OGH 5Ob105/90

OGH5Ob105/9022.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Wilhelm S*****, Kaufmann, ***** und 2. Franz S*****, Kaufmann, ebendort, beide vertreten durch Dr. Paul Lechenauer und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei (B*****) *****Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Aufhebung eines Bestandverhältnisses und Räumung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 11. Juli 1990, GZ 21 R 58/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28. Dezember 1989, GZ 16 C 1435/89s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger stützen ihr Begehren auf Feststellung, daß der von ihnen mit der beklagten Partei am 21. Juli 1988 abgeschlossene Mietvertrag über ein Geschäftslokal in Salzburg, ***** aufgehoben sei, und auf Räumung darauf, die beklagte Partei habe niemals den Willen gehabt, den abgeschlossenen Vertrag vollinhaltlich einzuhalten. Die beklagte Partei hätte arglistig vorgespiegelt, daß auch über die Höhe des Mietzinses Konsens herrsche, wogegen sie nunmehr die Überprüfung des gesetzlich zulässigen Mietzinses bei der Schlichtungsstelle (Gericht) begehre. Es sei daher den Klägern nicht zumutbar, das Bestandverhältnis länger aufrecht zu erhalten.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, sie habe niemals arglistig Vertragskonsens vorgetäuscht. Sie mache - nach Einholung eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens - lediglich von ihrem Recht Gebrauch, eine Herabsetzung des Mietzinses auf das gesetzlich zulässige Ausmaß zu verlangen. Dies lehnten die Kläger ab.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren kostenpflichtig ab. Es stellte folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die Kläger und die beklagte Partei schlossen über ein Geschäftslokal im Haus Salzburg, ***** am 21. Juli 1988 einen schriftlichen Mietvertrag, wobei sie sich ihrer Rechtsvertreter bedienten. Der monatliche Mietzins wurde für die Erdgeschoßräumlichkeiten mit S 800,--/m2, für die Kellerräumlichkeiten und das WC mit S 250,--/m2 vereinbart. Das auf unbestimmte Zeit geschlossene Bestandverhältnis begann am 1. September 1988. Am 13. September 1988 beauftragte die beklagte Partei einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über den angemessenen Mietzins. Dieses Gutachten wies für das Erdgeschoß einen angemessenen Mietzins von monatlich S 500,-- netto, für die sonstigen Räumlichkeiten von S 150,-- netto aus. Nachdem die beklagte Partei am 9. Dezember 1988 eine dementsprechende Herabsetzung des Hauptmietzinses sowie die Rückzahlung der zuviel bezahlten Beträge begehrt hatte und die Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 1988 dies abgelehnt hatten, stellte die beklagte Partei in der Folge bei der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Salzburg einen Antrag auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlichen Zinsausmaßes. Dieses Verfahren ist derzeit bei Gericht anhängig (18 Msch 12/89 des Bezirksgerichtes Salzburg).

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der sonst geltende fundamentale Rechtsgrundsatz, daß Verträge einzuhalten seien, sei im Bereiche des Mietrechtes durch zwingende Gesetzesbestimmungen durchbrochen. Wenn jemand nach Abschluß eines Mietvertrages einen Antrag auf Mietzinsherabsetzung stelle, so übe er damit nur die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit aus, die der Gesetzgeber für notwendig und gerechtfertigt halte. Selbst wenn der Vermieter bei Abschluß eines Mietvertrages vom Mieter eine Verzichtserklärung auf Geltendmachung der Anfechtung des Mietzinses im Sinne der §§ 16 und 37 MRG abforderte, könnte dies den Mieter nicht wirksam von der Ergreifung dieser Rechtsbehelfe ausschließen. Es sei möglich, daß die beklagte Partei schon bei Vertragsabschluß an einen allfälligen Mietzinsherabsetzungsantrag gedacht hätte. Dies sei aber nicht entscheidungswesentlich.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Zu lösen sei das Rechtsproblem, ob der Vermieter einen Mietvertrag dann erfolgreich anfechten könne, wenn der Mieter in Kenntnis und im Bewußtsein der ihm nach dem Gesetz offenstehenden Möglichkeit, einen Antrag auf Festsetzung des angemessenen Mietzinses zu stellen, bei Abschluß des Mietvertrages erkennen läßt oder allenfalls sogar vorspiegelt, diese Möglichkeit nicht nützen zu wollen, dann aber dennoch ein Verfahren auf Herabsetzung des Mietzinses auf das gesetzlich zulässige Ausmaß einleitet. Der Oberste Gerichtshof habe in der in MietSlg. XIII/46 (zum MG ergangenen) veröffentlichten Entscheidung eine solche Anfechtungsmöglichkeit im allgemeinen verneint, jedoch für besonders gelagerte Fälle, z.B. bei gemeinsamem Irrtum über eine gemeinsam vorausgesetzte Geschäftsgrundlage etc., die Möglichkeit der Vertragsauflösung offengelassen. Ein derartiger gemeinsamer Irrtum oder eine Änderung der Geschäftsgrundlage im technischen Sinn sei jedoch in der hier zu beurteilenden Rechtssache gar nicht geltend gemacht worden. Die Kläger machten nämlich nur einen grundsätzlich unbeachtlichen Rechtsfolgeirrtum geltend. Nehme man nämlich an, der geltend gemachte Irrtum sei für den Abschluß des Mietvertrages seitens der Kläger kausal gewesen, müsse man auch unterstellen, daß die Kläger - sollte das Mietverhältnis doch dem Mietrechtsgesetz unterliegen - irrig der Meinung gewesen wären, die beklagte Partei habe schon bei Vertragsabschluß wirksam auf ihre Rechte aus den zu Gunsten des Mieters zwingend gestalteten Mietzinsbildungsvorschriften nach den §§ 16 ff MRG und damit auch auf das Recht, die Herabsetzung des Hauptmietzinses zu begehren, verzichten können. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein solcher vorausgehender Verzicht des Mieters wegen des zwingenden Charakters des Mietrechtsgesetzes nicht wirksam. Es hätten also die Kläger - allenfalls durch die beklagte Partei

veranlaßt - über eine Rechtsfolge geirrt, die unabhängig vom Willen der Parteien eintrete, sodaß nur ein sogenannter Rechtsfolgenirrtum vorliege, der nach herrschender Ansicht unerheblich sei. Daran halte der Oberste Gerichtshof jedenfalls für den Bereich der zwingenden Mieterschutzgesetzgebung, deren Umgehung es im Interesse der Erreichung ihres Schutzzweckes zu verhindern gelte, fest.

Von einem die Gültigkeit des Vertrages berührenden Dissens der Streitteile könne schon deswegen nicht gesprochen werden, weil - die Anwendbarkeit des MRG unterstellt - § 16 Abs 5 MRG normiere, daß dann, wenn der nach Abs 1 vereinbarte Hauptmietzins den für den Mietgegenstand angemessenen Betrag übersteige, die Mietzinsvereinbarung (nur) so weit unwirksam sei, als sie dieses Höchstmaß überschreite.

In der Stellung eines Antrages auf Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses liege auch kein Verfahrensmißbrauch, der allenfalls nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten ersatzpflichtig mache.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß eine ausdrückliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes darüber fehle, ob unter dem Titel der Arglist, Sittenwidrigkeit oder wesentlichen Irrtums ein Bestandvertrag angefochten werden kann, wenn der Vertragspartner die Festsetzung des angemessenen Mietzinses begehrt, zumindest nicht zugänglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist unzulässig, so daß sie trotz des Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nach § 508 a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, zurückzuweisen ist.

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Der letzte Nebensatz dieser Regel ist eine bloß beispielsweise Aufzählung der Fälle, in denen eine erhebliche Rechtsfrage vorzuliegen pflegt, aber bei bloßem Fehlen einer Rechtsprechung nicht vorliegen muß. Während nämlich dann, wenn das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder wenn dessen Rechtsprechung uneinheitlich ist, die Erheblichkeit der Rechtsfrage klar zu Tage liegt, kann im Falle des Fehlens einer Rechtsprechung bei eindeutigem Gesetzeswortlaut diese Eindeutigkeit selbst die Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ausschließen. Insoweit folgt der erkennende Senat nicht der Meinung Faschings in Lehrbuch2 Rz 1894, wonach in allen genannten Beispielsfällen die Erheblichkeit - abgesehen von dem selbstverständlichen Kriterium, daß die Lösung der Frage über den Einzelfall hinauswirken kann - nicht zu prüfen sei. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einer konkreten Fallgestaltung liegt daher dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, d.h. eindeutige Regelung trifft.

Dies ist in der hier zu beurteilenden Rechtssache aus folenden Gründen der Fall:

Unterliegt der zwischen den Streitteilen geschlossene Bestandvertrag nicht den zinsrechtlichen Bestimmungen des MRG, so kann der auf § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestützte Antrag der beklagten Partei auf Feststellung der Unzulässigkeit des vereinbarten Mietzinses nicht zu dem damit angestrebten Ziel einer Mietzinsminderung führen; der vereinbarte Mietvertrag bleibt in allen Punkten unverändert, so daß schon ausgehend vom Vorbringen der Kläger kein Grund zur Auflösung des Bestandvertrages gegeben wäre. Nach dem Vorbringen der Kläger wären sie nur nicht bereit gewesen, zu einem niedrigeren als dem tatsächlich vereinbarten Bestandzins den Mietvertrag abzuschließen.

Gelten aber für dieses Bestandverhältnis die zinsrechtlichen Bestimmungen des MRG, demnach auch die Mietzinsobergrenzen nach § 16 MRG, so wäre nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs 5 MRG nur die Mietzinsvereinbarung insoweit unwirksam, als sie diese Obergrenzen überschreitet. Durch diese Regelung normiert der Gesetzgeber ausdrücklich eine bloße Teilnichtigkeit - wie sie zur Zeit der Geltung des MG und des Zinsstopgesetzes von der Rechtsprechung aus dessen Bestimmungen abgeleitet worden war (s MietSlg. XIII/46 ua) - des zwischen den Parteien abgeschlossenen Bestandvertrages: alle anderen Vertragsbestimmungen, d.h. auch der Mietvertrag als solcher, bleiben aufrecht. Auf den mit der normierten Teilnichtigkeit korrespondierenden Anspruch auf Rückforderung des entgegen dieser gesetzlichen Bestimmung Geleisteten kann nach § 27 Abs 3 MRG im vorhinein nicht verzichtet werden. Der Gesetzgeber stellt durch die dieser gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Wertung das sonst geschützte Rechtsgut der Vertragstreue der Durchsetzbarkeit der zu Gunsten der Mieter getroffenen zwingenden gesetzlichen Regelung hintan.

Die weiteren Folgerungen aus dieser eindeutigen Rechtslage sind durch die bisherige Rechtsprechung gedeckt:

Ein Vertrauen darauf, daß der Vertragspartner von Rechten, auf die er im voraus wirksam nicht verzichten kann, nicht Gebrauch machen werde, ist nicht schutzwürdig, eine Irreführung hierüber daher irrelevant (6 Ob 1532/89 betreffend eine Räumungsklage).

Kannten aber die Kläger bei Vertragsabschluß die Regelung des § 16 Abs 5 MRG im Zusammenhang mit § 27 Abs 3 MRG nicht - was im Hinblick auf deren anwaltliche Vertretung bei Vertragsabschluß nicht anzunehmen ist - , so unterlagen sie einem unerheblichen Rechtsfolgenirrtum (SZ 57/194 im Zusammenhang mit MietSlg. 38.069 betreffend Irrtum über das Bestehen des Kündigungsschutzes; JBl. 1960, 604 betreffend Irrtum über die Anwendbarkeit des MG, d. h. jetzt des MRG, überhaupt auf das betreffende Bestandverhältnis).

Von einem eine Schadenersatzpflicht auslösenden Mißbrauch verfahrensrechtlicher Möglichkeiten durch die Antragstellung bei der Schlichtungsstelle kann - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - keine Rede sein: Die beklagte Partei macht dadurch nur von den zu ihren Gunsten bestehenden, im vorhinein unverzichtbaren Rechten Gebrauch. Würde man darin eine mißbräuchliche Rechtsausübung sehen, so verkehrte man die klare Absicht des Gesetzgebers in das Gegenteil.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes dem klaren Gesetzeswortlaut und in weiterer Folge den in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entspricht.

Durch die Zurückweisung der Revision ist dem darin enthaltenen Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung in dem zu 18 Msch 12/89 des Bezirksgerichtes Salzburg anhängigen Verfahren der Boden entzogen.

Da die beklagte Partei die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend machte, sondern nur deren materiellrechtliche Nichtberechtigung, hat sie die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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