BFG RV/7100758/2020

BFGRV/7100758/202030.3.2020

Zurückverweisung bei unschlüssigen Gutachten des Sozialministeriumservice

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100758.2020

 

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke im Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde des ***[1]*** ***[2]***, ***[3]***, vom 8. 3. 2019, gegen den Bescheid des Finanzamts Waldviertel, 3830 Waidhofen an der Thaya, Hauptplatz 23-26, vom 12. 2. 2019, wonach der Antrag vom 14. 1. 2019 auf erhöhte Familienbeihilfe für sich selbst für den Zeitraum ab Jänner 2014 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer ***[4]***, den Beschluss gefasst:

I. Der angefochtene Bescheid vom 12. 2. 2019 und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom 10. 9. 2019 werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Anträge

Der Beschwerdeführer (Bf) ***[1]*** ***[2]*** beantragte am 14. 1. 2019 mit dem Formular Beih 100 Familienbeihilfe wie folgt:

Er sei österreichischer Staatsbürger, im März 1969 geboren, ledig, wohne in ***[3]***, beantrage ohne Angabe eines Beginndatums für sich Familienbeihilfe wegen Behinderung.

Zugleich wurde mit dem Formular Beih 3 der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung wegen "Lernschwierigkeiten, starke Sehbeeinträchtigung" ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung gestellt.

Sachverständigengutachten vom 7. 2. 2019

Das vom Finanzamt hierauf befasste Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, erstattete am 7. 2. 2019 ein Gutachten über den Bf:

Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)

Name der /des Untersuchten: Geschlecht

***[1]*** ***[2]*** Männlich

Geburtsdatum

....04.1969

Verfahrensordnungsbegriff

***[5]***

Wohnhaft in

***[3]*** Österreich

Identität nachgewiesen durch (Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl)

Personalausweis

Rechtsgebiet

FLAG

Verfahren:

Familienlastenausgleichsgesetz

Begutachtung durchgeführt am     In der Zeit Untersuchung:

07.02.2019 Von 09:00 bis 11:00 Uhr In der Ordination

Dolmetsch anwesend: NEIN

Name:

Begleitperson anwesend: NEIN    Begleitperson erforderlich:

 

Name der / des Sachverständigen

Dr. ***[6]*** ***[7]***

Fachgebiet der / des Sachverständigen

Allgemeinmedizin und Augenheilkunde

Anamnese:

Seit der Kindheit sieht er mit dem linken Auge fast gar nichts, mit dem rechten keine Probleme.

Führerschein hat er, aber immer auf 5 Jahre befristet.

Keine Operationen oder Verletzungen.

Derzeitige Beschwerden:

sieht links schlecht

Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel:

keine Augentherapie

Lesebrille .

Sozialanamnese:

Ausbildung: VS, HS bis zur 3. Klasse

gearbeitet als Bauhilfsarbeiter, dzt. AMS, das geht nicht mehr wegen der Wirbelsäule Führerschein B - immer auf 5 Jahre befristet wegen der funktionellen Einäugigkeit

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Konsiliarbefund der Augenabteilung des KH St. Pölten vom 22.11.2018:

Insult

Visus c.c. re 1,0, li FZ pos.

VAA und Fd. unauff.

Befund der Augenärztin Dr. ***[8]*** vom 5.8.2014:

Visus re s.c. 1,0, li HB

Fundus o.B...

Esotropie links, Amblyopie links

Lenkerberechtigt für KFZ Gruppe 1

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

normal

Ernährungszustand:

normal

Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Visus rechts ohne Korrektur 1,0

Visus links bei einer Korrektur von

Vorderer Augenabschnitt beidseits unauffällig

Incipiente Cataract beidseits

Fundus: Papille beidseits scharf begrenzt, vital

Macula und Gefäße beidseits altersentsprechend unauffällig

Augendruck rechts 16 , links 19 mm Hg

manifester Strabismus convergens links für Ferne ~10° und Nähe ~15°

Gesichtsfeld: rechts unauffälig, links nicht möglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig

Psycho(patho)logischer Status:

unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB%

1

Amblyopia gravis links (schwere Schwachsichtigkeit links)

Wahl dieser Richtsatzposition bei einseitiger Blindheit links, fixer Rahmensatz.

11.02.02

30

2

Manifester Strabismus convergens links (Innenschielen links)

Wahl dieser Richtsatzposition bei Augenstellungsanomalie, unterer Rahmensatz bei Freiheit von Doppelbildern.

11.01.03

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende funktionelle Einschränkung wird durch die funktionelle Einschränkung lfd. Nr. 2 nicht erhöht mangels funktioneller Relevanz von Nr. 2.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja [ ] nein

GdB liegt vor seit: 08/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Herr ***[1]*** ***[2]*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

keine schwere Sehbehinderung, hat jahrelang als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet

[X] Dauerzustand

[ ] Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Gutachten erstellt am 07.02.2019 von Dr. ***[6]*** ***[7]***

Gutachten vidiert am 07.02.2019 von Dr. ***[9]*** ***[10]***

Abweisungsbescheid

Mit Abweisungsbescheid vom 12. 2. 2019 wies das Finanzamt den Antrag vom 14. 1. 2019 auf erhöhte Familienbeihilfe ab Jänner 2014 ab und begründete dies folgendermaßen:

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab 1. Juli 2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Besteht keine vor dem 21.Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag zu.

Da laut Fach/Ärztlichen Sachverständigengutachten vom 07.02.2019 der Grad der Behinderung nur 30 % beträgt und keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt wurde, war wie im Spruch zu entscheiden.

Hinweis

Im Zuge dieser Erledigung erstellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes folgende Bescheinigung(en) über das Ausmaß der Behinderung, die Ihnen zeitnah und mit separater Post zugesendet wird/werden:

Name des Kindes Datum Geschäftszahl

***[2]*** ***[1]*** 7. Feb. 2019 ***[5]***

Beschwerde

Mit Schreiben vom 8. 3. 2019 erhob der Bf Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid und führte unter anderem aus:

Einspruch gegen Abweisungsbeschein

Im Sachverständigengutachten vom 7.2.2019 wird der festgestellte Grad der Behinderung von 30 Prozent voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd ab 08/2014 festgestellt.

Das Gutachten ist unvollständig und nicht schlüssig. Herr ***[2]*** verfügt seit dem 2.10.2014 einen Behindertenpass in dem ein Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbstätigkeit 50 v. H. festgestellt wurde. (Kopie Behindertenausweis, Sachverständigengutachten 10. September 2014)

Herr ***[2]*** hat die Hauptschule nach dem 3. Schuljahr abgebrochen und verfügt somit über keine abgeschlossene Schulausbildung. Siehe Schulbestätigung Volksschule ***[11]*** und Hauptschule ***[12]***. Eine Lehrausbildung war somit nicht möglich.

In dem Sachverständigengutachten vom 7.2.2019 wurde die Bescheinigung der Stellungskommission vom 1.12.1987 nicht berücksichtigt in dem eine Untauglichkeit festgestellt wurde. Diagnose Statusblatt Stellungskommission. Zu diesem Zeitpunkt war Herr ***[2]*** 18 Jahre alt.

Laut Basis - Check Plus (Seite 4) liegt die bildungsunabhängige Grundintelligenz im unteren Durchnittsbereich. Hinsichtlich der bildungsunabhängigen Intelligenz erzielte der ***[2]*** eine Ergebnis unter Lehrabschlussniveau.

In seinen zahlreichen Dienstverhältnissen konnte Herr ***[2]*** kein längeres Dienstverhältnis eingehen. Aufgrund seiner Beeinträchtigung war dies nicht möglich (Versicherungsdatenauszug)

Herr ***[2]*** ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in der Lage sich selbst seinen Unterhalt zu verschaffen und wird voraussichtlich dauernd außerstande sein dies zu tun.

Als Nachweis über das Vorliegen der Selbsterhaltungsunfähigkeit werden der Behörde folgende Beweise vorgelegt:

- Sozialversicherungsdatenauszug (Beilage /.1)

- Sachverständigengutachten (Beilage/.2)

- Behindertenausweis (Beilage/.3)

- Bescheinigung der Stellungskommission (Beilage/.4)

- Basis Check Plus (Beilage/.5)

- Abweisungsbescheid Finanzamt (Beilage/.6)

- Schulbesuchsbestätigung ***[11]*** (Beilage/.7)

- Schulbesuchsbestätigung ***[12]*** (Beilage/.8)

Begehren

Aufgrund der obigen Ausführungen stellt der Beschwerdeführer folgende

ANTRÄGE

I. Aufhebung des Abweisungsbescheides vom 12.2.2019

II. Einholung eines Sachverständigengutachten und

III. Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe

IV. In eventu Aufhebung des Abweisungsbescheides vom 12.2.2019 und Zurückweisung an die zuständige Behörde.

Beigefügt waren die angegebenen Urkunden.

Sozialversicherungsdatenauszug

Laut Sozialversicherungsdatenauszug vom 15. 1. 2019 sind folgende Versicherungszeiten vermerkt:

von bis Art der Monate / meldende Stelle Nr. *)

22.07.1985 25.07.1985 Arbeiter 01

06.09.1988 12.10.1988 Arbeiter

14.10.1988 01.11.1988 Krankengeldbezug 02

03.07.1989 09.07.1989 Arbeiter

10.07.1989 14.07.1989 Krankengeldbezug

15.07.1989 11.08.1989 Arbeiter 03

22.01.1990 24.01.1990 Arbeiter 04

18.04.1990 29.04.1990 Beihilfe § 20 Abs. 2 AMFG Arbeiter

30.04.1990 30.04.1990 Krankengeldbezug 05

18.06.1990 21.06.1990 Arbeiter

25.06.1990 27.06.1990 Krankengeldbezug

28.06.1990 19.12.1990 Arbeiter

20.12.1990 28.12.1990 Krankengeldbezug

29.12.1990 08.05.1991 Arbeiter

09.05.1991 14.05.1991 Krankengeldbezug

15.05.1990 31.05.1991 Arbeiter

01.06.1991 17.06.1991 Krankengeldbezug

18.06.1991 07.07.1991 Arbeiter 06

10.07.1991 01.11.1991 Arbeitslosengeldbezug 07

02.11.1991 08.11.1991 Krankengeldbezug, Sonderfall 08

09.11.1991 03.05.1992 Arbeitslosengeldbezug 07

04.05.1992 26.08.1992 Arbeiter

27.08.1992 06.09.1992 Krankengeldbezug

07.09.1992 29.10.1992 Arbeiter

30.10.1992 30.10.1992 Krankengeldbezug

31.10.1992 02.12.1992 Arbeiter 09

04.12.1992 21.03.1993 Arbeitslosengeldbezug 07

23.03.1993 24.03.1993 Arbeiter 10

25.03.1993 25.04.1993 Arbeitslosengeldbezug

27.04.1993 31.05.1993 Arbeitslosengeldbezug 07

02.06.1993 02.06.1993 Arbeiter

06.06.1993 13.06.1993 Krankengeldbezug 11

06.1993 -14.06,1993 Arbeiter 12

16.06.1993 22.06.1993 Arbeitslosengeldbezug 07

28.06.1993 29.10.1993 Arbeiter 13

28.06.1993 03.12.1993 BUAK-Schwerarbeiterbeschäftigungszeiten

30.10.1993 07.11.1993 Krankengeldbezug

08.11.1993 30.11.1993 Arbeiter 13

01.12.1993 27.03.1994 Arbeitslosengeldbezug 07

28.03.1994 26.06.1994 Arbeiter 13

03.1994 25.11.1994 BUAK-Schwerarbeiterbeschäftigungszeiten 14

27.06.1994 30.06.1994 Krankengeldbezug

01.07.1994 15.10.1994 Arbeiter

16.10.1994 23.10.1994 Krankengeldbezug

24.10.1994 22.11.1994 Arbeiter

24.11.1994 29.11.1994 Krankengeldbezug 13

30.11.1994 22.01.1995 Arbeitslosengeldbezug

23.01.1995 30.01.1995 Krankengeldbezug, Sonderfall

31.01.1995 07.05.1995 Arbeitslosengeldbezug

08.05.1995 09.05.1995 Arbeiter

12.05.1995 18.05.1995 Krankengeldbezug 15

19.05.1995 05.06.1995 Arbeitslosengeldbezug

05:06.1995 30.06.1995 BUAK-Schwerarbeiterbeschäftigungszeiten 14

06.06.1995 29.06.1995 Arbeiter

06.07.1995 14.07.1995 Krankengeldbezug 16

15.07.1995 30.07.1995 Arbeitslosengeldbezug

31.07.1.995 06.08.1995 Krankengeldbezug, Sonderfall 08

07.08.1995 27.05.1996 Arbeitslosengeldbezug

28.05.1996 16.08.1996 Arbeiter

17.08.1996 20.08.1996 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung 17

21.08.1996 15.09.1996 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

16.09.1996 25.09.1996 Arbeiter

26.09.1996 04.10.1996 Krankengeldbezug 18

07.10.1996 14.11.1996 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe 07

15.11.1996 01.12.1996 Krankengeldbezug, Sonderfall 08

02.12.1996 26.12.1996 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe 07

27.12.1996 03.01.1997 Krankengeldbezug, Sonderfall 08

04.01.1997 14.01.1997 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe 07

15.01.1997 17.03.1997 Krankengeldbezug, Sonderfall 08

18.03.1997 29.06.1997 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe 07

30.06.1997 04.07.1997 Arbeiter

05.07.1997 05.07.1997 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung 19

09.07.1997 13.07.1997 Arbeiter 20

14.07.1997 31.08.1997 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

13.10.1997 31.01.1998 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

01.02.1998 10.02.1998 Krankengeldbezug, Sonderfall

11.02.1998 07.02.1999 Notstandshilfe,-Überbrückungshilfe

08.02.1999 12.03.1999 Arbeiter

13.03.1999 14.03.1999 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung 21

15.03.1999 31.03.1999 Krankengeldbezug

01.04.1999 18.08.1999 Arbeitslosengeldbezug

19.08.1999 02.04.2000 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

03.04.2000 23.11.2000 Arbeiter 22

24.11.2000 05.01.2001 Arbeitslosengeldbezug

06.01.2001 15.01.2001 Krankengeldbezug, Sonderfall

16.01.2001 18.02.2001 Arbeitslosengeldbezug

19.02.2001 18.11.2001 Arbeiter 22

19.11.2001 24.03.2002 Arbeitslosengeldbezug

25.03.2002 19.04.2002 Arbeiter 23

15.04.2002 01.07.2002 Arbeiter

02.07.2002 05.07.2002 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung

06.07.2002 07.07.2002 Krankengeldbezug 24

08.07.2002 13.09.2002 Arbeiter

14.09.2002 20.09.2002 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung 25

21.09.2002 04.10.2002 Arbeitslosengeldbezug

05.10.2002 27.10.2002 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe

28.10.2002 13.12.2002 BUAK-Schwerarbeiterbeschäftigungszeiten 14

28.10.2002 11.12.2002 Arbeiter 16

12.12.2002 28.02.2003 Arbeitslosengeldbezug

[usw., regelmäßige Beschäftigungen mit Unterbrechungen bis 2005, ab 2008 wieder regelmäßige Beschäftigungen mit Unterbrechungen bis 2009, ab 2015 fallweise geringfügig beschäftigter Arbeiter]

Sachverständigengutachten

Auszug aus einer Begutachtung für den Behindertenausweis:

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB%

1

mittelgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule

Wahl dieser Richtsatzposition mit dem oberen Rahmensatz bei maßgeblicher radiologischer Veränderung und wiederholt auftretenden, vor allem belastungsinduzierten schmerzhaften mäßig bis mittelgradigen Bewegungseinschränkungen

02.01.02

40

2

Amblyopie links, Strabismus convergens links

Wahl dieser Richtsatzposition bei Minderung der Sehschärfe des linken Auges, fixer Rahmensatz gemäß Tabelle

11.02.01Tabelle:K1/Z8

30

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht. Leiden 2 ist ein Sinnesleiden.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung

Zustand nach Varizenoperation, da erfolgreich durchgeführt, ohne bleibende funktionelle Defizite

Stellungnahme zu Vorgutachten:

[X] Dauerzustand

[ ] Nachuntersuchung Begründung:

Die / Der Untersuchte ist infolge des Ausmaßes seiner funktionellen Einschränkungen zumindest zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb

[ ] geeignet [ ] nicht geeignet

Aufgrund der vorliegenden Befunde ist eine rückwirkende Bestätigung des Grades der Behinderung nicht möglich.

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

ja nein nicht geprüft Die / Der Untersuchte

[ ] [X] [ ] ist überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen

[ ] [X] [ ] ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

[ ] [X] [ ] ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

[ ] [X] [ ]  ist gehörlos

[ ] [X] [ ] ist schwer hörbehindert

[ ] [X] [ ] ist taubblind

[ ] [X] [ ] ist Trägerin oder Träger eines Cochlea-Implantates

[ ] [X] [ ] ist Epileptikerin oder Epileptiker

[ ] [X] [ ] bedarf einer Begleitperson

[ ] [X] [ ] ist Trägerin oder Träger von Osteosynthesematerial

[ ] [X] [ ] ist Orthesenträgerin oder Orthesenträge

[ ] [X] [ ] ist Prothesenträgerin oder Prothesenträger

[ ] [X] [ ] Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung liegt vor.

Begründung

[ ] Die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist gegeben, da

■ weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch

■ erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit noch

■ erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen noch

■ eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems

im Sinne der Verordnung auf Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorliegt.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

ja nein nicht geprüft

[ ] [X] [ ] Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03. GdB: ab

[ ] [X] [ ] Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit GdB: ab

[ ] [X] [ ] Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: ab:

Datum: 10. September 2014

Dr. ***[13]*** ***[14]***, Facharzt für Urologie, Arzt für Allgemeinmedizin

Behindertenausweis

Am 2. 10. 2014 wurde für den Bf ein Behindertenausweis (GdB 50%) ausgestellt.

Bescheinigung der Stellungskommission

Die Stellungskommission beim Militärkommando Niederösterreich beschloss am 1. 12. 1987, dass der Bf untauglich sei.

Vorgelegt wurden die Detailuntersuchungsergebnisse zur Stellung sowie ein Verordnungsschein für Sehbehelfe.

Laut Untersuchungsbefund vom 1. 12. 1987 unter anderem (soweit im PDF lesbar):

Beruf erlernt: - ausgeübt: 9100 OHNE BERUF

Schulbildung: 4-VS, 4- HS (B)

Führerscheine: B, Schütze: RE

Hämatokrit: 58

Harnsäure: 9.7

Röntgen: O.B.

RR rechts: 115/75, links: 120/80

Visus rechts 1.00, links 0.10

Pulmo: Atemgeräusch: verschärftes VA / RGS (Bronchitis)

Diagnosen:

368 00 6 0 Amblyopie ex anopsia

274 90 1 4 Gicht NUD

Diagnose:

 

 

Basis Check Plus

Im 41. Lebensjahr des Bf (31. 3. 2010) erfolgte durch die Berufs Diagnostik Austria ein Basis Check Plus durch Dr. ***[15]*** ***[16]*** und Mag. ***[17]*** ***[18]***. Auszüge:

EINSCHÄTZUNG DER DERZEITIGEN KÖRPERLICHEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Behinderungen und Einschränkungen (Führende und vermutete Diagnosen)

Führerende Diagnose:

> Cervicalsyndrom (Halsgangirbelsäulenbeschwerden)

Weitere Diagnosen:

> Lumbalgie (Lendenwirbelsäulenbeschwerden) mit Bandscheibenprolaps L4/L5

> linkes Auge fast blind seit Geburt

Aus arbeitsmedizinischer Sicht und nach Durchsicht der vorgelegten Befunde ist Herr ***[2]*** ganztags arbeits- und kursfähig.

Aufgrund der orthopädischen Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sind ihm jedoch nur mehr leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten (Heben bis max. 15 kg, Tragen bis max. 7 kg) unter Vermeidung von Zwangshaltungen zuzumuten. Arbeiten an höhenexponierten Stellen, mit Vibrationsbelastung, Kälte- und Nässeexposition sind ebenso zu meiden, wie ständige berufliche Fahrtätigkeiten. Gelegentliche Fahrten mit dem Pkw sind durchaus denkbar.

Eine Tätigkeit als Waldarbeiter ist nicht mehr zumutbar: Allerdings sind leichte bis  mittelschwere Hilfstätigkeiten unter Einhaltung der oben genannten Beschränkungen durchaus möglich.

EINSCHÄTZUNG DER DERZEITIGEN PSYCHOSOZIALEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT UND BELASTBARKEIT

Anamnese (Erstgespräch)

Herr ***[2]*** gibt an, dass er keinen Pflichtschulabschluss hat, da er nach Absolvierung der Volksschule die Hauptschule nach dem 3. Schuljahr abgebrochen hat. Anschließend war er etwa bis zu seinem 20. Lebensjahr im Betrieb seiner Mutter (Obst- und Alteisenhandel) tätig. In weiterer Folge übte Herr ***[2]*** überwiegend die Tätigkeit als Bauhelfer aus. Zuletzt war er für etwa ein bis zwei Monate als Gartenarbeiter tätig, wobei er nach seinen Angaben aufgrund seiner gesundheitlichen Problematik gekündigt wurde und seit etwa fünf Monaten beschäftigungslos ist. Der Kunde gab an, dass er starke Kreuz- und Nackenbeschwerden sowie Probleme mit den Bandscheiben hat. Insbesondere beim längeren Sitzen habe er Schmerzen. Laut seinen Angaben ist er in regelmäßiger orthopädischer Behandlung. Bei schwereren körperlichen Arbeiten, wie zum Beispiel Holzhacken, sei er auf die Hilfe von seinem Sohn angewiesen. Zudem gab er an, dass er von Geburt an auf dem linken Auge fast blind ist.

Hinsichtlich der Berufswüsche konnte. Herr ***[2]*** keine konkreten Angaben machen. Er habe sich bei Baufirmen beworben, jedoch sei die Tätigkeit aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr möglich. Er könne sich jedoch eine Fahrttätigkeit mit dem Auto gut vorstellen. Herr ***[2]*** gab an, dass er eher wenig Bereitschaft und Interesse habe, eine Ausbildung zu machen oder an Kursen teilzunehmen, sondern lieber arbeiten gehen möchte. Weiterbildungen habe er keine gemacht und er verfüge über keine PC-Kenntnisse.

Der Kunde gab an, Schulden in der Höhe von 40.000 EUR zu haben, die er regelmäßig zurückzahle.

Laut seinen Angaben trinke er gelegentlich drei bis vier Bier.

Herr ***[2]*** ist nicht verheiratet und wohnt alleine. Er hat eine Lebensgefährtin und einen 17 Jahre alten Sohn, zu dem er einen sehr guten und regelmäßigen Kontakt habe.

[...]

Psychische Problematik (Erstgespräch SVF, FPI-R, AVEM)

[ ] vorhanden

[X] nicht vorhanden

… Zusammenfassend konnten keine Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Problematik erhoben werden. Allerdings dürfte sich Herr ***[2]*** aufgrund seiner aktuellen beruflichen und gesundheitlichen Situation derzeit wenig zufrieden erleben sowie ein eher gesundheitsgefährdendes arbeitsbezogenes Verhaltensmuster zeigen.

Motivationshemmnisse (Erstgespräch, AVEM)

[ ] vorhanden

[X] nicht vorhanden

Herr ***[2]*** gab an, sich bei Baufirmen beworben zu haben, eine Tätigkeit als Bauhelfer sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Im Gespräch machte er einen wenig zukunfts- bzw. perspektivenorientierten Eindruck. Laut seinen Angaben ist er wenig bereit, an Kursen oder Weiterbildungen teilzunehmen und möchte lieber bald wieder eine Arbeit finden, so dass hinsichtlich Berufsorientierungsmaßnahmen von einer mangelnden Motivationsbereitschaft ausgegangen werden kann.

Soziale Problematik

[ ] vorhanden

[X] nicht vorhanden

Es konnte keine soziale Problematik erhoben werden

RISIKOFAKTOREN IN HINBLICK AUF DIE BERUFLICHE INTEGRATION

[X] bekannt

[ ] nicht bekannt

• Gesundheitliche Einschränkungen

• Schulden

• Fehlende Berufs- bzw. Perspektivenorientierung

• Fehlender Pflichtschulabschluss

EINSCHÄTZUNG DER DERZEITIGEN KOGNITIVEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Sprachliche Ausdrucksfähigkeit (Erstgespräch, Selbstpräsentation) [X] gut [ ] mittelmäßig [ ] unzureichend

Schulische Kenntniserhebung

Rechnen (Grundrechnungsarten, Schlussrechnen) [X] gut [ ] mittelmäßig [ ] unzureichend

Lesen (Textverständnis) [X] gut [ ] mittelmäßig [ ] unzureichend

Schreiben (Rechtschreibung, Grammatik) [X] gut [ ] mittelmäßig [ ] unzureichend

Aufmerksamkeit / Konzentration (ALS Arbeitstempo/Genauigkeit [ ] über Ø [X] Ø [ ] unter Ø

Lernfähigkeit / Gedächtnis (VLT, NVLT)

Verbal (sprachliches Material) [ ] über Ø [X] Ø [ ] unter Ø

Nonverbal (bildliches Material) [ ] über Ø [X] Ø [ ] unter Ø

Bildungsunabhängiger Intelligenzbereich (APM oder SPM)

[X] Trainings- und Einführungsaufgaben (APM) [ ] über Ø [ ] Ø [X] unter Ø

[X] APM [ ] über Ø [X] Ø [ ] unter Ø

[ ] SPM (Anstatt APM) [ ] über Ø [ ] Ø [ ] unter Ø

Einschätzung des Qualifikationsniveaus

[X] eindeutig

[ ] Weitere Abklärung notwendig

… Herr ***[2]*** gab nach längerer Bearbeitung der Aufgaben an, starke Kreuzschmerzen zu haben und benötigte eine kurze Pause. Insgesamt zeigte er sich während der psychologisch-diagnostischen Begutachtung bemüht und sehr freundlich.

Die bildungsunabhängige Grundintelligenz liegt im unteren Durchschnittsbereich.

Bei einfachen Aufgaben zur Erhebung der Konzentrationsfähigkeit arbeitete er mit normalem Arbeitstempo, bei hoher Qualität, jedoch mit Leistungsabfall. Zusammenfassend ist die Konzentrationsfähigkeit daher als durchschnittlich zu beschreiben.

Die Lern- und Merkfähigkeit war sowohl bei sprachlichem, als auch bildlichem Material durchschnittlich ausgeprägt.

Bei den mathematischen Aufgaben konnte er sowohl die Grundrechnungsarten als auch die Schlussrechnungen lösen.

Die Erhebung der Deutschkenntnisse zeigte überdurchschnittliche Kenntnisse in den Bereichen Textverständnis, Textwiedergabe, Rechtschreibung und Grammatik.

Zusammenfassend zeigten sich zum Zeitpunkt der psychologisch-diagnostischen Begutachtung gut ausgeprägte Grundkulturtechniken sowie eine durchschnittlich gute Konzentrations- und Merkfähigkeit. Hinsichtlich der bildungsunabhängigen Intelligenz erzielte der Kunde jedoch ein Ergebnis unter Lehrabschlussniveau.

BEANTWORTUNG DER FRAGESTELLUNGEN/ERSTEINSCHÄTZUNG DER LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist Herr ***[2]*** ganztags arbeits- und kursfähig. Aufgrund der orthopädischen Beschwerden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sind ihm jedoch nur mehr leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Einhaltung der Hebe- und Trageeinschränkungen sowie unter Vermeidung von Zwangshaltungen zuzumuten. Arbeiten an höhenexponierten Stellen, mit Vibrationsbelastung, Kälte- und Nässeexposition sind ebenso zu meiden wie ständige berufliche Fahrtätigkeiten. Eine Tätigkeit als Waldarbeiter ist nicht mehr zumutbar. Allerdings sind leichte bis mittelschwere Hilfstätigkeiten unter Einhaltung der genannten Beschränkungen durchaus möglich.

Aus psychologischer Sicht konnten keine Hinweise auf das Vorliegen einer psychischen Problematik erhoben werden, wobei sich der Kunde aufgrund der derzeitigen Arbeitslosigkeit sowie der gesundheitlichen Problematik wenig stressresistent und wenig zufrieden erleben sowie ein eher gesundheitsgefährdendes arbeitsbezogenes Verhaltensmuster zeigen dürfte.

Aus kognitiver Sicht zeigte sich bei durchschnittlicher Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie gut ausgeprägter Grundkulturtechniken eine unter dem Lehrabschlussniveau liegende bildungsunabhängige Grundintelligenz. Aufgrund einer eher mangelnden Motivationsbereitschaft hinsichtlich Kursen und Berufsorientierungsmaßnahmen sollten derzeit leichte Anlern- und Hilfstätigkeiten angestrebt werden!

...

Wien, am 31.03.2010

Arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten

Befundung am: 31.03.2010 Ärztin: Dr.in ***[15]*** ***[16]***/PDG

Tätigkeiten; die zurzeit gesundheitlich möglich sind:

► Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit

► Heben: bis 15 kg, Tragen bis 7 kg

► Arbeiten im häufigen Sitzen, Stehen und Gehen mit Möglichkeit zum Lagewechsel

► Arbeiten mit feinst-, fein-, mittlerem bis grobmanipulativem Handgeschick

► Arbeiten an unfallgefährdenden Maschinen

► Arbeiten unter Lärmexposition

► Arbeiten, bei denen sehr genaues Hörvermögen nötig ist

► einfacher, durchschnittlicher, überdurchschnittlicher, besonderer bis ständiger Zeitdruck

► Ein vermehrter Anleitungs- und Unterweisungsbedarf ist nicht zu erwarten

► Arbeiten unter Hitzeexposition

► Arbeiten mit Schmutzeinwirkung auf die Haut

► Exposition chemische Dämpfe, Gase, Staub

► Arbeiten im Freien (bei normaler Witterung)

► Nacht- und Schichtarbeit

► zusätzliche Arbeitspausen sind nicht erforderlich

► Vollzeitbeschäftigung/Teilzeitbeschäftigung

► Bildschirmarbeit und bildschirmunterstützte Arbeit

► Wege zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder PKW zumutbar

Krankenstände von mehr als 7 Wochen sind derzeit aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht vorhersehbar.

Tätigkeiten, die zurzeit zu vermeiden sind:

► Schwere körperliche Arbeit

► Heben ab 15 kg, Tragen ab 7 kg

► Arbeiten im dauernden Sitzen, Stehen und Gehen ohne Möglichkeit zum Lagewechsel

► Arbeiten in Zwangshaltungen: häufige Überkopfarbeiten, verdrehte Körperhaltung, länger nach vorn gebeugte Körperhaftung

► Arbeiten in Zwangshaltungen, häufiges Hocken und Knien

► Arbeiten an höhenexponierten Stellen

► Arbeiten mit Vibrationsbelastung

► Arbeiten unter Kälte-/Nässeexposition

► Berufliche Fahrtätigkeit (LKW, Baumaschinen, Stapler, Taxi)

Beruf erlernt: ja [ ] nein [X]

...

Tätigkeit im überwiegend ausgeübten Beruf als Hilfstätigkeiten zumutbar: ja [X] nein [ ]

Kursfähigkeit

Kursfähigkeit ist ganztags gegeben ja [X] nein [ ]

Kursfähigkeit für Halbtagesmaßnahmen oder speziell belastungsangepasste Rehabilitationsmaßnahmen (z.B. Imbus, Arbeitstraining) gegeben ja [X] nein [ ]

Es liegt vermutlich eine Berufskrankheit vor: ja [ ] nein [X]

Die Einschränkung ist vermutlich Folge eines Arbeits-/Wegunfalls: ja [ ] nein [X]

Abweisungsbescheid Finanzamt

Zum Abweisungsbescheid vom 12. 2. 2019 siehe oben.

Schulbesuchsbestätigung ***[11]***

Die Volksschule ***[11]*** bestätigte am 16. 11. 2011, dass der Bf im Schuljahr 1976/77 die erste Klasse und im Schuljahr 1977/78 die zweite Klasse besucht hat.

Schulbesuchsbestätigung ***[12]***

Die Hauptschule ***[12]*** bestätigte am 17. 11. 2001, dass der Bf von September 1981 bis Juni 1984 die Hauptschule ***[12]*** (5. bis 7. Schulstufe) besucht und damit die Schulpflicht beendet hat.

1978/79, 1979/80 und 1980/81 war er Schüler der VS ***[12]*** und davor besuchte er zwei Jahre die VS ***[11]*** (1976/77 und 1977/78). 1975/76 erfolgte laut Schülerbeschreibungsbogen eine Zurückstellung vom Schulbesuch an der VS ***[19]***.

Sachverständigengutachten vom 24. 5. / 16. 7. 2019

Das Finanzamt holte ein weiteres Gutachten beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein. Dessen Landesstelle Niederösterreich erstattete am 24. 5. / 16. 7. 2019 folgendes Gutachten über den Bf:

Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)

Name der /des Untersuchten: Geschlecht

***[1]*** ***[2]*** Männlich

Geburtsdatum

....04.1969

Verfahrensordnungsbegriff

***[20]***

Wohnhaft in

***[3]*** Österreich

Identität nachgewiesen durch (Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl)

PA ...

Rechtsgebiet

FLAG

Verfahren:

Familienlastenausgleichsgesetz

Begutachtung durchgeführt am     In der Zeit Untersuchung:

07.05.2019 Von 08:30 bis 09:00 Uhr In der Landesstelle des Sozialministeriumservice

Dolmetsch anwesend: NEIN

Name:

Begleitperson anwesend: JA    Begleitperson erforderlich:

***[21]*** ***[22]***, Arbeitsassistenz Caritas

Name der / des Sachverständigen

Dr.in ***[23]*** ***[24]***

Fachgebiet der / des Sachverständigen

Allgemeinmedizin

Anamnese:

Schielen und Amblyopie seit der Kindheit

Diskusprolaps C6/C7 2015

Impingement linke Schulter 2015, Clavicularesektion 2017

TIA 08/2018

Stationärer Aufenthalt Psychiatrie LK ***[32]*** 4.-8.1.2019 bei mittelgradiger depressiver Episode

Vorgelegter Befund: VGA Pass 10.09.2014: WS 40%, Auge 30%= Gesamt 50%

VGA FLAG 7.2.2019: Amblyopie 30%, Strabismus 10%= Gesamt 30%

Derzeitige Beschwerden:

Schmerzen im Bereich der HWS, Dauerschmerz mit episodischer Verschlimmerung.

Fallweise Schmerzen LWS.

Zustand nach TIA: keine verbliebenen neurologischen Defizite

Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel:

Adjuvin, Bisoprolol, Clopidogrel, Mirtabene, Novalgin, Panprabene, Seractil b.Bd. 3x1(derzeit wegen HWS und Zahnextraktion), Sucralan

Sozialanamnese:

Ausbildung: VS, HS bis zur 3. Klasse

gearbeitet als Bauhilfsarbeiter, dzt. AMS, das geht nicht mehr wegen der Wirbelsäule Führerschein B - immer auf 5 Jahre befristet wegen der funktionellen Einäugigkeit

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Diagnosen Dr. ***[25]***: Insomnie, Z.n. Clavicularesektion 04/2017, Z.n. TTIA 08/2018, deg. HWS, Hypertonie.

Kurzbrief LK ***[32]*** ... 8.1.2019: Mittelgradige depressive Episode

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

normal

Größe: 172,00 cm Gewicht: 65,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet.

Kopf, Hals: nach innen Schielen links. Keine Stauungszeichen, keine Lippenzyanose, keine Atemnot.

Thorax: Herz und Lunge unauffällig

Abdomen: Leber am Rippenbogen, keine Resistenzen tastbar, Abdomen weich, keine Abwehrspannung.

Wirbelsäule, Becken: Die Wirbelsäule ist nicht klopfempfindlich, keine Myogelosen, kein muskulärer Hartspann. Der Verlauf ist gerade, keine verstärkte Kyphose der BWS.

HWS: Kinn-Jugulumabstand 1 Querfinger, Retroflexion eingeschränkt. Seitneigung und Rotation nach rechts und links 1/3 eingeschränkt.

BWS: Seitneigung bis Oberrand Kniescheibe, Brustkorb Drehung mit Blick zurück möglich

LWS: Fingerbodenabstand 20cm. Schoberindex 10/15. Beckenstand gerade.

Obere Extremität, Schultern: Zustand nach Clavicularesektion links, die Schulterbeweglichkeit ist frei, der Nackengriff ist durchführbar, der Schürzengriff ist durchführbar. Die grobe Kraft ist seitengleich und symmetrisch, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke sind frei beweglich. Beidseits fester und vollständiger Faustschluss.

Untere Extremität: Die Haut ist altersentsprechend, keine Varizen, keine Ödeme. Die Hüft-, Knie- und Fußgelenke frei beweglich und bandstabil. Grobe Kraft seitengleich, keine sensiblen Ausfälle. Die Fußpulse sind tastbar, Lasegue bds. negativ.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Trägt Konfektionsschuhe, geht frei ohne Hilfsmittel, harmonisches, flottes, flüssiges Gangbild, unbehinderte Abrollbewegung, Aufstehen ohne Abstützen, Zehen- Fersengang durchführbar, Einbeinstand beidseits durchführbar. An- und Entkleiden zügig und selbstständig im Stehen, Oberkleidung über dem Kopf problemlos möglich.

Psycho(patho)logischer Status:

Bewusstseinsklar, zur Person und zum Ort orientiert, gut affizierbar, Affekte angepasst, Stimmungslage ausgeglichen und stabil. Siehe Fachgutachten.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB%

1

Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren GradesOberer Rahmensatz, da chronischer Dauerschmerz mit Einschränkungen im Alltag, mehrsegmentaler Befall, ohne neurologische Ausfälle

02.01.02

40

2

Schwere Schwachsichtigkeit links

11.01.03

10

3

Innenschielen linksunterer Rahmensatz, da Freiheit von Doppelbildern

11.01.03

10

4

Schultergürtel - Funktionseinschränkung geringen Grades links bei Zustand nach Schlüsselbeinteilentfernung 2017

02.06.01

10

5

Leichte Hypertonie

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da Leiden 2 die allgemeine Lebensführung erschwert. Keine weitere Erhöhung, da keine ungünstige Leidensbeeinflussung zwischen Leiden 1 und Leiden 3, 4 und 5 besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Beurteilung über eine Einschränkung der geistigen und seelischen Leistungsfähigkeit erfolgt anhand des psychologischen Fachgutachtens.

Der Zustand nach vorübergehende Hirndurchblutungsstörung erreicht keinen Grad der Behinderung, da ohne verbliebene Defizite.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Erst nach Fachgutachten möglich.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja [ ] nein

GdB liegt vor seit: 09/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Herr ***[1]*** ***[2]*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Aus allgemeinmedizinischer Sicht besteht die Voraussetzung für eine dauernde Unfähigkeit der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht.

[X] Dauerzustand

[ ]

Gutachten erstellt am 24.05.2019 von Dr.in ***[23]*** ***[24]***

Gutachten vidiert am 16.07.2019 von Dr. ***[26]*** ***[27]***-***[28]***

Sachverständigengutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, erstattete am 15. 7. / 16. 7. 2019 folgendes weitere Gutachten über den Bf:

Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010)

Name der /des Untersuchten: Geschlecht

***[1]*** ***[2]*** Männlich

Geburtsdatum

....04.1969

Verfahrensordnungsbegriff

***[20]***

Wohnhaft in

***[3]*** Österreich

Identität nachgewiesen durch (Amtl. Lichtbildausweis / ausstellende Behörde / Zahl)

Personalausweis, Behindertenpass

Rechtsgebiet

FLAG

Verfahren:

Familienlastenausgleichsgesetz

Begutachtung durchgeführt am     In der Zeit Untersuchung:

13.06.2019 Von 05:45 bis 11:15 Uhr In der Landesstelle des Sozialministeriumservice

Dolmetsch anwesend: NEIN

Name:

Begleitperson anwesend: JA    Begleitperson erforderlich:

Lebensgefährtin

NEIN

Name der / des Sachverständigen

Dr.in ***[29]*** ***[30]***-***[31]***

Fachgebiet der / des Sachverständigen

Psychologie

Anamnese:

Fragestellung: Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit? Psychische Beeinträchtigung? Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit.

Derzeitige Beschwerden:

Ausschließlich körperliche Beschwerden; im psychischen Bereich keine Beschwerden, keine aktuellen Behandlungen.

Behandlung(en) / Medikamente/ Hilfsmittel:

Im psychischen Bereich 01/2019 erstmals psychiatrische Behandlung (stationär KH ***[32]*** ...), seither keine weitere Medikation, keine aktuellen Behandlungen. Derzeit Arbeits-Assistenz.

Sozialanamnese:

Daten zur Person:

Schulbesuch: 1 x zurückgestellt, danach VS und HS (bis inkl. 3. KL), kein SPF

Berufstätigkeit: Mitarbeit im elterlichen Betrieb (stundenweise, nicht angemeldet); kurze Arbeitsversuche bei Baufirmen, jeweils max. 1 Jahr, danach diverse kurze Arbeitsverhältnisse, dazwischen lange Krankenstände und Zeiten der Arbeitsuche und Notstandshilfe

Private Lebensumstände: alleinlebend, 1 Sohn aus früherer Beziehung

Soziale Integration: etwas eingeschränkt

Körperliche Beschwerden: HWS-Beschwerden, Gicht, Z. n. 2 Schlaganfällen (2018), siehe medizin. GA

Verhalten in der Untersuchungssituation: ausreichend orientiert und auskunftsfähig, etwas klaghaft, kooperativ

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

GA Dr. ***[24]*** aus 05/2019: Gesamt GdB 50% (WS-Beschwerden, Schwachsichtigkeit, Hypertonie), Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben.

Beschwerdeschreiben des zuständigen Arb. Assistenten (Hr. ***[21]***): HS nach dem 3. Jahr abgebrochen (keine abgeschlossene Berufsausbildung), Lehrausbildung war nicht möglich; Stellungskommission: untauglich; „Basis-Check-plus" (Alter: 41 Jahre):

bildungsunabhängige Intelligenz im unteren Durchschnittsbereich, bildungsabhängige Intelligenz unter Lehrabschlussniveau; zahlreiche Dienstverhältnisse, aufgrund Beeinträchtigung kein längeres Dienstverhältnis.

Kurzarztbrief Psychiatrie KH ***[32]*** (stationärer Aufenthalt 1 Woche 01/2019):

Aufnahme aufgrund von Angstzuständen bei körperlichen Beschwerden; Z. n. mehrfachem Insult, mittelgradige depressive Episode; Medikation Mirtel/Mirtabene, Adjuvin; regelmäßige psychiatrische Kontrollen und Anbindung an PSD empfohlen.

Berufs-Diagnostik-Austria/Basis-Check-plus durch Mag. ***[18]***: Alter 41 Jahre, Cervical-Syndrom; IQ im unteren Durchschnittsbereich, Merk-und Konzentrationsfähigkeit durchschnittlich; keine Hinweise auf psychiatrische Problematik, hohe Lebensunzufriedenheit, kaum Motivierbarkeit, wenig leistungsorientiert, geringe subjektive Bedeutung der Arbeit.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

unauffällig

Ernährungszustand:

unauffällig

Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

psychol.seits nicht relevant

Gesamtmobilität-Gangbild:

psychol.seits nicht relevant

Psycho(patho)logischer Status:

Klinisch-psychologische Exploration

Standard Progressive Matrices (SPM)

Subtests aus IST

Interpretation relevanter Dokumente

Untersuchungsergebnisse und Interpretation:

Im SPM werden bei verzögertem Aufgabenverständnis, etwas verlangsamtem Arbeitstempo und gegebener Anstrengungsbereitschaft sowie bei tlw. Neigung zu unreflektiertem Handeln 24 Aufgaben richtig gelöst; das Ergebnis entspricht einem IQ von 74.

Im Versuch mit dem IST-Subtest RA (praktisch-rechnerische Aufgaben) wird ein SW von 92 entsprechend IQ 88 erreicht.

Im Versuch mit dem IST-Subtest SE (verbale Aufgaben) erfolgt Lesen korrekt mit gegebenem Sinnverständnis, es wird bei stark verlangsamter Bearbeitung ein SW von 85 (entsprechend IQ 76) erreicht.

In der Exploration berichtet der Pb. an subjektiven Beschwerden ausschließlich körperliche Leiden (HWS-Schmerzen, Gicht, Z. n. zwei Schlaganfällen im Vorjahr), seit einem einwöchigen psychiatrischen Aufenthalt 01/2019 habe er die psychiatrische Medikation abgesetzt und befinde sich nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Nach kurzen Arbeitsversuchen im Baubereich habe er unangemeldet stundenweise im Betrieb der Mutter mitgeholfen; aufgrund körperlicher Beschwerden habe er jeweils nur kurze Arbeitsversuche, gefolgt von Krankenstand und Arbeitslosigkeit bewältigen können.

Er sei im Alter von 23 Jahren von seiner Mutter ausgezogen und lebe nach einer mehrjährigen Lebensgemeinschaft alleine bzw. tlw. mit seiner Freundin. Der Führerschein wurde erworben.

Er gibt an, trotz gegebener Arbeits-Assistenz-Betreuung nicht nach einem Arbeitsplatz zu suchen, da er sich für unvermittelbar hält und zeitlebens aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht fähig gewesen sei, einer Arbeit nachzugehen. Außer einer psychologischen Untersuchung der Arbeitsfähigkeit (Basis-Check, siehe oben) vor ca. 10 Jahren habe er keine Unterstützungsmaßnahmen zur beruflichen Integration wahrgenommen, auch keine psychiatrischen oder psychotherapeutischen/psychologischen Behandlungen (Schmerz-Ambulanz etc.?) und keine Unterstützung zum Abbau seiner Schulden (Schuldner-Beratung, Erwachsenenvertretung etc.). In der Alltagsbewältigung ist keine Unterstützung erforderlich.

Symptome einer Depression oder Angststörung sind derzeit nicht explorierbar; es finden sich Hinweise auf Persönlichkeits-Akzentuierungen des passiv-aggressiven (bzw. dissozialen) Typs, u.a. mit mangelnder Bereitschaft, durch Arbeit einen zumutbaren gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

Zusammenfassendes Gutachten:

Bei intellektuellen Leistungen, welche im nonverbalen, bildungsunabhängigen Testverfahren einem IQ um 74 entsprechen und in bildungsabhängigen Subtests im verbalen Bereich ebenfalls auf diesem Niveau liegen sowie im rechnerischen Bereich knapp dem Durchschnittsniveau entsprechen, sowie unter Mitberücksichtigung, des Schul-und Berufsverlaufs (HS bis inkl. 3 Kl. ohne SPF, diverse kurze Arbeitsversuche) besteht klinisch-psychologischerseits derzeit eine leicht-bis mittelgradige Intelligenzminderung.

Im psychischen Bereich finden sich derzeit (ohne psychiatrische Medikation) keine Symptome einer Angststörung oder Depression, jedoch Hinweise auf Persönlichkeits- Akzentuierungen des passiv-aggressiven/ negativistischen (bzw. dissozialen) Typs.

Zusammenfassend ergibt sich eine Beeinträchtigung entsprechend einer intellektuellen Einschränkung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen bei Einbeziehung der Persönlichkeits-Akzentuierungen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB%

1

Intelligenzminderung mit maßgeblichen sozialen Anpassungsstörungen bei Persönlichkeits-Akzentuierungen des passiv-aggressiven/negativistischen Typs.

Unterer Rahmensatz, da Alltagsbewältigung ohne Unterstützung möglich ist und keinerlei Behandlungen erforderlich scheinen.

03.01.03

50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

---

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

---

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Erstmalige Einschätzung der intellektuellen und psychischen Beeinträchtigungen.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja [ ] nein

GdB liegt vor seit: 09/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Anhand der eigenen Untersuchung sowie der vorliegenden Dokumente lässt sich der Zeitpunkt des Eintritts einer Behinderung entsprechend GdB 50% nicht exakt bestimmen, Schulabbruch nach Regelschulbesuch und Untauglichkeit (aufgrund Schwachsichtigkeit und Gicht) reichen nicht aus.

Herr ***[1]*** ***[2]*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Vom klinisch-psychologischen Standpunkt reichen die festgestellten leicht bis mittelgradigen intellektuellen Einschränkungen (Hauptschule bis 3. Klasse, kein SPF, Führerschein gegeben) nicht aus, eine behinderungsbedingte Selbsterhaltungsfähigkeit zu begründen.

Im psychischen Bereich ist im Alter von 50 Jahren (01/2019) erstmals eine behandlungsbedürftige Beeinträchtigung aufgetreten, welche derzeit ohne weitere Behandlung abgeklungen ist.

Im Hinblick auf das Beschwerdeschreiben kann gesagt werden, dass ein Schul-Abbruch (nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Regelschulbetrieb, kein SPF) und das Ausbleiben einer Lehrausbildung sowie die von der Stellungskommission festgestellte Untauglichkeit (zumal ohne Anführung von Gründen) nicht geeignet sind, das Vorliegen einer behinderungsbedingten Selbsterhaltungsfähigkeit zu begründen. Auch die vorgelegten psychologischen Testergebnisse (Berufs-Diagnostik Austria/ Basis-Check-Plus), die übrigens im Alter von 41 Jahren durchgeführt wurden, sprechen nicht für eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zur Verrichtung einfacher Arbeiten, sondern explizit für eine mangelnde Bereitschaft dazu.

[X] Dauerzustand

[ ]

Gutachten erstellt am 15.07.2019 von Dr.in ***[29]*** ***[30]***-***[31]***

Gutachten vidiert am 16.07.2019 von Dr. ***[26]*** ***[27]***-***[28]***

Sachverständigengutachten (Gesamtbeurteilung) vom 16. 7. 2019

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, erstattete am 16. 7. 2019 folgende Gesamtbeurteilung:

Gesamtbeurteilung
nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) / Richtsatzverordnung (BGBl. Nr. 150/1965)

Name der /des Untersuchten: Geschlecht

***[1]*** ***[2]*** Männlich

Geburtsdatum

....04.1969

Verfahrensordnungsbegriff

***[20]***

Wohnhaft in

***[3]*** Österreich

Rechtsgebiet

FLAG

Verfahren:

Familienlastenausgleichsgesetz

Gesamtbeurteilung durchgeführt am 16.07.2019 durch Dr.in ***[23]*** ***[24]***, SV für Allgemeinmedizin.

Zusammenfassung der Sachverständigengutachten

Name der/des SV

Fachgebiet

Gutachten vom

Dr.in ***[23]*** ***[24]***

sign

24.05.2019

Dr. ***[29]*** ***[30]***-***[31]***

sign

15.07.2019

Die genannten Gutachten sind ein wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtbeurteilung.

Auflistung der Diagnosen aus oa. Einzelgutachten zur Gesamtbeurteilung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos.Nr.

GdB%

1

Intelligenzminderung mit maßgeblichen sozialen Anpassungsstörungen bei Persönlichkeits-Akzentuierungen des passiv-aggressiven/negativistischen Typs.

Unterer Rahmensatz, da Alltagsbewältigung ohne Unterstützung möglich ist und keinerlei Behandlungen erforderlich scheinen.

03.01.03

50

2

Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren GradesOberer Rahmensatz, da chronischer Dauerschmerz mit Einschränkungen im Alltag, mehrsegmentaler Befall, ohne neurologische Ausfälle

02.01.02

40

3

Schwere Schwachsichtigkeit links

11.01.03

10

4

Innenschielen linksunterer Rahmensatz, da Freiheit von Doppelbildern

11.01.03

10

5

Schultergürtel - Funktionseinschränkung geringen Grades links bei Zustand nach Schlüsselbeinteilentfernung 2017

02.06.01

10

6

Leichte Hypertonie

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 in Kombination um 1 Stufe erhöht, da Leiden 2 schwerwiegend ist und Leiden 3 die allgemeine Lebensführung erschwert. Keine weitere Erhöhung, da keine ungünstige Leidensbeeinflussung zwischen Leiden 1 und Leiden 4, 5 und 6 bestehen.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

---

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Gegenüber dem Vorgutachten nach FLAG 7.2.2019 ist der Grad der Behinderung um 3 Stufen erhöht, da das Wirbelsäulenleiden und die Intelligenzminderung neu erfasst sind. Weitere neu erfasste Leiden, ohne Einfluss auf den Gesamtgrad der Behinderung: Bluthochdruck und Schulterleiden.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja [ ] nein

GdB liegt vor seit: 06/2019
Gdb 30 liegt vor seit: 08/2014

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Herr ***[1]*** ***[2]*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.

Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die körperlichen Funktionseinschränkungen führen zu keiner dauerhaften Unterhaltsunfähigkeit.

Die leicht-bis mittelgradigen intellektuellen Einschränkungen reichen nicht aus, eine behinderungsbedingte Selbsterhaltungsunfähigkeit zu begründen. Es bestehen keine psychischen Einschränkungen, die die Selbsterhaltungsfähigkeit dauerhaft einschränken, die einmalig aufgetretene behandlungsbedürftige Beeinträchtigung ist derzeit ohne weitere Behandlung abgeklungen.

[X] Dauerzustand

[ ]

Erstellt: 16.07.2019 von Dr.in ***[23]*** ***[24]***

Gutachten vidiert am 16.07.2019 von Dr. ***[26]*** ***[27]***-***[28]***

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. 9. 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab 1. Juli 2011 gütigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe. Besteht keine vor dem 21.Lebensjahr eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag zu.

Im vorliegenden Fall wurde im Fach/Ärztlichen Sachverständigengutachten vom 07.02.2019 festgestellt, dass der Grad der Behinderung nur 30 % beträgt und keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr vorliegt.

In der, im Zuge des Beschwerdeverfahrens, neuerlich angeforderten ärztlichen Bescheinigung vom 16.07.2019 wurde der Grad der Behinderung ab 01.08.2014 mit 30% und ab 01.06.2019 mit 60% festgestellt.

Eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr wurde nicht bescheinigt, daher steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe zu.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde nachweislich am 16. 9. 2019 durch Hinterlegung zugestellt.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom 7. 10. 2019 stellte der Bf Vorlageantrag:

Im umseits bezeichneter Verwaltungssache stellt der Beschwerdeführer hiermit den

Antrag auf Vorlage

Der Beschwerde vom 8.3.2019 an das Bundesfinanzgericht innerhalb offener Frist.

Der Vorlageantrag ist gem. § 264 BAO fristgerecht. Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde wurde am 10.9.2019 ausgestellt und innerhalb der folgenden Tage zugestellt. Der Vorlageantrag langt daher innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist ein.

Begründung

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 10.9.2019 wird die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 8.3.2019 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde wird gänzlich keine Folge geleistet.

Der Grad der Behinderung ab 01.08.2014 mit 30% und ab 01.06.2019 mit 60% festgestellt.

Beweis: Kopie Beschwerdevorentscheidung vom 10.9.2019

Die Zusendung des Sachverständigengutachten vom 16.7.2019 ist nicht erfolgt.

Im Sachverständigengutachten vom 7.2.2019 wird der festgestellte Grad der Behinderung von 30 Prozent voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd ab 08/2014 festgestellt.

Beweis: Sachverständigengutachten vom 7.2.2019

Das Gutachten ist unvollständig und nicht schlüssig. Herr ***[2]*** verfügt seit dem 2.10.2014 einen Behindertenpass in dem ein Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbstätigkeit 50 v. H. festgestellt wurde.

Beweis: Kopie Behindertenausweis, Sachverständigengutachten 10. September 2014

Herr ***[2]*** hat die Hauptschule nach dem 3. Schuljahr abgebrochen und verfügt somit über keine abgeschlossene Schulausbildung.

Beweis: Schulbestätigung Volksschule ***[11]*** und Hauptschule ***[12]***. Eine Lehrausbildung war somit nicht möglich.

In dem Sachverständigengutachten vom 7.2.2019 wurde die Bescheinigung der Stellungskommission vom 1.12.1987 nicht berücksichtigt in dem eine Untauglichkeit festgestellt wurde.

Beweis: Diagnose Statusblatt Stellungskommission. Zu diesem Zeitpunkt war Herr ***[2]*** 18 Jahre alt.

Laut Basis - Check Plus (Seite 4) liegt die bildungsunabhängige Grundintelligenz im unteren Durchschnittsbereich. Hinsichtlich der bildungsunabhängigen Intelligenz erzielte Herr ***[2]*** ein Ergebnis unter Lehrabschlussniveau.

Beweis: Basis - Check Plus

In seinen zahlreichen Arbeitsversuchen konnte Herr ***[2]*** kein längeres Dienstverhältnis eingehen.

Aufgrund seiner Beeinträchtigung war dies nicht möglich

Beweis: Versicherungsdatenauszug

Herr ***[2]*** ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in der Lage sich selbst seinen Unterhalt zu verschaffen und wird voraussichtlich dauernd außerstande sein dies zu tun.

Als Nachweis über das Vorliegen der Selbsterhaltungsunfähigkeit werden der Behörde folgende Beweise vorgelegt:

Beschwerdevorentscheid (Beilage/.1)

Sozialversicherungsdatenauszug (Beilage /.2)

Sachverständigengutachten (Beilage/.3)

Behindertenausweis (Beilage/.4)

Bescheinigung der Stellungskommission (Beilage/.5)

Baisis Check Plus (Beilage/.6)

Abweisungsbescheid Finanzamt (Beilage/.7)

Schulbesuchsbestätigung ***[11]*** (Beilage/.8)

Schulbesuchsbestätigung ***[12]*** (Beilage/.9)

Begehren

Aufgrund der obigen Ausführungen stellt der Beschwerdeführer folgende

Anträge:

I. Vorlage der Beschwerde vom 8.3.2019 an das BFG

II. Aufhebung der Bescherdevorentscheidung vom 10.9.2019

III. Durchführung einer mündlichen Verhandlung

IV. Einholung eines Sachverständigengutachten und

V. Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe

VI. In enventu Aufhebung der Bescherdevorentscheidung vom 10.9.2019 und Zurückversetzung an die zuständige Behörde zu neuerlichen Entscheidung.

Beigefügt waren die angesprochenen Beilagen, die - mit Ausnahme der Beschwerdevorentscheidung - bereits der Beschwerde beigelegen sind.

Vorlage

Mit Bericht vom 21. 2. 2020 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Inhaltsverzeichnis zu den vorgelegten Aktenteilen (Aktenverzeichnis)

Beschwerde

1 Beschwerde 08.03.2019

Bescheide

2 Familienbeihilfe (Zeitraum: 01.2014-02.2019) (Abweisungsbescheid) 12.02.2019

Antrag / Anzeige an die Behörde

3 Beih3 - Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe 14.01.2019

4 Beih100 - Antrag auf Familienbeihilfe 14.01.2019

Beschwerdevorentscheidung

5 Beschwerdevorentscheidung 10.09.2019

6 Rückschein 13.09.2019

Vorlageantrag

7 Vorlageantrag 07.10.2019

Vorgelegte Aktenteile

8 1. BSB-Gutachten 07.02.2019

9 2. BSB-Gutachten (Allgemeinmedizin) 24.05.2019

10 2. BSB-Gutachten (Psychologie) 15.07.2019

11 2. BSB-Gutachten (Gesamtbeurteilung) 16.07.2019

Bezughabende Normen

§ 6 Abs 2 lit d FLAG 1967

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Der Antragsteller, geb. ...03.1969 beantragte im Jänner 2019 Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, den die/der Sachverständige feststellt, im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Im Sachverständigengutachten vom 07.02.2019 wird ausgeführt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 30% ab 08/2014 beträgt und der Antragsteller nicht dauernd außerstande ist sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Daraufhin wurde der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe abgewiesen (Bescheid vom 12.02.2019).

Mit der gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Beschwerde wurden Befunde und Unterlagen vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren wurde ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Lt. diesem Gutachten vom 16.07.2019 (Gesamtbeurteilung) beträgt der Gesamtgrad der Behinderung 60% ab 06/2019 (30% seit 08/2014), eine dauernde Erwerbsunfähigkeit des Antragsstellers wurde allerdings wiederum nicht bescheinigt.

Beweismittel:

auf den gesamten Akteninhalt wird verwiesen, insbesondere auf die Sachverständigengutachten vom 07.02.2019 und 16.07.2019

Stellungnahme:

Die Sachverständigengutachten 07.02.2019 und 16.07.2019 wurden als Grundlage für die Entscheidung herangezogen. Der Antragsteller ist lt. diesen Gutachten nicht dauernd außerstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine neuerliche Begutachtung durch das Sozialministeriumservice (wie im Vorlageantrag beantragt) wurde von Seiten der Abgabenbehörde nicht eingeleitet, da alle mit dem Vorlageantrag vorgelegten Unterlagen auch bereits mit der Beschwerde übermittelt wurden und somit bereits in das Gutachten vom 16.07.2019 eingeflossen sind.

Es wurde im gegenständlichen Fall nur der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe abgewiesen. Im Anwendungsbereich des § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 stehen volljährigen Kindern entweder der Grund- und der Erhöhungsbetrag zu oder nicht zu, es ist jedoch ausgeschlossen, dass nur der Grundbetrag zustehen könnte. Die Abweisung eines Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe umfasst in einem solchen Fall daher immer sowohl den Grund- als auch den Erhöhungsbetrag (vgl. BFG vom 01.12.2016, RV/5101740/2015).

Es wird beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der (erhöhten) Familienbeihilfe nicht vorliegen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Bislang steht fest:

Der im März 1969 geborene Bf ***[1]*** ***[2]*** leidet an einer schweren Schwachsichtigkeit links und an Innenschielen links sowie an einer leicht bis mittelgradigen Intelligenzminderung mit maßgeblichen sozialen Apassungsstörungen bei Persönlichkeits-Akzentuierungen des passiv-aggressiven/negativistischen Typs. Diese Leiden bestehen grundsätzlich bereits seit der Kindheit des Bf. Ferner leidet der Bf mittlerweile an Funktionseinschränkungen mittleren Grades der Wirbelsäule sowie einer Funktionseinschränkung geringen Grades des Schultergürtels links nach einer Schlüsselbeinteilentfernung im Jahr 2017 sowie an einer leichten Hypertonie.

Der Bf hat die Hauptschule (im "B-Zug") mit der 3. Klasse beendet, ging nachher keiner weiteren Ausbildung nach, arbeitete im Jahr 1985 (mit 16 1/2 Jahren) einige Tage als Arbeiter, war dann einige Jahre im Betrieb seiner Mutter, die einen Obst- und Alteisenhandel hatte, ohne Sozialversicherungsmeldung tätig, und war in weiterer Folge bei mehr als 30 Arbeitgebern mehr oder weniger kurz (i. d. R. zwischen einigen Tagen oder Wochen; zwischen 18. 6. 1990 und 7. 7. 1991, zwischen 5. 5. 1992 und 2. 12. 1992, zwischen 28. 6. 1993 und 30. 11. 1993, zwischen 28. 3. 1994 bis 29. 11. 1994, zwischen 3. 4. 2000 und 18. 11. 2001, zwischen 10. 6. 2003 und 21. 11. 2003 - teilweise mit Krankenständen - durchgehend bei jeweils einem Arbeitgeber) beschäftigt, vorwiegend als Bauhilfsarbeiter oder sonstiger ungelernter Arbeiter. 

Eine Bescheinigung des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen, dass der Bf behinderungsbedingt vor Vollendung des 21. Lebensjahres voraussichtlich dauerhaft außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, liegt nicht vor.

Beweiswürdigung

Die bisher getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere die Gutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen.

Diese Feststellungen sind unstrittig.

Zur entscheidenden Frage, ob der Bf behinderungsbedingt vor Vollendung des 21. Lebensjahres voraussichtlich dauerhaft außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, fehlen vorerst schlüssige Gutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen (siehe dazu im Folgenden).

Rechtsgrundlagen

§ 6 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder

c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, oder

(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 über die Einführung des Programms „Jugend in Aktion“ im Zeitraum 2007 – 2013.

(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

§ 8 FLAG 1967 lautet i. d. g. F.:

§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

1. (Anm.: trat mit 31.12.2015 außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit 31.12.2017 außer Kraft)

3. ab 1. Jänner 2018

a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,

b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,

c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,

d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind

1. (Anm.: trat mit 31.12.2015 außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit 31.12.2017 außer Kraft)

3. ab 1. Jänner 2018, wenn sie

a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,

b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,

c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,

d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,

e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,

f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

1. (Anm.: trat mit 31.12.2015 außer Kraft)

2. (Anm.: trat mit 31.12.2017 außer Kraft)

3. ab 1. Jänner 2018 um 155,9 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Wohnsitzfinanzamt automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967 lautet:

§ 12. (1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Die in § 8 Abs. 5 FLAG 1967 genannte Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der Fassung BGBl. II Nr. 251/2012:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung  heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Inkrafttreten

Die Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

In der Anlage zur Verordnung werden die Rahmensätze für die einzelnen Erkrankungen verbindlich angegeben.

Punkt 11 (Augen und Augenanhangsgebilde) der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet:

11.01 Augenlieder, Tränenwege und Augenmuskel

 

11.02 Sehstörungen

Für die Beurteilung des Sehvermögens ist die korrigierte Sehschärfe (Prüfung mit optischem Sehausgleich) maßgeblich. Daneben sind zusätzlich auch Ausfälle des Gesichts- und des Blickfeldes zu berücksichtigen.

Bei der Beurteilung des Sehvermögens ist darauf zu achten, dass der morphologi-sche Befund die Sehstörung erklärt.

Malignome sind nach Abschnitt 13 einzuschätzen.

 

Bei Erkrankung des Auges (Glaukom, Netzhauterkrankungen) hängt der GdB vor allem vom Ausmaß der Sehbehinderung (Sehschärfe, Gesichtsfeld) ab. Darüber hi-nausgehende GdB-Werte kommen nur in Betracht, wenn zusätzlich über die Ein-schränkung des Sehvermögens hinausgehende Behinderungen vorliegen.

Nach Hornhauttransplantationen richtet sich der GdB allein nach dem Sehvermö-gen.

Linsenverlust eins Auges und Korrektur durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse ist nach der Tabelle Sehschärfe ohne zusätzliche Anhebung des GdB einzuschätzen.

Ausfall des Farbsinns bedingt keine Einschätzung.

Einschränkung der Dunkeladaption (Nachtblindheit) oder des Dämmerungssehens bedingt keine Einschätzung.

Bei Kombinationen von Störungen des zentralen Sehens (Verminderung der Seh-schärfe) und maßgeblichen Gesichtsfeldausfällen, kann wegen der ausgeprägten wechselseitigen Leidensbeeinflussung eine Addition des GdB der einzelnen Ein-schätzungen vorgenommen werden, wenn es in Hinblick auf das Gesamtbild der Be-hinderung gerechtfertigt erscheint.

Bei Sehstörungen mit ausgeprägtem Nystagmus (Horizontal-, Pendelnystagmus) ist bei der Prüfung der Sehschärfe nur der Visus der innerhalb einer Sekunde erreicht wird, für die Beurteilung heranzuziehen.

Bei ZNS-bedingten Sehstörungen, welche nicht den vorgegebenen Positionen zu-zuordnen sind, sind in Hinblick auf das Gesamtbild der Sehbehinderung neuroophtalmologische Untersuchungsbefunde miteinzubeziehen und entsprechend der Behinderung mittels Analogposition einzuschätzen.

 

 

Die Anlage 1 lautet i. d. F. Verordnung BGBl. II Nr. 251/2012 zu Positionsnummern 03.01.02 und 03.01.03:

Positionsnummer 03.01.02:

 

Positionsnummer 03.01.03:

 

Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.

§ 115 BAO lautet:

§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.

(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.

§§ 166 f BAO lauten:

§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 167. (1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 177 Abs. 1 BAO die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.

§ 183 BAO lautet:

§ 183. (1) Beweise sind von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.

(2) Die Abgabenbehörde kann die Beweisaufnahme auch im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden vornehmen lassen.

(3) Von den Parteien beantragte Beweise sind aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

(4) Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

§ 270 BAO lautet:

§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.

§ 278 BAO lautet:

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 323c BAO lautet:

§ 323c. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Abgabenbehörden werden alle im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (7. Abschnitt Unterabschnitt A) vorgesehenen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16. März 2020 fällt, sowie Fristen, die bis zum 16. März noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen.

(2) Die Abgabenbehörde kann jedoch im jeweiligen Verfahren aussprechen, dass eine Frist nicht für die in Abs. 1 festgelegte Dauer unterbrochen wird. Diesfalls hat sie gleichzeitig eine neue angemessene Frist festzusetzen.

(3) Nach Abs. 2 ist nur vorzugehen, wenn nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Verfahrens zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder zur Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens einer Partei dringend geboten ist und nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie der Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebes die Einzelinteressen überwiegen.

(4) Wenn aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt sind, sind mündliche Verhandlungen und Vernehmungen mit Ausnahme von audiovisuellen Vernehmungen nur durchzuführen, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Gleiches gilt für den mündlichen Verkehr zwischen den Behörden und den Beteiligten einschließlich der Entgegennahme mündlicher Anbringen sowie mit sonstigen Personen im Rahmen der Durchführung des Verfahrens. Ist die Durchführung einer Vernehmung oder einer mündlichen Verhandlung unbedingt erforderlich, so kann sie auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden.

(5) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung bis längstens 31. Dezember 2020

1. die in Abs. 1 angeordnete allgemeine Unterbrechung von Fristen zu verlängern oder weitere allgemeine Ausnahmen von der Unterbrechung vorzusehen, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist;

2. weitere Bestimmungen vorzusehen, die den Einfluss der Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, auf den Lauf von Fristen und die Einhaltung von Terminen für anhängige oder noch anhängig zu machende ordentliche Rechtsmittelverfahren regeln. Er kann betreffend das ordentliche Rechtsmittelverfahren insbesondere die Unterbrechung, die Hemmung, die Verlängerung oder die Verkürzung von Fristen anordnen, Säumnisfolgen bei Nichteinhaltung von Terminen ausschließen sowie bestimmen, ob und auf welche Weise verfahrensrechtliche Rechtsnachteile, die durch die Versäumung von Fristen oder Terminen eintreten können, hintangehalten und bereits eingetretene wieder beseitigt werden. Dabei sind die Interessen an der Fortsetzung dieser Verfahren, insbesondere die Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens von den Verfahrensparteien, einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie am Schutz der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebes andererseits gegeneinander abzuwägen.

Verfahrensgegenstand

Verfahrensgegenständlich ist Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag (Spruch des angefochtenen Bescheids: "erhöhte Familienbeihilfe") für den Zeitraum ab Jänner 2014.

Auch wenn im Formular Beih 1 kein Beginndatum angegeben ist, ist dem Finanzamt beizupflichten, dass sich aus dem Formular Beih 3 ergibt, dass der Bf am 14. 1. 2019 einen rückwirkenden Antrag im Höchstausmaß, also ab Jänner 2014, gestellt hat.

Erhöhungsbetrag setzt Anspruch auf den Grundbetrag voraus

Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht nur, wenn auch Anspruch auf den Grundbetrag besteht (BFG 15. 7. 2014, RV/7102479/2013).

Wird die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe infolge erheblicher Behinderung beantragt, handelt es sich um ein einziges Anbringen (§ 85 BAO), auch wenn für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ein eigenes weiteres Formular (Beih 3) zusätzlich zum Formular Beih 1 und für die Feststellung der erheblichen Behinderung ein eigenes weiteres Verfahren im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens vorgesehen ist. Im Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (§ 13 FLAG 1967) ist daher über das gesamte Anbringen zu entscheiden, also im Fall einer entsprechenden Antragstellung sowohl über den Grundbetrag nach § 8 Abs. 2 FLAG 1967 auch über allfällige Erhöhungsbeträge nach § 8 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 (BFG 5. 6. 2015, RV/7104516/2014).

Es ist aber auch zulässig, zunächst die Familienbeihilfe (Grundbetrag) zu beantragen (Beih 1) und erst später, etwa weil Beweismittel hierfür noch nicht vorliegen oder erst nachträglich das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erkannt wurde, den Erhöhungsbetrag (Beih 3) zu beantragen.

§ 13 FLAG 1967 Satz 2 ist in Verbindung mit §§ 11, 12 FLAG 1967 grundsätzlich so zu verstehen, dass der Bescheidspruch im Familienbeihilfeverfahren bei erstmaliger Erlassung eines Bescheides nur auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum lauten kann, während die (gänzliche oder teilweise) Stattgabe eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum grundsätzlich im Wege der Auszahlung nach § 11 FLAG 1967, verbunden mit einer Mitteilung nach § 12 FLAG 1967, zu erfolgen hat. Ist für einen Kalendermonat ein Antrag nicht zur Gänze abzuweisen oder einem Antrag nicht zur Gänze Folge zu geben, sondern einem Antrag nur teilweise Folge zu geben, ist insoweit, als dem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, ansonsten mit Auszahlung vorzugehen (BFG 16. 10. 2015, RV/7100657/2015).

Erhöhte Familienbeihilfe

Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. a, b, d, e, g, i, j, k oder l FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a, b, c, f, h, i, j oder k FLAG 1967, steht gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 dem Bezieher der Familienbeihilfe ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu, wenn das Kind erheblich behindert ist. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) aus anderen Gründen als zufolge einer Behinderung des Kindes, in der Regel wegen Minderjährigkeit oder wegen einer Berufsausbildung (vgl. BFG 15.12.2017, RV/7102062/2017).

Hingegen ist Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. c oder h FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d oder g FLAG 1967 entweder eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967) oder eine erhebliche Behinderung (§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. g FLAG 1967).

Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und § 6 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, für Kinder, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es – auf sich allein gestellt – mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte (vgl. OGH 24. 10. 2019, 4 Ob 156/19y).

"Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich mittel- oder langfristig auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018). Eine bloße Beschäftigungsmöglichkeit in einer „geschützten Behindertenwerkstätte“ außerhalb eines regulären Arbeitsverhältnisses führt nicht zu einer Selbsterhaltungsfähigkeit, da sich das Kind in diesem Fall den Unterhalt nicht selbst verschafft, sondern durch staatlich oder karitativ finanzierte Einrichtungen alimentiert wird (vgl. BFG 2. 1. 2020, RV/7105948/2019). Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. VwGH 21. 12. 1999, 94/14/0125; VwGH 13. 12. 2012, 2009/16/0325).

Von behinderten Personen werden immer wieder, oft wiederholt, Versuche unternommen, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden (vgl. VfGH 10.12.2007, B 700/07). Derartige Arbeitsversuche allein indizieren noch keine Selbsterhaltungsfähigkeit. Einige, oft nur kurze Zeit anhaltende Arbeitsversuche dokumentieren keine Erwerbsfähigkeit (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018). Davon zu unterscheiden sind jedoch Lebensläufe mit immer wieder längeren Phasen der Erwerbslosigkeit, wenn diese im Wesentlichen auf die jeweilige allgemeine Lage am Arbeitsmarkt oder fehlendes Interesse des Antragstellers an einer durchgehenden, der Sozialversicherung gemeldeten Erwerbstätigkeit zurückzuführen sind.

Der Nachweis der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (ausschließlich) durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. BFG 20. 6. 2017, RV/7102677/2017).

Auch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung vermittelt einen Familienbeihilfeanspruch (vgl. BFG 10. 2. 2017, RV/7101641/2016; BFG 28. 2. 2017, RV/7102140/2016; VwGH 30. 5. 2017, Ro 2017/16/0009).

Besteht keine vor dem 21. (bei Berufsausbildung: 25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 19).

Erkrankung mit variierendem Verlauf

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einen Grad von mindestens 50 v. H. bzw. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt, sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert (vgl. BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Aber erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche (bei i. W. unter 21jährigen) einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. (bei i. W. über 21jährigen) eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt (vgl. BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017; BFG 30. 10. 2017, RV/7104275/2017).

Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht bzw. die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. BFG 19. 1. 2017, RV/7106028/2016; VwGH 30. 3. 2017, Ra 2017/16/0023; VwGH 2. 7. 2015, 2013/16/0170; VwGH 20. 11. 2014, Ra 2014/16/0010; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Um beurteilen zu können, ob eine Behinderung bereits vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres ein Ausmaß erreicht hat, das eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht, sind bei Behinderungen, die ihren Grund in Erkrankungen mit variierendem Krankheitsverlauf haben, valide Unterlagen erforderlich, um aus diesen den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit schließen zu können (vgl. BFG 2. 1. 2020, RV/7105948/2019).

Nachweisführung

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).

Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.

Dem um die Erstattung des Gutachtens ersuchten Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kommt die Befugnis zur Entscheidung (Zuerkennung oder Abweisung) über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht zu (vgl. VwGH 31. 5. 1994, 94/14/0013). Das von ihm zu erstattende Gutachten hat den Befund und die daraus abgeleiteten fachlichen Schlüsse (Gutachten im engeren Sinn) in nachvollziehbarer Weise darzustellen (vgl. etwa VwGH 8. 8. 1996, 96/14/0043).

Die Beweisregelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 12 m. w. N.), schließt deren ergänzende Anwendung aber nicht aus (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018).

Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. VwGH 29. 9. 2011, 2011/16/0063; VwGH 25. 11. 2010, 2010/16/0068, und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. VwGH 25. 11. 2010, 2010/16/0068; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Es besteht nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu § 8 Abs. 6 FLAG 1967 jedoch keine unbedingte Bindung an die Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde. Eine Gutachtensergänzung oder ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018).

Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall seiner Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018).

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfGH 10. 12. 2007, B 700/07, kann von solchen Gutachten nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" auch abgegangen werden (vgl. BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

In ständiger Rechtsprechung wird diese Ansicht auch vom Verwaltungsgerichtshof vertreten (vgl. VwGH 25. 11. 2010, 2010/16/0068; VwGH 13. 12. 2012, 2009/16/0325; VwGH 25. 9. 2013, 2013/16/0013; VwGH 30. 5. 2017, Ro 2017/16/0009).

Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 27. 4. 2016, Ra 2015/10/0076, m. w. N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 17. 11. 2015, Ra 2015/03/0058, m. w. N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. VwGH 28. 6. 2017, Ra 2017/09/0015; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. VwGH 16. 2. 2017, Ra 2016/05/0026, m. w. N.; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele VwGH 25. 9. 2013, 2013/16/0013; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa VwGH 28. 6. 2017, Ra 2017/09/0015 oder VwGH 4. 7. 2016, Ra 2016/04/0057, m. w. N.; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa VwGH 8. 8. 1996, 96/14/0043; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa VwGH 25. 11. 2010, 2010/16/0068, m. w. N.; BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017). Dies setzt voraus, dass sich Behörde vor Erlassung ihre Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft.

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. VwGH 4. 7. 2016, Ra 2016/04/0057, m. w. N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. VwGH 17. 7. 1997, 95/09/0062).

Kenntnis des vollständigen Gutachtens

Da die Behörde verpflichtet ist, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für entsprechende Ergänzung zu sorgen, ist es unerlässlich, dass die Behörde vor Erlassung eines Bescheides Kenntnis von einem derartigen Gutachten hat.

Auch wenn das Finanzamt (zunächst) keine Kenntnis des vollständigen Gutachtenstextes hat, hat es vor Erlassung eines Bescheides zwingend gemäß § 183 Abs. 4 BAO das Parteiengehör zu wahren. Das bedeutet in Bezug auf Bescheinigungen des Sozialministeriumservice, dass es nicht ausreichend ist, wenn erst in der Bescheidbegründung auf diese Bescheinigung Bezug genommen wird, sondern dem Antragsteller ist nach Kenntniserlangung der "Metadaten" der Bescheinigung durch das Finanzamt im Wege des EDV-Verfahrens förmlich ("Vorhalt") Gelegenheit zu gehen, sich zu dieser Beweisaufnahme zu äußern (vgl. BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015; BFG 10. 2. 2017, RV/7101641/2016 u. v. a.).

Wenn der Antragsteller an der Schlüssigkeit des Gutachtens zweifelt, wird das Finanzamt den vollständigen Text des Gutachtens, durch Anforderung beim Sozialministeriumservice, oder auch durch Anforderung beim Antragsteller beizuschaffen und dann das Gutachten auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen haben. Das Ergebnis dieser Prüfung muss sich in der Begründung des Bescheides (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) niederschlagen (vgl. BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015; BFG 10. 2. 2017, RV/7101641/2016). Wenn dem Finanzamt das vollständige Gutachten nicht bekannt ist, hat es dieses daher vor Bescheiderlassung beizuschaffen (vgl. etwa BFG 10. 11. 2015, RV/7105545/2014; BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015; BFG 10. 2. 2017, RV/7101641/2016; BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018).

Auch wenn das Finanzamt wegen Umstellung des IT-Verfahrens vor einigen Jahren keinen unmittelbaren Zugang zu den Gutachten des Sozialministeriumservice mehr hat, besteht die Verpflichtung, dieses vor Erlassung eines Abweisungsbescheids anzufordern und selbst zu beurteilen (vgl. BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018).

Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichts erfolgt in der Verwaltungspraxis keine Prüfung von Gutachten des  durch die Finanzämter. Die derzeitige Vorgangsweise, den vollständigen Gutachtenstext erst im Beschwerde­verfahren abzuverlangen, ist rechtswidrig (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 30).

Auch im gegenständlichen Fall bieten die Aktenlage und die Begründungen des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageberichts keine Hinweise dafür, dass dem Finanzamt die jeweiligen Gutachten vor Erlassung der jeweiligen Bescheide bekannt gewesen sind. Weder der angefochtene Bescheid noch die Beschwerdevorentscheidung setzen sich mit auch nur einem Wort inhaltlich mit den Gutachten und der dort gegebenen Begründung für die Feststellung des Zeitpunkts des Eintritts der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit auseinander.

Wann und wie das Finanzamt Kenntnis vom Inhalt der aktenkundigen Gutachten erhalten hat, lässt sich aus dem vorgelegten Akt nicht entnehmen.

Der Bf rügt außerdem, das der Beschwerdevorentscheidung vom 10. 9. 2019 zugrunde liegenden Gutachten, nämlich

nicht erhalten zu haben.

Mit dem gegenständlichen Beschluss erlangt der Bf Kenntnis vom Inhalt dieser Gutachten.

Da mit diesem Beschluss der angefochtene Bescheid gemäß § 278 BAO unter Zurückverweisung der Sache aufgehoben wird und damit das Verwaltungsverfahren fortzuführen ist, war vor Erlassung dieses Beschlusses eine Mitteilung des Inhalts dieser Gutachten durch das Bundesfinanzgericht an den Bf nicht erforderlich.

Vor neuerlicher Bescheiderlassung wird jedoch das Finanzamt das Parteiengehör zu dem neuen Gutachten des Sozialministeriumservice zu wahren haben.

Unvollständigkeit und Unschlüssigkeit der Gutachten des Sozialministeriumservice

Die aktenkundigen Gutachten des Sozialministeriumservice sind in einigen Punkten teils unvollständig, teils unschlüssig:

Unvollständige Gutachten

Das Gutachten vom 7. 2. 2019 (GdB 30%) steht im Widerspruch zum Gutachten vom 10. 9. 2014 im Verfahren zur Ausstellung eines Behindertenausweises, da es im Gegensatz zu diesem Gutachten und damit im Gegensatz zur Aktenlage am Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nur die schwere Schwachsichtigkeit links und das Innenschielen links berücksichtigt, nicht aber die mittelgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, die im Gutachten vom 10. 9. 2014 im Verfahren zur Ausstellung eines Behindertenausweises diagnostiziert wurde (GdB gesamt 50%), ohne dies zu begründen. Dass das Bundesamt im eigenen Haus erstellte Gutachten zu einer neuerlich zu begutachtenden Person berücksichtigt, auch wenn die Vorbegutachtung in einem anderen Verfahren erfolgt ist und wenn dieses Gutachten von der zu begutachtenden Person nicht selbst vorgelegt wurde, sollte zu erwarten sein; insoweit ist das Gutachten vom 7. 2. 2019 nicht vollständig.

Die dem Sachverständigengutachten (Gesamtbeurteilung) vom 16. 7. 2019 zugrunde liegenden Sachverständigengutachten vom 24. 5. / 16. 7. 2019 und vom 15. 7. / 16. 7. 2019 sind unvollständig, da  unter "Anamnese" oder unter "Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe)" die mit der Beschwerde vorgelegten Befunde und Urkunden nicht (Gutachten vom 24. 5. 2019) oder nur teilweise (Gutachten vom 15. 7. 2019) erwähnt werden, obwohl diese dem Bundesamt - wie sich aus dem Inhalt des Gutachtens vom 15. 7. 2019 ergibt - offenkundig vollständig vorgelegen sind.

Amblyopia gravis links

Das Sachverständigengutachten (Gesamtbeurteilung) vom 16. 7. 2019 ist unschlüssig in Bezug auf die Amblyopia gravis links (schwere Schwachsichtigkeit links), die im Gutachten vom 7. 2. 2019 bei Richtsatzposition 11.02.02 mit einem GdB von 30% (Manifester Strabismus convergens links, Richtsatzposition 11.01.03, GdB von 10%) eingeschätzt wurde, ebenso im Gutachten vom 10. 9. 2014 (Richtsatzposition 11.02.01, Tabelle: K1/Z8), während das Sachverständigengutachten vom 24. 5. / 16. 7. 2019, auf dem das Sachverständigengutachten (Gesamtbeurteilung) vom 16. 7. 2019 beruht, die Amblyopia gravis links unter die Richtsatzposition 11.01.03 subsumiert und diesbezüglich von einem GdB von 10% ausgeht, ohne die Abweichung von den Vorgutachten zu begründen.

Zum einen ist nicht begründet, warum anstelle der Richtsatzposition 11.02.01, Tabelle: K1/Z8 (Gutachten 10. 9. 2014) oder der Richtsatzposition 11.02.02 (Gutachten vom 7. 2. 2019) im Letztgutachten die Richtsatzposition 11.02.03 gewählt wurde. Zum anderen fehlt eine Begründung, warum bei Richtsatzposition 11.02.03 ein GdB von 10% und nicht ein GdB von 30% (Ausschluss eines Auges vom Sehakt bei uneingeschränktem Sehvermögen des anderen Auges) eingeschätzt wurde.

Im Zuge der neuerlichen Befassung des Sozialministeriumservice wird sich dieses auch dazu zu äußern haben, ob eine Einschätzung dieses Leidens mit 30% GdB eine Auswirkung auf den eingeschätzten Gesamtgrad der Behinderung hätte und bejahendenfalls welchen, wenn eine neuerliche Einschätzung dieses Leidens mit 30% nicht erfolgt.

Zeitpunkt des Eintritt einzelner Behinderungen

Amblyopia gravis links

Das Sachverständigengutachten (Gesamtbeurteilung) vom 16. 7. 2019 geht ebenso wie das Gutachten vom 7. 2. 2019 vom Vorliegen der Leiden Amblyopia gravis links und Manifester Strabismus convergens links ab 9/2014 (offenbar auf Grund Befund der Augenärztin Dr. ***[8]*** vom 5. 8. 2014 oder auf Grund Gutachten Dr. ***[14]*** vom 10. 9. 2014) aus.

Dagegen lässt sich aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen der Stellungskommission entnehmen, dass jedenfalls Amblyopia gravis links ("368 00 6 0 Amblyopie ex anopsia" bzw. "368 00-6-ø" = ICD-9-CM Diagnosis Code 368.00, Amblyopia, unspecified = ICD-10-CM H53.009 Unspecified amblyopia) im Dezember 1987 (mit 18 1/2 Jahren) diagnostiziert wurde, ebenso "274-90-1-4 Gicht NUD" (Letzteres offenbar seither nicht mehr gegeben).

Der Zusammenfassung relevanter Befunde in den Gutachten vom 7. 2. 2019, vom 24. 5. / 16. 7. 20219, 15. 7. / 16. 7. 2019 und vom 16. 7. 2019 lässt sich nicht entnehmen, dass die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen der Stellungskommission bei der jeweiligen Gutachtenserstellung berücksichtigt wurden, obwohl jedenfalls beim Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 offenbar die Beschwerde samt Anlagen vorlag ("Beschwerdeschreiben des zuständigen Arb. Assistenten (Hr. ***[21]***): HS nach dem 3. Jahr abgebrochen (keine abgeschlossene Berufsausbildung), Lehrausbildung war nicht möglich; Stellungskommission: untauglich; „Basis-Check-plus" (Alter: 41 Jahre):...").

Entweder lagen den Gutachtern die Unterlagen der Stellungskommission nicht vor, dann wurden nicht alle im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt, oder den Gutachtern im Beschwerdeverfahren lagen die Unterlagen der Stellungskommission sehr wohl vor, dann sind - siehe oben - die Gutachten unschlüssig, wenn sie den Zeitpunkt der Behinderung infolge des Augenleidens des Bf (GdB 30%) nicht bereits ab 12/1987 als dokumentiert erachten.

Wenn im Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 geschrieben wird, die Stellungskommission habe die Untauglichkeit nicht begründet ("... sowie die von der Stellungskommission festgestellte Untauglichkeit (zumal ohne Anführung von Gründen) …"), ist dies jedenfalls in Bezug auf den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakt aktenwidrig, da gemeinsam mit dem Beschluss der Stellungskommission entsprechende Diagnoseunterlagen des Bundesheeres im Zuge der Beschwerde dem Finanzamt vorgelegt wurden. 

Das Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 ist aber auch in sich widersprüchlich, da in Bezug auf die rückwirkende Feststellung eines GdB die Ursachen für die Untauglichkeit ("aufgrund Schwachsichtigkeit und Gicht") offenbar sehr wohl der Gutachterin (entgegen ihren nachfolgenden Ausführungen zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit) ersichtlich waren. 

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist an dieser Stelle zu verweisen, dass der Umstand, dass der Bf für die Ableistung des Wehrdienstes untauglich war, allein über eine mögliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nichts aussagt. Dass der Bf zur Erfüllung der speziellen Aufgaben im Militärbereich gesundheitlich nicht geeignet war, besagt nicht, dass ihm eine gesundheitliche Eignung zur Ausübung eines Berufs im Zivilbereich gefehlt hat (vgl. BFG 27. 9. 2017, RV/7102586/2017).

Intelligenzminderung

Das insoweit auf dem Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 aufbauende Gesamtgutachten vom 16. 7. 2019 diagnostiziert eine Intelligenzminderung mit maßgeblichen sozialen Anpassungsstörungen bei Persönlichkeits-Akzentuierungen des passiv-aggressiven/negativistischen Typs und subsumiert diese unter die Richtsatzposition 03.01.03, Unterer Rahmensatz, da Alltagsbewältigung ohne Unterstützung möglich ist und keinerlei Behandlungen erforderlich scheinen (GdB 50%).

Laut Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 liege diesbezüglich ein GdB von 50% ab 9/2014 vor.

Dagegen liegt laut Gesamtgutachten vom 16. 7. 2019 ein GdB von 60% ab 6/2019 und ein GdB von 30% seit 8/2014 vor.

Das  Gesamtgutachten vom 16. 7. 2019 widerspricht daher dem Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 in Bezug auf den Zeitpunkt des Vorliegens der Behinderung nach Richtsatzposition 03.01.03, ohne dies zu begründen.

Das Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 führt zur Frage der rückwirkenden Feststellung des GdB aus:

Anhand der eigenen Untersuchung sowie der vorliegenden Dokumente lässt sich der Zeitpunkt des Eintritts einer Behinderung entsprechend GdB 50% nicht exakt bestimmen, Schulabbruch nach Regelschulbesuch und Untauglichkeit (aufgrund Schwachsichtigkeit und Gicht) reichen nicht aus, eine mittelgradige Behinderung rückwirkend zu bestätigen.

Dass sich die Intelligenz des Bf, die mittels anerkannter Textverfahren sowohl im Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 als auch im "Basis-Check-plus" der Berufs-Diagnostik-Austria vom 31. 3. 2010 als unterdurchschnittlich ("bildungsunabhängige Grundintelligenz liegt im unteren Durchschnittsbereich") festgestellt wurde, zwischen der Schulzeit (Beendigung der Hauptschule nach der 3. Klasse) und den Untersuchungen in den Jahren 2010 einerseits und 2019 andererseits maßgebend geändert, d. h. verschlechtert haben soll, ist für das Gericht nicht erkennbar.

Die Gutachterin stützt zum einen ihre Einschätzung einer Behinderung auf den Schul- und Berufsverlauf ("HS bis inkl. 3 Kl. ohne SPF, diverse kurze Arbeitsversuche"), also auf Umstände, die im Bezug auf die Schulausbildung und die ersten Berufstätigkeiten (laut Sozialversicherungsdatenauszug erstes Beschäftigungsverhältnis im 16. Lebensjahr, dann ab dem 19. Lebensjahr) bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres, jedenfalls aber lange vor "09/2014" gegeben waren.

Zum anderen sollen genau diese Umstände nicht ausreichen, "eine mittelgradige Behinderung rückwirkend zu bestätigen".

Dies ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. War der Bf bereits während der Schulzeit intelligenzgemindert, und hat er die Hauptschule (im "B-Zug") mit der 3. Klasse beendet, während der reguläre Pflichtschulverlauf nach positiven Hauptschulabschluss (4. Klasse) ein Jahr Polytechnikum oder eine weiterführende Schule ist, hatte er einerseits Probleme in der Ausbildung (Richtsatzposition 03.01.02), und konnte er mangels Lehrabschluss oder anderer Berufsausbildung nur ungelernte Arbeiten verrichten (Richtsatzposition 03.01.03), dann bestand die Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen (Richtsatzposition 03.01.03) offenkundig bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (vgl. die Ausführungen in BFG 5. 6. 2015, RV/7104516/2014 bei Beendigung der Hauptschule nach der 3. Klasse und zwei kurzen Arbeitsversuchen).

Gesamtgrad der Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres

Das Sozialministeriumservice wird im fortgesetzten Verfahren auch zu beurteilen haben, ob zufolge der Intelligenzminderung und der Fehlsichtigkeit im Sinn der obigen Ausführungen bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres ein Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50% bestanden hat und damit die Voraussetzungen zur Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (im Fall einer damaligen bescheidmäßigen Feststellung) gegeben gewesen wären. Diesfalls wäre die Teilnahme am Arbeitsleben jedenfalls erschwert gewesen (vgl. VfGH 11. 12. 2019, E 3891/2019).

Das muss aber noch nicht das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit bedeuten, wenn der Bf in seinem langjährigen Berufsleben am ersten Arbeitsmarkt tätig war und nicht bloß Taschengeld von einer Arbeitsqualifizierungseinrichtung  (vgl. VfGH 11. 12. 2019, E 3891/2019) oder einer Behindertenwerkstätte bezogen (beides ist hier offenbar nicht der Fall) oder lediglich bloße Arbeitsversuche unternommen hat.

Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit

Vorweg ist festzuhalten, dass die im Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 im Abschnitt "Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" getroffenen Aussagen:

Vom klinisch-psychologischen Standpunkt reichen die festgestellten leicht bis mittelgradigen intellektuellen Einschränkungen (Hauptschule bis 3. Klasse, kein SPF, Führerschein gegeben) nicht aus, eine behinderungsbedingte Selbsterhaltungsfähigkeit zu begründen.

Im Hinblick auf das Beschwerdeschreiben kann gesagt werden, dass ein Schul-Abbruch (nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Regelschulbetrieb, kein SPF) und das Ausbleiben einer Lehrausbildung sowie die von der Stellungskommission festgestellte Untauglichkeit (zumal ohne Anführung von Gründen) nicht geeignet sind, das Vorliegen einer behinderungsbedingten Selbsterhaltungsfähigkeit zu begründen.

offenbar (dazu wird das Sozialministeriumservice Stellung zu nehmen haben) heißen sollen:

Vom klinisch-psychologischen Standpunkt reichen die festgestellten leicht bis mittelgradigen intellektuellen Einschränkungen (Hauptschule bis 3. Klasse, kein SPF, Führerschein gegeben) nicht aus, eine behinderungsbedingte Selbsterhaltungsunfähigkeit zu begründen.

Im Hinblick auf das Beschwerdeschreiben kann gesagt werden, dass ein Schul-Abbruch (nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Regelschulbetrieb, kein SPF) und das Ausbleiben einer Lehrausbildung sowie die von der Stellungskommission festgestellte Untauglichkeit (zumal ohne Anführung von Gründen) nicht geeignet sind, das Vorliegen einer behinderungsbedingten Selbsterhaltungsunfähigkeit zu begründen.

Sämtliche Gutachten verneinen das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit im Gutachtenszeitpunkt, damit ebenso bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres.

Die vom Sozialministeriumservice festgestellten Leiden können jedoch - bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres - zu einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führen bzw. geführt haben, wenn dem Bf auf Grund dieser Leiden eine dauerhafte Berufsausübung nicht möglich ist bzw. gewesen war, wobei bloße Arbeitsversuche (siehe etwa BFG 2. 10. 2019, RV/7101860/2018 m. w. N.) einer derartigen Feststellung nicht entgegenstehen.

Die Gutachten vom 31. 3. 2010 (Berufs Diagnostik Austria) halten den Bf im Untersuchungszeitpunkt (und daher auch zu vorangegangenen Zeitpunkten) für ganztags arbeitsfähig und - nach langjähriger offenbarer Berufstätigkeit - für die Verrichtung leichter und mittelschwerer Arbeiten befähigt.

Das (unvollständige) Gutachten vom 7. 2. 2019 verweist auf die jahrelange Hilfsarbeitertätigkeit des Bf und hält ihn für fähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. 

Das Gutachten vom 24. 5. / 16. 7. 2019 sieht aus allgemeinmedizinischer Sicht die Voraussetzung für eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst zu erhalten, nicht. 

Dagegen spricht das Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 von diversen kurzen Arbeitsversuchen.

Das Gutachten vom 15. 7. / 16. 7. 2019 hält zwar ebenfalls eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit für nicht gegeben, die Begründung dafür ("Im Hinblick auf das Beschwerdeschreiben kann gesagt werden, dass ein Schul-Abbruch (nach Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht im Regelschulbetrieb, kein SPF) und das Ausbleiben einer Lehrausbildung sowie die von der Stellungskommission festgestellte Untauglichkeit (zumal ohne Anführung von Gründen) nicht geeignet sind, das Vorliegen einer behinderungsbedingten Selbsterhaltungs[un]fähigkeit zu begründen. Auch die vorgelegten psychologischen Testergebnisse (Berufs-Diagnostik Austria/ Basis-Check-Plus), die übrigens im Alter von 41 Jahren durchgeführt wurden, sprechen nicht für eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zur Verrichtung einfacher Arbeiten, sondern explizit für eine mangelnde Bereitschaft dazu.") steht aber im Widerspruch dazu, dass dem Bf nach Ansicht der Gutachterin nur "diverse kurze Arbeitsversuche" möglich gewesen sind.

Auch hier ist auf die Ausführungen in BFG 5. 6. 2015, RV/7104516/2014 zu verweisen, wobei in dem dieser Entscheidung zugrunde gelegenen Verfahren bereits das Sozialministeriumservice davon ausging, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit infolge Intelligenzminderung mittleren Grades bei Beendigung der Hauptschule nach der 3. Klasse nicht erreicht worden sei. Im Gegensatz zum hier gegenständlichen Verfahren blieb es - neben anderen Unterschieden in Bezug auf weitere Leiden - allerdings dort bei zwei kurzen Arbeitsversuchen.

Das Sozialministeriumservice wird im weiteren Verfahren unter Berücksichtigung des Beschäftigungsverlaufs des Bf laut Sozialversicherungsdaten dazu Stellung zu nehmen haben, ob es sich bei den Erwerbstätigkeiten jeweils um behinderungsbedingte "kurze Arbeitsversuche", die der Feststellung einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht entgegen stehen, gehandelt hat, oder ob es dem Bf jahrzehntelang möglich war, einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Erwerbstätigkeit als ungelernter Arbeiter nachzugehen und damit selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Zurückverweisung

Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs. 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. etwa - zur Rechtslage nach § 278 Abs. 1 BAO i. d. F. FVwGG 2012 - VwGH 9. 9. 2015, Ra 2015/16/0037). Zulässig ist sie nach dem Gesetz erstens, wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs. 1 erster Satz BAO). Die Aufhebung und Zurückverweisung ist zweitens unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Diese im Rahmen der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. VwGH 9. 9. 2015, Ra 2015/16/0037; VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0063; VwGH 29. 8. 2017, Ra 2014/17/0049; VwGH 22. 11. 2017, Ra 2016/13/0018; VwGH 31. 1. 2018, Ra 2017/15/0017; VwGH 17. 10. 2018, Ra 2017/13/0087).

Der Erlass des BMF vom 23. 12. 2002, 66 5002/6-VI/6/02, Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, sieht ebenso wie die Richtlinie des BMF vom 2. 2. 2010, BMF-280000/0222-IV/2/2013, Organisationshandbuch – zur verwaltungsökonomischen Abwicklung des Verfahrens – ausschließlich den elektronischen Verkehr mit dem Sozialministeriumservice durch die Finanzämter vor.

Hier erweist sich eine sofortige Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde als weitaus verwaltungsökonomischer (vgl. BFG 21. 7. 2014, RV/7101144/2014; BFG 23. 3. 2015, RV/7105504/2014; BFG 6. 4. 2015, RV/7103602/2014; BFG 20. 4. 2015, RV/7103843/2014; BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015; BFG 2. 6. 2016, RV/7105776/2015;  BFG 3. 7. 2016, RV/7105191/2015; BFG 19. 9. 2016, RV/7104021/2016; BFG 19. 1. 2017, RV/7106028/2016; BFG 10. 2 .2017, RV/7101641/2016; BFG 28. 2. 2017, RV/7102140/2016; BFG 7. 9. 2017, RV/7103552/2017; BFG 8. 11. 2018, RV/7101267/2018; BFG 21. 8. 2019, RV/3100055/2019).

Die Veranlassung einer Gutachtensergänzung oder eines neuen Gutachtens erfolgt im elektronischen Verkehr der Finanzämter mit dem Sozialministeriumservice, das Bundesfinanzgericht ist in dieses elektronische Verfahren nicht eingebunden.

Bereits im Hinblick auf das für die Einholung und Ergänzung von Gutachten des Sozialministeriumservice vorgesehene elektronische Verfahren erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger) als die Führung dieser Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht selbst.

Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient hier der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl. Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm. 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs. 2 BAO) durchzuführen (vgl. etwa BFG 8. 1. 2016, RV/7105055/2015, BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015, BFG 3. 7. 2016, RV/7105191/2015 oder BFG 19. 9. 2016, RV/7104021/2016).

Die Bf erhält somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann (vgl. BFG 6. 3. 2016, RV/7103019/2015).

Hinzu kommt, dass auf vorerst nicht absehbare Zeit Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen worden, mit welchen sowohl die Bewegungsfreiheit als auch der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt wurden (Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes BGBl. II Nr. 98/2020 i. d. g. F. i. V. m. COVID-19-Maßnahmengesetz BGBl. I Nr. 12/2020), sodass gemäß § 323c Abs. 4 BAO mündliche Verhandlungen und Vernehmungen mit Ausnahme von audiovisuellen Vernehmungen nur durchzuführen sind, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Die technischen Voraussetzungen für audiovisuell geführte mündliche Verhandlungen sind derzeit nicht gegeben, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist derzeit zur Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege nicht unbedingt erforderlich. Daher erweist sich die vom Gericht gewählte Vorgangsweise auch unter dem Gesichtspunkt der COVID-19-Beschränkungen als jene, die am raschesten zu einer Entscheidung führt.

Es ist daher, wie im Spruch dargestellt, die Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 12. 2. 2019 und der diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom 10. 9. 2019 gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt zu verfügen.

Keine mündliche Verhandlung erforderlich

Dieser Beschluss war gemäß § 274 Abs. 3 Z 3 BAO i. V. m. § 274 Abs. 5 BAO und § 278 Abs. 1 BAO ohne Durchführung der ordnungsgemäß beantragten mündlichen Verhandlung zu treffen, da sich bereits nach der Aktenlage ergibt, dass seitens des Gerichts mittels Kassation vorzugehen ist.

Erstellung eines vollständigen und schlüssigen Gutachtens des Sozialministeriumservice

Das Finanzamt wird im weiteren Verfahren die Erstellung eines vollständigen und schlüssigen Gutachtens des Sozialministeriumservice im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu veranlassen haben.

Im weiteren Verfahren wird das Finanzamt das vollständige (nicht bloß "Meta-Daten") neue Gutachten beim Sozialministeriumservice vor einer allfälligen Bescheiderlassung (falls nicht mit Auszahlung vorzugehen ist) anzufordern haben. Dieses wäre dem  Bf - auch wenn ihm vom Sozialministeriumservice dieses Gutachten üblicherweise unmittelbar zugesendet wird - nachweislich (Rückschein) zur Wahrung des Parteiengehörs zu übermitteln.

Die neuerliche Entscheidung des Finanzamts wird sich dann mit dem Inhalt des neuen Gutachtens unter Bezugnahme auf die anderen aktenkundigen Gutachten und sonstigen Urkunden auseinandersetzen zu haben.

Nur vollständige und schlüssige Gutachten des Sozialministeriumservice stellen eine taugliche Entscheidungsgrundlage dafür dar, ob Familienbeihilfe (samt Erhöhungsbetrag) für den Bf zufolge voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit zu gewähren ist.

Andererseits ist es Sache des Bf im Verwaltungsverfahren (zweckmäßigerweise ehebaldigst, noch vor Einholung des weiteren Gutachtens durch das Finanzamt) gegenüber dem Finanzamt aufzuzeigen, aus welchen Gründen jene Leiden, die offenkundig bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres bestanden haben, ihn gehindert haben sollen, mit seinen Fähigkeiten angepassten Arbeitsverhältnissen selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, und wie er - wenn nicht als Arbeitnehmer - seinen Unterhalt nach Vollendung des 21. Lebensjahres jahrzehntelang bestritten hat.

Nichtzulassung der Revision

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem 1. Mai 2020 zugestellt wurde -  mit 1. Mai 2020 zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

 

Wien, am 30. März 2020

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG

betroffene Normen:

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 166 f BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 183 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 270 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 6 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 93 Abs. 3 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323c Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

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VwGH 29.09.2011, 2011/16/0063
VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068
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VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0076
VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058
VwGH 28.06.2017, Ra 2017/09/0015
VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0026
VwGH 04.07.2016, Ra 2016/04/0057
VwGH 17.07.1997, 95/09/0062
BFG 06.03.2016, RV/7103019/2015
BFG 10.02.2017, RV/7101641/2016
BFG 10.11.2015, RV/7105545/2014
BFG 27.09.2017, RV/7102586/2017
BFG 21.07.2014, RV/7101144/2014
BFG 08.01.2016, RV/7105055/2015
VfGH 11.12.2019, E 3891/2019

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