VfGH V86/2021

VfGHV86/20216.10.2021

Abweisung von Individualanträgen von Künstlern gegen ein Veranstaltungs- und Betretungsverbot für Kulturstätten gemäß der 4. COVID-19-SchutzmaßnahmenV; keine Verletzung im Recht auf Freiheit der Kunst; Verhältnismäßigkeit der Bestimmungen der COVID-19-SchutzmaßnahmenV als Teil eines umfassenden Regelungskomplexes zur Verhinderung von Infektionen durch die Hintanhaltung von Menschenansammlungen; hinreichende Dokumentation der volatilen epidemiologischen Entwicklung; Verbot angesichts der umfassenden Coronamaßnahmen und der Auslastung der Gesundheitsinfrastruktur im Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z3
EMRK Art10
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
StGG Art6
StGG Art17a
COVID-19-MaßnahmenG §1, §3, §4
EpidemieG 1950 §15
COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBl II 58/2021 §12
COVID-19-SchutzmaßnahmenV BGBl II 58/2021 idF BGBl II 76/2021 §13
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:V86.2021

 

Spruch:

I. Der Antrag der erst- und zweitantragstellenden, der viert- bis achtantragstellenden sowie der zehntantragstellenden Parteien wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehren die antragstellenden Parteien (ohne die Hervorhebungen im Original),

"[…] in §12 Abs1 die Wortfolge '- und Kultur' iVm §12 Abs3 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2. Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

in eventu

 

[…] §12 Abs1 (gesamt) iVm §12 Abs3 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2. Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

in eventu

 

[…] §12 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19- SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2.Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

sowie

 

[…] in §13 Abs2 die Wortfolge 'kulturelle Veranstaltungen' der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2.Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

in eventu

 

[…] §13 Abs1 (gesamt) iVm §13 Abs2, Wortfolge 'kulturelle Veranstaltungen', in eventu iVm §13 Abs2 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2.Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

in eventu

 

[…] §13 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19- SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2.Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021;

 

wegen Gesetz- und/oder Verfassungswidrigkeit auf[zu]heben."

 

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, lauteten in der anzuwendenden Fassung BGBl I 33/2021 (§1 und §3 leg. cit.) bzw BGBl I 104/2020 (§4 leg cit) – auszugsweise – wie folgt:

"Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen

 

§1. (1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

 

(2) – (4) […]

 

(5) Als Auflagen nach diesem Bundesgesetz kommen insbesondere in Betracht:

1. Abstandsregeln,

2. die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,

3. sonstige Schutzmaßnahmen wie organisatorische oder räumliche Maßnahmen,

4. Präventionskonzepte, das sind programmhafte Darstellungen von – dem jeweiligen Angebot angepassten – Regelungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und

5. In Bezug auf Regelungen gemäß Abs5b und 5c: Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr. Ein Nachweis ist bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest auszustellen. Eine geringe epidemiologische Gefahr kann bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest vorliegen. Einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion ist ein Nachweis nach §4 Abs18 des Epidemiegesetzes und ein Absonderungsbescheid gleichzuhalten, wenn dieser für eine nachweislich an COVID-19 erkrankte Person ausgestellt wurde.

 

(5a) […]

 

(5b) Durch Verordnung gemäß §3 Abs1 Z1 oder §4 Abs1 Z1 kann bestimmt werden, dass Betriebsstätten oder bestimmte Orte, bei denen es zu einer länger andauernden Interaktion mit anderen Personen kommt, von Kunden bzw Besuchern nur betreten werden dürfen, wenn dem Inhaber einer Betriebsstätte oder dem gemäß §4 hinsichtlich bestimmter Orte Verpflichteten ein Nachweis gemäß §1 Abs5 Z5 vorgewiesen und für die gesamte Dauer des Aufenthalts für eine allfällige weitere Überprüfung durch den Inhaber bzw Verpflichteten oder für eine Überprüfung durch die Behörde bereitgehalten wird. Der Inhaber bzw der Verpflichtete ist zu diesem Zweck zur Ermittlung von personenbezogenen Daten und zur Identitätsfeststellung berechtigt. Eine Aufbewahrung des Nachweises und des Identitätsnachweises ist unzulässig.

 

(5c) – (6) […]

 

(7) Die Bewertung der epidemiologischen Situation hat insbesondere anhand folgender Kriterien zu erfolgen:

1. Übertragbarkeit, gemessen an neu aufgetretenen COVID-19-Fällen und Clustern,

2. Clusteranalyse, gemessen an der Anzahl der Fälle mit geklärter Quelle,

3. Ressourcen und Kapazitäten im Gesundheitswesen unter Berücksichtigung der aktuellen Auslastung der vorhandenen Spitalskapazitäten sowie der aktuellen Belegung auf Normal- und Intensivstationen,

4. durchgeführte SARS-CoV-2-Tests samt Positivrate und

5. regionale Besonderheiten wie ein besonderer Zustrom ortsfremder Personen, insbesondere Tourismus- und Pendlerströme.

 

(8) […]

 

[…]

 

Betreten und Befahren von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln

 

§3. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung

1. das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,

2. das Betreten und das Befahren von Arbeitsorten oder nur bestimmten Arbeitsorten gemäß §2 Abs3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) und

3. das Benutzen von Verkehrsmitteln oder nur bestimmten Verkehrsmitteln

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

 

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten und befahren oder Verkehrsmittel benutzt werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren von Betriebsstätten oder Arbeitsorten sowie das Benutzen von Verkehrsmitteln untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.

 

Betreten und Befahren von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit

 

§4. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten und das Befahren von

1. bestimmten Orten oder

2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit

geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

 

(2) In einer Verordnung gemäß Abs1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen diese Orte betreten und befahren werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren bestimmter Orte gemäß Abs1 Z1, nicht aber öffentlicher Orte in ihrer Gesamtheit gemäß Abs1 Z2 untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen."

 

2. §15 Epidemiegesetz 1950, BGBl 186, lautete in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 33/2021 – auszugsweise – wie folgt:

"Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen.

 

§15. (1) Sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen,

1. einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen,

2. an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen zu binden oder

3. auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen einzuschränken.

Erforderlichenfalls sind die Maßnahmen gemäß Z1 bis 3 nebeneinander zu ergreifen. Reichen die in Z1 bis 3 genannten Maßnahmen nicht aus, sind Veranstaltungen zu untersagen.

 

(2) Voraussetzungen oder Auflagen gemäß Abs1 können je nach epidemiologischen Erfordernissen insbesondere sein:

1. Vorgaben zu Abstandsregeln,

2. Verpflichtungen zum Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Schutzvorrichtung,

3. Beschränkung der Teilnehmerzahl,

4. Anforderungen an das Vorhandensein und die Nutzung von Sanitäreinrichtungen sowie Desinfektionsmitteln,

5. Zur Verhinderung der Weiterverbreitung von COVID-19: Nachweis über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr des Teilnehmers. Ein Nachweis ist bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest auszustellen. Eine geringe epidemiologische Gefahr kann bei einem negativen Testergebnis auf SARS-CoV-2, bei einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion oder bei einem positiven Antikörpertest vorliegen. Einer ärztlichen Bestätigung über eine erfolgte und aktuell abgelaufene Infektion sind ein Nachweis nach §4 Abs18 und ein Absonderungsbescheid gleichzuhalten, wenn dieser für eine nachweislich an COVID-19 erkrankte Person ausgestellt wurde.

6. ein Präventionskonzept zur Minimierung des Infektions- sowie des Ausbreitungsrisikos. Ein Präventionskonzept ist eine programmhafte Darstellung von Regelungen zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer näher bezeichneten meldepflichtigen Erkrankung im Sinne dieses Bundesgesetzes.

 

(3) – (9) […]"

 

3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – 4. COVID-19-SchuMaV) lauteten in der Stammfassung BGBl II 58/2021 (§12 leg. cit.) bzw idF BGBl II 76/2021 (§13 leg cit) bzw idF BGBl II 94/2021 (§16 leg cit) – auszugsweise – wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Freizeit- und Kultureinrichtungen

 

§12. (1) Das Betreten von Freizeit- und Kultureinrichtungen zum Zweck der Inanspruchnahme von Dienstleistungen dieser Einrichtungen ist untersagt.

 

(2) Als Freizeiteinrichtungen gelten Betriebe und Einrichtungen, die der Unterhaltung, der Belustigung oder der Erholung dienen. Freizeiteinrichtungen, deren Betreten gemäß Abs1 untersagt ist, sind insbesondere

1. Schaustellerbetriebe, Freizeit- und Vergnügungsparks,

2. Bäder und Einrichtungen gemäß §1 Abs1 Z1 bis 7 des Bäderhygienegesetzes (BHygG), BGBl Nr 254/1976; in Bezug auf Bäder gemäß §1 Abs1 Z6 BHygG (Bäder an Oberflächengewässern) gilt das Verbot gemäß Abs1 nicht, wenn in diesen Bädern ein Badebetrieb nicht stattfindet,

3. Tanzschulen,

4. Wettbüros, Automatenbetriebe, Spielhallen und Casinos,

5. Schaubergwerke,

6. Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution,

7. Indoorspielplätze,

8. Paintballanlagen und

9. Museumsbahnen,

nicht aber Tierparks, Zoos und botanische Gärten.

 

(3) Als Kultureinrichtungen gelten Einrichtungen, die der kulturellen Erbauung und der Teilhabe am kulturellen Leben dienen. Kultureinrichtungen, deren Betreten gemäß Abs1 untersagt ist, sind insbesondere:

1. Theater,

2. Konzertsäle und -arenen,

3. Kinos,

4. Varietees und

5. Kabaretts,

nicht aber Museen, Kunsthallen, kulturelle Ausstellungshäuser, Bibliotheken, Büchereien und Archive.

 

Veranstaltungen

 

§13. (1) Veranstaltungen sind untersagt.

 

(2) Als Veranstaltung gelten insbesondere geplante Zusammenkünfte und Unternehmungen zur Unterhaltung, Belustigung, körperlichen und geistigen Ertüchtigung und Erbauung. Dazu zählen jedenfalls kulturelle Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Geburtstagsfeiern, Jubiläumsfeiern, Filmvorführungen, Fahrten mit Reisebussen oder Ausflugsschiffen zu touristischen Zwecken, Kongresse, Fach- und Publikumsmessen und Gelegenheitsmärkte.

 

(3) Abs1 gilt nicht für

1. unaufschiebbare berufliche Zusammenkünfte, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeiten erforderlich sind und nicht in digitaler Form abgehalten werden können,

2. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl Nr 98/1953,

3. Sportveranstaltungen im Spitzensport gemäß §14,

4. unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

5. unaufschiebbare Zusammenkünfte von statutarisch notwendigen Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

6. unaufschiebbare Zusammenkünfte gemäß dem Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl Nr 22/1974, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

7. Begräbnisse mit höchstens 50 Personen,

8. Proben und künstlerische Darbietungen ohne Publikum, die zu beruflichen Zwecken erfolgen,

9. Zusammenkünfte zu unbedingt erforderlichen beruflichen Aus- und Fortbildungszwecken, zur Erfüllung von erforderlichen Integrationsmaßnahmen nach dem Integrationsgesetz, BGBl I Nr 68/2017, und zu Fahraus- und ‑weiterbildungen, allgemeinen Fahrprüfungen sowie beruflichen Abschlussprüfungen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist,

10. Zusammenkünfte von nicht mehr als vier Personen, wobei diese nur aus zwei verschiedenen Haushalten stammen dürfen, zuzüglich deren minderjähriger Kinder oder Minderjähriger, denen gegenüber eine Aufsichtspflicht besteht, insgesamt höchstens jedoch sechs Minderjähriger und

11. Zusammenkünfte im privaten Wohnbereich, mit Ausnahme von Zusammenkünften an Orten, die nicht der Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen, wie insbesondere in Garagen, Gärten, Schuppen oder Scheunen.

 

(4) Beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs3 Z1, 2, 4 bis 7, 9 und 10 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Zusätzlich ist

1. bei Veranstaltungen gemäß Abs3 Z1, 2, 4 bis 7 und 9 sowie

2. bei Veranstaltungen gemäß Abs3 Z10 in geschlossenen Räumen

eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen.

 

(5) Für Zusammenkünfte zu Aus- und Fortbildungszwecken sowie für Zusammenkünfte gemäß Abs3 Z1 im Kundenbereich von Betriebsstätten gilt §5 Abs1 Z4 und 5 nicht.

 

(6) Bei Proben und künstlerischen Darbietungen gemäß Abs3 Z8 gelten §6 und §9 Abs3 letzter Satz sinngemäß. Basierend auf einer Risikoanalyse ist ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen. Zudem ist ein COVID-19-Beauftragter zu bestellen. Das COVID-19-Präventionskonzept hat insbesondere zu enthalten:

1. spezifische Hygienevorgaben,

2. Regelungen zum Verhalten bei Auftreten einer SARS-CoV-2-Infektion,

3. Regelungen betreffend die Nutzung sanitärer Einrichtungen,

4. Regelungen zur Steuerung des Teilnehmeraufkommens,

5. Vorgaben zur Schulung der Teilnehmer in Bezug auf Hygienemaßnahmen.

Das COVID-19-Präventionskonzept kann auch ein datenschutzkonformes System zur Nachvollziehbarkeit von Kontakten, wie beispielsweise ein System zur Erfassung von Anwesenheiten auf freiwilliger Basis der Teilnehmer von Proben oder künstlerischen Darbietungen, beinhalten.

 

(7) Bei Zusammenkünften gemäß Abs3 Z9 darf der Mindestabstand von zwei Metern zwischen Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ausnahmsweise unterschritten werden, wenn durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

 

(8) Kann bei Zusammenkünften gemäß Abs3 Z9 auf Grund der Eigenart der Aus- oder Fortbildung oder der Integrationsmaßnahme von Personen das Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) nicht eingehalten werden, ist durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu minimieren.

 

[…]

 

Ausnahmen

 

§16. (1) Diese Verordnung gilt nicht

1. für – mit Ausnahme von §6 Abs2, 4 Z1 und 5, §15, §16 Abs3, 6, 8 und 12 sowie §§17 bis 21 – elementare Bildungseinrichtungen, Schulen gemäß dem Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, ArtV Z2 der 5. SchOG-Novelle, BGBl Nr 323/1975, und dem Privatschulgesetz, BGBl Nr 244/1962, land- und forstwirtschaftliche Schulen, die regelmäßige Nutzung von Sportstätten im Rahmen des Regelunterrichts und Einrichtungen zur außerschulischen Kinderbetreuung,

2. für Universitäten gemäß dem Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr 120/2002, Privathochschulen gemäß dem Privathochschulgesetz, BGBl I Nr 77/2020, Fachhochschulen gemäß dem Fachhochschulgesetz, BGBl Nr 340/1993, und Pädagogische Hochschulen gemäß dem Hochschulgesetz 2005, BGBl I Nr 30/2006, einschließlich der Bibliotheken dieser Einrichtungen,

3. für Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung mit Ausnahme des Parteienverkehrs in Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten, sofern keine anderslautenden Regelungen im Bereich der Hausordnung bestehen,

4. für Veranstaltungen zur Religionsausübung.

 

(2) – (13) […]"

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Parteien bringen wie folgt vor:

1.1. Zur Zulässigkeit der Anträge:

1.1.1. Das Verbot kultureller Veranstaltungen sowie das Veranstaltungs- und Betretungsverbot für Kulturstätten betreffe die antragstellenden Parteien unmittelbar, da ihnen die Ausübung ihres künstlerischen Berufes und ihrer künstlerischen Tätigkeit bzw die Konsumation von Kunst und Kultur, die damit einhergehende Bildung und der Empfang von Meinungen verunmöglicht, jedenfalls aber erheblich erschwert werde. Die berufliche und künstlerische Tätigkeit sei massiv beschränkt und für einen wesentlichen Zeitraum eingestellt worden, die Normen seien für die antragstellenden Parteien daher tatsächlich wirksam geworden. Dadurch seien zahlreiche Auftritte bzw Veranstaltungen entfallen, staatliche Förderungs- und Unterstützungsleistungen seien unzureichend. Ein zumutbarer anderer Rechtsweg bestehe nicht.

Konkret seien zahlreiche Auftritte, Konzerte und Tourneen des Erstantragstellers, eines Satirikers, Autors und Kolumnisten, der Zweitantragstellerin, einer freiberuflichen Opernsängerin, die ua in der Wiener Staatsoper und im Wiener Musikverein auftrete, des Viertantragstellers, eines Musikers und Komponisten, der Fünftantragstellerin, einer Schauspielerin, Sängerin und Veranstalterin sowie des Sechstantragstellers, eines Schlagzeugers und Musik-Managers, entfallen.

Dem Drittantragsteller, einem Maler, sei es angesichts der Schließung von Museen und Kunstgalerien verunmöglicht, seine Werke an einem frei zugänglichen Ort für ein breites Publikum und die Allgemeinheit zu präsentieren.

Der Siebtantragsteller, ein freischaffender Regisseur und Theatermacher, bzw der Achtantragsteller, ein Regisseur und Intendant, hätten finanzielle Verluste auf Grund stornierter Regieverträge bzw abgesagter Kunstwochen und Festivals erlitten.

Die Neuntantragstellerin, eine Universitätsprofessorin für Europapolitik und Demokratieforschung, sei in ihrem Recht, Kunst und Kultur in dem von ihr gewünschten Ausmaß zu genießen bzw zu konsumieren und dadurch Meinungen zu empfangen, verletzt.

Der Zehntantragsteller sei im Kulturmanagement tätig und habe den Entfall von zahlreichen Veranstaltungen, an deren Planung er beteiligt gewesen sei, hinnehmen müssen.

1.1.2. Darüber hinaus sei das Gefüge der österreichischen Kulturszene auf Jahre finanziell geschwächt, die langfristigen Folgen seien noch nicht abzusehen. Das "Ökosystem" von Kulturveranstaltungen fuße auf dem primären Live-Erlebnis auf der Bühne und der unmittelbaren Teilhabe im Publikum. Durch die Veranstaltungsverbote sei dieses "Ökosystem" empfindlich und mit langfristigen Auswirkungen grob beeinträchtigt.

1.2. Die antragstellenden Parteien erachten sich durch das Betretungsverbot für Kultureinrichtungen gemäß §12 der 4. COVID-19-SchuMaV und das Verbot kultureller Veranstaltungen gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV insbesondere im Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B‑VG, in der Kunstfreiheit gemäß Art17a StGG, in der Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK, in der Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG, in der Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG und im Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG und Art2 StGG verletzt und legen ihre Bedenken – nach Darstellung der Rechtslage seit Beginn der Corona-Pandemie – wie folgt dar:

1.2.1. Die strengen Maßnahmen im Bereich der Kunst und Kultur seien vor allem mit Blick auf die frühzeitig ausgearbeiteten und erfolgreich umgesetzten Präventionskonzepte unverhältnismäßig. Grund- und Menschenrechte stünden gleichgewichtig zueinander; im konkreten Einzelfall sei zu beurteilen, inwiefern das Recht auf Schutz des Lebens die Einschränkung einer Vielzahl von Grund- und Freiheitsrechten – etwa der Freiheit der Kunst – rechtfertigen könne. Der Zweck, die Gesundheit und das Leben besonders vulnerabler Personen(-gruppen) zu schützen, könne und dürfe nicht dauerhaft mit Maßnahmen einhergehen, die wiederum eine Vielzahl von anderen Betroffenen unverhältnismäßig belasten und in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzen, wenn andere geeignete Maßnahmen zur Verfügung stünden.

Kunst und Kultur seien – als unerlässliche Bausteine einer freien demokratischen Gesellschaft – jedenfalls mehr als nur ein "Luxusgut".

Der Individualantrag gründe sich auch auf den Umstand, dass den Betroffenen ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden sei, primär aber auf die fehlende Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in die geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte.

1.2.2. Die 4. COVID-19-SchuMaV verstoße nicht nur gegen §4 Abs1 sowie §1 Abs7 COVID-19-MG, sondern auch gegen Art18 B‑VG. Die verordnungserlassende Behörde sei mit dem bloßen Verweis auf die rechtlichen Begründungen zur ersten bis 3. COVID-19-SchuMaV ihrer Pflicht zur Grundlagenerforschung sowie zur aktenmäßigen Dokumentation nicht hinreichend nachgekommen. Dass gelindere Mittel nicht ausreichten, lasse sich der Begründung in Zusammenschau mit aktuellen Forschungs- und Studienergebnissen nicht entnehmen.

1.2.3. Art17a StGG schütze das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst und die Lehre der Kunst. Jedenfalls erfasst seien das Recht des Künstlers zur Darbietung seines Werkes und die öffentliche Darbietung vor und mit Publikum. Durch die COVID-19-SchuMaV werde in den Schutzbereich des Art17a StGG zum Schutz des Rechtes auf Leben eingegriffen, ein legitimes öffentliches Interesse sei sohin zweifellos gegeben. Es fehle jedoch – vor allem in einer Gesamtbetrachtung mit anderen Maßnahmen der COVID-Gesetzgebung – an der Adäquanz der angefochtenen Maßnahmen, da aus der rechtlichen Begründung zur 4. COVID-19-SchuMaV nicht hervorgehe, dass das absolute Veranstaltungs- und Betretungsverbot das gelindeste Mittel wäre.

1.2.4. Die Kunst sowie ihre Darbietung und die Verbreitung von Kunstwerken seien von der Meinungsäußerungsfreiheit des Art10 EMRK erfasst. Auch im Hinblick auf dieses Grundrecht erwiesen sich die Maßnahmen als nicht verhältnismäßig, diesbezüglich werde auf die Ausführungen zu Art17a StGG verwiesen.

1.2.5. Mit dem für den Kunst- und Kulturbereich geschaffenen Veranstaltungs- und Betretungsverbot gemäß §12 Abs1 iVm §12 Abs3 der 4. COVID-19-SchuMaV werde in das Recht der antragstellenden Parteien auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG eingegriffen, da ein freier Abschluss privatrechtlicher Verträge – der Verkauf ihrer künstlerischen Erzeugnisse – nicht mehr möglich sei. Das Betretungsverbot betreffend Kunst- und Kulturstätten erscheine mit Blick auf die mit der 4. COVID-19-SchuMaV in der Stammfassung BGBl II 58/2021 unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommenen Lockerungen betreffend die Museen, andere Kunststätten, den Handel und religiöse Veranstaltungen zur Zielerreichung nicht geeignet und überdies auch nicht verhältnismäßig. Jüngste Studien zeigten, dass Ansteckungen gerade nicht auf den Kunst- und Kulturbereich, insbesondere auf geschlossene (Theater‑)Räume, zurückzuführen seien, vielmehr sei dort die Ansteckungsgefahr gering und könne die Hälfte der Plätze gefahrlos belegt werden. Gelindere Mittel – wie etwa die Reduktion des Publikums in Relation zur Größe des Veranstaltungsraumes, schachbrettmusterartig oder sonst tauglich angeordnete, individuell zugewiesene Sitzplätze, Lüftungskonzepte, Eintritts(schnell-)tests oder eine FFP2-Maskenpflicht – reichten aus.

1.2.6. Durch das Veranstaltungs- und Betretungsverbot für Kunst- und Kulturstätten werde den antragstellenden Parteien die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit verunmöglicht und daher auf Grund der Alternativlosigkeit besonders schwer in ihr Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG eingegriffen. Der Infektionsschutz könne unzweifelhaft auch durch gelindere Mittel – wie etwa durch die Schaffung von Ausnahmetatbeständen oder die Möglichkeit des Betretens unter Einhaltung eines Sicherheitskonzeptes – erreicht werden, das Verbot sei nicht verhältnismäßig.

1.2.7. Die differenzierte Behandlung künstlerischer bzw kultureller Veranstaltungen einerseits und religiöser Veranstaltungen andererseits durch die angefochtenen Bestimmungen widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Beide Veranstaltungsformen seien hinsichtlich der Raumgröße, der Anzahl teilnehmender Personen, der Einhaltung von Sicherheitsabständen, der Möglichkeit des Tragens von MNS-Masken, der Möglichkeit verpflichtender (Einlass-)COVID-Tests sowie der Möglichkeit der Erstellung und Einhaltung von Sicherheitskonzepten vergleichbar. Vom Schutzbereich des Grundrechtes der Kunstfreiheit und der Religionsfreiheit seien die Abhaltung von Veranstaltungen und die Teilnahme einzelner Personen daran erfasst. Sowohl die Teilnahme an kulturellen als auch an religiösen Veranstaltungen könne zu einer Infektion mit COVID-19-Viren führen. Bei diesen Veranstaltungsformen sei sohin von gleichen Sachverhalten auszugehen, die eine unterschiedliche Beurteilung und eine rechtliche Differenzierung ohne sachliche Rechtfertigung verbieten würden. Der Verordnungsgeber stütze sich unrichtigerweise auf den Umstand, religiöse Veranstaltungen würden in den "inneren Bereich" von Religionsgemeinschaften fallen, zumal ein Verbot religiöser Veranstaltungen nicht dazu führe, die Autonomie von Religionsgemeinschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze einzuschränken. Veranstaltungen hätten keinen rein innerreligiösen Charakter, die Handlungen träten nach außen, sie seien sohin im Sinne der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Zwar könne die Religionsausübung als Teil der Ausübung täglicher Bedürfnisse qualifiziert werden, dies hänge jedoch von der persönlichen Lebensgestaltung ab und könne auch auf den Besuch kultureller Veranstaltungen zutreffen. Die Legalisierung allein religiöser Veranstaltungen führe zu einer Reihung von Grundrechten, die sich einer sachlichen Begründung und nachvollziehbaren Systematik entziehe und unzweifelhaft eine gleichheitswidrige Besserstellung des Grundrechtes auf Glaubens- und Gewissensfreiheit bewirke. Eine zeitgleiche Öffnung kultureller Veranstaltungen unter Vorgabe und Beachtung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen und ‑konzepte wäre erforderlich gewesen. Die Regelung sei aus diesem Grund verfassungswidrig.

2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Bedenken der antragstellenden Parteien wie folgt entgegentritt:

2.1. In der Sache betont der BMSGPK eingangs, den antragstellenden Parteien sei uneingeschränkt zuzustimmen, dass es keine Hierarchie von Grundrechten gebe. Dies zeige auch die im Antrag dargestellte Entwicklung der Rechtslage auf, die einen steten Ausgleich konfligierender Interessen widerspiegle. Die rasche Änderung der Rechtslage sei dem gesetzlichen Auftrag geschuldet, Maßnahmen nur im erforderlichen Ausmaß zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 zu setzen. Gerade diese Kurzlebigkeit demonstriere, dass im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzipes jeweils nur die auf der Grundlage der aktuellen epidemiologischen Situation unbedingt erforderlichen Maßnahmen gesetzt würden.

Die komplexe Gesamtabwägung aller beteiligten Interessen berücksichtige auch gesellschaftliche Auswirkungen, dies sei am Beispiel der Öffnung des Gruppentrainings für Kinder und Jugendliche mit der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, idF BGBl II 111/2021 zu sehen.

Das seuchenrechtliche Vorsorgeprinzip erfordere eine Gefährdungsprognose ex ante. Zwar lasse sich ex post nicht beziffern, welche Gefahren konkret und tatsächlich abgewendet werden konnten, doch würden die Prognosen erahnen lassen, welche Schäden durch unzureichende Regulierungen nicht nur für behandlungsbedürftige Personen, sondern auch für die Gesamtgesellschaft zu erwarten gewesen wären.

Entgegen der Annahme der antragstellenden Parteien dienten die Maßnahmen nicht nur dem Lebens- und Gesundheitsschutz des Einzelnen bzw der besonders vulnerablen Personen (Risikogruppen), sondern auch dem Fremdschutz und darüber hinaus – wie der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich erkannt habe – auch dem Schutz der Gesundheit durch Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur. Der Schutz der Rechte Dritter sei ein eigenständiges, legitimes Schutzziel zur Einschränkung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Die infrastrukturbezogene Komponente komme überdies in §5 COVID-19-MG besonders deutlich zum Ausdruck. Ein Kollaps des Gesundheitssystems und eine damit einhergehende "Triagesituation" habe Auswirkungen auf jede Person, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müsse. Die Regelungen dienten damit dem Gesundheitsschutz potenziell jeder Person in Österreich. Dass ein Kollaps nicht bloß als unrealistisches Szenario abgetan werden dürfe, hätten insbesondere die Entwicklungen im Rahmen der dritten Welle deutlich vor Augen geführt.

Das konkrete Gewicht der geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit sei – wie noch zu zeigen sein werde – anhand der jeweiligen epidemiologischen Ausgangssituation und der konkreten Interessenlagen abgesteckt worden und in die Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeflossen.

2.2. Insoweit die antragstellenden Parteien vorbringen, die angefochtenen Verbote würden gegen §4 Abs1 und §1 Abs7 COVID-19-MG und sohin auch gegen das Legalitätsprinzip gemäß Art18 B‑VG verstoßen, werde einleitend darauf hingewiesen, dass §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV ihre gesetzliche Grundlage in §3 Abs1 Z1 COVID-19-MG bzw in §15 Epidemiegesetz 1950 fänden. Schon deshalb liege die behauptete Gesetzwidrigkeit nicht vor.

Darüber hinaus erfülle der vorgelegte Verordnungsakt die vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten Anforderungen an die Dokumentation. Er enthalte nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine fachliche Begründung für die getroffenen Maßnahmen, in der sämtliche Parameter des §1 Abs7 COVID-19-MG gründlich ausgewertet und abgewogen worden seien:

Angesichts der epidemiologischen Ausgangslage und der Empfehlung der Corona-Kommission, die vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage die Verlängerung präventiver Maßnahmen der Kontaktreduktion ausdrücklich empfohlen habe, habe der BMSGPK die Betretungs- und Veranstaltungsverbote verlängert. Eine Lockerung im Sinne einer Aufhebung der Kontaktverbote im Kulturbereich sei vor dem Hintergrund der Gefahren durch die Virusmutationen und der höchst unsicheren epidemiologischen Lage zu diesem Zeitpunkt unvertretbar gewesen. Vielmehr habe es einer behutsamen und schrittweisen Öffnung insbesondere in Bereichen, die nicht durch ein gleichzeitiges Zusammenströmen von Menschen in Innenräumen bei gleichzeitig langem Verweilen gekennzeichnet sind, bedurft. Die Öffnung von Veranstaltungen sei vom verordnungserlassenden Organ als besonders problematisch erachtet worden, das komme auch in der rechtlichen Begründung zur 2. COVID-19-SchuMaV zum Ausdruck. Aus einer fehlenden Clusterzuordnung zu Veranstaltungen oder Kultureinrichtungen lasse sich noch nicht schließen, dass dort keine Infektionen stattfinden würden. Eine Clusteranalyse sei auch nur einer von mehreren bei der Bewertung der epidemiologischen Lage zu berücksichtigenden Faktoren gemäß §1 Abs7 COVID-19-MG.

Nach Ansicht des BMSGPK seien auch die Entscheidungsgrundlagen ordnungsgemäß dokumentiert worden. Im Falle der Parallelität der Interessengewichtung und der Vergleichbarkeit der epidemiologischen Erfordernisse (in Form der Notwendigkeit einer Reduktion der sozialen Kontakte und der Mobilität bzw deren Aufrechterhaltung) sei ein Verweis auf Begründungen zu entsprechenden Vorgängerregelungen ausreichend. Insbesondere die in der rechtlichen Begründung zur COVID-19-SchuMaV, BGBl II 463/2020, zu §12 getroffenen Aussagen (typisches Zusammenkommen größerer Menschenmengen, Vermischen epidemiologischer Einheiten, Risiken von Veranstaltungen) seien für den Kulturbereich weiterhin kennzeichnend.

Aus dem Verordnungsakt und den in diesem verwiesenen Dokumenten gehe somit eindeutig hervor, dass der Verordnungserlassung ein umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen sei und die Anforderungen an eine ausreichende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sohin erfüllt seien. Die behauptete Verletzung des Art18 Abs2 B‑VG liege somit nicht vor.

2.3. Es treffe zu, dass die durch §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV normierten Beschränkungen der Art und Weise der Präsentation der Kunst (faktisch das Verbot des Zurschaustellens vor Publikum) einen gravierenden Eingriff in die Kunstfreiheit darstellten, zumal auch die kommunikative Begegnung zwischen den Akteuren und einem Publikum beim Theater vom Schutzbereich des Art17a StGG erfasst sei. Art17a StGG verbürge jedoch kein "Recht auf Zugang zur Kunst".

Eine intentionale Beschränkung der Kunstfreiheit durch §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV sei zu verneinen; weder sei es deren Regelungsziel, das künstlerische Schaffen an sich einzuengen, noch träfen die Auswirkungen der seuchenrechtlichen Regelungen vor allem die Kunst. Es handle sich vielmehr um ein "allgemeines Gesetz", dem eine hinreichende Interessenabwägung zugrunde liege.

Die Ausnahmen hinsichtlich Museen, Kunsthallen, kultureller Ausstellungshäuser, Bibliotheken, Büchereien und Archiven belegten im Übrigen eine Auseinandersetzung des Verordnungsgebers mit den widerstreitenden Interessen der Kultur, weshalb keinesfalls eine Verletzung des Art17a StGG vorliege.

2.4. Auch sei die Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art10 EMRK berührt, jedoch – auf Grund der bereits dargelegten Überlegungen – aus Sicht des BMSGPK nicht verletzt.

2.5. Nach Ansicht des BMSGPK stellten §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV auch einen (gravierenden) Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG dar, da das Veranstaltungs- und Betretungsverbot in seinen Auswirkungen einem weitgehenden Betriebsverbot gleichkomme. Auch dieser Eingriff erweise sich als gerechtfertigt, da sich schon aus den maßgeblichen Eigenschaften des Erregers und seiner Übertragungswege die Eignung des Betretungs- bzw des Veranstaltungsverbotes ergebe.

Zur Frage der Entschädigungspflicht werde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G202/2020, verwiesen. Auch die Kulturschaffende betreffenden COVID-19-Maßnahmen seien in ein System staatlicher Ausgleichsleistungen eingebettet. Diverse Fonds, Beihilfen, Zuschüsse, Boni, indirekte Hilfen und spezifisch kunstbezogene Förderungen seien vorgesehen.

Es liege daher keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Eigentum gemäß Art5 StGG vor.

2.6. Der BMSGPK verkenne nicht das Gewicht der sich aus §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV für die antragstellenden Parteien ergebenden Beschränkung für die Erwerbsausübung. Der Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG sei jedoch nach Ansicht des BMSGPK ebenfalls gerechtfertigt.

2.7. Soweit die antragstellenden Parteien in der Differenzierung zwischen religiösen und kulturellen Veranstaltungen eine unsachliche Gleichbehandlung und damit eine Verletzung des Gleichheitssatzes sehen, sei darauf hinzuweisen, dass der Vergleich mit nur einer von mehreren Ausnahmen (Bildungsbereich, Gesetzgebung und Vollziehung) zu kurz greife, da er das Gesamtgefüge der Norm verkenne.

2.8. Im Ergebnis würden sohin die Bedenken der antragstellenden Parteien allesamt nicht zutreffen, die behauptete Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen liege nicht vor.

3. Die antragstellenden Parteien haben eine Replik erstattet.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103/2016 ua).

1.4. Mit ihrem auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehren die antragstellenden Parteien, (näher bezeichnete Bestimmungen der) §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, "in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2. Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021" als gesetz- bzw verfassungswidrig aufzuheben:

1.4.1. Dass die antragstellenden Parteien die Bestimmungen nicht exakt in der von ihnen angefochtenen Fassung bezeichnen, schadet hier nicht, weil es für den Verfassungsgerichtshof – mit Blick auf die im Antrag (teilweise) wiedergegebenen Normen, unter Berücksichtigung der im Antrag dargelegten Bedenken und mit Blick auf den Antragszeitpunkt – eindeutig zu erschließen ist, welche Fassungen angefochten werden (vgl VfGH 24.2.2020, G249/2019 ua; 1.10.2020, G272/2020 ua).

1.4.2. §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV sind gemäß §26 Abs1 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, idF BGBl II 206/2021 am 18. Mai 2021 außer Kraft getreten. Dies schadet mit Blick auf die mit V411/2020 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls nicht (vgl VfSlg 20.397/2020, 20.399/2020).

1.4.3. Der Verfassungsgerichtshof geht daher in einem Zwischenergebnis davon aus, dass §12 der 4. COVID-19-SchuMaV in der Stammfassung BGBl II 58/2021 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, in der Fassung BGBl II 76/2021 angefochten wird.

1.5. Da mit dem ersten Antrag, die Wort- und Zeichenfolge "- und Kultur" in §12 Abs1 iVm §12 Abs3 sowie die Wortfolge "kulturelle Veranstaltungen" in §13 Abs2 der 4. COVID-19-SchuMaV aufzuheben, die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde – Kultureinrichtungen wären weiterhin vom Begriff der Freizeiteinrichtungen gemäß §12 Abs1 der 4. COVID-19-SchuMaV erfasst und §13 Abs2 der 4. COVID-19-SchuMaV enthält bloß eine demonstrative Aufzählung der jedenfalls erfassten Veranstaltungen (so auch "kulturelle Veranstaltungen") –, sind diese jeweils ersten Anträge als zu eng zu beurteilen.

Auch der weitere Antrag auf Aufhebung des §12 Abs1 iVm Abs3 sowie §13 Abs1 iVm der Wortfolge "kulturelle Veranstaltungen" in §13 Abs2 der 4. COVID-19-SchuMaV und der Antrag auf Aufhebung des §12 Abs1 iVm Abs3 sowie §13 Abs1 iVm §13 Abs2 der 4. COVID-19-SchuMaV greifen zu kurz, zumal zumindest §13 Abs3 und Abs8 der 4. COVID-19-SchuMaV für die Beurteilung der behaupteten Verfassungswidrigkeit eine untrennbare Einheit bilden.

Der Verfassungsgerichtshof geht aber – vor dem Hintergrund der im Antrag dargelegten Bedenken – davon aus, dass die antragstellenden Parteien als dritte bzw vierte Alternative auch begehren, §12 sowie §13 der 4. COVID-19-SchuMaV jeweils zur Gänze als gesetz- und verfassungswidrig aufzuheben; da die Bestimmungen jedenfalls vor dem Hintergrund der Bedenken derart in einem Regelungszusammenhang stehen, dass die Beurteilung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ohne deren Einbeziehung nicht möglich ist, erweist sich der angefochtene Umfang als zutreffend.

1.6. Alle antragstellenden Parteien gehen davon aus, dass sie jedenfalls durch die angefochtenen Bestimmungen in gleicher bzw vergleichbarer Weise unmittelbar in ihren Rechten betroffen seien:

1.6.1. Der Drittantragsteller, ein Maler, sei durch die angefochtenen Bestimmungen in seiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit massiv beschränkt, zumal zwei Ausstellungen in Museen sowie zwei Kunstgalerien, in denen er seine Werke ausstelle, geschlossen worden seien. Mit diesem Vorbringen verkennt der Drittantragsteller jedoch hinsichtlich seiner Person die Rechtslage:

Sofern Galerien nicht ohnehin als Betriebsstätten zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen einzustufen und gemäß §5 der 4. COVID-19-SchuMaV zu beurteilen sind, nimmt §12 Abs3 letzter Halbsatz der 4. COVID-19-SchuMaV in der Stammfassung BGBl II 58/2021 (maßgebliche Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung) ua Museen, Kunsthallen und kulturelle Ausstellungshäuser vom allgemeinen Betretungsverbot für Freizeit- und Kultureinrichtungen gemäß Abs1 par cit ausdrücklich aus. Da der Drittantragsteller darüber hinaus nicht behauptet, seine Werke im Rahmen kultureller Veranstaltungen zu präsentieren, ist auf der Grundlage des Antragsvorbringens eine unmittelbare Betroffenheit durch §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV in der Stammfassung BGBl II 58/2021 bzw idF BGBl II 76/2021 zu verneinen und sein Antrag schon deshalb zurückzuweisen.

1.6.2. Die Neuntantragstellerin, eine Universitätsprofessorin für Europapolitik und Demokratieforschung, bringt vor, ihr Recht, Kunst und Kultur in dem von ihr gewünschten Ausmaß zu genießen bzw zu konsumieren und durch diesen Kunst- und Kulturgenuss Meinungen zu empfangen, sei auf Grund des aus den angefochtenen Bestimmungen resultierenden Veranstaltungsverbotes für künstlerische und kulturelle Veranstaltungen sowie des (Veranstaltungs- und) Betretungsverbotes von Kultureinrichtungen verletzt.

Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen zur Betroffenheit ist es der Neunt-antragstellerin aber nicht gelungen, ihre unmittelbare und aktuelle Betroffenheit für ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hinreichend konkret darzulegen: Welche Kultureinrichtungen sie zum Zweck der Inanspruchnahme welcher Dienstleistungen gehindert war zu betreten bzw welche Veranstaltungen sie gehindert war zu besuchen und dass für sie keine Alternative (zB andere Formen der Teilnahme) gegeben war, legt sie nicht dar. Das Erfordernis dieser Darlegung durch die Neuntantragstellerin besteht aber auch dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die sonst geschilderte Situation naheliegen mögen (vgl VfGH 21.9.2020, V375/2020 und V365/2020; 1.10.2020, G271/2020 ua und V405/2020). Dies ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis, sodass der Antrag der Neuntantragstellerin schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen ist.

1.6.3. Der Zehntantragsteller, ein Organisator kultureller Veranstaltungen, hat demgegenüber mit seinem Vorbringen seine aktuelle und unmittelbare Betroffenheit hinreichend konkret dargetan. Als Veranstalter von kulturellen Veranstaltungen ist auch er in seiner Rechtssphäre von den angefochtenen Verboten betroffen.

1.6.4. Wenngleich §12 der 4. COVID-19-SchuMaV ein Betretungsverbot für Kultur- und Freizeiteinrichtungen zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen normiert, mithin sich auf Grund der sprachlichen Fassung primär an die Kunden bzw Besucher und nicht an die in einer Kultureinrichtung ihre Kunst darbietenden Künstler selbst richtet, und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV ein Verbot kultureller Veranstaltungen vorsieht, mithin sich auf Grund der sprachlichen Fassung an Veranstalter bzw Teilnehmer an Veranstaltungen und nicht an die im Zuge einer Veranstaltung ihre Kunst darbietenden Künstler richtet, sind die erst- und zweitantragstellenden sowie die viert- bis achtantragstellenden Parteien durch diese Bestimmungen in ihrer subjektiven Rechtssphäre betroffen. Sie bringen nämlich in ihrem Antrag ua zutreffend vor, durch die angefochtenen Regelungen deshalb unmittelbar in ihrem Recht auf Kunstfreiheit gemäß Art17a StGG verletzt zu sein, weil es ihnen durch die Betretungs- und Veranstaltungsverbote jedenfalls verwehrt sei, "live" und unter unmittelbarer Teilhabe des Publikums aufzutreten, was aber wesentlich für ihre Kunst sei.

1.6.4.1. Damit sind sie im Ergebnis im Recht, da Art17a StGG das künstlerische Schaffen, aber auch die Vermittlung von Kunst schützt. Der Schutzbereich des Grundrechtes der Freiheit der Kunst erfasst sohin auch die kommunikative Vermittlung des Kunstwerkes an ein Publikum oder an die Öffentlichkeit – etwa durch Aufführungen, Präsentationen oder Zurschaustellungen (vgl Kröll, Art17a StGG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 10. Lfg. 2013, Rz 21 ff.; Holoubek/Neisser, Die Freiheit der Kunst, in: Machacek/Pahr/Stadler [Hrsg.], 40 Jahre EMRK. Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II, 1992, 195 [208]).

1.6.4.2. Den erst- und zweitantragstellenden sowie viert- bis achtantragstellenden Parteien ist gemein, dass sie – sei es als Satiriker, Sänger, Musiker, Schauspieler oder Regisseure bzw Intendanten – auf Grund des Betretungsverbotes für Kultureinrichtungen zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen gemäß §12 der 4. COVID-19-SchuMaV in Zusammenschau mit dem Verbot kultureller Veranstaltungen gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV ihre künstlerischen Werke nur eingeschränkt (in Abwesenheit des Publikums) darbieten und verbreiten können. Diese von ihnen angefochtenen Verbote schränken die erst- und zweitantragstellenden sowie viert- bis achtantragstellenden Parteien in ihrem Recht, ihre Kunst durch Auftritte bzw Zurschaustellungen vor Publikum zu vermitteln, derart ein, dass sie in ihrem aus Art17a StGG erfließenden Recht unmittelbar und aktuell betroffen sind. Schon deshalb ist von einem Eingriff in die Rechtssphäre der erst- und zweitantragstellenden sowie viert- bis achtantragstellenden Parteien auszugehen. Die Anträge sind daher zulässig.

1.7. Da im Ergebnis keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag der erst- und zweitantragstellenden sowie viert- bis achtantragstellenden und der zehntantragstellenden Parteien, "§12 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2.Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021[,] sowie […] §13 (gesamt) der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 58/2021, in der geltenden Fassung, zuletzt geändert durch die 2. Novelle der Verordnung BGBl II Nr 94/2021[,] wegen Gesetz- und/oder Verfassungswidrigkeit auf[zu]heben", als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Antrag ist nicht begründet.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.3. Rechtslage

2.3.1. Vorauszuschicken ist an dieser Stelle, dass §1 COVID-19-MG die grundsätzliche Ermächtigung enthält, das Betreten und das Befahren von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, das Benutzen von Verkehrsmitteln sowie Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 durch Verordnung zu regeln. §1 Abs5 leg cit enthält eine demonstrative Aufzählung möglicher Auflagen sowie eine Darstellung, was als Nachweis über "eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr" betrachtet werden kann. §1 Abs5b leg cit ermächtigt zudem durch Verordnung zu bestimmen, dass bestimmte Orte von Besuchern nur betreten werden dürfen, wenn der Nachweis geringer epidemiologischer Gefahr erbracht werden kann.

§3 COVID-19-MG regelt detailreich die gesetzliche Grundlage für Beschränkungen des Betretens und Befahrens von Betriebsstätten und Arbeitsorten, §4 leg cit jene von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, wobei der Gesetzgeber in beiden Bestimmungen hervorhebt, dass eine gänzliche Untersagung – also etwa durch ein Betretungsverbot – nur dann gesetzmäßig wäre, wenn gelindere Maßnahmen nicht ausreichen würden, um entsprechend der epidemiologischen Gefahr die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern.

§15 Epidemiegesetz 1950 in der hier anzuwendenden Fassung normiert in vergleichbarer Weise, dass unter beispielhaft näher bestimmten Voraussetzungen und Auflagen Veranstaltungen durchgeführt werden können, es sei denn, diese Maßnahmen würden nicht ausreichen, dann nämlich wären sie zu untersagen.

2.3.2. Auf Basis dieser gesetzlichen Grundlagen wurde die 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, erlassen, die vom 8. Februar 2021 bis 18. Mai 2021 (in unterschiedlichen Fassungen) in Kraft war.

Mit dieser Verordnung wurde für den Kulturbereich das bereits seit 3. November 2020 ununterbrochene ausnahmslose Betretungsverbot für Kultureinrichtungen insofern gelockert, als nunmehr (zumindest) das Betreten von Museen, Kunsthallen, kulturellen Ausstellungshäusern, Bibliotheken, Büchereien und Archiven gemäß §12 Abs3 letzter Halbsatz der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, als vom Verbot ausgenommen erlaubt wurde.

Veranstaltungen waren gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, weiterhin untersagt; Proben und künstlerische Darbietungen ohne Publikum waren gemäß Abs3 Z8 par cit – unter Einhaltung von Präventionskonzepten gemäß Abs6 par cit – zulässig.

2.3.3. Zusammenfassend ist zur Rechtslage also festzuhalten, dass der Gesetzgeber dazu ermächtigt hat, beschränkende Regelungen bis hin zu absoluten Verboten durch Verordnung zu normieren, sofern dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gemäß der epidemiologischen Lage erforderlich war und gelindere Mittel (wobei hier die demonstrative Aufzählung zahlreiche Maßnahmen enthält) nicht ausreichen würden.

2.4. Ermittlung und Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen

2.4.1. Die antragstellenden Parteien hegen zunächst Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen im Hinblick auf die mangelnde Ermittlung und Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen vor allem betreffend die mit BGBl II 58/2021 im Kulturbereich gesetzten Lockerungsschritte.

2.4.2. Dem hält der BMSGPK entgegen, dass sowohl umfangreiche rechtliche als auch fachliche Aufzeichnungen im Verordnungsakt einliegen würden und zudem auf die Dokumentationen in den Verordnungsakten der davor in Geltung stehenden Regelungen verwiesen werde. Die Dokumentation enthalte auch die Wiedergabe der Empfehlungen der Corona-Kommission, aus der unzweifelhaft hervorgehe, dass zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt – wenn überhaupt – Öffnungsschritte mit Blick auf die epidemiologische Lage nur sehr vorsichtig zu setzen wären; jedenfalls sei es weiterhin besonders wichtig, soweit wie möglich alles zu vermeiden, was zu Menschenansammlungen führen könnte.

2.4.3. Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art18 Abs2 B‑VG folgt, dass bei einer weitreichenden Verordnungsermächtigung, die schwerwiegende Grundrechtseingriffe ermöglicht, im Verordnungserlassungsverfahren nachvollziehbar zu machen ist, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist (vgl VfGH 10.3.2021, V573/2020 mwN; 24.6.2021, V592/2020).

2.4.4. Den vom BMSGPK vorgelegten Verordnungsakten, die der Erlassung (ua) der §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, in der Stammfassung bzw in der Fassung BGBl II 76/2021 zugrunde liegen, ist – soweit für die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes relevant – Folgendes zu entnehmen:

2.4.4.1. In dem vom BMSGPK vorgelegten Verordnungsakt, der die Erlassung der Stammfassung der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, dokumentiert, wird in der rechtlichen Begründung zunächst allgemein – zusammengefasst – ausgeführt, dass angesichts der Stabilisierung des Infektionsgeschehens erste behutsame Öffnungsschritte gesetzt werden könnten; bei einer zu frühen Lockerung der Maßnahmen sei jedoch nach wie vor von einem drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung auszugehen. Den Fokus lege man auf jene Maßnahmen, deren Wirksamkeit sich im Verlauf der Pandemie bereits herausgestellt habe. Diesbezüglich werde auf die Begründungen und Ausführungen der ersten bis 3. COVID-19-SchuMaV verwiesen. Die ergriffenen Maßnahmen dienten in ihrer Gesamtheit dazu, die Weiterverbreitung des Virus bei gleichzeitiger langsamer Öffnung hintanzuhalten, um gravierende negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft zu verhindern. Leichte Öffnungsschritte seien mit Blick auf die Dauer des aktuellen Lockdowns und auf soziale sowie psychische Aspekte der Bevölkerung zu setzen, wobei die Maßnahmen als "ineinandergreifende Komponenten" eines Gesamtkonzeptes zu verstehen seien. Zu den mit §12 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, gesetzten Öffnungsschritten werde auf die rechtlichen Begründungen zur ersten bis 3. COVID-19-SchuMaV verwiesen.

2.4.4.2. Der rechtlichen Begründung zur ersten COVID-19-SchuMaV ist – auszugsweise – zu entnehmen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Zu §12:

 

Das Betretungsverbot von Freizeitbetrieben dient dem Ziel der im Lichte des epidemiologischen Geschehens erforderlichen Reduktion nicht erforderlicher sozialer Kontakte. Die in §12 Abs2 demonstrativ aufgelisteten Einrichtungen zeichnen sich zum Teil durch ein typisches Zusammenkommen größerer Menschenmengen, zum Teil durch einen erhöhten Aerosolausstoß (vgl insbesondere die Z3, 8 und 9) und das Vermischen epidemiologischer Einheiten aus. Gelindere Mittel wie das Erfordernis von Präventionskonzepten, Besucherbeschränkungen, MNS-Pflicht und Abstandsgebote konnten die dramatische Entwicklung der epidemiologischen Situation nicht aufhalten.

 

Auch wenn sich nicht alle aufgelisteten Einrichtungen in den Clusteranalysen manifestiert haben, ist erneut auf die in weiten Bereichen fehlende Rückverfolgbarkeit von Ansteckungen und das Ziel einer gesamthaften Reduktion der Mobilität hinzuweisen. Die Reduktion sozialer Kontakte in diesen Bereichen kann sich daher nicht nur auf die bekannten Cluster aus den Analysen stützen, sondern muss auch die typische Risikogeneigtheit dieser Einrichtungen im Sinne der gebotenen Gesamtbetrachtung der Maßnahmen zur Reduktion der Mobilität berücksichtigen.

 

Zu §13:

 

§15 EpG erlaubt es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht, Veranstaltungen schlechthin zu untersagen, sondern nur, sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit zur Verhinderung ihrer Verbreitung unbedingt erforderlich ist. §15 EpG erfordert eine Abwägung der Interessen derer, die Veranstaltungen durchführen bzw insbesondere derjenigen, die daran teilnehmen wollen, mit einer gravierenden Bedrohung durch Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit, wenn nach dieser Bestimmung Veranstaltungen untersagt werden sollen (VfGH 1. 10. 2020, V428/2020).

 

§13 wird diesen Anforderungen gerecht:

 

§13 dient im Sinne des Ziels der Reduktion sozialer Kontakte dem Zweck, ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen zu verhindern. Was die Wirksamkeit der Maßnahme der Verkleinerung von Menschengruppen angeht, wird auf entsprechende Berechnungsmodelle zur substanziellen Verringerung der Transmissionsmöglichkeit hingewiesen […].

 

Vor dem Hintergrund der derzeitigen epidemiologischen Lage und den Besonderheiten der Übertragbarkeit von COVID-19 ist die Einschränkung von Veranstaltungen geeignetes und verhältnismäßiges Mittel. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist zu betonen, dass §13 Veranstaltungen nicht schlechthin untersagt, sondern zum einen zahlreiche Ausnahmen vorsieht, zum anderen auf 4 Wochen zeitlich befristet ist.

 

Die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Interessenabwägung findet ihren Niederschlag in den umfangreichen Ausnahmebestimmungen. Diese dienen der Abwägung zwischen den Interessen der Veranstalter sowie der Personen, die an Veranstaltungen teilnehmen wollen einerseits und den Anforderungen aus dem Interesse des Gesundheitsschutzes andererseits. Im Zuge dieser Abwägung fällt die dramatische epidemiologische Situation und die daraus resultierende Bedrohung schwer ins Gewicht (dem trägt das grundsätzliche Veranstaltungsverbot des Abs1 Rechnung). Die Ausnahmebestimmungen berücksichtigen dagegen die entgegenstehenden Interessenspositionen.

 

Die Ausnahmen sind einerseits vom Grundgedanken der Verordnung der möglichst weitgehenden Aufrechterhaltung des Arbeits- und Wirtschaftslebens und den damit in Zusammenhang stehenden erforderlichen Zusammenkünften getragen (s etwa die Ausnahmebestimmungen der Z1, 2, 6, 7 und des Abs6) und berücksichtigen politische[…] Erfordernisse (s die Z5).

 

Die Ausnahme der Z4 trägt der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und den damit verbundenen Interessen derjenigen Rechnung, die durch ihre Teilnahme daran ihre Meinung kundgeben wollen.

 

Die Z3 berücksichtigt den besonderen Stellenwert des privaten Wohnbereichs. In Abwägung mit den sonstigen Grundrechten, die durch die beiliegende Verordnung eingeschränkt werden, kann das Grundrecht auf Privatleben nach Art8 EMRK aber nicht gänzlich unberührt bleiben, zumal sich sonst ein Ungleichgewicht im Rahmen der Verteilung der aufgrund der Pandemie erforderlichen Lasten ergibt. Deshalb ist zwar der Kern des privaten Wohnbereichs von den Beschränkungen für Veranstaltungen ausgenommen, nicht von der Ausnahme erfasst sind aber Orte, die zwar nach der weiten Rechtsprechung des EGMR zum privaten Wohnbereich zählen, jedoch nicht in einem engeren Sinn dem unmittelbaren Wohnbedürfnis dienen. Dazu zählen insbesondere Garagen, Gärten, Schuppen und Scheunen. Zusammenkünfte an solchen Orten waren im Zuge von Clusteranalysen bereits zentrale Herde für die Weiterverbreitung von COVID-19. Diese nicht zu beschränken würde zu einer Schieflage im Hinblick auf die sonstigen Einschränkungen und Grundrechtseingriffe[…] der Verordnung führen. Die Gegenausnahme für die aufgezählten nicht zum unmittelbaren Wohnbedürfnis dienenden Orte ist von der gesetzlichen Grundlage des §15 EpG gedeckt.

 

Die Ausnahmebestimmung für Zusammenkünfte von nicht mehr als sechs Personen aus maximal zwei verschiedenen Haushalten dient der Konsistenz mit der Ausnahmebestimmung des §15 Abs4 Z2. So kann es keinen Unterschied machen, ob eine Personengruppe unter denselben Voraussetzungen geplant im Sinne einer Veranstaltung oder unabhängig davon zusammenkommt.

 

Die Ausnahme für Begräbnisse trägt dem Umstand Rechnung, dass Begräbnisse im Gegensatz zu anderen Veranstaltung[en] unaufschiebbar sind. Auch die besonders belastenden und emotionalen Begleitumstände und die typischerweise zentrale soziale und psychologische Bedeutung des Begräbnisses werden berücksichtigt.

 

Der Ausnahme für Proben und künstlerische Darbietungen ohne Publikum zu beruflichen Zwecken in Abs5 liegt eine Interessensabwägung zwischen den mit diesen Tätigkeiten verbundenen teils höheren Risiken und den Interessen der an solchen Proben Teilnehmenden zugrunde: So gehen viele Tätigkeiten, die unter Abs5 fallen, mit einem erhöhten Aerosolausstoß einher (insbesondere etwa das Singen, siehe dazu die Japanische Clusterstudie im Akt, oder das sonstige Musizieren, teils aber auch schauspielerische Tätigkeiten). Solche Tätigkeiten müssen daher im Lichte der derzeitigen epidemiologischen Lage auf das unbedingt notwendige Maß reduziert werden. In diesem Zusammenhang wiegen die Interessen von Personen, die solche Tätigkeiten aus beruflichen Gründen ausüben, schwerer als jene, die im Amateurbereich tätig sind. Bei Proben zu beruflichen Zwecken handelt [es] sich zudem in der Regel um eine überschaubare Personenanzahl mit bekannten Akteuren in fixer Zusammensetzung (dies erleichtert etwaige Kontaktpersonennachverfolgungen). Unter Berücksichtigung des Gesamtkonzepts der Verordnung, wonach berufliche Tätigkeiten so weit wie möglich aufrecht erhalten bleiben sollen, und der vergleichbaren Situation im Spitzensport ist daher die Privilegierung der Teilnahme an Proben und künstlerischen Darbietungen zu beruflichen Zwecken gegenüber dem Amateurbereich sachlich gerechtfertigt.

 

Die Berufsausübung von Künstlern soll nur dort und soweit eingeschränkt werden, wie dies aus epidemiologischer Sicht notwendig ist. So sollen, ähnlich wie bei Sportveranstaltungen, Aufzeichnungen von Aufführungen zulässig sein. Für diese Aufzeichnungen, aber auch für die allfällige Aufnahme des Spielbetriebes nach dem geplanten Ende der Einschränkungen und im Hinblick auf die typischerweise notwendige lange Vorbereitungszeit für größere Produktionen soll auch weiterhin der Probebetrieb unter den allgemeinen Schutzvoraussetzungen im Arbeitsbereich möglich sein. Zusätzlich wird wie beim Spitzensport ein Präventionskonzept zwingend vorgeschrieben, in dem den Besonderheiten von Proben und Aufführungen im künstlerischen Bereich Rechnung zu tragen ist.

 

Zusätzliche organisatorische Schutzmaßnahmen wie zB das Bilden von festen Teams sind für den Bereich der Proben und künstlerischen Darstellungen nicht geeignet, zumal insbesondere bei musikalischen und schauspielerischen Proben und Darstellungen regelmäßig alle Mitglieder (alle Teile des Orchesters, alle Stimmlagen im Chor, alle Schauspieler) anwesend sein müssen. Mit einer solchen Beschränkung würde somit die Berufsausübung verunmöglicht.

 

Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veranstaltungen entfallen gemäß §15 Abs6 EpG wegen Gefahr in Verzug."

 

2.4.4.3. Der rechtlichen Begründung zur 2. COVID-19-SchuMaV ist – auszugsweise – zu entnehmen (ohne die Hervorhebungen im Original):

"Zu §12:

 

[…]

 

Während die Betretungsverbote für Freizeiteinrichtungen durchgehend aufrecht bleiben, erfolgt im Rahmen des gebotenen schrittweisen Vorgehens eine erste Öffnung bei den Kultureinrichtungen: So werden die Betretungsverbote für Museen (und aufgrund der mit diesen vergleichbaren Tätigkeiten für Kunsthallen und Ausstellungshäuser), Bibliotheken, Büchereien und Archive aufgehoben. Die Privilegierung der genannten Einrichtungen im Vergleich zu Kultureinrichtungen gemäß Abs3 Z1 bis 5 ist aufgrund des fehlenden Veranstaltungsbezugs sachlich gerechtfertigt. So geht der reguläre Besuch der ausgenommenen Einrichtungen nicht mit dem gleichzeitigen Zusammenströmen größerer Menschenmengen einher; Besuche finden vielmehr regelmäßig über den Tag verteilt statt. Für Führungen oder sonstige geplante Zusammenkünfte außerhalb des regulären Ausstellungsbetriebs, zB Spezialführungen im Museum, Eröffnungen oder Vernissagen gelten jedoch die Beschränkungen des §13. Für den regulären Betrieb der ausgenommenen Einrichtungen gelten die Voraussetzungen des §5.

 

Was die sachliche Rechtfertigung der Differenzierung zu den Freizeiteinrichtungen betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dem Verordnungsgeber auch unter Berücksichtigung der Anforderungen aus dem Gleichheitssatz ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Insbesondere darf der Gleichheitssatz nicht dazu führen, dass das epidemiologisch gebotene schrittweise Vorgehen unterlaufen wird. So würde eine gleichzeitige 'Öffnung' aller auf abstrakter Ebene vergleichbaren Sachverhalte zu einer epidemiologisch nicht vertretbaren Erhöhung der Mobilität und der sozialen Kontakte führen. Damit würde aber das Gesamtsystem der Maßnahmen und ihre Wirksamkeit unterlaufen. Aus diesem Grund werden zunächst die Betretungsverbote für die gennannten Kultureinrichtungen aufgehoben. Die Gewichtung liegt somit auf der Ermöglichung der Befriedigung kultureller Bedürfnisse und von Bildungsbedürfnissen. Auch die regelmäßige Weitläufigkeit und die räumlichen Verhältnisse in diesen Einrichtungen machen die diesbezügliche Priorisierung vertretbar. Ein Unterschied zu sonstigen Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Zoos ist etwa auch, dass diese regelmäßig im Familienverband besucht werden, während dies für die ausgenommenen Kultureinrichtungen nicht gleichermaßen charakteristisch ist. Auch das erwartbare Kundenaufkommen rechtfertigt daher die – zeitlich befristete – Differenzierung.

 

Zu §13:

 

Wie in der Schutzmaßnahmenverordnung besteht ein grundsätzliches Veranstaltungsverbot (siehe zur gesetzlichen Grundlage und zu den Ausnahmen die Rechtliche Begründung zur 1. COVID-19-SchuMaV). Unter die Definition der Veranstaltung fallen auch Gelegenheitsmärkte; diese sind daher gemäß Abs1 untersagt.

 

Vom Veranstaltungsverbot ausgenommen sind zum einen die bereits nach der COVID-19-NotMV vorgesehenen Ausnahmen, zum anderen die der 1. COVID-19-SchuMaV entsprechenden Ausnahmen für den privaten Wohnbereich und für Zusammenkünfte von nicht mehr als sechs Personen aus zwei Haushalten (siehe dazu wieder die Rechtliche Begründung zur 1. COVID-19-SchuMaV).

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausnahmen in §16 hinzuweisen. So gelten die Beschränkungen insbesondere nicht für Zusammenkünfte in Gerichten (also etwa für Verhandlungen) oder für Gemeinderatssitzungen, die der Teilnahme der Öffentlichkeit bedürfen. Aufgrund der generellen Ausnahme vom Anwendungsbereich der Verordnung bedarf es keiner expliziten Aufnahme in den Ausnahmekatalog des §13 Abs3. §2 Abs1 Z6 sichert den Weg dorthin auch während der Zeit der Ausgangsbeschränkung.

 

Zu den Auflagen für das Betreten von Veranstaltungsorten ist darauf hinzuweisen, dass diese in gesetzeskonformer Interpretation mit §1 Abs3 nicht für den privaten Wohnbereich gelten."

 

2.4.4.4. Die im Verordnungsakt der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, einliegende "Fachliche Begründung zur Verordnung" enthält Statistiken und Ausführungen zur epidemiologischen Situation (Fallzahlen, Verbreitungsrisiko, Clusteranalyse, Kapazitätsauslastung, Prognoserechnung, Evidenz von Maßnahmen etc.) und verweist auf zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung aktuelle, dem Akt eingelegte Berichte und Empfehlungen ua der Corona-Kommission und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES). Dem Lagebericht der AGES vom 2. Februar 2021 zufolge sei von Ende Dezember 2020 bis Mitte Jänner 2021 die Zahl der aktiven Fälle auf einem hohen Niveau stagniert, seither zeige sich ein leicht sinkender Trend. Dennoch sei eine hohe Belastung des Gesundheitssystems gegeben. Laut dem wöchentlichen Bericht der Corona-Kommission zum Monitoring der COVID-19-Schutzmaßnahmen vom 14. Jänner 2021 sei die Auslastung der Intensivstationen auf erhöhtem Niveau und könne ein neuerlicher dynamischer Anstieg der inzidenten Fälle die angespannte Lage in den Intensivstationen zum Zusammenbruch bringen. Die Corona-Kommission komme zum Schluss, "dass das Infektionsgeschehen nach wie vor überwiegend auf einem sehr hohen Niveau liegt, die Aufrechterhaltung der gesetzten präventiven Maßnahmen zur Kontaktreduktion sollten daher wie geplant fortgesetzt werden. Dies nicht zuletzt aufgrund der möglichen Verbreitung der neuen Virusmutation. Insbesondere ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die erforderliche Akzeptanz der Bevölkerung gewährleistet wird, um auch weiterhin die notwendigen Rückgänge des Fallgeschehens erreichen zu können."

2.4.4.5. Diesem Aufbau entspricht auch der Verordnungsakt zur 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, idF BGBl II 76/2021. Die Corona-Kommission zieht laut der inliegenden "Fachliche[n] Begründung zur Verordnung" in ihrem wöchentlichen Bericht vom 11. Februar 2021 den Schluss, dass das Infektionsgeschehen nach wie vor in vielen Bundesländern auf einem sehr hohen Niveau liege, und wiederholt im Übrigen ihre Empfehlungen vom 14. Jänner 2021.

2.4.5. Der Verfassungsgerichtshof geht bei seiner Beurteilung, ob im Sinne der Judikatur eine hinreichende Informationsbasis bei Erlassung der Verordnung vorlag und dokumentiert ist, von einer Gesamtbetrachtung aller, insbesondere auch der spezifischen Erläuterungen zur ersten und 2. COVID-19-SchuMaV aus, auf die in den vorgelegten Verordnungsakten ausdrücklich verwiesen wird. Der BMSGPK hat damit in den Verordnungsakten im Ergebnis hinreichend dargelegt, auf Basis welcher Bewertung der epidemiologischen Situation er welche gesetzlich erlaubten Maßnahmen zu setzen sich entschieden hat. Den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verordnungsakten ist mit hinreichender Deutlichkeit die epidemiologische Lage in Österreich zu dem hier relevanten Zeitraum sowie die prognosehafte Entwicklung derselben zu entnehmen. Damit liegt eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Dokumentation vor (vgl VfGH 24.6.2021, V592/2020 und V593/2020).

2.5. Die Freiheit der Kunst gemäß Art17a StGG

2.5.1. Die antragstellenden Parteien bringen weiters vor, der durch die angefochtenen Bestimmungen erzielte Eingriff in den Schutzbereich des Art17a StGG verfolge zwar ein legitimes öffentliches Interesse, es fehle jedoch – vor allem in einer Gesamtbetrachtung mit anderen Maßnahmen der COVID-Gesetzgebung – an der Adäquanz der angefochtenen Maßnahmen, da aus der rechtlichen Begründung auch nicht hervorgehe, dass das absolute Veranstaltungs- und Betretungsverbot das gelindeste Mittel sei.

2.5.2. Der BMSGPK verneint in diesem Zusammenhang jedenfalls eine intentionale Beschränkung der Kunstfreiheit durch die angefochtenen Bestimmungen, es handle sich vielmehr um ein "allgemeines Gesetz", dem eine hinreichende Interessenabwägung zugrunde liege. Im Übrigen belegten gerade die behutsamen Öffnungsschritte in Bezug auf Museen etc. eine Auseinandersetzung des Verordnungsgebers mit den widerstreitenden Interessen der Kultur, weshalb keinesfalls eine Verletzung des Art17a StGG vorliege.

2.5.3. Gemäß Art17a StGG sind das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie die Lehre frei. Vom Schutzbereich des Grundrechtes der Freiheit der Kunst unzweifelhaft erfasst ist sohin auch der Wirkbereich, also die kommunikative Vermittlung des Kunstwerkes an ein Publikum oder an die Öffentlichkeit – etwa durch Aufführungen, Präsentationen oder Zurschaustellungen (vgl Kröll, aaO, Rz 21 ff.; Holoubek/Neisser, aaO, 208). Die Freiheit der Vermittlung von Kunst bedeutet daher auch, dass das Werk in der Außenwelt in Erscheinung tritt und dem Künstler die Freiheit geboten wird, sein Schaffen der Öffentlichkeit vorzustellen (vgl AB 978 BlgNR 15. GP , 1; Sommerauer, Kunst im Konflikt mit dem Recht, FS Funk, 2003, 520 [523]), bzw – bezogen auf den vorliegenden Fall – Kunst in Kultureinrichtungen bzw im Rahmen kultureller Veranstaltungen vor Publikum darzubieten und zu verbreiten.

2.5.4. Der seinem Wortlaut nach schrankenlose Art17a StGG verbietet nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls intentional und direkt auf die Beschränkung ua der Vermittlung von Kunst gerichtete Regelungen (vgl VfSlg 10.401/1985, 11.737/1988) und schafft somit diesbezüglich einen Schutzbereich für die Grundrechtsträger. Wie aber schon der Verfassungsausschuss im Zuge der Novellierung des StGG (AB 978 BlgNR 15. GP ) ausführt und der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl VfSlg 10.401/1985, 11.737/1988, 15.680/1999), entbindet Art17a StGG weder das künstlerische Schaffen noch die Vermittlung von Kunst von der Beachtung gesetzlicher Vorschriften schlechthin. Daraus folgt aber, dass auch der Künstler in seinem Schaffen an die allgemeinen Gesetze gebunden bleibt (vgl VfSlg 10.401/1985).

2.5.5. Die von den antragstellenden Parteien als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen sind Teil eines umfassenden Regelungskomplexes, der insgesamt das legitime Ziel verfolgt, Leben und Gesundheit zu schützen, indem insbesondere durch die Hintanhaltung von Menschenansammlungen die Verbreitung von COVID-19 verhindert werden soll; damit soll dem Vorbringen der verordnungserlassenden Behörde zufolge, dem nicht entgegenzutreten ist, auch die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur sichergestellt werden. Gegenstand des Betretungsverbotes von Kultureinrichtungen gemäß §12 der 4. COVID-19-SchuMaV und des Veranstaltungsverbotes gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV ist also nicht die künstlerische Tätigkeit als solche, sondern sind allgemeine Maßnahmen zur Hintanhaltung von Menschenansammlungen, die auch im kulturellen Bereich anzuwenden sind, um das Erreichen des eben beschriebenen Zieles sicherzustellen.

2.5.6. Derartige Eingriffe in die Kunstfreiheit sind aber nur dann zulässig, wenn sie zum Schutz eines anderen Rechtsgutes erforderlich und verhältnismäßig sind, womit eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und dem durch den Eingriff geschützten Rechtsgut erforderlich wird (vgl erneut VfSlg 11.737/1988):

2.5.6.1. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die durch §12 und §13 der 4. COVID-19-SchuMaV angeordneten Betretungs- und Veranstaltungsverbote eine besonders eingriffsnahe und schwerwiegende Wirkung auf das durch Art17a StGG geschützte Rechtsgut entfalten. Vor allem für jene Künstler, die ihre künstlerische Tätigkeit gänzlich oder überwiegend in Form von "Live-Auftritten" ausüben, wird durch die Betretungs- und Veranstaltungsverbote ihr künstlerisches Schaffen unterbunden.

2.5.6.2. Gerade aber vor dem Hintergrund, dass es sich bei den angefochtenen Bestimmungen nicht um punktuelle, ausschließlich für den Kulturbereich getroffene Maßnahmen handelt, sondern um einen Teil eines umfassenden Maßnahmenpaketes, das etwa auch für das Gastgewerbe, für Beherbergungsbetriebe und für Sportstätten (§7 bis §9 der 4. COVID-19-SchuMaV) vergleichbare Beschränkungen vorsah, konnte der BMSGPK angesichts der zum Zeitpunkt der Erlassung der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, und der ersten Novelle BGBl II 76/2021 vorliegenden Daten davon ausgehen, dass die Anordnung bzw Beibehaltung des Betretungsverbotes für Kultureinrichtungen sowie des Veranstaltungsverbotes ein geeignetes Mittel zur Erreichung der beschriebenen Zielsetzung darstellt; da der Besuch kultureller Einrichtungen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes auch dem Austausch und der Kommunikation zwischen den Besuchern dient, führen die angefochtenen Verbote jedenfalls zu der mit der Maßnahme verfolgten Reduktion der Kontakte.

2.5.6.3. Die antragstellenden Parteien behaupten, das Ziel könne auch mit gelinderen Maßnahmen – etwa einem COVID-19-Präventionskonzept – erreicht werden. Wie bereits in Punkt IV.2.4.4. dargestellt, war zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung die epidemiologische Entwicklung – insbesondere auch wegen der besonders ansteckenden Virusvarianten – volatil, wobei auch die Auslastung der Gesundheitsinfrastruktur angespannt war. Der Verordnungsgeber hat nun unter Bedachtnahme auf diese – von der Corona-Kommission als dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Sachverständigengremium vorgenommene – Einschätzung der Lage das Betretungs- und Veranstaltungsverbot auch mit Auswirkungen im Bereich der Kunst im Rahmen eines umfassenden Corona-Maßnahmenpaketes zum Schutz des Lebens und der Gesundheit vorgesehen. Dabei hat er eine – in der konkreten Situation – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abwägung vorgenommen. Im Sinne der gesetzlichen Grundlagen steht dem verordnungserlassenden Organ dabei ein Entscheidungsspielraum zu, der – bei entsprechender Abwägung – auch ein Betretungs- und Veranstaltungsverbot trägt. Dass der Verordnungsgeber innerhalb dieses Entscheidungsspielraumes auch auf die Erforderlichkeit der Maßnahmen Bedacht genommen hat, wird insbesondere durch die mit BGBl II 58/2021 gesetzten Lockerungsschritte im Bereich der Kultur (Öffnung von Museen, Kunsthallen, kulturellen Ausstellungshäusern etc. gemäß §12 Abs3 letzter Satz der 4. COVID-19-SchuMaV) verdeutlicht. Das Betretungsverbot für Kultureinrichtungen und das Veranstaltungsverbot waren sohin geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

2.5.7. Das angefochtene Betretungsverbot für Kultureinrichtungen gemäß §12 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, und das Veranstaltungsverbot gemäß §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, idF BGBl II 76/2021 stellten somit keine unverhältnismäßigen Beschränkungen der Freiheit der Kunst gemäß Art17a StGG dar; die von den antragstellenden Parteien behauptete Verletzung liegt nicht vor.

2.6. Auf das Bedenken der antragstellenden Parteien, die differenzierte Behandlung künstlerischer bzw kultureller Veranstaltungen einerseits und religiöser Veranstaltungen andererseits widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, ist schon vor dem Hintergrund, dass §16 Abs1 Z4 der 4. COVID-19-SchuMaV, der die Ausnahme für Veranstaltungen zur Religionsausübung regelt, nicht angefochten wurde, nicht einzugehen.

2.7. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Grundrechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art10 EMRK), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) – insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen, wonach die Maßnahmen nach Ansicht der antragstellenden Parteien unverhältnismäßig seien – kann auf die Erwägungen zur Freiheit der Kunst (Art17a StGG) verwiesen werden, wobei in diesem Zusammenhang ergänzend auf das flankierende Maßnahmen- und Rettungspaket hinzuweisen ist (vgl VfSlg 20.397/2020; VfGH 24.6.2021, V592/2020 und V593/2020).

V. Ergebnis

1. Die ob der Gesetzmäßigkeit des §12 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, und des §13 der 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II 58/2021, idF BGBl II 76/2021 erhobenen Bedenken treffen nicht zu.

Der Antrag der erst- und zweitantragstellenden, der viert- bis achtantragstellenden sowie der zehntantragstellenden Parteien ist daher abzuweisen.

2. Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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