VfGH G257/2017

VfGHG257/20172.3.2018

Aufhebung einer Bestimmung des FinanzmarktaufsichtsbehördenG betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Vorlageanträgen und Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde mangels Erforderlichkeit einer vom VwGVG abweichenden Regelung und wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip durch Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdevorverfahren

Normen

B-VG Art11 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
FinanzmarktaufsichtsbehördenG §22 Abs2
VwGVG §13
AVG §63 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G257.2017

 

Spruch:

I. §22 Abs2 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I Nr 97/2001, idF BGBl I Nr 70/2013 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. August 2019 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E1810/2017 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit Bescheid vom 24. Februar 2017 forderte die Finanzmarktaufsichtsbehörde die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß §22b Abs1 und §26a FMABG sowie §5 VVG unter Androhung einer Zwangsstrafe iHv € 10.000,– zur Vorlage näher bezeichneter Unterlagen in Bezug auf das Geschäftsmodell der beschwerdeführenden Gesellschaft auf. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde begründete diese Aufforderung damit, dass der Verdacht einer konzessionslosen Ausübung eines Kapitalfinanzierungsgeschäftes iSd §1 Abs1 Z15 BWG durch die beschwerdeführende Gesellschaft bestehe und die Finanzmarktaufsichtsbehörde zur Klärung dieses Sachverhaltes ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe dabei mehrere Termine zur Vor-Ort-Einsichtnahme nicht wahrgenommen und der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft einem Ladungsbescheid keine Folge geleistet.

1.2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft, der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 24. Februar 2017 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ab. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht hiezu – zusammengefasst – aus, §22 Abs2 FMABG ordne hinsichtlich Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde, die keine Verwaltungsstrafsachen beträfen, – abweichend vom allgemeinen System des §13 Abs1 VwGVG – einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung an; diese könne lediglich bei Vorliegen näher bezeichneter Voraussetzungen zuerkannt werden. Da der im angefochtenen Bescheid angedrohten Zwangsstrafe kein Strafcharakter zugrunde liege, sei diese Bestimmung anwendbar. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, zumal dem das zwingende öffentliche Interesse am Vollzug des Bankwesengesetzes entgegenstehe. Darüber hinaus führe aber auch eine Abwägung der betroffenen Interessen zu keinem anderen Ergebnis.

1.3. In ihrer auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bringt die beschwerdeführende Gesellschaft unter anderem vor, es sei nicht nachvollziehbar, worauf die Finanzmarktaufsichtsbehörde ihren Verdacht gründe, dass die beschwerdeführende Gesellschaft ein Bankgeschäft ohne die erforderliche Konzession betreibe; vielmehr liege der Verdacht nahe, die Finanzmarktaufsichtsbehörde wolle durch das Ersuchen um Übermittlung bestimmter Unterlagen die für das Strafverfahren erforderlichen, bisher aber nicht vorhandenen Beweise organisieren. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei notwendig, um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte der beschwerdeführenden Gesellschaft hintanzuhalten. Da die beschwerdeführende Gesellschaft ihre operative Geschäftstätigkeit bis auf Weiteres eingestellt habe, stünden dem auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen.

1.4. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete eine Äußerung, in welcher sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs2 FMABG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 11. Oktober 2017 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. Gemäß §13 Abs1 und 2 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG aufschiebende Wirkung. Die Behörde kann jedoch die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Auch dem Verwaltungsgericht steht es – unter den genannten Voraussetzungen – offen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen (§22 Abs2 VwGVG). Entscheidungen über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung können sowohl von der Verwaltungsbehörde als auch vom Verwaltungsgericht geändert werden (§13 Abs4, §22 Abs3 VwGVG).

 

3.2. §22 Abs2 erster Satz FMABG ordnet in Abweichung von der (grundsätzlichen) Bestimmung des §13 Abs1 und 2 VwGVG an, dass Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde und Vorlageanträgen, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, keine aufschiebende Wirkung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht kann allerdings gemäß §22 Abs2 zweiter Satz FMABG der Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung – nach Anhörung der Finanzmarktaufsichtsbehörde – zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. In diesem Fall ist der Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Wenn sich die Voraussetzungen, die für den Beschluss über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

 

Die Materialien erläutern (ErlRV 2196 BlgNR, 24. GP , 3) hiezu wie folgt:

 

'Behördliche Maßnahmen im Finanzmarkt bedürfen einer erhöhten Effektivität und Durchsetzungskraft; sie müssen insbesondere rasch ergriffen und unverzüglich vollzogen werden können. Eine grundsätzlich aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln nach nationalem Verfahrensrecht birgt die Gefahr, dass durch eine verspätet vollziehbare Aufsichtsmaßnahme das vorgegebene Regulierungsziel nicht mehr erreichen kann. Es sind daher für den Bereich des Finanzmarktes in AVG-Verfahren besondere verfahrensrechtliche Regelungen erforderlich. Der Beschwerde gegen einen Bescheid der FMA kann vom Bundesverwaltungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden.

 

[…]

 

Während bisher gemäß §22 Abs2 FMABG gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) nach dem AVG keine Berufung zulässig ist, wird künftig auch gegen solche Bescheide der FMA ausnahmslos das Verwaltungsgericht des Bundes mit Beschwerde angerufen werden können. Wiewohl für das Verfahrensrecht vor dem Verwaltungsgericht des Bundes aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 ein eigenes Bundesgesetz erlassen wird, sieht Art136 Abs2 B‑VG vor, dass in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen verfahrensrechtliche Regelungen getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Damit soll materienspezifischen Besonderheiten u.a. durch die Erlassung von sonderverfahrensrechtlichen Regelungen Rechnung getragen werden.

 

Mit der vorgeschlagenen Novelle des FMABG wird von der verfassungsrechtlich eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht, für den Bereich der Finanzmarktaufsicht eigene verfahrensrechtliche Regelungen zu schaffen. Damit soll vor allem auf die Besonderheiten der europarechtlich determinierten Aufsicht über den Finanzmarkt reagiert werden.

 

Zu diesen Besonderheiten zählt: Der Finanzmarkt ist im Vergleich zur Gesamtwirtschaft auch unter optimalen regulatorischen Bedingungen besonders volatil. Behördliche Maßnahmen auf diesem Markt (zum Beispiel die Bestellung eines Regierungskommissärs, die Untersagung der Geschäftsleitung, der Entzug der Konzession, die Untersagung von Kapital- und Gewinnentnahmen sowie diese Maßnahmen vorbereitende bescheidförmige Auskunftsersuchen etc.) bedürfen dementsprechend einer erhöhten Effektivität und Durchsetzungskraft; sie müssen insbesondere rasch ergriffen und unverzüglich vollzogen werden können.

 

Aufgrund der Lehren aus der letzten Finanzmarktkrise muss im Bereich der Finanzmarktaufsicht effektiv sowohl durch rasch ergriffene und unverzüglich vollzogene als auch europaweit gleichermaßen gesetzte Maßnahmen gehandelt werden. Beides zählt zu den wesentlichen Regulierungszielen des jüngsten europäischen Finanzmarktrechtes. Zu diesem Zweck wird die europäische Finanzmarktregulierung zunehmend durch national unmittelbar anwendbares, europaweit vollharmonisiertes Verordnungsrecht gesetzt. Im Sinne des sogenannten single rule book hat die FMA im Einklang mit ihren europäischen Schwesterbehörden sowohl europäische Verordnungen mit Gesetzescharakter als auch solche ohne Gesetzescharakter – sogenannte Durchführungsverordnungen – zu vollziehen. Eine grundsätzlich aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln nach nationalem Verfahrensrecht birgt in diesem Zusammenhang die Gefahr, die genannten Regulierungsziele zu vereiteln, indem eine verspätet vollziehbare Aufsichtsmaßnahme das europarechtlich vorgegebene Regulierungsziel aufgrund der Volatilität des Finanzmarktes nicht mehr erreichen kann oder zumindest das Ziel eines gleichmäßiges aufsichtsrechtlichen Vorgehens in ganz Europa untergräbt. Eine solche Folge wäre als Verstoß gegen das europäische Effektivitätsprinzip in Gestalt des Vereitelungsverbots zu werten.

 

Der liberalisierte Binnenmarkt hat im Finanzsektor zu besonders starken Verflechtungen geführt. Diese Entwicklung schlägt sich in einer zunehmend gemeinsamen Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungen, Wertpapierfirmen etc. durch die nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen von Aufsichtskollegien nieder. Könnte eine Maßnahme, die europaweit in Aufsichtskollegien abgestimmt ist, je nach der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gemäß dem jeweiligen nationalen Verfahrensrecht nur unterschiedlich effektiv vollzogen werden, würde die gemeinsame Beaufsichtigung und das ihr zugrunde liegende vollharmonisierte Aufsichtsrecht ineffektiv werden. Mithin gilt es, eine mögliche Regulierungsarbitrage zu verhindern. Nur wenn eine Aufsichtsmaßnahme grundsätzlich unabhängig von den jeweiligen nationalen Rechtsmitteln vollzogen werden kann, was der Rechtslage in den meisten europäischen Jurisdiktionen entspricht, kann ein Konflikt mit dem Grundsatz der rechtlichen Vollharmonisierung im europäischen Finanzbinnenmarkt und dem damit verfolgten Ziel, Regulierungs- und Aufsichtsarbitrage zu verhindern, vermieden werden.

 

Unter diesen Gesichtspunkten sind für den Bereich des Finanzmarktes in AVG-Verfahren besondere verfahrensrechtliche Regelungen erforderlich.

 

[…]

 

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung wird die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen Bescheide der FMA (ebenso wie von nachfolgenden Vorlageanträgen) an das Verwaltungsgericht des Bundes kraft Gesetzes ausgeschlossen, die nach den Vorschriften des AVG erlassen worden sind.

 

Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung soll den einleitend dargestellten Bedürfnissen der erhöhten Effektivität und sofortigen Durchsetzungsfähigkeit von Bescheiden der FMA im Hinblick auf den hoch volatilen Verwaltungsgegenstand und die europäische Harmonisierung der Regulierungsverwaltung in Finanzaufsichtsangelegenheiten Rechnung getragen werden. Diesen Bedürfnissen werden die allgemeinen Regelungen nicht hinreichend gerecht.

 

Für den gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung finden sich in der österreichischen Rechtsordnung bereits zahlreiche Beispiele (vgl. §12 Abs2 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, §320 Abs3 Bundesvergabegesetz 2006, §12 Abs3 Waffengesetz 1996, §39 Abs6 VStG und §56 Abs2 Arbeitslosenversicherungsgesetz).

 

Zur Wahrung des rechtsstaatlichen Prinzips wird dem Verwaltungsgericht des Bundes die Möglichkeit eingeräumt, die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen Bescheide – einschließlich bescheidmäßiger Beschwerdevorentscheidungen – auf Antrag im Einzelfall zuzuerkennen, wenn nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes ist die gesetzgeberische Wertung verbunden, dass das Interesse am Vollzug des angefochtenen Bescheides regelmäßig überwiegt.

 

Die Möglichkeit einer neuerlichen Entscheidung über die aufschiebende Wirkung durch das Verwaltungsgericht des Bundes wird für den Fall verankert, dass sich die Entscheidungsvoraussetzungen maßgeblich geändert haben.'

 

3.3. Gemäß Art136 Abs2 letzter Satz B‑VG können durch Bundes- oder Landesgesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich – im Sinne von 'unerlässlich' – sind oder soweit das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als kodifizierendes Bundesgesetz im Sinne des Art136 Abs2 B‑VG dazu ermächtigt. Eine solche Ermächtigung ist mangels einer vom Gesetzgeber beabsichtigten umfassenden Freistellung von der Prüfung am Erforderlichkeitsmaßstab nicht in §58 Abs2 und 3 VwGVG zu erblicken (VfSlg 19.905/2014, 19.921/2014, 19.922/2014, 19.969/2015). Die für abweichende Regelungen in einem Materiengesetz erforderliche 'Unerlässlichkeit' kann sich aus besonderen Umständen oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben (VfSlg 19.969/2015, 20.008/2015).

 

3.4. Darüber hinaus geht der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art11 Abs2 und Art136 Abs2 B‑VG davon aus, dass von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, wie etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen (vgl. VfSlg 15.218/1998, 17.346/2004, 19.921/2014, 19.922/2014, 19.969/2015, 20.008/2015).

 

3.4.1. Der Verfassungsgerichtshof führte im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit der von den allgemeinen Verfahrensgesetzen abweichenden Regelungen über die aufschiebende Wirkung aus, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der vorläufigen Wirkung zulässiger Rechtsmittel bis zur Entscheidung darüber neben der Stellung des Rechtsmittelwerbers auch Zweck und Inhalt der Regelung, die Interessen Dritter sowie das öffentliche Interesse zu berücksichtigen hat und unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich schaffen muss, wobei dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes der Vorrang zukommt und die Einschränkung dieses Grundsatzes nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist (VfSlg 11.196/1986, 13.003/1992, 15.511/1999, 16.460/2002, 17.346/2004, 18.383/2008, 19.969/2015). Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes beziehen sich diese Vorgaben auf alle Arten behördlicher Verfahren (VfSlg 17.346/2004).

 

3.4.2. Nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes scheint der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §22 Abs2 FMABG dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit zu widersprechen, als der Gesetzgeber bei der Erlassung dieser Bestimmung dem Interesse des einzelnen Betroffenen, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, nicht hinreichend Rechnung getragen haben dürfte (vgl. auch VfSlg 19.921/2014). Dies folgt nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere daraus, dass §22 FMABG einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde entgegenstehen dürfte: Eine Entscheidung darüber kann gemäß §22 Abs2 FMABG nur das Bundesverwaltungsgericht fällen, womit dem Betroffenen offenbar erst nach der Vorlage der Beschwerde und Anhörung der Finanzmarktaufsichtsbehörde – nicht jedoch bereits im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens – einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden kann. Es wird zu prüfen sein, ob diese Bestimmungen den Rechtsschutzinteressen des Betroffenen hinreichend Rechnung tragen.

 

3.5. Darüber hinaus geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass §22 Abs2 FMABG den Grundsatz des §13 Abs1 VwGVG umkehrt, wonach einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht grundsätzlich (wenn die Verwaltungsbehörde die aufschiebende Wirkung nicht gemäß §13 Abs2 VwGVG ausschließt) die aufschiebende Wirkung zukommt. Der Verfassungsgerichtshof hat das vorläufige Bedenken, dass diese Bestimmung des §22 Abs2 FMABG vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art136 Abs2 B‑VG bzw. Art11 Abs2 B‑VG nicht als 'unerlässliche' Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen anzusehen ist.

 

3.6. Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass es – wie etwa der vorliegende Beschwerdefall zeigt – zahlreiche Sachverhalte gibt, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiegt. §22 Abs2 FMABG erfasst allerdings – abseits der Strafverfahren – Beschwerden gegen jegliche Entscheidungen der Finanzmarktaufsichtsbehörde, darunter auch solche, die nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes mit keiner besonderen Dringlichkeit verbunden sind (wie etwa Kostenbescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde gemäß §19 Abs5 FMABG oder Zinsvorschreibungen gemäß §97 BWG).

 

Der Verfassungsgerichtshof wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu klären haben, ob bestimmte Konstellationen im Verfahren vor der Finanzmarktaufsichtsbehörde (vgl. dazu etwa VfSlg 19.969/2015) eine Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen als unerlässlich erscheinen lassen können.

 

4. An diesen Erwägungen scheint auch der vom Gesetzgeber in den Materialien dargelegte unionsrechtliche Hintergrund des Finanzmarktaufsichtsrechts nichts zu ändern: Zum einen dürfte sich der grundsätzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß §22 Abs2 FMABG auch auf vom Unionsrecht nicht erfasste Verfahren der Finanzmarktaufsichtsbehörde beziehen, zum anderen scheint das Unionsrecht – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union – der Zuerkennung einstweiligen Rechtsschutzes nicht prinzipiell entgegen zu stehen. Vielmehr herrscht auch im Unionsrecht der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes (vgl. EuGH 19.6.1990, Rs. C‑213/89, Factortame, Slg. 1990, I‑2433; 21.2.1991, verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89, Süderdithmarschen, Slg. 1991, I‑415; 13.3.2007, Rs. C‑432/05, Unibet, Slg. 2007, I‑2271)."

 

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original; Fußnoten sind in eckigen Klammern ausgewiesen):

"I. Anlassbeschwerdeverfahren und Rechtslage

a) Anlassverfahren

 

[…]

 

b) Zur Rechtslage

 

§22 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes – FMABG, BGBl I Nr 97/2001, in der Fassung BGBl I Nr 149/2017, lautet auszugsweise (der in Prüfung gezogene Abs2 – in der Fassung BGBl I Nr 70/2013 – ist hervorgehoben):

 

[…]

 

II. Zur Zulässigkeit

 

Für die Bundesregierung sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung sprechen würden.

 

III. In der Sache

a) Zu den Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip und Art136 Abs2 B‑VG

 

Der Verfassungsgerichtshof hegt einerseits das Bedenken, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §22 Abs2 FMABG dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit zu widersprechen scheine, als der Gesetzgeber bei der Erlassung dieser Bestimmung dem Interesse des einzelnen Betroffenen, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, nicht hinreichend Rechnung getragen haben dürfte (vgl. auch VfSlg 19.921/2014). Dies folge nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere daraus, dass §22 FMABG einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die FMA entgegenstehen dürfte: Eine Entscheidung darüber könne gemäß §22 Abs2 FMABG nur das Bundesverwaltungsgericht fällen, womit dem Betroffenen offenbar erst nach der Vorlage der Beschwerde und Anhörung der FMA – nicht jedoch bereits im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens – einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könne. Es werde im Gesetzesprüfungsverfahren zu prüfen sein, ob diese Bestimmungen den Rechtsschutzinteressen des Betroffenen hinreichend Rechnung tragen.

 

Andererseits hegt der Verfassungsgerichtshof auch das Bedenken, dass §22 Abs2 FMABG den Grundsatz des §13 Abs1 VwGVG umkehre, wonach einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht grundsätzlich (wenn die Verwaltungsbehörde die aufschiebende Wirkung nicht gemäß §13 Abs2 VwGVG ausschließt) die aufschiebende Wirkung zukomme. Der Verfassungsgerichtshof hat das vorläufige Bedenken, dass diese Bestimmung des §22 Abs2 FMABG vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art136 Abs2 B‑VG bzw. Art11 Abs2 B‑VG nicht als 'unerlässliche' Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen anzusehen sei.

 

Der Verfassungsgerichtshof übersehe nicht, dass es – wie etwa der vorliegende Beschwerdefall (Anlassfall) zeige – zahlreiche Sachverhalte gebe, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der FMA das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiege. §22 Abs2 FMABG erfasse allerdings – abseits der Strafverfahren – Beschwerden gegen jegliche Entscheidungen der FMA, darunter auch solche, die nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes mit keiner besonderen Dringlichkeit verbunden seien (wie etwa Kostenbescheide der FMA gemäß §19 Abs5 FMABG oder Zinsvorschreibungen gemäß §97 BWG).

 

Der Verfassungsgerichtshof werde im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu klären haben, ob bestimmte Konstellationen im Verfahren vor der FMA (vgl. dazu etwa VfSlg 19.969/2015) eine Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen als unerlässlich erscheinen lassen können.

 

An diesen Erwägungen scheine – nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes – auch der vom Gesetzgeber in den Materialien dargelegte unionsrechtliche Hintergrund des Finanzmarktaufsichtsrechtes nichts zu ändern: Zum einen dürfte sich der grundsätzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß §22 Abs2 FMABG auch auf vom Unionsrecht nicht erfasste Verfahren der FMA beziehen, zum anderen scheine das Unionsrecht – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union – der Zuerkennung einstweiligen Rechtsschutzes nicht prinzipiell entgegenzustehen. Vielmehr herrsche auch im Unionsrecht der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes (vgl. EuGH 19.6.1990, Rs. C‑213/89, Factortame, Slg. 1990, I‑2433; 21.2.1991, verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89, Süderdithmarschen, Slg. 1991, I‑415; 13.3.2007, Rs. C‑432/05, Unibet, Slg. 2007, I‑2271).

 

b) Allgemeine Vorbemerkungen

 

Einleitend weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 11.564/1987 (besondere bergbehördliche Aufsicht) und 15.351/1998 (Austro Control GmbH als mit behördlichen Aufgaben beliehener Rechtsträger) bezüglich einer speziellen Aufsicht und den besonderen Gefahren, die mit bestimmten Gebieten verbunden seien, sowie hinsichtlich des Vorliegens einer eigenen Gebührenregelung oder Kostentragungsregelung ohne Weiteres auch auf die mit Verfassungsbestimmung eingerichtete FMA übertragen werden können. In den zitierten Erkenntnissen wurden die (abweichenden) Sonderverfahrensregelungen vom Verfassungsgerichtshof im Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften als notwendig im Sinne von 'unerlässlich' qualifiziert.

 

Nach Ansicht der Bundesregierung wären die gleichen Erwägungen daher bei der ebenfalls mit behördlichen Aufgaben beliehenen FMA möglich. Bei der FMA (früher BWA: VfSlg 16.400/2001) handelt es sich um eine spezielle Allfinanzaufsichtsbehörde, die besonderen Gefahren auf dem Gebiet des Finanzmarktes begegnet, und die darüber hinaus wie in VfSlg 11.564/1987 (besondere bergbehördliche Aufsicht) und 15.351/1998 (Austro Control GmbH als mit behördlichen Aufgaben beliehener Rechtsträger) gleichfalls eine besondere Gebührenregelung (§19 Abs10 FMABG in Verbindung mit der FMA-Gebührenverordnung – FMA-GebV, BGBl II Nr 230/2004 in der Fassung BGBl II Nr 206/2017) hat. Es gibt auch im Sonderbereich des Finanzmarktaufsichtsrechtes eine spezielle Kostentragungsregelung in §19 FMABG für die Beaufsichtigten (VfSlg 16.641/2002).

 

c) Besondere Erwägungen

 

Zu den (vorläufigen) Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wird seitens der Bundesregierung Folgendes ausgeführt:

 

Der Verfassungsgesetzgeber hat bei der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit Art136 Abs2 B‑VG [BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 51/2012 (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) idF BGBl I Nr 138/2017.] dem Bundesgesetzgeber die Erlassung eines einheitlichen Verfahrensgesetzes für die Verwaltungsgerichte aufgetragen. Diesem Auftrag ist der Bundesgesetzgeber durch die Erlassung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) [BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 138/2017.] nachgekommen. Gemäß Art136 Abs2 dritter Satz B‑VG dürfen durch Bundes- oder Landesgesetz aber vom VwGVG abweichende Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte insbesondere dann getroffen werden, 'wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind'.

 

Betreffend das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung gibt das VwGVG grundsätzlich Folgendes vor: Gemäß §13 Abs1 und 2 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG aufschiebende Wirkung (zum Vorlageantrag vgl. §15 VwGVG). Die Behörde kann jedoch die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Auch dem Verwaltungsgericht steht es – unter den genannten Voraussetzungen – offen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen (§22 Abs2 VwGVG). Entscheidungen über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung können sowohl von der Verwaltungsbehörde als auch vom Verwaltungsgericht geändert werden (§13 Abs4 und §22 Abs3 VwGVG).

 

Der in Prüfung gezogene §22 Abs2 erster Satz FMABG [BGBl I Nr 97/2001 idF BGBl I Nr 70/2013.] ordnet hingegen an, dass Beschwerden gegen Bescheide der FMA (und Vorlageanträgen), ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, keine aufschiebende Wirkung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht kann allerdings gemäß §22 Abs2 zweiter Satz FMABG der Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag auf Antrag die aufschiebende Wirkung – nach Anhörung der FMA – zuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. In diesem Fall ist der Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und sind die hierzu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Wenn sich die Voraussetzungen, die für den Beschluss über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

 

Nachdem §22 Abs2 FMABG insoweit eine abweichende Regelung zu §13 bzw. §15 VwGVG trifft, wird der Verfassungsgerichtshof im Gesetzesprüfungsverfahren prüfen, ob §22 Abs2 FMABG 'zur Regelung des Gegenstandes' im Sinne des Art136 Abs2 B‑VG 'erforderlich' ist. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entspricht das Kriterium, dass durch Bundes- oder Landesgesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden können, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind, jenem des Art11 Abs2 letzter Halbsatz B‑VG (z.B. VfSlg 19.921/2014). Vom VwGVG abweichende Regelungen dürfen daher nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes 'unerlässlich' sind (vgl. hierzu die Rechtsprechung beginnend mit VfSlg 8945/1980, 10.097/1984, 11.564/1987, 13.831/1994, 15.351/1998 u.a.).

 

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt nach seiner vorläufigen Ansicht vor dem Hintergrund der Judikatur zu Art136 Abs2 B‑VG bzw. Art11 Abs2 B‑VG die Unerlässlichkeit der in §22 Abs2 FMABG normierten Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen. Diesem vorläufigen Bedenken und den weiteren Bedenken des Verfassungsgerichtshofes wird von der Bundesregierung nachfolgend entgegengetreten und die Verfassungskonformität des §22 Abs2 FMABG wie folgt begründet:

 

1. Besondere Umstände

 

Die für abweichende Regelungen in einem Materiengesetz erforderliche 'Unerlässlichkeit' kann sich aus besonderen Umständen oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben. [Z.B. VfSlg 19.969/2015, 20.008/2015.] Wie in den Erläuterungen (vgl. ErlRV 2196 BlgNR XXIV. GP 3) festgehalten wird, erkennt der Materiengesetzgeber die 'besonderen Umstände' für die im FMABG getroffene abweichende Regelung im Finanzmarkt selbst. Dieser sei 'im Vergleich zur Gesamtwirtschaft auch unter optimalen regulatorischen Bedingungen besonders volatil. Behördliche Maßnahmen auf diesem Markt (zum Beispiel die Bestellung eines Regierungskommissärs, die Untersagung der Geschäftsleitung, der Entzug der Konzession, die Untersagung von Kapital- und Gewinnentnahmen sowie diese Maßnahmen vorbereitende bescheidförmige Auskunftsersuchen etc.) bedürfen dementsprechend einer erhöhten Effektivität und Durchsetzungskraft; sie müssen insbesondere rasch ergriffen und unverzüglich vollzogen werden können.' Insbesondere '[a]ufgrund der Lehren aus der letzten Finanzmarktkrise muss im Bereich der Finanzmarktaufsicht effektiv sowohl durch rasch ergriffene und unverzüglich vollzogene als auch europaweit gleichermaßen gesetzte Maßnahmen gehandelt werden. Beides zählt zu den wesentlichen Regulierungszielen des jüngsten europäischen Finanzmarktrechtes.' [Hervorhebungen nicht im Original.]

 

Das Bedürfnis nach einer durchsetzungskräftigen Aufsichtsbehörde im Bereich des Finanzmarktes wurde bereits im Zuge der Schaffung des FMABG und der FMA vom Gesetzgeber betont: '[Das] materielle Aufsichtsrecht [wird] in einigen Punkten geändert, bei denen sich in der Vollziehung Defizite gezeigt haben. Zielsetzung hierbei ist die erhöhte Schnelligkeit und Durchsetzbarkeit aufsichtsrechtlicher Maßnahmen. […] Schließlich wird die aufsichtsrechtliche Verfahrenszuständigkeit, die Vollstreckungskompetenz und die Verwaltungsstrafzuständigkeit bei einer Behörde zusammengeführt. Damit erhält die FMA erhebliche Autorität und Durchsetzungskraft.' [(Hervorhebungen nicht im Original) ErlRV 641 BlgNR XXI. GP 65.]

 

Dementsprechend hatte der Gesetzgeber in Bezug auf den Rechtsschutz gegen Aufsichtsbescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde folgende Rechtslage vor Augen:

 

Nach der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage war gemäß der Sonderverfahrensbestimmung des §22 Abs2 FMABG eine Berufung gegen Bescheide der FMA – ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen – nicht zulässig. [Vgl. §22 Abs2 FMABG idF BGBl I Nr 97/2001.] Bescheide der FMA waren damit – mit Ausnahme von Verwaltungsstraferkenntnissen, gegen die eine Berufung mit aufschiebender Wirkung [Vgl. §22 Abs2 FMABG idF BGBl I Nr 97/2001.] beim UVS Wien erhoben werden konnte – mit Erlassung formell rechtskräftig und somit grundsätzlich, soweit sie einem Vollzug zugänglich waren, auch sofort vollstreckbar. Den Betroffenen stand lediglich das außerordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof offen, wobei diese Beschwerde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden werden konnte.

 

Mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz änderte sich das Rechtsschutzgefüge grundlegend. [Vgl. die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I Nr 51/2012) sowie die im Zuge dieser ergangenen Sonderverfahrensbestimmungen, insbesondere das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – BMF (BGBl I Nr 70/2013), welche mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten sind.] Nunmehr können sich Adressaten sowohl von Verwaltungsstraferkenntnissen als auch AVG-Bescheiden der FMA vor dem Bundesverwaltungsgericht beschweren. Nach wie vor wird in von der FMA geführten AVG-Verfahren aber die Automatik des Aufschubs der Wirkung ausgeschlossen.

 

Dieser Aufschub kann aber auf Antrag vom Bundesverwaltungsgericht gewährt werden. [Durch den in Prüfung gezogenen §22 Abs2 FMABG wird lediglich die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vom Verwaltungsgerichtshof und/oder Verfassungsgerichtshof auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert.] Die grundsätzliche Beibehaltung der Regelung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf Bescheide der FMA stellte einen Kernpunkt des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes-BMF dar. [Vgl. ErlRV 2196 BlgNR XXIV. GP 3 f.]

 

2. Regelungszusammenhang

 

Des Weiteren skizziert der Materiengesetzgeber auch den vom Verfassungsgerichtshof in seiner einschlägigen Rechtsprechung eingeforderten 'Regelungszusammenhang', aus dem sich die verfahrensrechtliche Abweichung im FMABG zu ergeben hat:

 

'[Um die Regulierungsziele des jüngsten europäischen Finanzmarktrechtes zu erreichen,] wird die europäische Finanzmarktregulierung zunehmend durch national unmittelbar anwendbares, europaweit vollharmonisiertes Verordnungsrecht gesetzt. Im Sinne des sogenannten single rule book hat die FMA im Einklang mit ihren europäischen Schwesterbehörden sowohl europäische Verordnungen mit Gesetzescharakter als auch solche ohne Gesetzescharakter – sogenannte Durchführungsverordnungen – zu vollziehen. Eine grundsätzlich aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln nach nationalem Verfahrensrecht birgt in diesem Zusammenhang die Gefahr, die genannten Regulierungsziele zu vereiteln, indem eine verspätet vollziehbare Aufsichtsmaßnahme das europarechtlich vorgegebene Regulierungsziel aufgrund der Volatilität des Finanzmarktes nicht mehr erreichen kann oder zumindest das Ziel eines gleichmäßige[n] aufsichtsrechtlichen Vorgehens in ganz Europa untergräbt. Eine solche Folge wäre als Verstoß gegen das europäische Effektivitätsprinzip in Gestalt des Vereitelungsverbots zu werten.

Der liberalisierte Binnenmarkt hat im Finanzsektor zu besonders starken Verflechtungen geführt. Diese Entwicklung schlägt sich in einer zunehmend gemeinsamen Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungen, Wertpapierfirmen etc. durch die nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen von Aufsichtskollegien nieder. Könnte eine Maßnahme, die europaweit in Aufsichtskollegien abgestimmt ist, je nach der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gemäß dem jeweiligen nationalen Verfahrensrecht nur unterschiedlich effektiv vollzogen werden, würde die gemeinsame Beaufsichtigung und das ihr zugrunde liegende vollharmonisierte Aufsichtsrecht ineffektiv werden. Mithin gilt es, eine mögliche Regulierungsarbitrage zu verhindern. Nur wenn eine Aufsichtsmaßnahme grundsätzlich unabhängig von den jeweiligen nationalen Rechtsmitteln vollzogen werden kann, was der Rechtslage in den meisten europäischen Jurisdiktionen entspricht, kann ein Konflikt mit dem Grundsatz der rechtlichen Vollharmonisierung im europäischen Finanzbinnenmarkt und dem damit verfolgten Ziel, Regulierungs- und Aufsichtsarbitrage zu verhindern, vermieden werden.' [(Hervorhebungen nicht im Original) ErlRV 2196 BlgNR XXIV. GP 3 f.]

 

2.1. Unionsrechtlicher Regelungszusammenhang

 

Vor diesem schon in den Materialien skizzierten unionsrechtlichen Hintergrund soll auch und insbesondere auf das von der Europäischen Kommission an die Republik Österreich gerichtete Auskunftsersuchen Nr 8646/16/FISM bezüglich Rechtsmittel gegen Entscheidungen der österreichischen FMA hingewiesen werden. [Siehe Beilage ./1.] Die Europäische Kommission hat in diesem Verfahren die Republik Österreich um eine Stellungnahme ersucht, wie Österreich die Bestimmungen über Rechtsmittel gegen Entscheidungen und Maßnahmen umsetzt und durchführt, die in Anwendung der CRD IV [Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG , ABl. Nr L 176 vom 27.06.2013, S. 338 ff (CRD IV).] und CRR [Verordnung (EU) Nr 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 646/2012/EU, ABl. Nr L 176 vom 27.06.2013, S. 1 ff (CRR).] getroffen wurden. Solche Rechtsmittel sind in Art72 CRD IV vorgesehen. Die Europäische Kommission ist davon ausgegangen, dass Art72 CRD IV durch §22 Abs2 FMABG in Verbindung mit §73 Abs1 AVG umgesetzt worden sei.

 

Drei der vier Fragen, die der Republik Österreich von der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang gestellt worden sind, betrafen das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung. Es wurde der Europäischen Kommission die derzeit geltende Rechtslage gemäß §22 Abs2 FMABG, nach der Bescheiden, die in einem AVG-Verfahren erlassen werden, ex lege keine (automatische) aufschiebende Wirkung zukommt, ausführlich dargelegt. [Siehe Beilage ./1.] Auf Grund der österreichischen Stellungnahme wurde das Verfahren eingestellt, die österreichische Rechtslage somit als unionsrechtskonform bestätigt. [Siehe Beilage ./2.]

 

Damit wird seitens der Europäischen Kommission als 'Hüterin des Unionsrechtes' zweierlei ausgesagt: §22 Abs2 FMABG stellt erstens eine Umsetzung unionsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere in Anwendung der CRD IV und CRR, dar und genügt zweitens auch den unionsrechtlichen Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes. Dies schließt – auch im Sinne der vorläufigen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes zum Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes im Prüfungsbeschluss – die Möglichkeit der Zuerkennung einstweiligen Rechtsschutzes mit ein. Eine Automatik der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen AVG-Bescheide der FMA wird aber weder vom Unionsrecht noch vom rechtsstaatlichen Prinzip (auf welches in der Folge noch näher eingegangen wird) gefordert.

 

Vielmehr stellt sich vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Rechtsschutzsystems die Frage, ob die in §22 Abs2 FMABG normierte Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nur mit dem Unionsrecht vereinbar, sondern vielmehr (zwingend) geboten ist.

 

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, das System des europäischen Provisorialrechtsschutzes dar- und dem System des §22 Abs2 FMABG gegenüberzustellen. Gemäß Art278 AEUV haben Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. [Wegener in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) AEUV Art278, 279 Rz 2; Blanke in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) GRCh Art47 Rz 9; Stoll/Rigod in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg), Das Recht der Europäischen Union (50. Ergänzungs-Lfg 2013) AEUV Art278 Rz 1; Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rn 1; Wägenbaur in Leible/Terhechte (Hg), Enzyklopädie Europarecht, Europäisches Rechtschutz- und Verfahrensrecht, Band 3 (2014) §7 R 27 und 119; Bast in Leible/Terhechte (Hg), Enzyklopädie Europarecht, Europäisches Rechtschutz- und Verfahrensrecht, Band 3 (2014) §35 Rz 43.] Der einstweilige Rechtsschutz kann nur durch den Gerichtshof bzw. Unionsrichter im Einzelfall gewährt werden, wenn dieser es 'den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung auszusetzen oder in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen'. [Siehe z.B. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23.02.2001, Rs. C‑445/00 R Republik Österreich/Rat, Rn 71.] Dieser grundsätzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden im System des europäischen Rechtsschutzes basiert auf dem Grundsatz, dass Rechtshandlungen der Unionsorgane solange Bestand haben und vollzogen werden können, bis sie für nichtig erklärt werden. [Ehrike in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rn 1.]

 

Der EuGH hat in seiner Judikatur bestimmte Prinzipien zum unionsrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz entwickelt, die sowohl bei der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht als auch beim mittelbaren Vollzug von Unionsrecht [Zu den Begrifflichkeiten Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht6 (2017) Rz 109 f, wonach '[d]ie Anwendung des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche Gerichte und Verwaltungsbehörden […] üblicherweise als unmittelbarer Vollzug von Unionsrecht bezeichnet' wird und '[u]nter mittelbarem Vollzug von Unionsrecht […] die Anwendung von staatlichen Rechtsvorschriften, die in Durchführung von Unionsrecht erlassen wurden' verstanden wird.] durch Behörden oder Gerichte der Mitgliedstaaten Geltung entfalten. Dabei geht der EuGH in ständiger Rechtsprechung von der Grundprämisse aus, dass das Primärrecht ein umfassendes Rechtsschutzsystem enthält, in dem keine der Handlungen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten einer Rechtskontrolle prinzipiell entzogen sein können. [Wegener in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) EUV Art19 Rz 42.] Ein wesentliches Prinzip, das der EuGH auch dem einstweiligen Rechtsschutz zu Grunde legt, ist der Effektivitätsgrundsatz ('effet utile'). [Blanke in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) GRCh Art47 Rz 8; Stoll/Rigod in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg), Das Recht der Europäischen Union (50. Ergänzungs-Lfg 2013) AEUV Art278 Rz 2.]

 

In der Rechtssache Süderdithmarschen [EuGH 21.02.1991, verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89 Zuckerfabrik Süderdithmarschen.] stellte der EuGH fest, dass die unterschiedliche Ausgestaltung nationaler Verfahrensvorschriften die einheitliche Anwendung des Unionsrechtes gefährden kann. [Verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89 Süderdithmarschen Rz 25.] Ebenso kam der EuGH zum Schluss, dass die einheitliche Anwendung des Unionsrechtes ein Grunderfordernis der Unionsrechtsordnung sei und daher für die Aussetzung der Vollziehung von auf einer Unionsverordnung beruhenden Verwaltungsakten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch dann in allen Mitgliedstaaten einheitliche Regeln gelten müssen, wenn das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich der Antragstellung und der Sachverhaltsdarstellung dem nationalen Verfahrensrecht unterliegt. [Verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89 Süderdithmarschen Rz 26.] Mit dem Hinweis darauf, dass die einstweilige Aussetzung bekämpfter Verwaltungsakte nach nationalem Recht der Befugnis des EuGH gemäß Art185 des Vertrages (jetzt Art278 AEUV) entspreche, legte der EuGH fest, dass nationale Gerichte die Vollziehung von Verwaltungsakten, die auf einer Unionsverordnung beruhen, nur unter den Voraussetzungen aussetzen können, die für den EuGH nach den Verträgen gelten. [Verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89 Süderdithmarschen Rz 27.]

 

Der EuGH ergänzte diese einheitlichen Regeln mit der Verpflichtung der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirkung des Unionsrechtes sicherzustellen und zu prüfen, ob der fraglichen Unionsverordnung nicht jede praktische Wirksamkeit genommen wird, wenn sie nicht sofort angewandt wird. [Verb. Rs. C‑143/88, C‑92/89 Süderdithmarschen Rz 30 und 31.] Diese Grundsätze bestätigte der EuGH in der Rechtssache Atlanta Fruchthandelsgesellschaft [EuGH 09.11.1995, Rs. C‑465/93 Atlanta Fruchthandelsgesellschaft mbH u.a.], wobei er dabei die Abwägung des Effektivitätsgrundsatzes dadurch ergänzte, dass nationale Gerichte auch die Beeinträchtigung zu berücksichtigen haben, die von der Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes für die in der gesamten Gemeinschaft eingeführte rechtliche Regelung des Unionsrechtes ausgeht. [Rs. C‑465/93 Atlanta Fruchthandelsgesellschaft Rz 44.]

 

Die Rechtsprechung zu den Grundprinzipien des unionsrechtlichen Provisorialrechtsschutzes hat der EuGH auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon beibehalten. In der Rechtssache ABNA [EuGH 06.12.2005, verb. Rs. C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04 ABNA Ltd, Fratelli Martini & C. SpA, Ferrari Mangimi Srl und Nederlandse Vereniging Diervoederindustrie (Nevedi).]wiederholte er die Bedeutung des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes und die Geltung einheitlicher, dem Unionsrecht entstammender Regeln bei der Anwendung nationaler Verfahrensvorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz gegen Verwaltungsrechtsakte nationaler Behörden, die auf Unionsrecht beruhen. [Verb. Rs. C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04 ABNA Rz 104 und 106.] Dazu führte er aus, dass Verwaltungsbehörden unter bestimmten Umständen gar nicht in der Lage sind, einstweiligen Rechtsschutz unter Einhaltung der Voraussetzungen, die der EuGH aus dem Unionsrecht ableitet, zu erlassen. [Verb. Rs. C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04 ABNA Rz 108 und 109. Insbesondere verwies der EuGH auf das Ausmaß an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und den Grundsatz eines kontradiktorischen Verfahrens, der es ermöglicht, die Interessen der Betroffenen gegeneinander abzuwiegen.] Auch die Entscheidung in der Rechtssache Unibet [EuGH 13.03.2007, Rs. C‑432/05 Unibet (London) Ltd und Unibet (International) Ltd.]hat an der ständigen Rechtsprechung des EuGH nichts geändert. [Rs. C‑432/05 Unibet (London) Ltd und Unibet (International) Ltd Rz 79.]

 

Im Einzelfall kann der Grundsatz der Effektivität des EU-Rechtes somit durchaus auch zu Lasten des Einzelnen gehen und bei zeitnah umzusetzenden Entscheidungen etwa gebieten, dass Rechtsmittel gegen belastende Entscheidungen nicht die im nationalen Recht vorgesehene aufschiebende Wirkung entfalten. [Gundel in Ehlers (Hg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten4 (2014) §27 Rz 55.]

 

Dementsprechend ist festzuhalten, dass dem Unionsrecht eine automatische aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden fremd ist. Dies manifestiert sich im Übrigen auch in jenem Bereich des unionsrechtlichen Finanzmarktaufsichtsrechtes, in dem Institutionen Aufsichtsbefugnisse gegenüber Dritten zukommen. So kommt Rechtsmittel (Beschwerde an den Beschwerdeausschuss, Klage gemäß Art263 AEUV) gegen Beschlüsse der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), mit denen Aufsichtsmaßnahmen gemäß Art24 CRA‑VO [Verordnung (EG) Nr 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. Nr L 302 vom 17.11.2009, S. 1 ff (CRA‑VO).] gesetzt oder Geldbußen gemäß Art36a CRA‑VO sowie Zwangsgelder gemäß Art36b CRA‑VO verhängt werden, ebenso wenig aufschiebende Wirkung zu wie Rechtsmittel (Beschwerde an den Beschwerdeausschuss, Klage gemäß Art263 AEUV) gegen Beschlüsse der ESMA und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) im Rahmen ihrer Befugnisse zur vorübergehenden Intervention gemäß Art40 und 41 MiFIR [Verordnung (EU) Nr 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. Nr L 173 vom 12.06.2014, S. 84 ff (MiFIR).] oder der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) im Rahmen ihrer Befugnisse zur vorübergehenden Intervention gemäß Art16 PRIIP‑VO [Verordnung (EU) Nr 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26 November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl. Nr L 352 vom 09.12.2014, S. 1 ff (PRIIP‑VO).].

 

Die SRM-VO [Verordnung (EU) Nr 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 1093/2010, ABl. Nr L 225 vom 30.07.2014, S. 1 ff (SRM‑VO).] sieht vor, dass einer Beschwerde gegen Beschlüsse des Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB) vor dem intern einzurichtenden Beschwerdeausschuss (Art85 Abs6) keine aufschiebende Wirkung zukommt, und komplettiert das Rechtsschutzsystem im Rahmen der Abwicklung von Kreditinstituten damit, dass gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses oder des SRB Klagen gemäß Art263 AEUV – und damit den allgemeinen Prinzipien des AEUV auch hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes folgend – eingebracht werden können.

 

Diesem System folgen auch die Bestimmungen (jeweils Art60 und 61) über die Erhebung von Rechtsmitteln gegen andere als die bereits genannten Beschlüsse der EBA, der ESMA und der EIOPA, die im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß der EBA-VO [Verordnung (EU) Nr 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), ABl. Nr L 331 vom 15.12.2010, S. 12 ff.] sowie der ESMA-VO [Verordnung (EU) Nr 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. Nr L 331 vom 15.12.2010, S. 84 ff.] und der EIOPA‑VO [Verordnung (EU) Nr 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), ABl. Nr L 331 vom 15.12.2010, S. 48 ff.] getroffen werden.

 

Schließlich legt Art24 Abs8 SSM‑VO [Verordnung (EU) Nr 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. Nr L 287 vom 29.10.2013, S. 63 ff (SSM‑VO).] fest, dass ein Antrag auf Überprüfung eines Rechtsaktes der Europäischen Zentralbank, ergangen im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM), beim administrativen Überprüfungsausschuss ebenfalls keine (automatische) aufschiebende Wirkung hat, und dass der EuGH die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Europäischen Zentralbank gemäß Art263 AEUV – und damit anhand der allgemeinen Prinzipien des AEUV auch hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes – zu überprüfen hat. [Erwägungsgrund 60 iVm Art24 Abs11 SSM‑VO.]

 

Dem Unionsrecht ist auch im Lichte der ständigen Rechtsprechung des EuGH – auch vor dem Hintergrund des in Art47 Grundrechtecharta kodifizierten Rechtes auf ein effektives Rechtsmittel – keine Verpflichtung zu entnehmen, dass einem Rechtsmittel gegen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten automatisch eine aufschiebende Wirkung zukommen muss. Im Gegenteil geht der EuGH davon aus, dass ein Rechtsschutzsystem, in dem einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung von Verwaltungsbehörden grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt und einstweiliger Rechtsschutz durch den Adressaten der Entscheidung im Rahmen des Rechtsmittels bei dem in der Sache zur Entscheidung berufenen Gericht beantragt werden muss, den (unionsrechtlichen) Vorgaben an die Effektivität von Rechtsmitteln entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass das Unionsrecht in der gesamten Union einheitlich angewendet und ihm nicht jede praktische Wirksamkeit genommen wird. [Vgl. z.B. EuGH 10.07.1990, Rs. C‑217/88 Kommission/Deutschland.]

 

Im System des unionsrechtlichen einstweiligen Rechtsschutzes ist neben der Notwendigkeit der Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auch die Dringlichkeit der Anordnung darzulegen. [Wegener in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) AEUV Art278, 279 Rz 19 ff; Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rz 24 ff.] Dabei hat der Antragsteller die Erforderlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zur Abwehr eines drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens darzulegen. [Wegener in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) AEUV Art278, 279 Rz 22; Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rz 31.]

 

An die Geltendmachung finanzieller Einbußen stellt der EuGH hohe Anforderungen: [Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rz 32.] Finanzielle Einbußen werden nach ständiger Rechtsprechung des EuGH als prinzipiell ausgleichsfähig behandelt, so dass es an einem Schaden fehlt, und rechtfertigen regelmäßig keine Anordnung einstweiligen Rechtsschutzes. [Wegener in Callies/Ruffert (Hg), EUV/AEUV5 (2016) AEUV Art278, 279 Rz 23; Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rz 32.] Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes werden bei finanziellen Einbußen ausnahmsweise dann zugelassen, wenn solche Einbußen zur Existenzgefährdung führen. [Ehricke in Streinz (Hg), EUV/AEUV2 (2012) AEUV Art279 Rz 32.]

 

Das System des Rechtsschutzes, das §22 Abs2 FMABG einführt, entspricht dem unionsrechtlichen Rechtsschutzsystem. [Vgl. hierzu auch nochmals Beilage ./1 und Beilage ./2 [Verfahren Nr 8646/16/FISM der Europäischen Kommission gegen Republik Österreich].] Diese Entsprechung ist für das Gesetzesprüfungsverfahren insofern von wesentlicher Bedeutung, als der EuGH in ständiger Rechtsprechung vertritt, dass die Grundprinzipien des unionsrechtlichen Provisorialrechtsschutzes auch für auf Unionsrecht beruhende Verwaltungsrechtsakte von Verwaltungsbehörden in Mitgliedstaaten gelten. Damit kommt den unionsrechtlichen Erwägungen, die den österreichischen Gesetzgeber dazu geführt haben, als er die Regelung in §22 Abs2 FMABG geschaffen hat, besondere Bedeutung zu. Diese Erwägungen zeigen nämlich, dass der österreichische Gesetzgeber in §22 Abs2 FMABG jene Vorgaben umsetzen wollte, die sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Ausgestaltung nationaler Verfahrensvorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz bzw. für deren Anwendung durch die nationalen Gerichte bei Rechtsmitteln gegen auf Unionsrecht beruhende Verwaltungsakte ergeben. Dadurch, dass Beschwerden gegen Bescheide der FMA (außer in Verwaltungsstrafsachen) keine automatische aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, kommt der österreichische Gesetzgeber diesen Vorgaben des EuGH nach.

 

Dass die Vorgaben des Unionsrechtes wesentlich sind für die Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes im nationalen Recht, veranschaulicht insbesondere auch §123a Abs2 Satz 4 BaSAG. [Vgl. ErlRV 898 BlgNR XXV. GP 10 (zu §123a) iVm ErlRV 361 BlgNR XXV. GP 24 (zu §123) iVm Art103 Abs4 UAbs1 BRRD (Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG , 2002/47/EG , 2004/25/EG , 2005/56/EG , 2007/36/EG , 2011/35/EU , 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr 1093/2010 und (EU) Nr 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. Nr L 173 vom 12.06.2014, S. 190 ff).] Diese Bestimmung regelt, dass selbst bei Mandatsbescheiden über Geldleistungen, die im Rahmen des Anwendungsbereiches des BaSAG ergehen, mit Fälligkeit vollstreckbare Mandatsbescheide vorliegen, ihnen also keine aufschiebende Wirkung zukommt. Ein allfälliger Aufschub des Vollzugs würde nämlich die Zielsetzung der unionsrechtlichen Norm untergraben bzw. das Interesse der Union nicht angemessen berücksichtigen. [Vgl. hierzu Hengstschläger/Leeb, AVG (2005) AVG §57 Rz 33.] Aus diesen Gründen hat das Bundesverwaltungsgericht bereits festgehalten, dass diese in §123a Abs2 Satz 4 BaSAG getroffene Abweichung unionsrechtlich zwingend geboten ist, und damit in der Diktion des Verfassungsgerichtshofes als 'unerlässlich' zu qualifizieren ist. [Vgl. BVwG 23.08.2016, W204 2129179‑1/6E, BVwG 24.08.2016, W230 2129180‑1/6E. Siehe hierzu auch Wolfbauer, BVwG zum Ausschluss der aW bei Mandatsbescheiden gemäß BaSAG, ZFR 2016, 506 (Rz 3).] §123a Abs2 Satz 4 BaSAG begegnet auch nach Ansicht der Bundesregierung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Demnach ist zu konstatieren, dass selbst im Zusammenhang mit Mandatsbescheiden über Geldleistungen eine abweichende Regelung betreffend die aufschiebende Wirkung verfassungskonform sein kann.

 

Des Weiteren ist vor dem Hintergrund des Unionsrechtes das im Prüfungsbeschluss angeführte Argument des Verfassungsgerichtshofes aufzugreifen, dass die FMA auch 'vom Unionsrecht nicht erfasste Verfahren' zu führen hat. Dieser Feststellung wird insoweit beizupflichten sein, als wohl nicht das gesamte nationale Finanzmarktrecht unionsrechtlich geprägt ist. So geht beispielsweise Lehmann davon aus, dass '[d]er weit überwiegende Teil der mitgliedstaatlichen Vorschriften zum Finanzmarktrecht […] heute durch die EU beeinflusst' [Lehmann in Säcker et al (Hg), Münchener Kommentar zum BGB, Band 116 (2015) Internationales Finanzmarktrecht, Rn 72.] sei und schätzt, dass 'ca. 80% der Vorschriften ihren Ursprung in Akten des europäischen Gesetzgebers haben'. [Lehmann, in Säcker et al (Hg), Münchener Kommentar zum BGB, Band 116 (2015) Internationales Finanzmarktrecht, Rn 72.] Das heißt, es bleibt (wenig) Raum für originär und rein nationale Finanzmarktrechtsvorschriften.

 

Allerdings birgt gerade die Abgrenzung zwischen unionsrechtlich determinierten und rein nationalen Vorschriften Probleme. Es kommt bei dieser Abgrenzung nämlich nicht auf wortgleiche Formulierungen an, [EuGH 09.04.1987, Rs. 363/85 Kommission/Italien Rz 15; EuGH 28.02.1991, Rs. C‑360/87 Kommission/Italien Rz 7; EuGH 20.03.1997, Rs. C‑96/95 Kommission/Deutschland Rz 35; EuGH 09.09.1999, Rs. C‑217/97, Kommission/Deutschland Rz 31.] sondern vielmehr darauf, ob die in Frage stehende Rechtsvorschrift einen materiellen unionsrechtlichen Gehalt aufweist. [Kröll, Grundsatzgesetzgebung und Richtlinienrechtsetzung – Zweistufige Rechtserzeugung im österreichischen Bundesstaat und im europäischen Staatenverbund, ZfV 2016, 115 (120) mwN.] Der EuGH geht insoweit von einem denkbar weiten Umsetzungsbegriff aus, [Z.B. EuGH 23.05.1985, Rs. 29/84 Kommission/Deutschland Rz 23; Rs. 363/85, Kommission/Italien, Rz 7 – vgl. Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hg), Das Recht der Europäischen Union (58. Ergänzungs-Lfg 2016) AEUV Art288 Rz 120 mwN. Vgl. insbesondere auch Ranacher, Die Funktion des Bundes bei der Umsetzung des EU-Rechts durch die Länder (2002) 122 ff.] der freilich ausreichend Raum für 'Grauschattierungen' bietet.

 

Dies veranschaulicht nicht zuletzt das gerade beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren betreffend die Abschöpfungszinsen gemäß §97 BWG. [Siehe Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes (Österreich) eingereicht am 01.02.2017, VTB Bank (Austria) AG, Rs. C‑52/17.] In diesem Verfahren wird unter anderem die Frage aufgeworfen, ob §97 BWG unionsrechtliches Umsetzungsrecht oder rein nationales Recht ist.

 

Ferner kann auch die Verpflichtung gemäß §44 Abs1 BWG zur Übermittlung der geprüften Jahres- und Konzernabschlüsse eines Kreditinstitutes samt Lageberichte sowie der diesbezüglichen Prüfungsberichte samt Anlage zum Prüfungsbericht an die FMA und Oesterreichische Nationalbank binnen längstens sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres beispielhaft ins Treffen geführt werden: Sie stellt einen zentralen Baustein wirksamer Bankenaufsicht dar. [Vgl. die Äußerung der FMA an den Verfassungsgerichtshof vom 22.05.2017 zu G2/2017, G21/2017 und G54/2017.] Die Verbindung zur Bankrechtskoordinierung wurde durch den europäischen Gesetzgeber im Zuge der Erlassung der Richtlinie 86/635/EWG bestätigt. Diese Bestimmung ist jedoch seit dem Jahr 1979 im nationalen Rechtsbestand (früher §24 KWG) enthalten.

 

Somit kann im Regelfall keine leicht feststellbare Grenze gezogen werden, welche (materiellen oder verfahrensrechtlichen) Bestimmungen im Einzelnen dazu dienen, dem Unionsrecht zur Wirksamkeit zu verhelfen. Letztlich bleibt es wohl dem EuGH vorbehalten zu entscheiden, in welchem Zusammenhang die FMA ein rein nationales oder ein vom Unionsrecht erfasstes Verfahren führt. Jedenfalls ist die Europäische Kommission – wie bereits dargelegt – der Ansicht, dass §22 Abs2 FMABG Umsetzungsrecht darstellt.

 

2.2. Nationaler Regelungszusammenhang

 

Der vom Verfassungsgerichtshof in seiner einschlägigen Rechtsprechung eingeforderte 'Regelungszusammenhang', der die verfahrensrechtliche Abweichung im FMABG begründet, ergibt sich im Übrigen auch aus der nationalen Rechtsordnung (vgl. nochmals die in den Allgemeinen Vorbemerkungen oben zitierte Judikatur). Die besonderen Gefahren, die mit dem Finanzmarkt verbunden sind, bedingen nicht nur eine besondere Aufsicht, die in Gestalt der FMA geschaffen wurde, sondern auch Sonderregelungen. [Vgl. hierzu VfSlg 15.351/1998, 19.787/2013.] Diese finden sich im FMABG neben der besonderen Gebührenregelung [Vgl. §19 Abs10 FMABG iVm der FMA-Gebührenverordnung (BGBl II Nr 230/2004 idF BGBl II Nr 206/2017).] und der besonderen Kostentragungsregel [Vgl. §19 FMABG.] eben auch in der vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Bestimmung des §22 Abs2 FMABG, der die Automatik der aufschiebenden Wirkung von Bescheiden der FMA, die in AVG-Verfahren ergehen, ausschließt.

 

3. Rechtsstaatsprinzip

 

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung zu Art11 Abs2 und Art136 Abs2 B‑VG außerdem davon aus, dass von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen nur dann zulässig sind, wenn sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, wie etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, widersprechen. [Vgl. VfSlg 15.218/1998, 17.346/2004, 19.921/2014, 19.922/2014, 19.969/2015, 20.008/2015.]

 

Der Verfassungsgerichtshof führte im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit der von den allgemeinen Verfahrensgesetzen abweichenden Regelungen über die aufschiebende Wirkung aus, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der vorläufigen Wirkung zulässiger Rechtsmittel bis zur Entscheidung darüber neben der Stellung des Rechtsmittelwerbers auch Zweck und Inhalt der Regelung, die Interessen Dritter sowie das öffentliche Interesse zu berücksichtigen hat und unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich schaffen muss, wobei dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes der Vorrang zukommt und die Einschränkung dieses Grundsatzes nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. [Vgl. VfSlg 11.196/1986, 13.003/1992, 15.511/1999, 16.460/2002, 17.346/2004, 18.383/2008, 19.969/2015.] Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes beziehen sich diese Vorgaben auf alle Arten behördlicher Verfahren. [Vgl. VfSlg 17.346/2004]

 

Im Prüfungsbeschluss geht der Verfassungsgerichtshof im Gegensatz zur Ansicht des Gesetzgebers in seiner vorläufigen Auffassung davon aus, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §22 Abs2 FMABG dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes zu widersprechen scheine. Nämlich insoweit, als der Gesetzgeber bei der Erlassung dieser Bestimmung dem Interesse des einzelnen Betroffenen, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, nicht hinreichend Rechnung getragen haben dürfte. [Vgl. auch VfSlg 19.921/2014.]

 

Dies folge nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere daraus, dass §22 Abs2 FMABG einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die FMA entgegenstehen dürfte: Eine Entscheidung darüber könne gemäß §22 Abs2 FMABG nur das Bundesverwaltungsgericht fällen, womit dem Betroffenen offenbar erst nach der Vorlage der Beschwerde und Anhörung der FMA – nicht jedoch bereits im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens – einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könne.

 

Diesen vorläufigen Bedenken kann insoweit entgegengetreten werden, als §22 Abs2 FMABG die Automatik des einstweiligen Rechtsschutzes zwar grundsätzlich ausschließt, die aufschiebende Wirkung aber bereits ab Erlassung des Aufsichtsbescheides der FMA begehrt werden kann. Die Beschwerdeführer haben in jedem Fall die Möglichkeit, im Einzelfall einen begründeten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an das zuständige Bundesverwaltungsgericht zu stellen, welches über diesen ohne unnötigen Aufschub [Vgl. §34 VwGVG.] zu entscheiden hat. Die FMA legt derartige Anträge unverzüglich und regelmäßig auch schon dann dem zuständigen Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, solange sie selbst noch die Möglichkeit hat, über die Beschwerde binnen zwei Monaten eine Beschwerdevorentscheidung gemäß §14 VwGVG zu erlassen. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung pflichtgemäß ohne unnötigen Aufschub oder – sofern das Bundesverwaltungsgericht nach der Vorlage der Beschwerde seitens der FMA bereits zur Entscheidung darüber zuständig ist – sogar über die Beschwerde selbst. Es besteht daher keine Lücke im System des einstweiligen Rechtsschutzes, insbesondere auch nicht während des Beschwerdevorverfahrens.

 

Das in §22 Abs2 FMABG normierte Rechtsschutzsystem betreffend den einstweiligen Rechtsschutz unterscheidet sich somit grundlegend von den seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vom Verfassungsgerichtshof geprüften und aufgehobenen Sonderverfahrensbestimmungen: Im Normprüfungsverfahren zu G148/2014 (VfSlg 19.922/2014) entschied der Verfassungsgerichtshof beispielsweise, dass §77 Abs2 erster Satz zweiter Halbsatz SPG deshalb verfassungswidrig sei, weil die Bestimmung dem Landesverwaltungsgericht grundsätzlich keine Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingeräumt hatte. Im Verfahren zu G74/2014 (VfSlg 19.921/2014) sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass §56 Abs3 AlVG verfassungswidrig sei, weil die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht eine Beschwerdevorentscheidung durch die Behörde voraussetze. Beide als verfassungswidrig erkannten Einschränkungen des einstweiligen Rechtsschutzes finden sich nicht in §22 Abs2 FMABG. Vielmehr gibt die in Prüfung gezogene Bestimmung vor, dass das Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu erkennen hat; eine Beschwerdevorentscheidung der FMA bildet hierbei keine Voraussetzung für die Zuerkennung.

 

Formell ist die durch §22 Abs2 FMABG geschaffene Situation vielmehr mit jener vergleichbar, bei der die bescheiderlassende Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließt (§13 Abs2 VwGVG) und diese daher erst im Zuge einer Beschwerde (§13 Abs5 VwGVG) beim Verwaltungsgericht (welcher ihrerseits keine aufschiebende Wirkung zukommt) wiedererlangt werden kann. [Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss treffend festhält, kehrt '§22 Abs2 FMABG den Grundsatz des §13 Abs1 VwGVG [um], wonach einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht grundsätzlich (wenn die Verwaltungsbehörde die aufschiebende Wirkung nicht gemäß §13 Abs2 VwGVG ausschließt) die aufschiebende Wirkung zukommt.'] Dass in weiterer Folge der Bescheidadressat – und nicht wie im Fall des §13 Abs2 VwGVG – zunächst die Behörde darzulegen hat, warum im konkreten Fall, entgegen der gesetzlichen Annahme dennoch das subjektive Interesse an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung überwiegt, ist auf die grundsätzliche gesetzliche Wertung zurückzuführen, dass das (öffentliche) Interesse am Vollzug des angefochtenen Bescheides 'regelmäßig überwiegt' (zum öffentlichen Interesse näher Punkt 4.). Über die allgemeinen Regelungen hinausgehende, besonders strenge Anforderungen, die die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des Art136 Abs2 B‑VG unverhältnismäßig erschweren würden, sind indes in §22 Abs2 FMABG nicht vorgesehen. [So setzt §22 Abs2 FMABG im Gegensatz zu §412 Abs6 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (BGBl Nr 189/1955 idF BGBl Nr 676/1991) – der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben wurde (VfSlg 13.305/1992) – nicht das Kriterium für die Gewährung aufschiebender Wirkung voraus, dass für den Rechtsmittelwerber 'durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden einträte'. Vielmehr hat gemäß §22 Abs2 FMABG das zuständige Bundesverwaltungsgericht dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dann stattzugeben, wenn dem keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Antragsteller verbunden wäre. Hinsichtlich letzteren Kriteriums trifft den Antragsteller allerdings eine Konkretisierungspflicht – vgl. z.B. VwGH vom 17.03.2010, AW 2010/17/0004.]

 

Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht, 'wenn sich die Voraussetzungen, die für den Beschluss über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich geändert haben, […] auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden'. [§22 Abs2 letzter Satz FMABG.] Das heißt, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes kann auch auf Antrag der FMA, welche auch Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, [§18 VwGVG.] abgeändert werden.

 

Im Zusammenhang mit den vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend das rechtsstaatliche Prinzip soll noch auf das bereits eingangs Festgehaltene hingewiesen werden: Die geltende Rechtslage betreffend die aufschiebende Wirkung von Beschwerden hat sich inhaltlich nicht zur Rechtslage vor der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz geändert. Die Kriterien des §22 Abs2 FMABG sind dabei im Wesentlichen gleichlautend mit jenen des §30 Abs2 VwGG sowie des §85 Abs2 VfGG, weshalb die umfangreiche Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe öffentlichen Rechts auch im Rahmen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß §22 Abs2 FMABG herangezogen werden kann. Die frühere Rechtslage, welche in Bezug auf Bescheide der FMA unmittelbar zur Anwendung des §30 Abs2 VwGG sowie des §85 Abs2 VfGG führte, wurde vom Verfassungsgerichtshof aber nie vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips angezweifelt.

 

Des Weiteren tritt §22 Abs2 FMABG mit dem rechtsstaatlichen Prinzip auch deshalb nicht in Widerspruch, weil der Anwendungsbereich der in Prüfung gezogenen Bestimmung genau abgesteckt ist. [Vgl. VfSlg 16.994/2003.] Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß §22 Abs2 FMABG kommt nur insoweit zur Anwendung, als es sich um einen Zuständigkeitsbereich der FMA handelt, wobei hiervon sowohl VStG-Verfahren als auch Mandatsbescheide ausgenommen sind.

 

Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Interessenabwägung der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig festhält, dass der Umstand, dass 'sich aus [nicht aufgeschobenen] Aufsichtsmaßnahmen regelmäßig Nachteile für die betroffenen Unternehmungen ergeben, […] noch nicht einen überwiegenden Nachteil des vom Auftrag betroffenen Unternehmens nachzuweisen [vermag].' [Vgl. z.B. VwGH 16.10.2007, AW 2007/17/0023.] Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Verfassungsgerichtshof, welcher im Rahmen seiner Interessenabwägung erkannt hat, dass das öffentliche Interesse an einer zeitnahen finanzmarktrechtlichen Aufsicht bzw. der Verhinderung des konzessionslosen Betreibens gegenüber den Nachteilen, die sich für den Antragsteller aus dem behördlichen Auftrag ergeben (wirtschaftliche Nachteile auf Grund Schädigung des Rufs des Antragstellers), überwiegt. [Vgl. VfGH 03.06.2009, B635/09.]

 

4. Öffentliches Interesse

 

Der Verfassungsgerichtshof betont im Prüfungsbeschluss des Weiteren, dass es 'zahlreiche Sachverhalte gibt, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der [FMA] das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiegt.'

 

Der Verfassungsgerichtshof geht auch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein besonderes öffentliches Interesse an einem funktionierenden Kreditsektor bestehe, da Banken in einem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich tätig seien, von dem weite Teile der Volkswirtschaft abhingen, und dass von einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Anleger und Gläubiger auszugehen sei (vgl. z.B. VfSlg 12.098/1989; 12.378/1990; 13.471/1993, 15.646/1999). Der Verfassungsgerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe, Insolvenzen in diesem Bereich zu vermeiden (vgl. etwa VfSlg 12.098/1989, 13.477/1993).

 

Gerade der Anlassfall (konkreter Verdacht des konzessionslosen Betreibens eines Kapitalfinanzierungsgeschäftes) zeigt anschaulich die Notwendigkeit der sofortigen Vollstreckung der Bescheide der FMA insbesondere auch im Hinblick auf den im öffentlichen Interesse liegenden Anlegerschutz.

 

Demnach stützt der Verfassungsgerichtshof wohl grundsätzlich die vom Materiengesetzgeber getroffene Wertung, dass das (öffentliche) Interesse am Vollzug eines angefochtenen Bescheides der FMA 'regelmäßig überwiegt'. [ErlRV 2196 BlgNR XXIV. GP 4.] Diese Wertung wird auch von der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt: In insgesamt ca. 46 Fällen betreffend Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für Beschwerden gegen Bescheide der FMA [Bzw. gegen Bescheide der Bundes-Wertpapieraufsicht (BWA), der Vorgängerbehörde der FMA.] gab der VwGH nur in ca. 16 Fällen den Anträgen statt. Demnach überwog in rund 2/3 der Fälle nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes das öffentliche Interesse das Individualinteresse. So qualifizierte der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise das öffentliche Interesse betreffend das 'klaglose Funktionieren des Bankenwesens' bzw. 'des Kapitalmarktes', die 'Einhaltung der Gesetze durch die Finanzdienstleister', das 'Vertrauen in den Kapitalmarkt' bzw. 'in die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte', 'die Vermeidung der Schädigung von Anlegern und anderen Gläubigern' sowie das öffentliche Interesse an der 'Finanzmarktstabilität' [Vgl. hierzu auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15.10.2009, B1202/09 u.a., in dem auch der Verfassungsgerichtshof die Finanzmarktstabilität als öffentliches Interesse qualifiziert.] als grundsätzlich geeignet, eine sofortige Verwirklichung einer getroffenen Maßnahme zu gebieten. [Vgl. z.B. VwGH 03.07.2001, AW 2001/17/0045 [ergangen zu einem Bescheid der BWA, der Vorgängerbehörde der FMA]; 17.03.2010, AW 2010/17/0004; 16.10.2007, AW 2007/17/0019; 16.10.2007, AW 2007/17/0023; 28.10.2013, AW 2013/17/0050.]

 

Der Verwaltungsgerichtshof ging sogar schon so weit auszusprechen, dass 'vom Vorliegen eines absolut zwingenden öffentlichen Interesses auszugehen ist, das der Gewährung der aufschiebenden Wirkung nach §30 Abs2 VwGG entgegensteht', sodass er auf die Frage, ob der beschwerdegegenständliche (Feststellungs‑)Bescheid überhaupt einem Vollzug zugänglich ist, nicht mehr einging. [(Hervorhebung nicht im Original) VwGH 24.05.2013, AW 2013/17/0007.]

 

Die seltenen Fälle, in denen der Verwaltungsgerichtshof der beantragten aufschiebenden Wirkung eines angefochtenen Bescheides stattgab, betrafen vor allem Konstellationen, in denen der Anleger- bzw. Gläubigerschutz anderweitig als durch den unmittelbaren Vollzug der Anordnung in hinreichendem Ausmaß sichergestellt war, sodass kein zwingendes öffentliches Interesse mehr an der sofortigen Durchsetzung der Entscheidung bestand.

 

Die in §22 Abs2 FMABG vom Gesetzgeber vorgesehene Umkehr des §13 VwGVG erscheint daher auch nicht unsachlich. Der Fall des überwiegenden (zwingenden) öffentlichen Interesses ist im FMABG als Regelzustand normiert. Für eine ausnahmsweise Gewährung der aufschiebenden Wirkung auf Grund des Vorliegens einer Sonderkonstellation durch die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gerade durch Eröffnung der dahingehenden Möglichkeit zur Antragstellung ausreichend Rechnung getragen.

 

5. Geldleistungsbescheide der FMA

 

Schließlich geht der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass nicht 'jegliche Entscheidungen' der FMA mit einem Überwiegen des öffentlichen Interesses und damit zusammenhängend nicht mit einer 'besonderen Dringlichkeit' verbunden sind, und führt in diesem Zusammenhang 'Kostenbescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde gemäß §19 Abs5 FMABG oder Zinsvorschreibungen gemäß §97 BWG' als Beispiele ins Treffen.

 

Betreffend die angeführten, nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht dringlichen, Bescheide ist zunächst zu konstatieren, dass diese grundsätzlich in Form eines Mandatsbescheides gemäß §57 AVG ergehen. Den gegen diese erlassenen Bescheide allfällig erhobenen Vorstellungen kommt gemäß §57 Abs2 AVG aufschiebende Wirkung zu. In diesen Fällen kommt dem Bescheidadressaten demnach ex lege einstweiliger Rechtsschutz zu – zumindest im Mandatsverfahren.

 

Wird gegen einen Mandatsbescheid der FMA Vorstellung erhoben, so hat die FMA binnen zwei Wochen nach Einlangen derselben das Ermittlungsverfahren einzuleiten. [Selbst bei Mandatsbescheiden über Geldleistungen kann es aber unerlässlich sein, von ihrer grundsätzlichen aufschiebenden Wirkung abzuweichen, wie dies §123a Abs2 Satz 4 BaSAG veranschaulicht und das Bundesverwaltungsgericht zutreffend einschätzt (vgl. BVwG 23.08.2016, W204 2129179‑1/6E, BVwG 24.08.2016, W230 2129180-1/6E; siehe hierzu auch Wolfbauer, BVwG zum Ausschluss der aW bei Mandatsbescheiden gemäß BaSAG, ZFR 2016, 506 [Rz 3]).] Die FMA hat sohin den Sachverhalt genau zu prüfen und sodann einen Bescheid zu erlassen. Erst der Beschwerde gegen den Bescheid nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens kommt gemäß §22 Abs2 FMABG keine (automatische) aufschiebende Wirkung mehr zu.

 

In diesem Zusammenhang ist aber auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21.11.2013, B1183/2013‑4, hinzuweisen, in welchem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde wegen Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen einen Kostenbescheid gemäß §19 FMABG mit der Begründung abgelehnt hat, dass diese keine verfassungsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

 

Des Weiteren gilt es festzuhalten, dass Kostenbescheide gemäß §19 FMABG [Die Umlagefinanzierung gemäß §19 FMABG dient dazu, Verursachergerechtigkeit herzustellen und eine höhere Markttransparenz zu erreichen, wodurch im Endeffekt ein der Umlage entsprechender Mehrwert für die Beaufsichtigten entsteht. Die Kosten dazu werden deshalb nicht auf die Allgemeinheit, sondern auf diejenigen, die eine rechtmäßige aber einer Aufsicht bedürftige Tätigkeit ausüben, umgelegt. (Kreisl in Gruber/N. Raschauer, Wertpapieraufsichtsgesetz Band I – Kommentar FMABG (2011) FMABG §19 Rz 1-3).] durchaus 'dringlich' sein können, weil die effiziente Eintreibung von Geldleistungen für die Finanzierung der FMA von großer Bedeutung ist. Die Finanzierung der FMA beruht nämlich auf drei Säulen: Einerseits wird der FMA ein Pauschalbetrag aus Bundesmitteln zugewiesen, andererseits kann die FMA für bestimmte gesetzlich definierte Leistungen Gebühren einheben. Die dritte und mit Abstand gewichtigste Säule ist die verursachergerechte Finanzierung im Wege der von den Beaufsichtigten zu tragenden Umlage. Diese macht regelmäßig den überwiegenden Anteil (üblicherweise zwischen 75% und 90%, im Jahr 2016 ca. 83%) des Gesamtfinanzierungsvolumens der FMA aus. [Vgl. FMA, Jahresbericht (2016) 124 ff (abrufbar unter https://www.fma.gv.at/publikationen/fma-jahresberichte/ ).] Eine Fremdfinanzierung von vorzuschreibenden, jedoch in Folge Erhebung von Rechtsmitteln (über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens hinaus) nicht durchsetzbaren Kosten würde die Beaufsichtigten in einem Rechnungskreis mit zusätzlichen Finanzierungskosten belasten und damit entweder die Vorteile des einstweiligen Rechtsschutzes zunichtemachen oder dem Prinzip der verursacherbezogenen Kostentragung (vgl. §90 Abs1 WAG 2007) zuwiderlaufen.

 

Die sofortige Vollstreckung der Kostenbescheide ist auch deshalb unbedingt notwendig, weil von einer möglichen aufschiebenden Wirkung mit großer Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl von Bescheidadressaten Gebrauch machen würde, was eine geordnete Finanzierung der FMA vereiteln würde. Es ist daher ein spezielles Verfahren eingerichtet, und zwar die automatische nachträgliche Verrechnung von Vorauszahlungen mit den Ist-Kosten.

 

Der Ausschluss der Automatik der aufschiebenden Wirkung bei den Kostenbescheiden gemäß §19 FMABG ist schon aus den genannten Gründen 'unerlässlich' und gerechtfertigt.

 

Bei der in §97 BWG normierten Zinsvorschreibung (so genannte 'Abschöpfungszinsen') handelt es sich um eine 'wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahme ohne Strafcharakter', [VwGH 22.02.1999, 96/17/0006; 23.10.2000, 96/17/0359; VfGH 13.12.1995, B2286/95‑7.] bei welcher das im Gesetz beschriebene Tatbild ein rein objektives ist, welches keinen Spielraum in der Bemessung der Höhe je nach Unwert der Tat zulässt, wodurch die typischen Merkmale einer (verwaltungs‑)strafrechtlichen Bestimmung fehlen. Das VStG ist nicht anzuwenden. Die Vorschreibung kann ohne Feststellen des Verschuldens gleichermaßen gegenüber juristischen wie natürlichen Personen erfolgen. Zweck der Bestimmung ist lediglich 'die pauschalierte Abschöpfung des aus der Gesetzwidrigkeit gewonnenen oder erzielbaren Vorteils und nicht […] die Zufügung eines mit Tadel verbundenen Übels.' [Öhlinger in Dellinger, Bankwesengesetz – Kommentar (8. Lfg 2016) BWG §97 Rz 3 ff.] Gleiches gilt für die Zinsen gemäß §43 BMSVG sowie gemäß §48x BörseG.

 

Wenn man von der Zielrichtung der Bestimmungen des Finanzmarktrechtes ausgeht und diese mit verwandten Rechtsgebieten vergleicht, so stellt man fest, dass das Regelungsziel des Europäischen Wettbewerbsrechtes, wo Geldbußen gemäß Art23 Abs2 lita der Verordnung (EG) Nr 1/2003 [Verordnung (EG) Nr 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. Nr L 1 vom 04.01.2003, S. 1 ff.] ohne aufschiebende Wirkung unmittelbar vollstreckbar sind, der Schutz der Mitbewerber sowie die Aufrechterhaltung der Stabilität des Marktes als Ganzes sind. Dieses Ziel wohnt auch den genannten Vorschreibungsregelungen, Zinsen gemäß §97 BWG, §43 BMSVG sowie §48x BörseG, inne, weshalb auch hier eine unmittelbare Vollstreckbarkeit vorzusehen ist.

 

Ob diese Erwägungen in den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25.08.2011, B862/11, dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Bescheides der FMA, der gemäß §97 BWG Zinsen vorgeschrieben hat, keine Folge zu geben, eingeflossen sind, muss dahingestellt bleiben, zumal sich der Verfassungsgerichtshof nicht mit der Frage des Vorliegens eines (zwingenden) öffentlichen Interesses an der Vollziehung des angefochtenen Bescheides auseinander gesetzt hat. Aus dem Beschluss geht aber auch nicht hervor, dass der Verfassungsgerichtshof hinsichtlich des automatischen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen Bescheide gemäß §97 BWG Bedenken hegen würde. Vielmehr gab er dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge und bestätigte damit (zumindest implizit) das Überwiegen des öffentlichen Interesses am Vollzug des Bescheides.

 

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer frei steht, einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beim Bundesverwaltungsgericht zu stellen, welches bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen den einstweiligen Rechtsschutz gewähren kann. Für Härtefälle ('unverhältnismäßiger Nachteil') steht demnach gemäß §22 Abs2 FMABG ohnehin das Instrument der aufschiebenden Wirkung zur Verfügung.

 

IV. Zusammenfassung

 

Aus den vorgenannten Erwägungen und umfangreichen Gesetzesmaterialien ergibt sich nach Meinung der Bundesregierung, dass die (abweichende) verfahrensrechtliche Regelung des §22 Abs2 FMABG betreffend die aufschiebende Wirkung im Finanzmarktaufsichtsrecht zur Regelung des Gegenstandes erforderlich im Sinne von 'unerlässlich' sowie verhältnismäßig [Lukan folgend ist eine abweichende Regelung am Maßstab des allgemeinen Sachlichkeitsgebots zu prüfen (vgl. Lukan, Die Abweichung von einheitlichen Verfahrensvorschriften im verwaltungsbehördlichen Verfahren und im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, ZfV 2014, 12 [17]). Bei der Beurteilung der Sachlichkeit rekurriert der Verfassungsgerichtshof verstärkt auf die Verhältnismäßigkeit einer Regelung (vgl. z.B. VfSlg 17.890/2006). Demnach muss eine abweichende Regelung im öffentlichen Interesse liegen, geeignet und erforderlich sowie adäquat sein.] ist. Die Bestimmung des §22 Abs2 FMABG dient auch der Vermeidung von Regulierungs- und Aufsichtsarbitrage im europäischen Finanzmarktaufsichtsrecht. Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher die (abweichende) Sonderverfahrensregelung des §22 Abs2 FMABG verfassungskonform.

 

Bei der FMA (früher BWA: VfSlg 16.400/2001) handelt es sich um eine spezielle Allfinanzaufsichtsbehörde, die besonderen Gefahren auf dem Gebiet des Finanzmarktes begegnet, und die darüber hinaus – wie in VfSlg 11.564/1987 (besondere bergbehördliche Aufsicht) und 15.351/1998 (Austro Control GmbH als mit behördlichen Aufgaben beliehener Rechtsträger) gegenständlich – gleichfalls eine besondere Gebührenregelung hat (§19 Abs10 FMABG in Verbindung mit der FMA-Gebührenverordnung – FMA-GebV, BGBl II Nr 230/2004 in der Fassung BGBl II Nr 206/2017). Es gibt auch im Sonderbereich des Finanzmarktaufsichtsrechtes eine spezielle Kostentragungsregelung in §19 FMABG für die Beaufsichtigten (VfSlg 16.641/2002).

 

Es ist auch das Rechtsstaatsprinzip gewahrt, weil das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag im Einzelfall der Beschwerde bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen eine aufschiebende Wirkung zuerkennen kann (vgl. auch VfSlg 19.969/2015, S. 518: Möglichkeit des Verwaltungsgerichtes, der Beschwerde bei Vorliegen der Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen).

 

Des Weiteren handelt die FMA gemäß §22e FMABG in Vollziehung der §§22b bis 22d FMABG im öffentlichen Interesse. Aus dieser Bestimmung und aus dem (weiteren) Regelungszusammenhang ergibt sich die gesetzgeberische Wertung, dass das öffentliche Interesse am Vollzug eines Bescheides der FMA regelmäßig das Individualinteresse eines Betroffenen überwiegt. Dies zeigen gerade auch die Gegebenheiten im Anlassfall, weil es dort um den konkreten Verdacht des konzessionslosen Betreibens eines Kapitalfinanzierungsgeschäftes geht."

 

5. Die Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken mit einem Vorbringen entgegentritt, das im Wesentlichen jenem der Bundesregierung entspricht.

II. Rechtslage

1. §22 und §22b des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I 97/2001, idF BGBl I 118/2016 lauten (die in Prüfung gezogene Bestimmung des §22 Abs2 FMABG – idF BGBl I 70/2013 – ist hervorgehoben):

 

"Verfahrensbestimmungen

 

§22. (1) Die FMA ist zur Vollstreckung der von ihr erlassenen Bescheide, mit Ausnahme der Verwaltungsstrafbescheide, zuständig. Weiters ist die FMA zur Vollstreckung sämtlicher Entscheidungen, ausgenommen Verwaltungsstrafen, der Teilnehmer des ESFS im Rahmen jeweils des Art28 der Verordnungen (EU) Nr 1093/2010, (EU) Nr 1094/2010 oder (EU) Nr 1095/2010 befugt. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl Nr 53, ist, soweit sich aus Abs2 nichts anderes ergibt, anzuwenden. An die Stelle der Behörde in §53 Abs1 erster Satz VStG und §53a erster Satz VStG tritt die gemäß dem VVG zuständige Vollstreckungsbehörde.

 

(2) Beschwerden gegen Bescheide der FMA und Vorlageanträge haben, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht nach Anhörung der FMA mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ist der Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen. Wenn sich die Voraussetzungen, die für den Beschluss über die aufschiebende Wirkung maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

 

(2a) Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Über eine Beschwerde ist, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, innerhalb der Frist zu erkennen, innerhalb der in erster Instanz zu entscheiden ist, spätestens jedoch nach sechs Monaten; die Frist beginnt mit Einlangen der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu laufen.

 

(3) Verordnungen der FMA sind im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

 

(4) Die FMA hat Unterlagen und Aufzeichnungen von allgemeiner oder grundsätzlicher Bedeutung dauernd aufzubewahren. Der dauernden Aufbewahrungspflicht unterliegen jedenfalls die von ihr erlassenen Bescheide. Sonstige Unterlagen und Aufzeichnungen sind mindestens sieben Jahre aufzubewahren; diese Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem

1. bei Dauerrechtsverhältnissen das Rechtsverhältnis geendet hat;

2. in den übrigen Fällen die FMA letztmalig in der betreffenden Angelegenheit tätig gewesen ist.

 

(5) Abweichend von §9 Abs2 VStG wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Bestimmungen der in §2 genannten Gesetze, die mit Verwaltungsstrafe bedroht sind, erst rechtswirksam, nachdem bei der FMA eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß §9 Abs2 VStG.

 

[…]

 

Unerlaubter Geschäftsbetrieb und Verstöße im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung

 

§22b. (1) Zur Verfolgung der in §98 Abs1 und 1a BWG, §66 Abs1 ZaDiG, §29 Abs1 E‑Geldgesetz 2010, §60 Abs1 Z1 AIFMG, §94 Abs1 WAG 2007, §48 Abs1 Z1 und Abs6 BörseG, §4 Abs1 Z1 ZvVG, §47 PKG und §329 VAG 2016 genannten Übertretungen ist die FMA berechtigt, von natürlichen und juristischen Personen sowie von sonstigen Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit die erforderlichen Auskünfte einzuholen und die erforderlichen Daten zu verarbeiten; dieses Recht umfasst auch die Befugnis, in Bücher, Schriftstücke und EDV-Datenträger vor Ort Einsicht zu nehmen und sich Auszüge davon herstellen zu lassen.

 

(2) Nach anderen als in Abs1 genannten Bundesgesetzen bestehende Vorschriften über das Berufsgeheimnis bleiben von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unberührt."

 

2. §13 und §22 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013, idF BGBl I 24/2017 lauten:

"Aufschiebende Wirkung

 

§13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG hat aufschiebende Wirkung.

 

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

 

(3) Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z4 B‑VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

 

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

 

[…]

 

Aufschiebende Wirkung

 

§22. (1) Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z2 B‑VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß §13 und Beschlüsse gemäß Abs1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."

 

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof begründete seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des §22 Abs2 FMABG zum einen damit, dass diese eine nicht unerlässliche Abweichung von den allgemeinen Vorgaben des §13 Abs1 und 2 VwGVG darstelle, zum anderen damit, dass §22 Abs2 FMABG dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nicht hinreichend Rechnung trage und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie den daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes verstoße.

2.2. Die Bundesregierung und die Finanzmarktaufsichtsbehörde treten diesen im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken – zusammengefasst – damit entgegen, dass es sich bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde um eine spezialisierte Behörde handle, die den besonderen Gefahren auf dem Gebiet des Finanzmarktes begegne und dabei über ein spezielles Gebühren- und Kostentragungsregime verfüge. Hiebei könne auf die Erkenntnisse VfSlg 11.564/1987 und VfSlg 15.351/1998 verwiesen werden, in denen der Verfassungsgerichtshof Sonderverfahrensbestimmungen für derartige spezielle Aufsichtsbehörden als "unerlässlich" qualifiziert habe. Die dort angestellten Erwägungen ließen sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen.

Darüber hinaus sei zu beachten, dass die geltende Rechtslage bloß jene vor der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz fortführe: Schon damals seien auf Grund des Ausschlusses der Berufung gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde – außer in Verwaltungsstrafsachen – nur die außerordentlichen Rechtsmittel an den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof offen gestanden, denen die aufschiebende Wirkung erst zuerkannt habe werden müssen. Diese Rechtslage, welche die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht gänzlich ausschließe, sondern bloß das System der ex lege bestehenden aufschiebenden Wirkung "umkehre", sei vom Verfassungsgerichtshof nie als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen worden.

Als Hintergrund dieser Rechtslage sei die gesetzgeberische Wertung zu beachten, wonach das öffentliche Interesse am Vollzug einer Entscheidung der Finanzmarktaufsichtsbehörde regelmäßig als überwiegend zu qualifizieren sei. Entgegen der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss treffe dies auch auf Kostenbescheide gemäß §19 Abs5 FMABG und Zinsvorschreibungen gemäß §97 BWG zu, zumal die aufschiebende Wirkung hier die Finanzierung der Tätigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde bzw. die Erreichung des Regulierungszieles vereitle. Im Übrigen ergingen Vorschreibungen gemäß §19 Abs5 FMABG und §97 BWG grundsätzlich in Form eines Mandatsbescheides gemäß §57 AVG, gegen den das Rechtsmittel der Vorstellung – mit einer ex lege bestehenden aufschiebenden Wirkung – erhoben werden könne.

Weiterhin müsse der unionsrechtliche Hintergrund der Regelungen auf dem Gebiet des Finanzmarktaufsichtsrechts berücksichtigt werden: Wie sich aus einer Gesamtbetrachtung des unionsrechtlichen Rechtsschutzsystems sowie der Vorgaben des Gerichtshofes der Europäischen Union für die nationalen Verfahrensregelungen ergebe, stelle der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ein notwendiges Mittel dar, um die Effektivität des Unionsrechts auf dem Gebiet des Finanzmarktaufsichtsrechts zu gewährleisten. Da sich die unionsrechtlich determinierten von den originär nationalen Tätigkeiten der Finanzmarktaufsichtsbehörde kaum trennen ließen, sei ein pauschaler Ausschluss der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Beschwerden gegen Entscheidungen der Finanzmarktaufsichtsbehörde gerechtfertigt.

Schließlich bestünden auch die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss formulierten rechtsstaatlichen Bedenken nicht, zumal die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß §22 Abs2 FMABG bereits ab Erlassung des Aufsichtsbescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde beantragt werden könne, diese Anträge von der Finanzmarktaufsichtsbehörde unverzüglich und regelmäßig auch schon während der Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt würden und das Bundesverwaltungsgericht sodann ohne unnötigen Aufschub über den Antrag entscheide.

2.3. Dieses Vorbringen der Bundesregierung und der Finanzmarktaufsichtsbehörde vermag die im Prüfungsbeschluss wiedergegebenen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs2 FMABG nicht zu widerlegen:

2.3.1. Wie schon im Prüfungsbeschluss dargelegt, übersieht der Verfassungsgerichtshof nicht, dass es zahlreiche Sachverhalte gibt, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiegt. Dabei ist auch der unionsrechtliche Regelungszusammenhang zu beachten, welcher unter Umständen ein rasches Tätigwerden der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörde – im Rahmen des sowohl Unionsorgane als auch nationale Organe umfassenden Aufsichtsmechanismus – gebieten kann.

2.3.2. Des Weiteren erweist sich das Argument der Bundesregierung sowie der Finanzmarktaufsichtsbehörde als zutreffend, dass die behördliche Aufsicht in einem Bereich, der mit spezifischen Gefahren oder besonderen Sachfragen verbunden ist, verfahrensrechtliche Sonderregelungen erforderlich – im Sinne von "unerlässlich" – machen kann (VfSlg 11.564/1987, 15.351/1998). Hiebei kann auf folgende von der Bundesregierung angestellte und vom Verfassungsgerichtshof als zutreffend erachtete Erwägungen im Erkenntnis VfSlg 15.351/1998 verwiesen werden:

"In einer genauen Analyse der Entscheidung [VfSlg 11.564/1987] stellt sie heraus, daß der Gerichtshof […] vier Kriterien als maßgeblich angesehen hat, nämlich ob mit der jeweiligen Tätigkeit besondere Gefahren verbunden sind, ob diese Gefahren eine besondere Situation schaffen, die eine Reihe von Sonderregelungen - zB hinsichtlich Haftung und Arbeitnehmerschutz - erklären, ferner ob die Gefahren die Schaffung einer besonderen Aufsicht erklären, wobei die Aufsichtsbehörde ermächtigt sein muß, zur Erreichung der Aufsichtsziele von sich aus bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, und schließlich, ob die Aufsichtsbehörde bei ihrer Tätigkeit häufig mit besonders schwierigen Sachfragen konfrontiert ist."

 

2.4. Der Verfassungsgerichtshof geht aber – wie im Wesentlichen schon im Prüfungsbeschluss ausgeführt – weiterhin davon aus, dass die abweichende Regelung hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde auf Grund der pauschalen Anordnung des §22 Abs2 FMABG auch solche Verfahren vor der Finanzmarktaufsichtsbehörde erfasst, die mit keiner besonderen Dringlichkeit verbunden sind, in keinem Zusammenhang mit den spezifischen Gefahren und besonderen Sachfragen der Aufsichtstätigkeit stehen und keine unionsrechtlichen Implikationen aufweisen. Der Verfassungsgerichtshof sieht damit keinen Grund von seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung abzugehen:

Sowohl die Bundesregierung als auch die Finanzmarktaufsichtsbehörde gestehen in ihrem Vorbringen ausdrücklich zu, dass lediglich ein Großteil und nicht alle Verfahren der Finanzmarktaufsichtsbehörde unionsrechtlich determiniert sind. Die Bundesregierung und die Finanzmarktaufsichtsbehörde führen allerdings weiter aus, dass sich die originär nationalen Verfahren nicht trennscharf abgrenzen ließen. Dem kann der Verfassungsgerichtshof nicht folgen: Mag es auch sein, dass sich im Einzelfall Abgrenzungsprobleme zwischen Verfahren mit unionsrechtlichen Implikationen und solchen, die einen rein nationalen Ursprung haben, ergeben, ermächtigt dies den Gesetzgeber nicht zur undifferenzierten Erlassung sonderverfahrensrechtlicher Bestimmungen für die gesamte Tätigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich dabei um kein spezifisches Problem des Finanzmarktaufsichtsrechts handelt.

Ebenso wenig überzeugt das in den Äußerungen zum Ausdruck kommende Argument, wonach alle Verfahren vor der Finanzmarktaufsichtsbehörde mit einer erhöhten Dringlichkeit verbunden seien: Der Verfassungsgerichtshof nannte in seinem Prüfungsbeschluss diesbezüglich – beispielhaft – Kostenbescheide gemäß §19 Abs5 FMABG oder Zinsvorschreibungen gemäß §97 BWG und geht entgegen der Ansicht in den vorgelegten Äußerungen weiterhin davon aus, dass derartige Verfahren keine von §13 Abs1 und 2 VwGVG abweichenden Regelungen erfordern (ergänzend zu dieser bloß beispielhaften Aufzählung können u.a. die Vorschreibung einer Säumnisgebühr gemäß §22a FMABG, die Erlassung von Auskunftsbescheiden gemäß §23 FMABG oder Kostenbescheide gemäß §271 VAG 2016 sowie gemäß §89 WAG 2018 genannt werden). Insofern sehen auch die Bundesregierung und die Finanzmarktaufsichtsbehörde letztlich kein Problem darin, dass die in diesem Zusammenhang "grundsätzlich in Form eines Mandatsbescheides [ergehenden]" Anordnungen mit einer Vorstellung bekämpft werden können, der ex lege aufschiebende Wirkung zukommt.

2.5. Weiterhin sind auch die Ausführungen der Bundesregierung und der Finanzmarktaufsichtsbehörde, wonach mit der Regelung des §22 Abs2 FMABG bloß die bisherige, vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandete Rechtslage fortgeführt worden sei, nicht zutreffend: Wenn §22 Abs2 FMABG in der Fassung vor der Novelle BGBl I 70/2013 die Berufung gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde – ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen – ausschloss und damit einzig die außerordentlichen Rechtsmittel an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zuließ, war damit keine Abweichung von den allgemeinen Verwaltungsverfahrensvorschriften verbunden. Gemäß §63 Abs1 AVG (in den relevanten Fassungen) richtete sich der Instanzenzug nämlich stets "nach den Verwaltungsvorschriften". Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Zuständigkeit zur Regelung des Instanzenzuges in materiellrechtlichen Belangen nicht unter den Kompetenztatbestand des Art11 Abs2 B‑VG fällt, sondern dem jeweiligen Materiengesetzgeber überlassen ist (VfSlg 7768/1976). Diesem blieb (und bleibt) es vorbehalten, das Rechtsmittel der Berufung auszuschließen, was in der Folge auch Auswirkungen auf den einstweiligen Rechtsschutz zeitigte: In diesem Fall musste einer allfälligen Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die aufschiebende Wirkung vom angerufenen Gerichtshof im Einzelfall zuerkannt werden.

2.6. Schließlich gelang es weder der Bundesregierung noch der Finanzmarktaufsichtsbehörde, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich eines möglichen Verstoßes der Bestimmung des §22 Abs2 FMABG gegen das Rechtsstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes zu entkräften. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss darlegte, steht §22 FMABG nämlich einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde entgegen. Eine Entscheidung darüber kann gemäß §22 Abs2 FMABG nur das Bundesverwaltungsgericht fällen, womit dem Betroffenen erst nach der Vorlage der Beschwerde und Anhörung der Finanzmarktaufsichtsbehörde – nicht jedoch bereits im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens – einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden kann.

Dass die Finanzmarktaufsichtsbehörde die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung – wie in den Äußerungen dargestellt – unverzüglich und regelmäßig auch schon während der Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesverwaltungsgericht vorlegt und das Bundesverwaltungsgericht sodann ohne unnötigen Aufschub über den Antrag entscheidet, vermag daran nichts zu ändern. Schließlich muss das Bundesverwaltungsgericht auch bei einer raschen Vorlage des Antrages gemäß §22 Abs2 FMABG noch die Finanzmarktaufsichtsbehörde hören, bevor es der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen kann. Insofern entsteht ein mitunter nicht unerheblicher Zeitraum, in welchem dem Beschwerdeführer kein einstweiliger Rechtsschutz gewährleistet ist.

IV. Ergebnis

1. §22 Abs2 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I 97/2001, idF BGBl I 70/2013 ist daher wegen Verstoßes gegen Art136 Abs2 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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