Zeitpunkt des Eintritts der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7103019.2015
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke im Beschwerdeverfahren betreffend die Beschwerde des A B , Adresse , vertreten durch VertretungsNetz – Sachwalterschaft, Mag. Anna Machan, Vereinssachwalterin, 1150 Wien, Pfeiffergasse 4/Stg. D/1/1, vom 17.11.2014, Postaufgabe 18.11.2014, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom 3.11.2014, wonach der Antrag vom 17.9.2014 auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für den Beschwerdeführer ab Juli 2011 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer X , beschlossen:
I. Der angefochtene Abweisungsbescheid vom 3.11.2014 und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom 29.1.2015 werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Antrag
Beim Finanzamt wurden am 17.9.2014 mit 16.9.2014 datierte Formulare Beih 1 und Beih 3 betreffend den Beschwerdeführer (Bf) A B eingereicht. Die Postaufgabe oder das Einlangen beim Finanzamt (Eingangsstempel) geht aus dem elektronisch vorgelegten Akt nicht hervor.
So ist der im September 1937 geborene Bf Pensionist und ledig, die Eltern verstorben. Beantragt werde Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag wegen „Blindheit, Demenz“ bzw. „Blindheit, Demtielle Erkrankung“. Beantragt werde Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag „ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung“.
Beschluss des BG Fünfhaus vom 18.8.2014
Laut (offenbar mit dem Antrag vorgelegtem) Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 18.8.2014 wurde VertretungsNetz –Sachwalterschaft gemäß § 119 AußStrG zur Vertretung im Sachwalterschaftsverfahren sowie gemäß § 120 AußStrG mit sofortiger Wirksamkeit zur einstweiligen Sachwalterin zur Besorgung folgender dringender Angelegenheiten bestellt:
- Vertretung vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgem;
- Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten;
- Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen;
- Vertretung vor privaten Vertragspartnern.
Wahrnehmung der Sachwalterschaft
Mit Urkunde vom 25.8.2014 wurde von VertretungsNetz - Sachwalterschaft die im Spruch angeführte Vereinssachwalterin mit der Wahrnehmung der vorläufigen Sachwalterschaft für den Bf betraut.
Abweisungsbescheid
Mit Bescheid vom 3.11.2014 wies das Finanzamt den Antrag vom 17.9.2014 auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für den im September 1937 geborenen Beschwerdeführer ab Juli 2011 ab. Begründet wurde dieser Bescheid wie folgt:
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der bis 30. Juni 2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind können nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden.
Das Finanzamt stützt sich auf eine im Auftrag des Finanzamtes erstellte Bescheinigung des Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen über das Ausmaß der Behinderung, die dem Bescheid beigefügt wurde, ohne vor Bescheiderlassung dazu Parteiengehör zu wahren.
Gutachten vom 20./23.10.2014
Das Sozialministerium erstellte am 20./23.10.2014 folgendes Aktengutachten:
Anamnese:
aktenmäßig
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
keine
Untersuchungsbefund:
-
Status psychicus / Entwicklungsstand:
-
Relevante vorgelegte Befunde:
2014-10-01 DR. C FÄ PSYCHIATRIE UND NEUROLOGIE
leicht bis mittelgradige Demenz vom Alzheimertyp, beruflich Bauer gewesen, mit den Eltern gelebt und gearbeitet, nie verheiratet, 1966 ins Blindenheim nach Wien gezogen
2011-07-02 DR. D FÄ PSYCHIATRIE UND NEUROLOGIE
senile Demenz vom Alzheimertyp, gemischte Form, der Patient ist erblindet, CCT Temporallapenatrophie bds., MMSE 20
Diagnose(n):
Erblindung beider Augen
Richtsatzposition: 110201 Gdb: 100% ICD: H54.0
Rahmensatzbegründung:
Tab. 9/9
Senile Demenz vom Alzheimertyp
Richtsatzposition: 030302 Gdb: 050% ICD: G30.1
Rahmensatzbegründung:
unterer Rahmensatz , da leicht bis mittelgradig
Gesamtgrad der Behinderung: 100 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2011-07-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
rückwirkend dauernd außerstande, da Blindheit seit Sept. 2011 durch Dr. D bestätigt
erstellt am 2014-10-20 von E F , Arzt für Allgemeinmedizin
zugestimmt am 2014-10-23 Leitender Arzt: G H
Beschwerde
Mit Schreiben vom 17.11.2014, zur Post gegeben am 18.11.2014, erhob der Bf durch seine Sachwalterin Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom 3.11.2014 und begründete seine Beschwerde wie folgt:
Gemäß Beschluss des Bezirksgericht Fünfhaus vom 05.11.2014, zugestellt am 17.11.2014, ist der Verein VertretungsNetz zum Sachwalter für Herrn A B zur Besorgung folgender Angelegenheiten bestellt:
Vertretung vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgern
Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten
Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen
Vertretung bei Heilbehandlungen
Am 17.11.2014 wurde ich mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraut.
Gegen den Abweisungsbescheid vom 03.11.2014, zugestellt am 05.11.2014, reiche ich binnen offener Frist
Beschwerde ein und führe dazu aus wie folgt:
Herr A B ist seit seiner Kindheit beidseitig vollständig blind.
Er war auf Grund dieser Behinderung nie in der Lage, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten. Seine Tätigkeit (im Sachverständigengutachten mit „beruflich Bauer gewesen" bezeichnet) bestand in der Mitarbeit am elterlichen Bauernhof, wo Herr B bis zu seiner Übersiedelung ins [Blindeneinrichtung] gemeinsam mit seiner Mutter wohnte und von den Eltern versorgt wurde.
Aus den o.g. Gründen beantrage ich die Zuerkennung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe für Herrn A B rückwirkend für fünf Jahre.
Beigefügt waren: SW-Beschluss, SW-Urkunde, Schreiben des Österr. Blindenverbandes von 1974, Versicherungsdatenauszug.
Beschluss des BG Fünfhaus vom 5.11.2014
Laut Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 5.11.2014 wurde VertretungsNetz -Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung zum Sachwalter für den Bf wie in der Beschwerde ausgeführt bestellt. Begründet wurde der Beschluss unter anderem wie folgt:
Nach der Aktenlage, Insbesondere aufgrund des eingeholten psychiatrischen Gutachtens, steht folgender Sachverhalt fest: Beim Betroffenen besteht eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer leicht- bis mittelgradigen Demenz.
Demnach ist die betroffene Person nicht in der Lage, die im Spruch bezeichneten Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen. Für diese Angelegenheiten war ihr daher gem. § 268 ABGB ein Sachwalter beizugeben.
Wahrnehmung der Sachwalterschaft
Mit Urkunde vom 17.11.2014 wurde von VertretungsNetz - Sachwalterschaft die im Spruch angeführte Vereinssachwalterin mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft für den Bf betraut.
Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes
Der Österreichische Blindenverband, Landesgruppe Wien, Niederösterreich und Burgenland, richtete am 24.5.1974 folgendes Schreiben an die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, das dort am 31.5.1974 einlangte:
Betrifft: Waisenrente samt Hilflosenzuschuss für I und A B.
Sehr geehrte Herren!
Die Landesgruppe Wien, Niederösterreich und Burgenland des Österreichischen Blindenverbandes ist stets bemüht ihren Mitgliedern bei der Bewältigung ihrer schwierigen Belange beizustehen, und Möglichkeiten zu suchen eine Verbesserung ihrer Lebenslage zu erlangen. In diesem Bestreben richten wir stellvertretend für unsere Mitglieder I B, geboren am … 5.1920, wohnhaft … (Blindenanstalt)und A B, geboren am ...1937, wohnhaft … (Blindenanstalt), an die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die höfliche Bitte um Gewährung einer Waisenpension samt Hilflosenzuschuss.
Wir begründen unser Ansuchen wie folgt.
Der Vater der oben angeführten Personen, J B, geboren am ... 8.1888, gestorben am …12.1962, war als Dachdeckermeister in … tätig und erhielt nach Stillegung seines Gewerbebetriebes - laut Auskunft des Landesinvalidenamtes- eine Übergangs Altersrente. Da seine Kinder A und I B, seit ihrer Kindheit an schwerster Sehbehinderung und einer Störung des Nervensystems leiden und die Erziehungsberechtigten es damals - wahrscheinlich aus Unwissenheit - versäumt haben, die vom Schicksal Schwerstbetroffenen einer Blindenbildungsanstalt zuzuführen, war eine berufliche Ausbildung und Eingliederung leider nicht möglich.
Sie waren daher nach dem Ableben ihrer Eltern auf die Hilfe der öffentlichen Fürsorge angewiesen. Da das Gebrechen bei beiden Antragsteller schon seit der Kindheit, also noch vor dem 18. Lebensjahr gegeben war, sind wir der Auffassung, dass gemäss §§ 54 a und 79 GSPVG die Voraussetzung für die Gewährung von Waisenpension und Hilflosenzuschuss gegeben ist.
Wir richten an die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die höfliche Bitte, den dargelegten Fall eingehend und wohlwollend zu prüfen und wenn irgendmöglich einer positiven Erledigung zuzuführen…
2 ärztliche Zeugnisse
2 Mitgliedschaftsbestätigungen
2 Heimatscheine d. Vaters
2 Sterbeurkunden d. Vaters
2 Sterbeurkunden d. Mutter
2 Briefe v. Landesinvalidenamt
sämtliche Dokumente in Ablichtung
Die in dem Schreiben aus 1974 angeführten Beilagen waren in der Beschwerde nicht angeschlossen.
Versicherungsdatenauszug
Der am 18.11.2014 erstellte Versicherungsdatenauszug weist für den Bf lediglich seit 1.1.1976 den Bezug einer Waisenpension von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, aber keine Arbeits- oder sonstigen Versicherungsverhältnisse, aus.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.1.2015 wies das Finanzamt die Beschwerde vom 18.11.2014 als unbegründet ab:
Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat und können somit für sich selbst Familienbeihilfe beziehen.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der bis 30. Juni 2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab 1. Juli 2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist gem. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (seit 1. Juni 2014 „Sozialministeriumservice") auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Aus § 8 Abs. 5 und 6 FLAG ergibt sich, dass der Grad der Behinderung zwingend durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice unter der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten nachzuweisen ist.
Lt. Gutachten des Sozialministeriumservice vom 12. Jänner 2015 kann Erwerbsunfähigkeit unverändert erst ab Juli 2011 bescheinigt werden, somit liegen die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe nicht vor.
Die Berufung wird daher abgewiesen.
Gutachten vom 12.1.2015
Das angesprochene Gutachten vom 12.1.2015 befindet sich weder in den vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten noch lässt sich erkennen, dass es dem Bf vom Finanzamt vor, mit oder nach der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zur Kenntnis gebracht wurde.
Aktenkundig ist nur ein Bildschirmausdruck aus der EDV-Anwendung des Finanzamts vom 3.6.2015 mit folgendem Inhalt:
+---------------------------+
Ablage | BSB-Beschein. |
+----------------------+ +-------------------------------------------
X B A
erledigt: A
24.11.2014 Anforderung vorgemerkt Antrag
29.01.2015 Erledigung durchgeführt
Grad der Behind.: 100 % ab 01.07.2011
dauernd
erwerbsunfähig: ja vor 18. Lj.: nein vor 21. Lj.: nein
Nachuntersuchung: vorauss. weitere 3 Jahre: ja
Stellungnahme...........................................................................................................
GDB: --DEU: aufgrund der Blindheit und zunehmenden Demenz voraussichtlich daue rnde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Rückwirkende Anerk ennung ab 7-2011 aufgrund der aufliegenden Befunde gerechtfertigt. -
Bescheinigung: 12.01.2015 GZ: Y **1**
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom 25.2.2015, am selben Tag beim Finanzamt eingelangt, stellte der Bf durch die Sachwalterin Vorlageantrag:
Gemäß Beschluss des Bezirksgericht Fünfhaus vom 18.08.2014, zugestellt am 18.02.2014, wurde der Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft zum einstweiligen Sachwalter für A B bestellt.
Mit Beschluss des Bezirksgericht Fünfhaus vom 05.11.2014, zugestellt am 17.11.2014, ist VertretungsNetz für Herrn A B zur Besorgung folgender Angelegenheiten zum Sachwalter bestellt:
Vertretung vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgern
Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten
Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen
Vertretung bei Heilbehandlungen
Am 17.11.2014 wurde ich mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraut.
Gegen den Bescheid des Finanzamts Wien vom 3.11.2014, zugestellt am 5.11.2014, wurde gem. Art. 130 Abs 1 Zi 1 und Art 132 Abs 1 Zi 1 BVG innerhalb offener Frist am 17.11.2014 Beschwerde erhoben.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 29.01.2015, zugestellt am 02.02.2015, wurde meine Beschwerde vom 17.11.2014 zu Unrecht als unbegründet abgewiesen.
Binnen offener Frist stelle ich hiermit den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht Wien (Vorlageantrag).
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe inhaltlich voll aufrechterhalten werden.
Insbesondere wird in diesem Rahmen näher ausgeführt, dass im Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung A B der Bezug einer Waisenpension ab 01.01.1976 bescheinigt wird, wofür gemäß §§ 260 und 252 Abs. 2 ASVG das Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit bereits mit Vollendung des 18. Lebensjahres vorausgesetzt wird.
Außerdem gründet die Beschwerdevorentscheidung auf dem Gutachten eines Allgemeinmediziners, und zwar auf Basis der vorliegenden psychiatrisch-neurologischen Befunde. Für die behauptete Erwerbsunfähigkeit ist jedoch, wie bereits aus dem Antrag und aus der eingebrachten Beschwerde hervorgeht, die schwere Sehbehinderung seit früher Kindheit relevant, auf die sich das Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24. Mai 1974 bezieht.
Die Klärung der Frage nach dem Vorliegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit aufgrund der vorliegenden Sehbehinderung erfordert daher eine Begutachtung durch eine sachverständige Person aus dem Bereich der Augenheilkunde.
Dass A B offensichtlich auf Grund seiner starken Sehbeeinträchtigung nicht dazu in der Lage war, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen, ergibt sich auch aus dem Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes, wonach er seit dem Ableben seiner Eltern auf die öffentliche Fürsorge angewiesen war.
Beweise:
- Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherungsanstalt vom 18.11.2014
- Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.05.1974
Beigefügt waren die genannten, bereits oben wiedergegebenen Urkunden.
Vorlage
Mit Bericht vom 16.6.2015 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (Bf.), vertreten durch den Verein VertretungsNetz Sachwalterschaft, beantragte am 17. September 2014 rückwirkend ab dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe.
Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom 23. Oktober 2014 wurde der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Juli 2011 bescheinigt.
Der Antrag wurde am 3. November 2011 für den Zeitraum ab Juli 2011 bis lfd. abgewiesen, weil der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit lange nach Vollendung des 21. Lebensjahres festgestellt wurde.
Gegen die Abweisung wurde am 18. November 2014 eine Beschwerde eingebracht.
Das in diesem Zusammenhang angeforderte Gutachten vom 12. Jänner 2015 bestätigte das Erstgutachten.
Die Beschwerde wurde daher mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. Jänner 2015 abgewiesen.
Am 25. Februar 2015 wurde die Vorlage beantragt.
Beweismittel:
Antrag samt Beilagen und ärztl. Sachverständigengutachten vom 23.10.2014 und 12.01.2015
Schreiben des Blindenverbandes vom 24.05.1974
Stellungnahme:
Zu dem Schreiben des Blindenverbandes vom 24.05.1974 ist festzuhalten, dass in diesem von einer Sehbehinderung und nicht von einer Blindheit gesprochen wird. Darüber hinaus war der Beschwerdeführer (geboren am ...09.1937) zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Schreibens bereits 36 (fast 37) Jahre alt. Letztendlich ist auf Grund des vorgelegten Schreibens des Blindenverbandes nicht herleitbar, dass ob dem Beschwerdeführer im Jahr 1974 (und somit lange nach Vollendung des 21. Lebensjahres) eine erhebliche Behinderung im Sinne des FLAG 1967 vorgelegen hat. Der Beschwerdeführer hat sohin zusammenfassend nicht nachgewiesen, dass bei ihm vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine erhebliche Behinderung vorgelegen hat.
Da darüber hinaus beide Sachverständigengutachten den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres bescheinigen, wird die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Vorlagebericht wurde vom Finanzamt zunächst dem Bf selbst zugestellt, über Aufforderung des Bundesfinanzgerichts vom 16.6.2015 auch der Sachwalterin.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der im September 1937 geborene Bf ist an beiden Augen erblindet und leidet an seniler Demenz vom Alzheimertyp. Der Grad der Behinderung beträgt 100%, der Bf ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Es steht nicht fest, ab welchem Zeitpunkt der Bf voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig wurde.
Beweiswürdigung
Bezüglich Art und Umfang der Behinderung folgt das Bundesfinanzgericht dem Gutachten des Sozialministeriumservice vom 20./23.10.2014.
Allerdings ist, wie im Folgenden ausgeführt, hinsichtlich der Feststellung dass die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit seit 1.7.2011 besteht, dem Gutachten nicht zu folgen.
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.
§ 115 BAO lautet:
§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.
§§ 166 f BAO lauten:
§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
§ 167. (1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 177 Abs. 1 BAO die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.
§ 183 BAO lautet:
§ 183. (1) Beweise sind von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.
(2) Die Abgabenbehörde kann die Beweisaufnahme auch im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden vornehmen lassen.
(3) Von den Parteien beantragte Beweise sind aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
(4) Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.
§ 270 BAO lautet:
§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.
§ 278 BAO lautet:
§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 in der bis 30.6.2011 gültigen Fassung besteht für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 in der ab 1.7.2011 gültigen Fassung besteht für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der bis 30.7.2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der ab 1.7.2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).
§ 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet:
§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
(2) Ab 1. Jänner 2003 beträgt die Familienbeihilfe für jedes Kind monatlich 105,4 €; sie erhöht sich für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 3. Lebensjahr vollendet, um monatlich 7,3 €; sie erhöht sich weiters für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 10. Lebensjahr vollendet, um monatlich 18,2 €; sie erhöht sich weiters ab Beginn des Kalendermonats, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet, um monatlich 21,8 €. Diese Beträge gelten für eine Vollwaise (§ 6) entsprechend.
(3) Ab 1. September 2013 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, wenn sie
a) für zwei Kinder gewährt wird, um 6,4 € für jedes Kind,
b) für drei Kinder gewährt wird, um 15,94 € für jedes Kind,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 24,45 € für jedes Kind,
d) für fünf Kinder gewährt wird, um 29,56 € für jedes Kind,
e) für sechs Kinder gewährt wird, um 32,97 € für jedes Kind,
f) für sieben Kinder gewährt wird, um 35,4 € für jedes Kind,
g) für acht Kinder gewährt wird, um 37,23 € für jedes Kind,
h) für neun Kinder gewährt wird, um 38,65 € für jedes Kind,
i) für zehn Kinder gewährt wird, um 39,78 € für jedes Kind,
j) für elf Kinder gewährt wird, um 40,71 € für jedes Kind,
k) für zwölf Kinder gewährt wird, um 41,49 € für jedes Kind,
l) für dreizehn Kinder gewährt wird, um 42,14 € für jedes Kind,
m) für vierzehn Kinder gewährt wird, um 42,7 € für jedes Kind,
n) für fünfzehn Kinder gewährt wird, um 43,19 € für jedes Kind und
o) für sechzehn und mehr Kinder gewährt wird, um 50 € für jedes Kind.
(4) Ab 1. Jänner 2003 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,3 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
Nachweisführung
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob der Bf dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. VwGH 29.9.2011, 2011/16/0063; VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, und die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068; VfGH 10.12.2007, B 700/07).
Sachverständigengutachten
Die Sachverständigengutachten, die den Bescheinigungen des Sozialministeriumservice zugrunde zu legen sind, haben sich mit allen der Behörde vorliegenden Beweismitteln, die für die Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, von Bedeutung sein können, auseinanderzusetzen.
Diese Beweismittel sind in den Befund des Gutachtens aufzunehmen. Es bilden nur jene Tatsachen, die in den Befund aufgenommen wurden, die Grundlage für die im Rahmen der Gutachtenserstattung im engeren Sinn vorgenommen Wertungen.
Wäre es möglich, dass Sachverständige ihnen bekannte, aber nicht in den Befund ihres Gutachtens aufgenommene Tatsachen bei der Gutachtenserstellung im engeren Sinn verwerten dürften, wäre eine Bekämpfung durch die Parteien und eine Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte nicht möglich, weil gar nicht beurteilt werden könnte, wovon bei Erstattung des Gutachtens im engeren Sinn ausgegangen wurde. Die Behörde hat daher zu prüfen, ob in den Befund des Gutachtens alle notwendigen und entscheidungsrelevanten Tatsachen Eingang gefunden haben (vgl. VwGH 23.6.2014, 2010/12/0036; VwGH 2.7.2009, 2009/12/0083).
Kenntnis des vollständigen Gutachtens für eine Entscheidung der Behörde und des Bundesfinanzgerichts unerlässlich
Da die Behörde verpflichtet ist, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen, ist es unerlässlich, dass die Behörde vor Erlassung eines Bescheides Kenntnis von einem derartigen Gutachten hat. Erst recht ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht durch die Behörde dafür Sorge zu tragen, dass ein solches Gutachten aktenkundig ist.
Der Erlass des BMF vom 23.12.2002, 66 5002/6-VI/6/02, Verfahrenserweiterung DB7: Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (= BSB), legt fest, dass der gesamte Ablauf von der Anforderung der Bescheinigung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bis zu deren Übermittlung an das Finanzamt elektronisch zu erfolgen hat.
Das EDV-Verfahren betreffend die Zusammenarbeit zwischen Finanzämtern und Sozialministeriumservice sah diesem Erlass zufolge (bis Oktober 2014) vor, dass "das BSB das Untersuchungsergebnis der anspruchsberechtigten Person nicht mitteilt", weswegen die Finanzämter "im Zuge der Erledigung eines Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe die BSB-Bescheinigung der anspruchsberechtigten Person zu übermitteln" hätten (Punkt 2.5 des Erlasses). "Die wichtigsten Ergebnisdaten der Erledigung durch das BSB werden in der Ablage zum entsprechenden Kind in der Karteikarte 'BSB-Beschein.' (= BGM3115) angezeigt. Wurde eine Bescheinigung erstellt, kann - wenn notwendig - durch Angabe des Buchstaben 'a' im Bearbeitungsfeld zur Bescheinigung in die Maske BGM3116 gewechselt werden, wo der vollständige Text der Bescheinigung angezeigt wird" (Punkt 2.5 des Erlasses).
Die Finanzämter hatten in der Vergangenheit somit direkten elektronischen Zugriff auf den vollständigen Text des vom Sozialministeriumservice auf Grund einer Anforderung des Finanzamts erstellten Gutachtens.
Dieses Verfahren wurde mit Erlass BMF vom 30.9.2014, BMF-110901/0004-V/2/2014, DB7 – Verfahrensänderungen im 'BSB-Verfahren', gültig ab 8.10.2014, unter anderem wie folgt geändert:
... Zu neuen Anforderungen werden nur mehr die für die Bearbeitung des Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe notwendigen Daten (= 'Metadaten') der BSB-Bescheinigung angezeigt. Die Ansicht der vollständigen BSB-Bescheinigung ist nicht mehr möglich. Zu alten Anforderungen ist die Ansicht der vollständigen BSB-Bescheinigungen weiterhin möglich. Diese Metadaten bilden - so wie bisher - die Entscheidungsgrundlage für die Feststellung des Anspruches auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe. Für den Fall, dass in Bezug auf das Sachverständigengutachten Klärungsbedarf bestehen sollte, kann das BSB direkt kontaktiert werden....
... Wurde bisher ein BSB-Verfahren abgeschlossen, wurde die BSB-Bescheinigung als Anhang zur Erledigung des Finanzamtes (zB Abweisungsbescheid, FB-Mitteilung) versendet. Da zu den neuen BSB-Bescheinigungen die Finanzverwaltung nur mehr die Metadaten erhält, kann auch die Versendung der vollständigen BSB-Bescheinigung nicht mehr durch die Finanzverwaltung erfolgen. Die Versendung erfolgt daher nunmehr direkt durch das BSB. Auf der Erledigung der Finanzverwaltung wird nur mehr ein Hinweis auf die durch das BSB versendete BSB-Bescheinigung aufgenommen. Die Finanzverwaltung hat die Möglichkeit, die nochmalige Versendung der BSB-Bescheinigung durch das BSB anzustoßen (zB falls im Zuge der Nachfrage einer anspruchsberechtigten Person diese behauptet, die BSB-Bescheinigung nicht erhalten zu haben)...
Das bedeutet, dass seit Oktober 2014 die Finanzämter keinen automatischen Zugriff auf den vollständigen Gutachtenstext haben.
Es mag sein, dass die Übermittlung der "Metadaten" ausreichend ist, wenn die Bescheinigung des Sozialministeriumservice die Angaben des jeweiligen Antragstellers vollinhaltlich stützt, also auf Grund der Bescheinigung des Sozialministeriumservice einem Antrag vollinhaltlich Folge zu geben ist, und eine dessen ungeachtet zulässige amtswegige Prüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens aus verwaltungsökonomischen Gründen in der Regel unterbleiben kann.
Erhält die Behörde hingegen nur die "Metadaten" und wäre auf Grund dieser "Metadaten" der Nachweis einer erheblichen Behinderung i.S.d. § 8 Abs. 5 FLAG 1967 oder einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 oder § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 nicht erbracht, belastet die Behörde einen darauf gestützten Abweisungsbescheid (§ 13 FLAG 1967) mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), wenn sie vor Bescheiderlassung nicht das den "Metadaten" zugrunde liegenden Gutachten einer Prüfung unterzieht, die auch in der Begründung des Bescheides zum Ausdruck kommt.
Auch wenn das Finanzamt (zunächst) keine Kenntnis des vollständigen Gutachtenstextes hat, hat es vor Erlassung eines Bescheides zwingend gemäß § 183 Abs. 4 BAO das Parteiengehör zu wahren. Das bedeutet in Bezug auf Bescheinigungen des Sozialministeriumservice, dass es nicht ausreichend ist, wenn erst in der Bescheidbegründung auf diese Bescheinigung Bezug genommen wird, sondern dem Antragsteller ist nach Kenntniserlangung der "Metadaten" der Bescheinigung durch das Finanzamt im Wege des EDV-Verfahrens förmlich ("Vorhalt") Gelegenheit zu gehen, sich zu dieser Beweisaufnahme zu äußern.
Sollte der Antragsteller die Schlüssigkeit des Gutachtens bezweifeln, wird das Finanzamt den vollständigen Text des Gutachtens, entweder durch Anforderung beim Sozialministeriumservice, oder auch durch Anforderung beim Antragsteller beizuschaffen und in weiterer Folge das Gutachten auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen haben. Das Ergebnis dieser Prüfung muss sich in der Begründung des Bescheides (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) niederschlagen.
Wenn dem Finanzamt das vollständige Gutachten nicht bekannt ist, hat es dieses somit vor Bescheiderlassung beizuschaffen (vgl. etwa BFG 10.11.2015, RV/7105545/2014).
Aktenkundig ist der Inhalt des Gutachtens des Sozialministeriumservice vom 20./23.10.2014. Vom Gutachten vom 12.1.2015 sind nur die "Metadaten" aktenkundig.
Unvollständigkeit und Unschlüssigkeit des Gutachtens des Sozialministeriumservice
Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann nur die Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens des Sozialministeriumservice vom 20./23.10.2014 beurteilt werden.
Wie sich aus den im Gutachten angeführten Befunden ergibt, bildete das Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.5.1974 an die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft für dieses Gutachten keine Entscheidungsgrundlage. Auf Grund welchen Aktes das "Aktengutachten" erstellt wurde und welchen Inhalt dieser Akt hat, lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen.
Das Gutachten vom 20./23.10.2014 geht von einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ab 1.7.2011 aus, "da Blindheit seit Sept. 2011 durch Dr. D bestätigt", während in der Anamnese festgehalten wurde, "1966 ins Blindenheim nach Wien gezogen".
Wenn das Gutachten die Blindheit des Bf als Grund für die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ansieht und sich hierbei auf einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie aus dem Jahr 2011 stützt, während der Bf bereits Jahrzehnte vorher offenkundig stark sehbehindert oder blind gewesen ist und laut Versicherungsdaten niemals einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen ist, ist das Gutachten vorerst unschlüssig.
Das Gutachten setzt sich auch nicht mit dem Umstand auseinander, dass dem Bf nach dessen Angaben seit dem Jahr 1976 eine Waisenrente infolge Hilflosigkeit zuerkannt wurde und diesem Verfahren offenkundig, siehe auch das Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.5.1974, ärztliche Befunde zugrunde lagen. Soweit noch vorhanden, wären diese Befunde von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft beizuschaffen.
Das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1957 über die Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Gewerbliches Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz — GSPVG.), BGBl. Nr. 292/1957, auf das sich der Österreichische Blindenverband bezogen hat, regelte in seinem § 54a den Hilflosenzuschuss und in seinem § 79 die Höhe einer Hinterbliebenenzuschußrente. Der Hilflosenzuschuss setzte voraus, dass eine Person, derart hilflos ist, dass "sie ständig der Wartung und Hilfe bedürfen" (vgl. auch § 74 GSVG, nunmehr ist der Hilflosenzuschuss durch das Pflegegeld ersetzt).
Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele VwGH 25.9.2013, 2013/16/0013). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, m.w.N.).
Hat das Gutachten des Sozialministeriumservice die Frage zu beantworten, ob das Kind wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. (hier: 27.) Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, muss das Gutachten daher erstens feststellen, ob das Kind auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und zweitens, ob dafür der Grund darin liegt, dass diese körperliche oder geistige Behinderung bei dem Kind vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten eingetreten ist (vgl. BFG 10.11.2015, RV/7105545/2014; BFG 19.7.2015, RV/7104999/2014; BFG 20.4.2015, RV/7103843/2014; BFG 6.4.2015, RV/7103602/2014; BFG 23.3.2015, RV/7105504/2014; BFG 2.3.2015, RV/7100039/2015; BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014; BFG 17.3.2014, RV/7100539/2014).
Diese Feststellung darf sich aber nicht in einer bloßen Behauptung erschöpfen, sondern muss sich mit den vorliegenden Beweismitteln so auseinandersetzen, dass dies für den Antragsteller, die belangte Behörde und das Gericht auch nachvollziehbar ist. Insbesondere muss eine Auseinandersetzung mit den aktenkundigen Befunden erfolgen und ist vom Sozialministeriumservice in einer Zusammenschau aller Beweismittel zu begründen, warum eine vom Sozialministeriumservice diagnostizierte, einer selbständigen Unterhaltsverschaffung entgegenstehende Behinderung vor oder nach dem im Gesetz genannten Zeitpunkt eingetreten ist oder eine derartige Behinderung nicht besteht (vgl. BFG 10.11.2015, RV/7105545/2014; BFG 19.7.2015, RV/7104999/2014; BFG 20.4.2015, RV/7103843/2014; BFG 6.4.2015, RV/7103602/2014; BFG 23.3.2015, RV/7105504/2014; BFG 2.3.2015, RV/7100039/2015; BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014; BFG 17.3.2014, RV/7100539/2014).
Zurückverweisung der Sache an die Behörde
Das Finanzamt wird im fortgesetzten Verfahren zunächst eine Ergänzung des Gutachtens des Sozialministeriumsservice vom 12.1.2015 um dessen vollständigen Text zu veranlassen haben.
Ergibt sich aus dem vollständigen Gutachten nicht, dass diesem auch das Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.5.1974 an die Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zugrunde gelegt wurde, wird das Sozialministeriumservice zu einer entsprechenden Ergänzung des Gutachtens aufzufordern sein, ebenso, wenn das Gutachten im Hinblick auf die beigebrachten Befunde nicht schlüssig sein sollte.
Zu den Ausführungen im Vorlagebericht ist festzuhalten, dass in dem Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.5.1974 nicht bloß "von einer Sehbehinderung und nicht von einer Blindheit gesprochen wird", sondern die Aussage getroffen wurde, dass der Bf und seine Schwester "seit ihrer Kindheit an schwerster Sehbehinderung und einer Störung des Nervensystems leiden" und "eine berufliche Ausbildung und Eingliederung leider nicht möglich" gewesen sei. Dieser Zustand sei bereits vor dem 18. Lebensjahr gegeben gewesen, weswegen Waisenpension und Hilflosenzuschuss beantragt und in weiterer Folge offenbar gewährt wurde.
Soweit noch feststellbar, werden daher die der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft damals zugänglichen Entscheidungsgrundlagen zu ermitteln und bei einer neuerlichen Gutachtenserstellung (wie ärztliche Zeugnisse, "Briefe v. Landesinvalidenamt",...) und der Umstand, dass eine Waisenpension lange nach Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurde, zu berücksichtigen sein.
Zurückverweisung
Gemäß § 278 BAO kann das Verwaltungsgericht bei unterlassenen Ermittlungen mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen.
Der Erlass des BMF vom 23.12.2002, 66 5002/6-VI/6/02, Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, sieht ebenso wie die Richtlinie des BMF vom 2.2.2010, BMF-280000/0222-IV/2/2013, Organisationshandbuch – zur verwaltungsökonomischen Abwicklung des Verfahrens – ausschließlich den elektronischen Verkehr mit dem Sozialministeriumservice durch die Finanzämter vor.
Hier erweist sich eine sofortige Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde als weitaus verwaltungsökonomischer (vgl. BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014; BFG 23.3.2015, RV/7105504/2014; BFG 6.4.2015, RV/7103602/2014 oder BFG 20.4.2015, RV/7103843/2014).
Sofern sich das Gutachten vom 12.1.2015 nicht mit den im Schreiben des Österreichischen Blindenverbandes vom 24.05.1974 dargelegten Umständen entsprechend detailliert befasst, wird das Finanzamt im fortgesetzten Verfahren eine Ergänzung des Gutachtens des Sozialministeriumsservice zu veranlassen haben. Die Veranlassung einer Gutachtensergänzung oder eines neuen Gutachtens erfolgt im elektronischen Verkehr der Finanzämter mit dem Sozialministeriumservice, das Bundesfinanzgericht ist in dieses elektronische Verfahren nicht eingebunden.
Hierbei genügt es nicht, im Wege der elektronischen Datenverarbeitung ein neuerliches Gutachten des Sozialministeriumsservice anzufordern, ohne dem dortigen Gutachter alle erforderlichen aktenkundigen Informationen von Amts wegen zur Verfügung zu stellen. Ein Gutachten, das nur auf den vom Antragsteller oder vom Untersuchten dem Gutachter vorgelegten Befunden beruht, ohne sich mit den anderen aktenkundigen Befunden auseinanderzusetzen, ist unvollständig (vgl. BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014 oder BFG 20.4.2015, RV/7103843/2014).
Dem Sozialministeriumsservice sind somit von der belangten Behörde alle im gegenständlichen Verfahren aufgenommenen Beweise durch Übermittlung der entsprechenden Urkunden in Kopie oder als PDF sowie der gegenständliche Beschluss des Gerichts - der die den Akteninhalt bildenden Urkunden zusammenfasst - zur Kenntnis zu bringen (vgl. BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014 oder BFG 20.4.2015, RV/7103843/2014).
Bereits im Hinblick auf das dargestellte elektronische Verfahren erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger) als die Führung dieser Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht selbst.
Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl. Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm. 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs. 2 BAO) durchzuführen (vgl. BFG 8.1.2016, RV/7105055/2015).
Der Bf erhält somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann.
Nichtzulassung der Revision
Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Wien, am 6. März 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VfGH 10.12.2007, B 700/07 |