Ende Mai wurde ein Selbstmordattentat auf das Anwesen des Gouverneurs der Provinz Panjshir durch die Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und die Taliban durchgeführt (LWJ 1.6.2013). Den Sicherheitskräften gelang es allerdings eine Autobombe vor Ort zu entschärfen. Vier Polizisten wurden verletzt, die sechs Angreifer getötet (Xinhua 29.5.2013). Diese Attacke war die erste dieser Art im Panjshir Tal seit Oktober 2011. Das Tal gilt als stark gegen die Taliban eingestellt und die Provinz Panjshir als besonders friedlich. Die Attacken der Taliban verstärkten sich nach der Ausrufung der Frühjahrsoffensive. Im Rahmen der Frühjahrsoffensive verübten die Taliban am 24.5.2013 auch eine Attacke auf den Compound der International Organisation for Migration in Kabul. Dieser folgte ein fünfstündiges Gefecht (Reuters 29.5.2013). Ein Polizist und zwei Angreifer wurden dabei getötet, 10 Personen verletzt (Reuters 24.5.2013).

Al-Qaida

Die Zahl der al-Qaida-Kämpfer in Afghanistan wird von amerikanischen Behörden mit 50 bis 100 beziffert. Die meisten von ihnen sind in den östlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Quaida angegliedert und in den Provinzen Faryab und XXXX aktiv sind, wie zum Beispiel zur Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 7.2013).

Haqqani Netzwerk

Das Haqqani Netzwerk ist eine Rebellengruppe, die von den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA) in Pakistan aus operiert (FFP 10.2011). Die Gruppe tauchte in den späten 1970er Jahren unter und ist seitdem auch unter dem Namen Hesb-I Islami bekannt. Sie erklärte den "heiligen Krieg" gegen Afghanistan (U.S. Houses of Representatives 27.6.2013). Die Haqqanis sind Afghanistans leistungsfähigste und stärkste Terrorgruppe, die auch enge operative und strategische Kontakte mit al-Quaida und anderen Gruppen pflegt (ISW 29.3.2012). Vor allem die Fähigkeit des Netzwerkes zur Durchführung tödlicher, spektakulärer Angriffe in Kabul mit anschließender internationaler Presseberichterstattung stärkt die ausländische Unterstützung des Haqqani-Netzwerkes (FFP 10.2011).

Das Netzwerk hat beachtliche Zufluchtsstätten und Unterstützungsnetzwerke in den pakistanischen Stammesgebieten. Die Haqqanis haben ihre Präsenz in den Provinzen Logar, Wardak und den umliegenden südlichen und westlichen Punkten Richtung Kabul verstärkt. Sie haben sich auch in die östlichen Gegenden Kabul - der Provinzen Nangarhar, Laghman und Kapisa - ausbreitet. Sie nutzen diese Position, um eine Destabilisierung Afghanistans voranzutreiben (ISW 29.3.2012 / ISW 5.9.2012).

Im November 2013 wurde der Hauptfinancier des Haqqani Netzwerks - Nasiruddin Haqqani, in Islamabad, Pakistan, getötet (NYT 12.11.2013).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Die radikale islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt, ehemaliger Verbündeter der US im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren (UKHO 8.5.2013; vgl. CRS 23.10.2013). Die HIG ist in den Provinzen Kunar, Nuristan, Kapisa und Nangarhar sowie im Norden und Osten von Kabul aktiv. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen in Afghanistan gesehen. Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es jedoch über die Kontrolle von Gebieten zu Kämpfen mit den Taliban. HIG wird als zugänglich für Versöhnungsgespräche mit der afghanischen Regierung angesehen (CRS 23.10.2013).

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Quellen:

Sicherheitslage in Kabul

Kabul ist unter jenen Gebieten, in denen infolge militärischer, überwiegend afghanisch geführter Operationen, starker Präsenz im Raum sowie politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen eine partielle Stabilisierung erzielt werden konnte und die Sicherheitslage überwiegend unter Kontrolle ist (AA 4.6.2013). Die ANSF geht während dieser Angriffe professioneller im Kampf gegen die Rebellen vor als früher (AAN 2.6.2013). Kabul bleibt unter der Führung der ANSF die sicherste Gegend Afghanistans (USDOD 12.2012). Laut internationalen NGOs ist Kabul trotz der Vorfälle und Angriffe einer der wenigen Orte Afghanistans, wo die Sicherheitssituation relativ gut und stabil ist. Dem Internationalen Polizei-Koordinierungsausschuss zufolge gehören Kabul und andere große Städten in Afghanistan zu den Orten, wo die Afghanische Nationalpolizei (ANP) bei der Gewährleistung von Sicherheit gut funktioniert. Laut IOM ist Kabul trotz einiger Selbstmordanschläge, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen, sicherer und stärker unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die unabhängige Afghanistan Independent Human Rights Commission teilt diese Meinung (DIS 5.2012).

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden (AAN 2.6.2013). Die Taliban, einschließlich des Haqqani-Netzwerks, führen jedoch weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe in der afghanischen Hauptstadt durch und zeigen, dass sie überall im Land zuschlagen können und selbst den sog. "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden. Dies zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und damit möglicher "Financiers" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu schüren (ACCORD 10.1.2014 vgl. AAN 2.6.2013).

Im April 2013 kündigten die Taliban ihre Frühlingsoffensive "Khalid ibn al-Walid" [Anmerkung: auch "Khaled ben Walid"] an. Größere Zwischenfälle in Kabul involvierten u.a. eine Explosion nahe des Verteidigungsministeriums in Kabul im März 2013, bei dem neun Zivilisten ums Leben kamen. Ein Beispiel für erfolgreiche Vereitelung war die Entdeckung eines größeren Waffenversteckes und die Festnahme von 5 Personen am 13. März (UNSC 13.6.2013).

Weitere größere, sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul:

Im Mai 2013 bekannte sich die Hezb-e Islami Gulbuddin zu einem Attentat in Kabul, bei dem neun Zivilisten, zwei ISAF Mitarbeiter und vier Mitarbeiter eines ausländischen Unternehmens getötet wurden und im Juni tötete ein Selbstmordanschlag auf den Supreme Court mindestens 17 Zivilisten(UNSC 13.6.2013).

Im Juni 2013 gab es einige Anschläge der Taliban in schwerbewachten Gebiete Kabuls, in denen sich viele wichtige Gebäude befinden, wie zum Beispiel die NATO-Zentrale und der Präsidentenpalast (BBC 25.6.2013).

Am 2. Juli 2013 kam es zu einem Anschlag nahe einer UN Einrichtung, bei dem 6 Personen getötet wurden. Insgesamt kam es im Berichtszeitraum zwischen 16. Mai und 15 August zu 7 Selbstmordanschlägen in Kabul. (UNSC 6.9.2013).

Die Taliban attackierten mit Schüssen und einer Autobombe im Oktober 2013 einen Konvoi ausländischer Fahrzeuge in Kabul. Es war der erste größere Vorfall seit Juli (Reuters 18.10.2013). Agence France-Presse (AFP) berichtet, dass in den Monaten vor diesem Anschlag die afghanische Hauptstadt relativ friedlich gewesen ist, nachdem zuvor einige Selbstmordanschlägen und bewaffnete Angriffe stattgefunden hatten (AFP 18.10.2013).

Am 16. November 2013 tötete ein Anschlag nahe einer Einrichtung, die für die Loya Jirga vorbereitet wurde 8 Zivilisten (UNSC 6.12.2013).

Am 18.Jänner.2014 starben mindestens 24 Menschen bei dem Anschlag der Taliban auf ein unter Ausländern beliebtes und stark gesichertes Restaurant Restaurant in Kabul. (FAZ 18.1.2014)

Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus der afghanischen Armee sind am 26.1.2014 in Kabul vier Menschen getötet worden, am 25.1.2014 wurden bei einer Explosion zwei Personen verletzt (FAZ 26.1.2014).

Quellen:

Quellen:

2012): Afghanistan: Taliban fear grips once peaceful Parwan province,

http://www.globalpost.com/dispatch/news/regions/asia-pacific/afghanistan/121031/afghanistan-parwan-taliban-us-withdrawal-nato , Zugriff 15.1.2014

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Sicherheitsbehörden

Die nationalen afghanischen Sicherheitskräfte Afghan National Security Forces (ANSF) bestehen aus: der Afghan National Army (ANA), der nationalen afghanischen Polizei (ANP, Afghan National Police) und den nationalen afghanischen Luftstreitkräften Afghan Air Force (AAF) (NATO 6.2013). Die ANP und die ALP tragen die Verantwortung für die interne Ordnung, waren aber auch am Kampf gegen die Rebellen beteiligt (USIP 2.2013).

Nach offiziellen Aussagen der Afghanischen Nationalarmee zufolge konnten die Afghan National Security Forces (ANSF) in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 selbstständig 90 Prozent aller militärischen Operationen leiten. Die afghanische Regierung hat bis jetzt noch keine konkreten Maßnahmen gesetzt, um zivile Todesfälle am Boden zu vermeiden und sicherzustellen, dass die afghanischen Kräfte die notwendigen Maßnahmen setzen, um die Zivilisten und Gemeinden, die von dem bewaffneten Konflikt betroffen sind, zu schützen. Der Anstieg der zivilen Todesfälle in Operationen der ANSF von 1 auf 14 fällt zusammen mit einem Anstieg der eigenständigen Operationen der ANSF, welche die Notwendigkeit für ANSF-Richtlinien und Eingreifregelungen zum Schutz der Zivilisten bekräftigen (UNAMA 7.2013).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP besteht aus vier Polizeistreitkräften und zwei Hilfstruppen, die unter der Leitung des Innenministeriums (MOI) stehen. Die Hauptkomponenten der ANP sind die Afghan Uniform Police (AUP), die Afghan National Civil Order Police (ANCOP), die Afghan Border Police (ABP), und die Afghan Anti-Crime Police (ACCP). Die Afghan Local Police (ALP) wurde durch ein Dekret des Präsidenten und mit Unterstützung der USA errichtet. Die 19,000 Mitglieder, wurden von Dorfältesten und lokalen Machthabern ausgewählt, um die Gemeinden gegen Angriffe der Taliban zu schützen. Diese werden von Teams der U.S. Spezialkräfte ausgebildet, die, durch Finanzierung unterstützt, sie mit Waffen, Kommunikationsausrüstung und Verstärkung versorgen. Dorfverteidigungseinheiten ("village defense units") bewachen Gebäude und führen lokale Operationen gegen die Rebellen durch (USIP 2.2013).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit (USDOS 19.4.2013).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen die nationale Sicherheit betreffend und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes(USDOS 19.4.2013).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut afghanischer Verfassung (Art. 29) ist Folter verboten. Es ist niemandem erlaubt Folter anzuordnen, selbst dann nicht wenn, es zur Wahrheitsfindung dient, gegen diese/n ermittelt wird, diese/r verhaftet oder inhaftiert oder verurteilt wurde um bestraft zu werden. Bestrafungen, die gegen die menschliche Würde sind, sind verboten (AA 4.6.2013; siehe dazu auch englische Übersetzung der derzeitigen Verfassung UNPAN 2004). Obwohl die Verfassung solche Praktiken verbietet, gibt es Berichte, die besagen, dass Beamte, Sicherheitskräfte, Haftanstaltswärter und die Polizei Misshandlungen durchführten (USDOS 19.4.2013).

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Geständnisse und Aussagen, die von einem Beschuldigten oder einem anderen Individuum unter Zwang eingeholt worden sind, nicht gültig sind. Das Gestehen eines Verbrechens ist ein freiwilliges Zugeständnis durch einen Beschuldigten in einem vor einem autorisierten Gericht in einem geistesgegenwärtigen Zustand (APT 6.2009; siehe dazu auch englische Übersetzung der derzeitigen Verfassung UNPAN 2004). Nichtsdestotrotz, konnte AIHRC durch Interviews mit Inhaftierten und Verteidigungsanwälten in Erfahrung bringen, dass afghanische RichterInnen oft Geständnisses von Verhafteten akzeptieren, selbst dann wenn der Häftling dem Gericht erklärte, dass das Geständnis durch Folter erzwungen worden war (AIHRC 17.3.2012).

Der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) Bericht im Jahr 2013 besagte, dass trotz nationaler und internationaler Bemühungen Folter und Misshandlung von Häftlingen anhalten und ein ernstzunehmendes Problem in vielen Haftanstalten Afghanistans ist (UNAMA 1.2013).

Die Vorfälle betreffen nicht nur Gefangene, die durch afghanische Sicherheitskräfte festgenommen wurden, sondern auch durch die internationale Schutztruppe ISAF (International Security Assistance Force) inhaftierte und an afghanische Sicherheitskräfte überstellte Gefangene (Deutscher Bundestag 15.3.2013).

Eine von Staatspräsident Hamid Karsai eingesetzte Untersuchungskommission kam zum Schluss, dass Folter und Misshandlungen von Gefangenen in afghanischen Gefängnissen weit verbreitet sind und, dass viele der Gefangenen keinen Zugang zu einem Anwalt hätten. Die afghanische Kommission bestand überwiegend aus hohen Beamten ausgerechnet jener Ministerien und Institutionen, denen die Verantwortung für Folter vorgeworfen wird. Mit der Untersuchungskommission hatte Karsai auf den bereits zweiten UNAMA-Bericht zur Situation in afghanischen Gefängnissen reagiert. Für diesen waren von der UN 635 Gefangene in 89 Einrichtungen der afghanischen Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes NDS befragt worden. Mehr als die Hälfte berichtete von Folter und Misshandlungen. Der Vorsitzende der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission bestätige die Grundtendenz des Berichtes. Wie schon nach dem Report von 2011 setzten die internationalen Isaf-Truppen vorübergehend die Überstellung von Gefangenen an afghanische Institutionen aus. Karsai bemüht sich seit rund zwei Jahren, die Hoheit über alle Gefängnisse in Afghanistan zu erhalten, und erklärte dies zu einer wichtigen Souveränitäts- und Prestigefrage (TAZ 11.2.2013).

Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und der militärischen Kräfte sind somit nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 4.6.2013).

Quellen:

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Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtssituation in Afghanistan verbessert sich weiter, allerdings langsam. Die universellen Menschenrechte sind in der afghanischen Verfassung verankert, aber bei weitem noch nicht vollständig verwirklicht. Insbesondere die Lage der Frauen bleibt in der konservativ-islamischen Gesellschaft schwierig (AA 4.6.2013)

Menschenrechtsprobleme hielten an, von Beobachtern wurden die inadäquate Ausbildung und fehlendes Einfühlvermögen der Sicherheitskräfte kritisiert. Menschrechtsorganisationen kritisierten die begrenzte Rechenschaft, die für Sicherheitsbehörden gilt, im Speziellen für die Afghan Local Police (ALP), obwohl das Innenministerium (MOI) am Ende des Jahres 2012 Maßnahmen umsetzte, um die Rechenschaft der ALP zu steigern. Zum Beispiel, arbeitet das MOI mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) zusammen, um die Menschenrechtsausbildung für ALP Rekruten zu auszuweiten (USDOS 19.4.2013).

Die Ernennungen der neuen Mitglieder der Menschenrechtskommission im Juni 2013 rief Unmut unter Menschenrechtsorganisationen sowohl in Afghanistan, als auch im Ausland hervor (RFE 3.7.2013). So beförderte Staatspräsident Karzai, unter anderem, einen früheren Talibanführer zum Kommissionär der AIHRC. Es gab auch andere kontroverse KandidatInnen (AAN 16.6.2013; vgl. Rawa 3.7.2013).

Quellen:

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Shiiten

Etwa 19 Prozent der Bevölkerung sind schiitische Muslime, welche damit die größte religiöse Minderheit des Landes sind. Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5 Prozent der Bevölkerung aus. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an. Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2013). Trotzdem war die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen, sowie einer rezenten Verschlechterung der Beziehungen zu der sunnitischen Mehrheit konfrontiert (USDOS 20.5.2013). Die schiitischen Muslime konnten im Berichtzeitraum vom 31.1.2012 bis 30.1.2013 ihr traditionelles Ashura Fest in Kabul öffentlich ohne Zwischenfälle feiern (USCIRF 30.4.2013). Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013).

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 20.5.2013). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (FH 1.2013; vgl. Text des Gesetzes USAID 4.2009). Der Gesetzestext wurde im Parlament durchgesetzt, ohne ordentlich debattiert zu werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und afghanischen Frauenorganisationen kritisierten, dass der Gesetzestext im Widerspruch zu Artikel 22 steht, der die Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz bekräftigt (Herizons 2009; siehe dazu auch englische Übersetzung der derzeitigen Verfassung UNPAN 2004).

Quellen:

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Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen mehr als 31 Millionen Menschen. Davon sind 42 Prozent Pashtunen, 27 Prozent Tajiken, 9 Prozent Hazara, 9 Prozent Usbeken, 4 Prozent Aimaken, 3 Prozent Turkmenen, 2 Prozent Balochen und 4 Prozent gehören zu anderen kleineren ethnischen Gruppen (CIA 7.1.2014 vgl. CRS 22.11.2013). In der neuen Verfassung Afghanistans von 2004 werden Pashtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Pahsai, Nuristanis, Aimaken, Araber, Kirgisen, Qilbash, Gujuren, Brahuin und andere ethnische Gruppen erwähnt, die ein Recht auf die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Aber auch die Sprache der ethnischen Gruppen wurde in die neue Verfassung aufgenommen (MRGI 7.2012).

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 4.6.2013 vgl. englische Übersetzung der Verfassung UNPAN 2004).

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Hazara

Die Hazara unterscheiden sich von anderen Minderheiten in Afghanistan, da diese sowohl eine ethnische als auch aufgrund ihres schiitischen Glaubens eine religiöse Minderheit darstellen. Sie können aufgrund ihrer ostasiatischen Gesichtszüge, leicht von anderen Minderheiten unterschieden werden. Ihr deutlich anderes Aussehen in Kombination mit dem Praktizieren des Schiitentum hat sie über viele Jahrhunderte zu Angriffszielen gemacht (Atlantic Community Herbst 2011).

Besonders zu Zeiten der Taliban-Herrschaft wurde die Minderheit der Hazara verfolgt. Ihre Lage hat sich zwar deutlich verbessert, jedoch sind sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 4.6.2013).

Die schiitische Minderheit der Hazara verbessert sich ökonomisch und politisch durch Bildung. In der Vergangenheit wurden die Hazaras von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive weiblicher Hazara, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie, Medizin oder andere Bereiche ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 22.11.2013).

Einer der zwei Vizepräsidenten von Präsident Hamid Karzai ist Karim Khalil. Er stammt der Minderheit der Hazaren ab (CRS 23.10.2013).

Quellen:

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Kinder

Obwohl das Mindestalter für Arbeit in Afghanistan 15 Jahre beträgt, wird die Durchsetzung dieser Regelung eher mangelhaft eingehalten. UNICEF schätzt, dass 30 Prozent der afghanischen Kinder arbeiten. Die Anzahl der Kinder, die in ländlichen Gebieten arbeiten ist signifikant höher, als bei Kindern, die in Städten leben. Jedoch tragen Kinder - insbesondere Buben aus ärmeren Familien in städtischen und peri-städtischen Gegenden, zum Haushaltseinkommen bei, indem sie in Teppichwebfabriken, Backsteinöfen arbeiten und Betteln gehen (ILO 31.5.2012).

Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei ist weit verbreitet. Die Zwangsverheiratung auch von Kindern unter dem gesetzlichen Mindestalter der Ehefähigkeit ist ein übliches Phänomen (AA 4.6.2013).

Laut dem Justizministerium (MOJ), waren 81 Kinder in Verbindung mit sicherheitsrelevanten Anklagepunkten inhaftiert. Das Jugendgesetz besagt, dass Kinder nicht unter denselben Voraussetzungen festgehalten werden dürfen wie Erwachsene. Das Gesetz besagt auch, dass die Verhaftung eines Kindes, "die letzte Möglichkeit sein sollte und dass es für die kürzeste Zeit wie möglich sein sollte". In einem Bericht aus dem Jahre 2011 wurde festgehalten, dass verhafteten Kindern Basisrechte verwehrt wurden: wie zum Beispiel die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen Anwalt, das Recht der Information der Anklagepunkte und das Recht nicht zu einem Geständnis gezwungen werden zu dürfen. Das Gesetz sorgt für den Aufbau von Jugendpolizei, Jugendstaatsanwaltskanzleien und -gerichten. Aufgrund von limitierten Ressourcen funktionieren Jugendgerichte nur in sechs Gegenden: Kabul, Herat, Balkh, Kandahar, Jalalabad und XXXX. In anderen Provinzen, in denen spezielle Gerichte nicht existieren, fallen Kinder unter die Zuständigkeit allgemeiner Gerichte (USDOS 19.4.2013).

Es wurde berichtet, dass es vorkommt, dass Sicherheitsoffiziere und solche, die mit der ANP in Verbindung stehen, straffrei Kinder vergewaltigten. NGOs berichteten auch von Vorfällen sexuellen Missbrauchs und Ausbeutung durch die ANSF (USDOS 19.4.2013; vgl. The American Conservative 10.7.2013; NYT 7.11.2012).

In den ersten vier Monaten des Jahres 2013 wurden über 400 Kinder getötet und verletzt aufgrund des anhaltenden Konflikts. Es wird prognostiziert, dass 2013 das zweit-gewaltreichste Jahr seit 2001 wird (nach dem Jahr 2011 als Höhepunkt der Gewalt). Die sicherheitsrelevanten Vorfälle durch regierungsfeindliche Truppen sind um 24 Prozent gestiegen, unter den Opfern waren 30 Prozent mehr Kinder (Stand Juni 2013) (UNICEF 7.2013).

Die Taliban, das Haqqani Netwerk, Hezb-i-Islami, Jamat Sunat al-Dawa Salafia und andere bewaffnete Gruppen haben Kinder - besonders entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze - rekrutiert um diese als Kämpfer, Lagerwächter oder Selbstmordattentäter zu verwenden. In manchen Fällen wurden Kinder in anderen Ländern ausgebildet, um Selbstmordattentate durchzuführen. In anderen Fällen, wurden Kinder unfreiwillig zu Aufständischen gemacht, indem man ihnen ohne ihr Wissen Bomben in die Taschen oder das Gewand steckte. Es gibt hierfür keine genauen Zahlen. Die Zahl der Kinder, die mit Streitkräften und bewaffneten Gruppen - zwischen April 2003 und Juni 2006 - assoziiert werden, beläuft sich auf 7,444. Diese Zahl kommt den Schätzungen von UNICEF, die Kindersoldaten mit 8,000 bezifferte, besonders nahe (Watchlist 6.2010).

EASO berichtet, dass die Taliban die Rekrutierungen minderjähriger Personen bestreiten, jedoch wird davon ausgegangen, dass die Taliban Minderjährigkeit anders definieren (EASO 12.2012).

Quellen:

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Bewegungsfreiheit

Artikel 39 der afghanischen Verfassung (2004) besagt, dass jeder Afghane und jede Afghanin das Recht hat, zu reisen und sich in irgendeinem Teil des Landes niederzulassen, mit Ausnahme von Regionen, die gesetzlich verboten sind (vgl. englische Version des Verfassungstextes UNPAN 2004). Afghanische StaatsbürgerInnen haben das Recht frei aus und nach Afghanistan zu reisen (RAND 2012).

Zivilisten waren einer steigenden Bedrohung, Einschüchterung und Beeinträchtigung ihres Rechts in der Bewegungsfreiheit durch regierungsfeindliche Elemente ausgesetzt (UNAMA 19.2.2013).

Quellen:

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Grundversorgung/Wirtschaft

Afghanistan teilt die üblichen Herausforderungen, die viele Niedriglohn- und Entwicklungswirtschaften haben: hohen Entwicklungsbedarf und beschränkte Ressourcen. Afghanistan ist zusätzlich mit dem Problem konfrontiert, eine große Sicherheitsinfrastruktur zu pflegen, wodurch die bereits begrenzten Geldmittel von wichtigeren Kapitalausgaben weggeleitet werden (IMF 5.2013). Die letzten zehn Jahre haben zu keiner wesentlichen Veränderung der Arbeitslosenrate der afghanischen Bevölkerung beigetragen. Das Land leidet unter einem hohen Grad an Arbeitslosigkeit und den Mangel an Strategien im Bereich von Manufaktur (AF 14.6.2012).

Nach Berechnungen der International Labour Organisation (ILO) werden in Zukunft pro Jahr 400.000 Afghanen auf den Arbeitsmarkt kommen, was seine Gründe in der afghanischen Bevölkerungsstruktur hat (AA 4.6.2013). Mehr als 40 Prozent der afghanischen Bevölkerung ist 14 Jahre alt oder jünger (CSIS 23.1.2013).

36 Prozent der Bevölkerung leben unter der nationalen Armutsgrenze (WB 17.3.2013). Der Prozentsatz der Bevölkerung in Afghanistan, der Zugang zu Elektrizität hat, ist mit ca. 30 Prozent der niedrigste weltweit. (WB 2013). Die Analphabetenrate beträgt bei Frauen 88 Prozent und bei Männer 61 Prozent (IOM 2.12.2012). Rund 90 Prozent der Frauen und 70 Prozent der Männer haben keinen Schulabschluss. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Das rapide Bevölkerungswachstum stellt eine weitere besondere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar (AA 4.6.2013).

Das reale Wachstum des Bruttoinlandsproduktes konnte seit 2011 aufgrund von günstigen Wetterbedingung und einer außergewöhnlichen Ernte im Jahr 2012 gesteigert werden. Der Bergbausektor verzeichnete dynamische Entwicklungen 2012 und positive Entwicklungen im Dienstleistungssektor konnten ein Wachstum im selben Jahr verzeichnen. Eine sich verschlechternde Sicherheitssituation und die erhöhte Wahrnehmung von Unsicherheit wirkt sich auf neue Investitionen aus. Die Opiumproduktion 2012 konnte im Gegensatz zum Vorjahr mit 36 Prozent gesenkt werden, ist jedoch höher als die Produktionsrate 2010 (WB 2.5.2013).

Die lokale Wirtschaft basiert auf dem informellen Sektor (miteingerechnet sind illegale Aktivitäten), welcher etwa 80-90 Prozent der wirtschaftlichen Aktivität ausmacht. Der Arbeitsmarkt in Afghanistan wird dominiert von dem landwirtschaftlichen Sektor und dem Dienstleistungssektor. Der Landwirtschaftssektor kann nur schwach die Menschen mit Arbeit und Einkommen versorgen. Der Dienstleistungssektor, der Hauptträger des starken afghanischen Wachstums, wird am meisten unter der progressiven Reduktion des internationalen Geldflusses leiden (ILO 31.5.2012).

Die Arbeitslosenrate beträgt 38 Prozent, während die Grundlinie der Arbeitslosenrate der zwischen 15- und 24-jährigen bei 26 Prozent liegt (IOM 2.12.2012). Afghanistan ist jährlich mit 400,000 neuen arbeitslosen Jugendlichen konfrontiert. Es bedarf der Generierung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten für jene, die in den Arbeitsmarkt neu eintreten, aber auch für diejenigen, die arbeitslos und unterbeschäftig sind (IOM 31.5.2012). Die Zahl der seit 2002 zurückgekehrten afghanischen Flüchtlinge beträgt mit Stand 31.12.2012 4.7 Millionen: (UNHCR 3.2013). Die Rückkehrer üben Druck auf lokale Bewältigungskapazitäten aus. Im Durchschnitt, überleben die Familien mit weniger als einen Dollar pro Tag und ein Drittel der Arbeitskraft fällt unter die Kategorie der unstabilen und ungelernten Arbeit (saisonale Tagesarbeit im landwirtschaftlichen Sektor oder im Baugewerbe) (ILO 31.5.2012).

Ein weiteres Problem ist laut ILO die hohe Anzahl derjenigen, die z. B. ohne Gehalt im Familienbetrieb aushelfen (sogenanntes "vulnerable employment"). Dies sind zu 95% Frauen, insgesamt etwa 6,18 Millionen Menschen und damit rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Da das Wachstum der Privatwirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht nur wichtig für die Armutsreduzierung im Land ist, sondern durch die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität im Land beiträgt, ist die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit (AA 4.6.2013).

Die Landwirtschaft ist besonders relevant für das Wachstum von Arbeitsplätzen und Einkommen. ArbeiterInnen dieses Sektors repräsentieren 60 Prozent aller Beschäftigten. Die Arbeit im Landwirtschaftssektor ist charakterisiert von kleinen Familienbetrieben, die oftmals genügend für den Eigenbedarf produzieren und selten genügend Ressourcen haben, um für die Familien das ganze Jahr über zu sorgen (WB 2.5.2013).

Die Schlüsselfaktoren für Nahrungsmittelunsicherheit in Afghanistan:

steigender bewaffneter Konflikt, Unsicherheit und Binnenvertreibung, sowie immer wiederkehrende Zyklen von Naturkatastrophen wie Dürre und Überflutungen (IOM 2.12.2012).

Laut internationalen Finanzinstitutionen und Gebern, werden jahrzehntelang Milliarden an Hilfsgeldern notwendig sein, soll das Land seine eigene Sicherheit verantworten, seine Kinder ausbilden und die Wirtschaft modernisieren. Der IWF gab an, dass sich die finanzielle Eigenständigkeit Afghanistan bis weit nach 2032 verzögern wird (FT 20.5.2013). Afghanistan muss radikal seine Methoden, wie Hilfsgelder verwendet werden, ändern (CSIS 23.1.2013).

Trotz erheblicher und anhaltender Anstrengungen belegt Afghanistan laut dem Human Development Index von UNDP (2011) unter 187 ausgewerteten Ländern den 172. Rang (AA 4.6.2013).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen (die Anzahl der Gesundheitseinrichtungen hat sich seit 2002 vervierfacht) landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. (AA 4.6.2013). Lediglich in größeren Städten kann man eine bessere medizinische Versorgung vorfinden (GIZ 7.2013). Auch in Kabul entspricht die medizinische Versorgung nicht immer europäischem Standard. Durch die überdurchschnittlich gute ärztliche Versorgung im French Medical Institute in Kabul können Kinder auch mit komplizierteren Krankheiten in Kabul behandelt werden (AA 17.1.2014).

Afghanische Staatsangehörige mit guten Kontakten zum ausländischen Militär oder Botschaften, können sich unter Umständen auch in Militärkrankenhäusern der ausländischen Truppen behandeln lassen. Die Militärkrankenhäuser können Zivilisten (jeglicher Staatsangehörigkeit) allerdings nur in beschränktem Maße aufnehmen, da Betten für Mitglieder der internationalen Streitkräfte vorgehalten werden müssen (AA 4.6.2013).

Die Indikatoren der hauptsächlichen Gesundheitsprobleme des afghanischen Gesundheitssystem sind: eine hohe Sterberate unter Säuglingen und Unter-Fünfjährigen, eine der weltweit höchsten Müttersterblichkeitsraten, eine erhöhte Rate bei der Unterernährung und ein hohes Vorkommen von ansteckenden Krankheiten, aber auch eine ungleiche Verteilung qualitativer sowie effizienter Gesundheitsleistungen in allen Bereichen des Gesundheitssystems (WHO 2.2013).

Die Anzahl der Angriffe durch die bewaffnete Opposition zwischen Januar und März des Jahres 2013, sind um 47 Prozent gestiegen (IRIN 1.7.2013). In der Provinz Helmand gab es eine ca. 80 prozentige Steigerung der ins Spital eingelieferten Personen aufgrund von Verletzungen durch den Konflikt. Dies indiziert eine Steigerung der Gewalt und belastet zusätzlich die Gesundheitsanstalten in den unsicheren Gegenden. Das Ergebnis ist, dass Vorräte und medizinisches Material aufgebraucht sind und die Arbeitsbelastung für das qualifizierte Personal, welches bereits spärlich ist, stetig steigt (OCHA 31.5.2013). Gesundheitseinrichtungen und mobile Programme mussten ihre Aktivitäten in manchen Regionen aufgrund von Kämpfen und Unsicherheit auf den Straßen einstellen (IRIN 1.7.2013). Auch das Einstellen von qualifiziertem Personal - speziell weiblichem - welches bereit ist, unter diesen Umständen zu arbeiten, wurde zunehmend schwieriger (OCHA 31.5.2013).

Die Unsicherheit, die Entfernungen, der Transport und die Kosten sind die Haupteinschränkungen der Möglichkeiten der Bevölkerung beim Zugang und Erreichen wesentlicher Gesundheitsleistungen. Die Disparität steigt weiterhin zwischen urbanen, sicheren Gegenden und ländlichen, unsicheren und abgelegenen Gegenden. Diese Beschränkungen spielen eine besondere Rolle für Frauen und Kinder. Die Disparität zwischen urbanen, sicheren und ländlichen, unsicheren und abgelegenen Gegenden wird sich auch weiterhin stetig fortsetzen (WHO 2.2013).

Organisationen, sowohl nationale als auch internationale, die im Gesundheitsbereich tätig sind, sind folgende:

• United States Agency for International Development (USAID)

• Das afghanische Gesundheitsministerium - Afghan Ministry of Public Health (MoPH) (USAID 1.2013)

• Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)

• Afghan Red Cross Society

• Afghan Health and Development Services

• Aga Khan Health Services

• Medical Emergency Relief International

• Care of Afghan Families

• Urgence Aide Médicale Internationale (WHO 2.2013)

• United Nations International Children's Emergency Fund (UNICEF) (UNICEF 8.2013)

Im Rahmen von Bemühungen des afghanischen Gesundheitsministeriums in Kooperation mit USAID und anderen Gebern, die schlechte Gesundheitssituation in Afghanistan zu verbessern, wurde eine weitgehende Überholung des Gesundheitssystem initiiert, um zu garantieren, dass Frauen und Familien ein "basic package of health services (BPHS)" an primären Gesundheitskliniken im ganzen Land erhalten (USAID 1.2013; vgl USAID 19.9.2012).

Die Anzahl nicht funktionierender Gesundheitseinrichtungen im Jahr 2012 ist im Gegensatz zu 2011 um 40 Prozent gestiegen - 540 geplante Einrichtungen können ihre Arbeit nicht aufnehmen bzw. sind sie gezwungen, aufzuhören, da es keine Finanzierung gibt und aufgrund von Unsicherheiten. In den südlichen Provinzen, aufgrund des stetigen Konfliktes, haben 50-60 Prozent der Bevölkerung Schwierigkeiten bzw. keinen Zugang zu notwendiger grundlegender Gesundheitsversorgung (WHO 2.2013). Es können aber auch namhafte Fortschritte der letzten neun Jahre verzeichnet werden. Rund 85 Prozent der Bevölkerung lebt in Bezirken mit Anbietern von Gesundheitsvorsorge, die grundlegende Gesundheitsleistungen anbieten (WB 2013). Der Großteil der Gesundheitsversorgung wird an Nichtregierungsorganisationen in Auftrag gegeben, welche vom Gesundheitsministerium (MoPH) beaufsichtigt werden. Das Gesundheitsministerium ist zusätzlich für das Monitoring, die Evaluierung und die Koordination von Basispaketen der Gesundheitsvorsorge zuständig (UKBA 15.2.2013).

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen stellt Afghanistan nach wie vor vor große Herausforderungen. Die wenigen Kliniken, die es in einigen größeren Städten gibt, sind klein und überfüllt (AA 4.6.2013).

Die afghanische Regierung veröffentlichte im Dezember 2007 eine Liste jener Medikamente, die - unter ihrem vergebenen Internationalen Freinamen (INN) - nach Afghanistan importiert und in Afghanistan verkauft werden können. Die Medikamente werden aus Ländern wie Iran, China, Pakistan und Indien nach Afghanistan importiert. Die Regulierung ist schwach, die Landesgrenzen sind durchlässig und manche Importfirmen nicht lizensiert. Das begünstigt den Import gefälschter und minderwertiger Medikamente nach Afghanistan (UKBA 15.2.2013).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Die Kapazitäten der afghanischen Regierung Rückkehrer aufzunehmen hielt sich in Grenzen. Trotzdem berichtete UNHCR, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten und eine schlechte Sicherheitslage in Pakistan und Iran zu einem Anstieg an Rückkehrern nach Afghanistan führte. Zusätzlich gaben Rückkehrer an, dass lokale Verbessrungen der Sicherheitslage in manchen Teilen Afghanistan der primäre Grund für die Rückkehr waren.

Im Zeitraum 1. Jänner - 30.November 2012, kehrten 82,000 afghanische Flüchtlinge auf Basis der freiwilligen Rückkehr mit Hilfe von UNHCR nach Afghanistan zurück. Es kam zu einer Steigerung von 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Iran schob im gleichen Zeitraum 234,151 unregistrierte afghanische Staatsbürger nach Afghanistan ab, bei Pakistan waren es 7,114 afghanische Staatsbürger (USDOS 19.4.2013).

Neben der Schweiz, Australien, Iran, Norwegen und Pakistan haben Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland. Abkommen mit Großbritannien und Finnland werden derzeit verhandelt. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben (AA 4.6.2013).

Afghanistan teilt die üblichen Herausforderungen, die viele Niedriglohn und Entwicklungswirtschaften haben: hohen Entwicklungsbedarf und beschränkte Ressourcen. Afghanistan ist zusätzlich der Problematik ausgesetzt, eine große Sicherheitsinfrastruktur zu pflegen, wodurch die eh schon begrenzten Geldmittel von wichtigeren Kapitalausgaben weggeleitet werden (IMF 5.2013). Die nationale Armutsrate in Afghanistan beträgt laut Weltbank 35.8 Prozent (WB 5.2012). Die lokale Wirtschaft basiert auf dem informellen Sektor (miteingerechnet sind illegal Aktivitäten), welche etwa 80-90 Prozent der wirtschaftlichen Aktivität ausmacht. Der Arbeitsmarkt in Afghanistan wird dominiert von dem landwirtschaftlichen Sektor und dem Dienstleistungssektor. Der Landwirtschaftssektor, kann nur schwach die Menschen mit Arbeit und Einkommen versorgen. Der Dienstleistungssektor, der Hauptträger des starken afghanischen Wachstums, wird am meisten unter der progressiven Reduktion internationalen Geldflusses leiden (ILO 31.5.2012).

Die Arbeitslosenrate beträgt 38 Prozent, während die Grundlinie der Arbeitslosenrate der zwischen 15- und 24-jährigen bei 26 Prozent liegt (IOM 2.12.2012). Afghanistan ist jährlich mit 400,000 neuen arbeitslosen Jugendlichen konfrontiert. Es bedarf der Generierung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten für die, die in den Arbeitsmarkt neu eintreten, aber auch für diejenigen, die arbeitslos und unterbeschäftig sind (IOM 31.5.2012). Die Zahl der seit 2002 zurückgekehrten afghanischen Flüchtlinge beträgt 4.7 Millionen [Anmerkung: Stand 31.12.2013] (UNHCR 3.2013). Diese Rückkehr üben Druck auf lokale Bewältigungskapazitäten aus. Im Durchschnitt, überleben die Familien mit weniger als einen Dollar pro Tag und ein Drittel der Arbeitskraft fällt unter die Kategorie der unstabilen und ungelernten Arbeit (saisonmale Tagesarbeit im landwirtschaftlichen Sektor oder im Baugewerbe) (ILO 31.5.2012).

Ein weiteres Problem ist laut ILO die hohe Anzahl derjenigen, die z. B. ohne Gehalt im Familienbetrieb aushelfen (sogenanntes "vulnerable employment"). Dies sind zu 95% Frauen, insgesamt etwa 6,18 Millionen Menschen und damit rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Da das Wachstum der Privatwirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht nur wichtig für die Armutsreduzierung im Land ist, sondern durch die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität im Land beiträgt, ist die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit (AA 4.6.2013).

Trotz erheblicher und anhaltender Anstrengungen belegt Afghanistan laut dem Human Development Index von UNDP (2011) unter 187 ausgewerteten Ländern den 172. Rang (AA 4.6.2013). Die Analphabetenrate beträgt bei erwachsenen Frauen 88 Prozent und bei erwachsenen Männer 61 Prozent (IOM 2.12.2012).

Die Schlüsselfaktoren für Nahrungsmittelunsicherheit in Afghanistan:

steigender bewaffneter Konflikt, Unsicherheit und Binnenvertreibung, sowie immer wiederkehrender Zyklen von Naturkatastrophen wie Dürre und Überflutungen (IOM 2.12.2012).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, zur Herkunft und zu den Lebensumständen des BF im Herkunftsstaat und in Österreich stützen sich auf die diesbezüglichen Angaben im Verfahren vor dem Bundesasylamt, auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Paschtu.

Die Feststellungen zu den Gründen des Verlassens seines Heimatlandes, ergeben sich aus den Angaben des BF. Der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall liegt bereits vier Jahre zurück. Wie der Beschwerdeführer selbst angab, kam es nach dem von ihm geschilderten Vorfall zu keinem weiteren. (R: "Waren sie (die Taliban) nochmals dort?" BF: "Nein, nur einmal." R: Seit diesem Vorfall haben die Taliban Ihre Mutter nur einmal aufgesucht?" BF:

"Ja".) Der BF konnte daher keine heute noch aktuelle asylrelevante Verfolgung aufzeigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Spruchpunkt I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. Nr. 38/2011, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22. 12. 1999, 99/01/0334; 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21. 12. 2000, 2000/01/0131; 25. 1. 2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9. 9. 1993, 93/01/0284; 15. 3. 2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19. 10. 2000, 98/20/0233).

Die schwierige allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ist für sich alleine genommen nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft notwendige konkret gegen den Asylwerber gerichtete drohende Verfolgungshandlung zu bescheinigen. Derart konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen oder Verfolgungshandlungen wurden im gesamten Verfahren nicht vorgebracht, sondern beruhen die Befürchtungen des Beschwerdeführers lediglich auf Vermutungen und möglichen Geschehnissen.

Auch unter dem Aspekt, dass Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling ein Eingriff ist, der eine solche Intensität erreicht, dass es dem Beschwerdeführer unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben, ist die Verfolgung zu verneinen. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre zu verstehen. Je schwerer der drohende Eingriff, desto geringer ist die erforderliche Gefahrenneigung. Bei schwersten Eingriffen, etwa bei drohenden Eingriffen in Leben, Gesundheit oder Freiheit, ist darauf abzustellen, ob die Verfolgungsgefahr mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat wurde von diesem nicht behauptet. Eine Verfolgungsgefahr wäre aber nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten möglichen Übergriffe können nicht als individuell und konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung gewertet werden.

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdeführer vermochte nämlich eine asylrelevante Verfolgung zu keinem Zeitpunkt des Asylverfahrens glaubhaft anzugeben.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, und auch keine Hinweise dafür bestehen, dass sich aus der allgemeinen Situation allein diesbezüglich etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe.

II. Zum Spruchpunkt II: Zuerkennung des Status des subsidiär

Schutzberechtigten:

Nach der anzuwendenden Rechtslage und der dazu ergangenen Judikatur (sowohl des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch des Asylgerichtshofes und der - zwar nicht immer einheitlichen, aber in der Linie jedenfalls übereinstimmenden - Judikatur der entsprechenden deutschen Gerichte) ist zusätzlich zu objektiven Kriterien (Lage im Land) das Vorliegen von subjektiven bzw. individuellen Kriterien (Situation des Antragstellers) für die Erlangung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu prüfen Dem Vorbringen in der Beschwerde war diesbezüglich Erfolg beschieden.

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 in der Fassung FrÄG 2009 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in der Fassung FrÄG 2009 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zahl 95/18/0049; 05.04.1995, Zahl 95/18/0530;

04.04.1997, Zahl 95/18/1127; 26.06.1997, Zahl 95/18/1291;

02.08.2000, Zahl 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zahl 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zahl 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zahl 98/01/0122; 25.01.2001, Zahl 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zahl 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zahl 95/21/0294; 25.01.2001, Zahl 2000/20/0438; 30.05.2001, Zahl 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegen stehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zahl 99/20/0465; 08.06.2000, Zahl 99/20/0203; 17.09.2008, Zahl 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG 1997 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zahl 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zahl 98/21/0427; 20.06.2002, Zahl 2002/18/0028, siehe auch EGMR 20.07.2010, N. vs. Schweden, Zahl 23505/09, Rz 52ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, Zahl 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zahl 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zahl 2000/01/0443;

13.11.2001, Zahl 2000/01/0453; 09.07.2002, Zahl 2001/01/0164;

16.07.2003, Zahl 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zahl 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG gegeben sind:

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe Deutsches Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan" vom 09.02.2011, Seite 14).

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen gesunden Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der BF hat sein bis zu seiner Reise sein Leben lang in der Provinz XXXX gelebt. Seine Mutter und eine Schwester leben noch im Heimatdorf. Sonst leben noch zwei Onkel und eine Großmutter väterlicherseits in Afghanistan, zu welchen der BF aber keinen Kontakt hat.

Wie sich aus den vorliegenden herkunftsbezogenen Informationen ergibt, kann die Sicherheitslage in der Provinz XXXX als angespannt und allgemein gefährlich bezeichnet werden. Laut Anso ging der Trend bezüglich der Sicherheitslage im ersten Quartal des Jahres 2013 in Richtung einer Verschärfung.

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangen werden, dass es dem BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz XXXX zu gelangen. So ist die Sicherheitslage in der Provinz als derart unsicher zu beurteilen, dass die Anreise des BF in sein Heimatdorf gleichsam mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko mit sich bringen würde. Eine Rückkehr in sein Heimatdorf kann dem BF sohin nicht zugemutet werden.. der BF wäre daher im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, in der Hauptstadt Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten Kabuls zu verfügen. Wie aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsbezogenen Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 iVm § 11 Asyl), etwa in der Hauptstadt Kabul, würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen. So ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der BF nie in Kabul gelebt hat, mit den dortigen Gegebenheiten daher nicht vertraut ist und auch über keinerlei familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in der Hauptstadt Kabul verfügt.

Im gegenständlichen Fall kann daher unter Berücksichtigung der den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.

Die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

III. Zu Spruchpunkt III. (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung):

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG idgF ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt II.).

Daher war dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu IV: Spruchpunkt IV. ( Ausweisung):

DasVerfahren wird bezüglich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides nach § 10 AslyG 2006 idF BGBl. Nr. 38/2011 geführt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG in der Fassung FrÄG 2009 vorliegt.

Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG (Spruchpunk t III des angefochtenen Bescheides) nicht (mehr) vor.

Daher war die von der belangten Behörde im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides angeordnete Ausweisung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zu beheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der rechtlichen Beurteilung wurde zur sozialen Gruppe unter Bezugnahme auf die Judikatur (z.B. VwGH 31.01.2002, 99/20/0497 - 03.07.2003, 2000/20/0071, 2001/01/0508, 14.01.2003; VwGH 19.12.2001, Zl. 98/20/0312) als auch unter Hinweis auf die Literatur die Kriterien der sozialen Gruppe ausreichend dargelegt und ausgeführt, sodass es hier weder an einer Rechtsprechung fehlt, noch die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist oder keine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegt.

In der rechtlichen Beurteilung wurde unter Bezugnahme auf die Judikatur ausgeführt, dass die asylrelevante Verfolgungshandlung in Bezug auf den Herkunftsstaat zu prüfen ist (VwGH vom 02.03.2006, Zl. 2004/02/0240). Im Übrigen trifft § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF. eine klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

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