Nachweis einer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.7100039.2015
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der A B, Adresse_neu, vormals Adresse, vom 15.7.2014 gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln, 3430 Tulln an der Donau, Albrechtsgasse 26-30, vom 2.7.2014, wonach der Antrag vom 18.4.2014 auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für sich selbst ab April 2009 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer Z, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in Verbindung mit § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Antrag
Die im Jahr 1960 geborene Beschwerdeführerin (Bf) A B (Schreibweise laut ZMR, Schreibweise durch die Bf: B+) beantragte am 16.4.2014, beim Finanzamt eingelangt am 18.4.2014, für sich selbst erhöhte Familienbeihilfe ab dem Jahr 1973 wegen "Angst und Depressive Störung, Emotional instabile Persönlichkeitsstörung". Sie beziehe seit dem Jahr 2000 Pflegegeld.
Zurückweisungsbescheid
Mit Bescheid vom 1.7.2014 wies das Finanzamt an den Antrag vom 18.4.2014 betreffend den Zeitraum 1973 bis März 2009 als nicht zulässig zurück:
Zeitraum 1973 bis Jänner 2002:
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der bis 30. Juni 2011 gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ist für maximal fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monat, ab dem des Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).
Zeitraum Februar 2002 bis September 2007:
Anträge sind unter anderem dann zurückzuweisen, wenn in ein und derselben Sache die Abgabenbehörde bereits einmal rechtskräftig entschieden hat (Grundsatz "ne bis in idem"). Der Grundsatz "ne bis in idem" besagt, dass eine Abgabenbehörde in ein und derselben Sache nicht zweimal entscheiden darf (Unwiederholbarkeit, Einmaligkeitswirkung).
Mit Berufungsentscheidung vom 8. Oktober 2007, GZ. RV/2727-W/07, wurde vom Unabhängigen Finanzsenat (UFS), Außenstelle Wien, Senat 5 Ihre Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab 1. Februar 2002 als unbegründet abgewiesen. Eine Beschwerde gegen diese abweisende Berufungsentscheidung wurde beim Verwaltungsgerichtshof bzw. beim Verfassungsgerichtshof nicht eingebracht. Somit wurde diese Berufungsentscheidung nach Ablauf der 6-Wochen-Frist rechtskräftig.
Ihr neuerlich gestellter Antrag auf Eigenbezug der erhöhten Familienbeihilfe vom 18. April 2014 ist für den Zeitraum 1.2.2002 bis 30.9.2007 (Ablauf der Sperrwirkung der obgenannten Berufungsentscheidung) wegen "entschiedener Sache" zurückzuweisen.
Zeitraum Oktober 2007 bis März 2009:
Gleiche Begründung wie Zeitraum 1973 bis Jänner 2002 (Ablauf der 5-Jahres-Frist)
Für den Zeitraum ab 1. April 2009 bis laufend ergeht gesondert ein Abweisungsbescheid.
Abweisungsbescheid
Mit Bescheid vom 2.7.2014 wies das Finanzamt den Antrag vom 18.4.2014 auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für sich selbst ab April 2009 ab. Die Begründung dafür lautet:
Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
In den beiden vom Bundessozialamt erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 6.6.2007 bzw 14.8.2007 wurde lediglich der Grad Ihrer Behinderung mit 50 vH (50 %) festgesetzt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Ihrem 21. Lebensjahr wurde in beiden Gutachten nicht bescheinigt. Diese Rechtsansicht wurde auch in der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 8.10.2007 nicht abgeändert. Die Ihrem Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe vom 18.4.2014 (rückwirkend ab 1973) beigelegten ärztlichen Bestätigungen (Befundbericht Dr. C D vom 27.2.2008 sowie DDr. E F vom 15.4.2014) beschreiben Ihre bereits bekannte Krankheitsgeschichte, welche in den obzitierten Sachverständigengutachten sowie in der genannten UFS-Entscheidung bereits hinlänglich berücksichtigt wurde.
Neue - dem Finanzamt bisher nicht bekannte Tatsachen - sind darin nicht enthalten.
Der neuerliche Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe (Eigenbezug) war daher abzuweisen.
Beschwerde
Gegen den Abweisungsbescheid vom 2.7.2014 erhob die Bf am 15.7.2014 Beschwerde, beim Finanzamt am 17.7.2014 persönlich überreicht:
Ich möchte gegen den Abweisungsbescheid vom 18.4.2014 [richtig: 2.7.2014] Beschwerde einlegen, da ich dies nicht akzeptiere, weil ich wie gesagt schon seit Kindheitstagen diese traumatischen Erlebnisse hatte. Nun lege ich einen neuerlichen Befund von Dr. F sowie von Dr. D bei, die bestätigen, dass dies alles (sämtliche Beschwerden usw.) schon lange vor meinem 21. Lebensjahr angefangen haben! Ich bitte Sie um eine neuerliche Überarbeitung meines Falles!
Befund von DDr. F vom 15.7.2014
Univ.Doz. DDr. E F, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie & Neurologie, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, schrieb am 15.7.2014 betreffend die Bf unter anderem:
Fragestellung:
Therapie und Verlaufskontrolle -wegen Kinderbeihilfe- mit Brief des Finanzamt- objektiv falsch, die Kindheit wurde nicht berücksichtigt
Zwischenanamnese:
weiter subjektiv traumatisch erlebte Kindheit, keine Schulbildung
Psychiatrisch:
Störungen der Erlebnis-und Konfliktverarbeitung, die sich im wesentlichen vor dem Hintergrund pathogen wirksamer Umwelteinflüsse entwickeln und andauern und in der Kindheit begonnen haben - Mord des Vaters durch Mutter.
Neurologie:
bland
Diagnosen:
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen seit Kindheit
Z.n. Traumatischer Schock
Analphabet
PTSD
Therapie mit Gerinnungshemmer
Z.n. Beckenvenenthrombose ca. 1998
COPD
Angst und depressive Störung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Z.n. Haftspsychose 2013.
Befund von Dr. C D vom 16.7.2014
Dr. C D, Facharzt für Psychiatrie/Neurologie, erstattete am 16.7.2014 folgenden Befundbericht betreffend die Bf:
Die Anamnese und Problematik wird als bekannt vorausgesetzt.
Von der Langzeitanamnese besteht eine äußerst belastende lebensgeschichtliche Entwicklung mit PTSD. Dieses ist ja bereits alles bekannt.
Als besondere Belastung besteht die Tatsache, dass die Mutter der Patientin ihren Gatten (Vater der Patientin) ermordet hat. Die Patientin war zu diesem Zeitpunkt laut Angaben ihres Gatten ca. 10 bis 12 Jahre alt. Genau kann er sich nicht erinnern. Laut Gatten sei Frau B+ damals in der Mordsituation anwesend gewesen.
Somit ist es schon verständlich, dass die Erwerbsfähigkeit der Patientin eigentlich nie wirklich gegeben war.
Aktenkundig sind ferner folgende Befunde:
Befund von Dr. C D vom 27.2.2008
Dr. C D, Facharzt für Psychiatrie/Neurologie, erstattete am 27.2.2008 folgenden Befundbericht betreffend die Bf:
... Von der Anamnese her besteht eine schwere chronifizierte Depressio mit passager psychotischem Überbau und auch von der Anamnese immer wieder erhöhte Suizidallität.
Die Anamnese der Patientin war bereits ab der Kindheit äusserst schwierig.
Sie lebt praktisch in einer devianten Gruppe.
DIAGNOSEN:
Depression chronif. mit psychot. Überbau.
Gutachten des Sozialministeriumservice vom 6.6.2007
Im vorangegangenen Verfahren erstattete das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice, früher Bundessozialamt) am 6.6.2007 folgendes Aktengutachten betreffend die Bf:
Anamnese:
Es besteht eine Amblyopie links wegen Einwärtsschielen. Visus mit Korrektur rechts 0,4, links 1/36 . Telef.vereinbart, daß nochmalige augenfachärztliche Kontrolle bei Dr. Pisaraschi vorgenommen wird, dann erst ist Abschluß des Gutachtens möglich. Gutachten muß ohne neuerlichen Befund abgeschlossen werden
Behandlung/Therapie (Medikamente , Therapien - Frequenz):
Brille
Untersuchungsbefund:
Aktengutachten
Status psychicus / Entwicklungsstand:
Nicht bekannt
Relevante vorgelegte Befunde:
2007-03-20 DR.G
Beide Augen organisch gesund, Amblyopie durch Einwärtsschielen, Gesichtsfeld rechts konzentrisch eingeengt.Visus rechts 0,4 , links 1/36.
2007-01-18 KONVENTHOSPITAL BARMH.BRÜDER LINZ
Konzentrische Gesichtsfeldeinengunq unklarer Genese ,Visus unkorrigiert rechts 0,2; links 0,01. Weitere Diagnostik zur Abklärung empfohlen.Fundi bds. unauffällig.
2006-12-20 DR.G
Befundergebnis idem zu 20 .03 . 2007
Diagnose(n) :
Amblyopie durch Strabismus
Richtsatzposition: 637 Gdb: 050% ICD: H53.0
Rahmensatzbegründung:
K3/Z8 Oberer Rahmensatz, da auch Gesichtsfeldeinschränkung
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2006-12-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Aus augenfachärztlicher Sicht kann sie für ihren Unterhalt sorgen ab wann die Fehlsichtigkeit eingetreten ist kann nicht erhoben werden
Erstellt am 2007-06-06 von H I Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie
zugestimmt am 2007-06-06 Leitender Arzt: J K
Gutachten des Sozialministeriumservice vom 7./14.8.2007
Im vorangegangenen Rechtsmittelverfahren erstattete das Sozialministeriumservice am 7./14.8.2007 ein weiteres Aktengutachten betreffend die Bf:
Anamnese:
lt. den Unterlagen liegt eine Sehbehinderung vor. Im Aktengutachten 20 05 2007 wird der Visus rechts 0,4 und links Amblyopie 1/36 festgestellt; es werden augenärztliche Befunde zitiert, die beide Augen organisch gesund beschreiben, Visus re 0,4, links 1/36 und unklare GF-einengung konzentrisch dies wird mit 50% bewertet. Einspruch erfolgt wegen nicht dauernd außerstande sein Selbstunterhalt zu verschaffen. Lt. einem Psychologischen Gutachten gibt die Pat. an, nie eine Schule besucht zu haben, niemals einem Beruf nachgegangen zu sein.Sie ist verheiratet, habe 8 Kinder, nehme Psychopharmaka wegen Depressionen und Angstzusänden. Auf Grund der eingeschränkten Sehfähigkeit und Kooperation konnte keine regelrechte psycholog. Testdurchführung gemacht werden. Es ergaben sich Hinweise für das Vorliegen eines org. Psychosyndroms zumindest mittleren Grades mit massiven Einschränkungen der kognitiven Funktionen nach langjährigem Alkohol und Medikamentenmißbrauch und es spricht auch für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nach traumatischer Kindheit.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
aktenmäßig
Untersuchungsbefund:
aktenmäßig
Status psychicus / Entwicklungsstand:
aktenmäßig
Relevante vorgelegte Befunde:
2007-05-20 DR. H FLAG AKTENGUTACHTEN: AMPLYOPIE STRABISMUNS: 50%
2007-07-18 DR. L M KLINISCHE PSYCHOLOGIN:
organisches Psychosyndrom mit massiver Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen sowie bei posttraumatischer Belastungsstörung nach traumatischer Kindheit
2007-07-09 MAG. N PSYCHOLOGIN LK HORN:
schweres ängstliches depressives Zustandsbild, chronischer Verlauf
Diagnose(n):
Amblyopie durch Strabismus
Richtsatzposition: 637 Gdb: 050% ICD: H53.0
Rahmensatzbegründung:
K3/Z8 Oberer Rahmensatz, da auch Gesichtsfeldeinschränkung, organisches Psychosyndrom, posttraumatische Belastungsst
Richtsatzposition: 585 Gdb: 050% ICD: F07.9
Rahmensatzbegründung:
Störung 5 Stufen über unterem Rahmensatz, da deutliche Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen, st.p. Alkohol und Medikamentenmißbrauch, Depressio
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da keine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung besteht.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2006-12-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Aus nervenfachärztlicher Sicht kann an Hand der vorgelegten Befunde keine Aussage darüber getroffen werden, ab wann die festgestellt Behinderung aufgetreten ist
erstellt am 2007-08-07 von O PFacharzt für Neurologie und Psychiatrie
zugestimmt am 2007-08-14 Leitender Arzt: J K
Frau B+ kann jetzt nicht für ihren Unterhalt sorgen!!!Ob sie vor dem21.Lebensjahr für ihren Unterhalt sorgen konnte, kann nicht beantwortet werden.
Berufungsentscheidung UFS 8.10.2007, RV/2727-W/07
Mit Berufungsentscheidung UFS 8.10.2007, RV/2727-W/07, veröffentlicht in der FINDOK, hat der damalige Unabhängige Finanzsenat eine Berufung der Bf gegen einen Abweisungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe unter Verweis auf diese beiden Gutachten des Sozialministeriums als unbegründet abgewiesen.
Die Entscheidungsgründe sind der in der FINDOK veröffentlichten und den Parteien bekannten Berufungsentscheidung zu entnehmen, ebenso die Eingaben der Bf im dortigen Verfahren und die Schilderung der Lebensumstände der Bf.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.11.2014 wies das Finanzamt die Beschwerde vom 17.7.2014 als unbegründet ab:
Ihr Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (= Antrag auf "erhöhte Familienbeihilfe") vom 18.04.2014 wurde mit Bescheid vom 02.07.2014 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass aufgrund der bis dahin ergangenen Gutachten des Bundessozialamtes (Gutachten vom 06.06.2007 sowie Gutachten vom 14.08.2007) keine ausreichende Behinderung und zwar die Feststellung, dass Sie bereits vor Ihrem 21. Lebensjahr nicht dauernd außerstande waren, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorlag. Ebenso wurde auf die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 08.10.2007 verwiesen.
Aufgrund Ihrer gegen den Abweisungsbescheid vom 02.07.2014 eingebrachten Beschwerde wurde ein neuerliches Sachverständigengutachten. beim Bundessozialamt angefordert. Im mittlerweile ergangenen dritten Sachverständigengutachten vom 26.09.2014 (Gutachten liegt bei) wird zwar grundsätzlich bescheinigt, dass Sie derzeit bzw. rückwirkend ab Juli 2007 (VGA/PsychTes/Befundvorlage = Vorgutachten vom 06.06.2007 und 14.08.2007, sowie die Befunde vom 15.07.2014 und 16.07.2014) selbsterhaltungsunfähig sind. Eine rückwirkende Bescheinigung für einen Zeitpunkt vor Ihrem 21. Lebensjahr (28.07.1981) wurde jedoch neuerlich nicht bescheinigt.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der für den Beschwerdezeitraum gültigen Fassung (2009 und Folgejahre) haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Im zitierten dritten Gutachten des Bundessozialamtes vom 26.09.2014 wurde wiederholt Ihre Selbsterhaltungsunfähigkeit vor Ihrem 21. Lebensjahr nicht bescheinigt. Die Anspruchsgrundvoraussetzungen für den Eigenbezug der erhöhten Familienbeihilfe sind somit nicht erfüllt.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.
Gutachten des Sozialministeriumservice vom 25./26.9.2014
Im Beschwerdeverfahren erstattete das Sozialministeriumservice am 25./26.9.2014 ein weiteres Gutachten betreffend die Bf.
Anamnese
VGA lt. Berufungsentscheid unabhängiger Finanzsenat 08 10 2007:
Augenärztliches Aktengutachten 20 05 2007: GdB 50% Amblyopie durch Strabismus, GF Einschränkungen. Nervenärztliches Aktengutachten 07 08 2007 : GdB 50% organisches Psychesyndrom mittleren Grades mit deutlichen Einschränkungen der kognitiven Funktionen, Z.n. Alkohol und Medikamentenmissbrauch, Depressio, posttraumatische Belastungsstörung.Rückwirkend ab 12/ 2006 .. kann jetzt nicht für den Unterhalt sorgen, ob sie vor dem 21 . LJ für ihren Unterhalt sorgen konnte kann nicht beantwortet werden.****Aktuell kommt AW in Begleitung des Gatten, der sie mit dem Privat PKW hergebracht hat, zur Untersuchung. Sie habe nie eine Schule besucht, könne nicht schreiben oder rechnen oder lesen. Ihre Eltern waren ein "reisendes Volk", der Vater habe Körbe geflochten, sie haben gebettelt und hausiert. Sie wuchs als 2. Älteste von 6 Geschwistern auf , die Kindheit war geprägt von Aggressivitäten, Alkoholexzessen der Eltern, Schlägen. Die Kinder mußten sich das Essen zusammenbetteln. Als AW 12 war, habe ihre Mutter den Vater ermordet und sei wegen Notwehr 6 Monate in Haft gewesen. In dieser Zeit kamen die Kinder zu einem Onkel, nach Enthaftung wieder zur Mutter.Im14. LJ sei sie ausgerissen und habe an verschiedenen Stellen übernachtet, ab dem 15. LJ bei ihrem späteren Gatten im Haus dessen Großmutter. 1978 Heirat. Sie habe 10 Kinder bekommen und großgezogen , oft war sie da auf sich alleine gestellt, weil der Gatte auch oft in Haft gewesen sei, habe deswegen auch nie gearbeitet und war aufs Sozialamt angewiesen. Die jüngeren beiden Kinder (jetzt 20, 21) wurden vom Jugendamt zu Pflegefamilien gebracht, sie habe keinen Kontakt mehr. Zu den anderen 8 Kindern habe sie guten Kontakt. Sie habe schon immer auch Angst und Depressionen gehabt, habe vor 20 Jahren deswegen einen Nervenarzt aufgesucht.Sie habe jetzt Pflegestufe 2 . *** Weiteres: Am linken Auge sehe sie fast nichts nur hell dunkel. Vor 20 Jahren Thrombose am linken Bein. *** Aktuell habe sie Angst, sei traurig, es freue sie nichts, mache den ganzen Tag nicht viel.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
Flux 20 1-0-0, Dominal f . 0-0-1, Furostad, Lyrica 300 1-0-1, Myolastan 50 0-0-1, Spirono , Lisinopril 5, Pantoloc, Cipralex 10 1 1/2, Bisoprolol, NervenFA Kontrolle 1-2x/ Monat
Untersuchungsbefund:
54jährige Frau. Gewicht: 80kg, Größe: 1.62, gepflegt, sanierungsbedüftige Zähne. Kein funktionell relevantes organneurologisches Defizit.
Status psychicus / Entwicklungsstand:
voll orientiert, Gedankenductus zielführend, einfach strukturiert, Stimmung gedrückt, - dysphor, Affizierbarkeit ins Negative verschoben, im Verhalten kooperativ und freundlich, gibt bereitwillig Auskunft über lebensgeschichtliche Daten.
Relevante vorgelegte Befunde:
2014-07-15 BEFUND PSYCH FA DR. F
tiefgreifende Entwicklungsstörung seit der Kindheit, Z.n. traumat. Schock, Analphabet, PTSD .... Angst und depressive Störung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung ... Z.n. Haftpsychose 2013 ....
2014-07-16 BEFUND PSYCH FA DR . D
äußerst belastende lebensgeschichtliche Entwicklung mit PTSD
2007-10-08 BERUFUNGSENTSCHEID UNABHÄNGIGER FINANZSENAT
siehe Anamnese
2008-02- 27 BEFUND NERVENFA DR. D
Depression chronif . mit psychot. Überbau
2014-04 -15 BEFUND NERVENFA DR . F
traumatischer Schock, PTSD ....... Störung der Erlebnis und Konfliktverarbeitung, die sich im Wesentlichen vor dem Hintergrund pathogen wirksamer Umwelte inflüsse entwickeln und in der Kindheit begonnen
2011-01-20 BEFUND NERVENFA DR. F
intrapsychgische Spannungszustände, Angst und depressive Störung ...
2014-08-22 BESTÄTIGUNG NERVENFA DR. F
leidet schon vor dem 21 . LJ an tiefgreifender Entwicklungsstörung
Diagnose(n):
Persönlichkeits- Verhaltensstörung, Angst und depressive
Richtsatzposition:
030402 Gdb: 050% ICD: F69.Rahmensatzbegründung:
Störung, multiple Deprivation der Kindheit, Analphabetismus bei fehlender Schulbildung.Unterer Rahmensatz, da zwar ausgeprägtes Beschwerdebild, aber in persönlichen Belangen noch teilweise selbstständig.
Amblyopie links durch Schielen, Sehleistung links 1/36,
Richtsatzposition:
110201 Gdb : 050% ICD: H53.0
Rahmensatzbegründung:
rechts 0,4, Gesichtsfeldeinschränkung unklarer Genese
Einschätzung nach Tabelle : Sp4, Z8
Gesamtgrad der Behinderung: 60 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine wechselseitig ungünstige Leidensbeeinflussung besteht, Gesamtgrad der Behinderung erhöht sich zum aktenmäßigen VGA 2007 .
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 2007-07-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande , sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Es liegt eine Selbsterhaltungsunfähigkeit vor - rückwirkend ab VGA/PsychTest/Befundvorlage . Ob diese vor dem 21. LJ eingetreten ist , läßt sich trotz schwerer Traumen vor dem 21 . LJ, nicht eindeutig beantworten.
erstellt am 2014-09-25 von O P Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
zugestimmt am 2014-09-26 Leitender Arzt: S T
Vorlageantrag
Mit beim Finanzamt am 14.11.2014 eingelangtem Schreiben beantragte die Bf die Vorlage ihrer Beschwerde:
Ich möchte gegen die Beschwerdevorentscheidung, die mir als unbegründet abgewiesen wurde, wieder Beschwerde einlagen. Ich finde das als bodenlose Frechtheit, dass mir nicht geglaubt wird, dass ich auch vor dem 21. Lebensjahr nicht für meinen Unterhalt sorgen konnte. Wie schon zig mal bei verschiedenen Ärzten erzählt wurde, bin ich Analphabetin, musste in Kindertagen ansehen, wie mein leibeigner Vater ermordet wurde und das auch noch von der Mutter. Dies habe ich mein Leben lang nicht verkraftet, bekam sehr früh Depressionen. Es wird immer nur davon geschrieben, dass dies alles nicht nachweisbar sei in meinem Fall, was bitte muss man noch alles erleben, mitmachen und dadurch dann krank werden (Krankheiten die unheilbar sind), bevor einem etwa geglaubt wird? Ich habe wiederum einen neuen Befund, den ich hier auch beilegen werde, da ich es eine totale Frechheit finde, das mir jedes Mal die erhöhte Familienbeihilfe abgelehnt wird! Die Ärzte, die mich bis jetzt betreut haben, werden ja sicher nicht lügen und ich würde ja sicher nicht so viele Medikamente schlucken, wenn ich es nicht brauchen wurde! Ich wünsche eine neuerliche Entscheidung!
Befund von Dr. Q R vom 8.10.2014
Dr. Q R, Fachärztin für Psychiatrie, erstattete am 8.10.2014 folgenden Befundbericht betreffend die Bf:
Frau B+ kommt in Begleitung ihres Gatten zum ersten Mal zu mir in die Ordination. Zuvor war sie bei Kollegen Dr. D, wobei die erste Konsultation bereits 2008 stattgefunden hat.Frau B+ selbst ist nicht in der Lage ihre Befindlichkeit zu beschreiben bzw. auch ihre Lebensgeschichte, dass wird durch ihren Gatten erledigt.Beide sind der Meinung, dass auf Grund der traumatisierenden Ereignisse in der Kindheit der Patientin sich die psychische Befindlichkeit insofern so der artig traumatisiert hat, so dass sie bereits von Kindheit an nicht belastbar und dadurch auch nicht arbeitsfähig gewesen sei.Retrospektive kann ich hier nur wenig dazu sagen, allerdings ist jetzt aktuell offensichtlich, dass Frau B+ nicht arbeitsfähig ist und eine Arbeitsfähigkeit in Zukunft auch nicht zu erwarten sein wird. Die Anamnese in ihrer Kindheit ist ziemlich heftig, da sie hier den Mord an ihren eigenen Vater erlebt hat und diese Traumatisierung nie ihr Leben integrieren konnte.Ansonsten verweise ich auch auf die Vorbefunde, so wohl von Dr. D wie auch von Dr. F.
Vorlage
Mit Bericht vom 7.1.2015 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:
Sachverhalt:
Der Eigenantrag der AST vom 7.3.2007 wurde für den Zeitraum ab Februar 2002 bereits abgewiesen und mit Berufungsentscheidung vom 8.10.2007 bestätigt. Gemäß BSB-Bescheinigungen vom 6.6.2007 und vom 14.8.2007 beträgt der GdB50% rückwirkend ab 1.12.2006 (voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen).
Mit Antrag vom 18.4.2014 beantragt die AST erneut erhöhte FB rückwirkend ab dem Jahr 1973. Die Zeiträume 1973 bis Jänner 2002 sowie Oktober 2007 bis März 2009 wird mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine rückwirkende Gewährung der erhöhten FB für maximal fünf Jahre ab der Antragstellung möglich ist. Der Zeitraum Februar 2002 bis September 2007 wird wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Für den Zeitraum ab April 2009 wird der Antrag abgewiesen, weil eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht bescheinigt wurde. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wird mit BVE abgewiesen.
Beweismittel:
siehe beigefügte Dokumente.
Stellungnahme:
Gemäß § 6 Abs 2 FLAG haben volljährige Waisen Anspruch auf FB, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden. Gemäß § 8 Abs 5 FLAG gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl II Nr 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen. Gemäß § 8 Abs 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Im vorliegenden Fall wurden durch Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nicht nachgewiesen, dass eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Damit ist § 6 Abs 2 lit d FLAG nicht erfüllt und war die Beschwerde daher zu Recht abzuweisen.
E-Mail vom 25.2.2015
In einer E-Mail vom 25.2.2015 an die Richterin wiederholte die Bf ihr bisheriges Vorbringen:
Ich möchte ihnen zu meinem Anliegen wegen der Nachzahlung um erhöhte Familienbeihilfe mitteilen, dass ich nun schon seit mehreren Jahren darum kämpfe und zwar ist es folgendermaßen, ich würde jedesmal abgelehnt aufgrund dessen, dass ich Beweise brauche dass meine Behinderung schon vor meinem 21.Lebensjahr eingetreten ist das mit meinen Augen wofür ich auch 2007 einen behindertenpass bekam habe ich seit Geburt da ich aber ein 1960 Jahrgang bin und ich in sehr ärmlichen verhältnissen aufgewachsen bin gab es bei uns so gut wie nie einen Arztbesuch. Sämtliche Psychologen beschreiben auch meine schwere und sehr traumatische Kindheit durch die ich schon seit jugendlichen Jahren suizidgefährdet bin sowie schwer depressiv bin. Wie gesagt ich habe schon mehrmals angesucht und sämtliche Befunde vorgelegt wurde dann aber immer wieder abgewiesen. Ich möchte sie hält bitten mir zu helfen, dass mir die Nachzahlung der erhöhten Familienbeihilfe zuerkannt wird. Ich kämpfe schon solange wie ich das weiss das es so etwas gibt.Ich bitte sie nochmals inständig mir dies zu erfüllen und mir zu helfen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 2 lit. a BAO ist die Bundesabgabenordnung sinngemäß in Angelegenheiten der Familienbeihilfe anzuwenden.
§ 115 BAO lautet:
§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.
§§ 166 f BAO lauten:
§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
§ 167. (1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind gemäß § 177 Abs. 1 BAO die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.
§ 183 BAO lautet:
§ 183. (1) Beweise sind von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.
(2) Die Abgabenbehörde kann die Beweisaufnahme auch im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden vornehmen lassen.
(3) Von den Parteien beantragte Beweise sind aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, daß die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, daß die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
(4) Den Parteien ist vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.
§ 270 BAO lautet:
§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der bis 30.6.2011 gültigen Fassung besteht für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der ab 1.7.2011 gültigen Fassung besteht für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).
§ 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet:
§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
(2) Ab 1. Jänner 2003 beträgt die Familienbeihilfe für jedes Kind monatlich 105,4 €; sie erhöht sich für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 3. Lebensjahr vollendet, um monatlich 7,3 €; sie erhöht sich weiters für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem dieses das 10. Lebensjahr vollendet, um monatlich 18,2 €; sie erhöht sich weiters ab Beginn des Kalendermonats, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet, um monatlich 21,8 €. Diese Beträge gelten für eine Vollwaise (§ 6) entsprechend.
(3) Ab 1. September 2013 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, wenn sie
a) für zwei Kinder gewährt wird, um 6,4 € für jedes Kind,
b) für drei Kinder gewährt wird, um 15,94 € für jedes Kind,
c) für vier Kinder gewährt wird, um 24,45 € für jedes Kind,
d) für fünf Kinder gewährt wird, um 29,56 € für jedes Kind,
e) für sechs Kinder gewährt wird, um 32,97 € für jedes Kind,
f) für sieben Kinder gewährt wird, um 35,4 € für jedes Kind,
g) für acht Kinder gewährt wird, um 37,23 € für jedes Kind,
h) für neun Kinder gewährt wird, um 38,65 € für jedes Kind,
i) für zehn Kinder gewährt wird, um 39,78 € für jedes Kind,
j) für elf Kinder gewährt wird, um 40,71 € für jedes Kind,
k) für zwölf Kinder gewährt wird, um 41,49 € für jedes Kind,
l) für dreizehn Kinder gewährt wird, um 42,14 € für jedes Kind,
m) für vierzehn Kinder gewährt wird, um 42,7 € für jedes Kind,
n) für fünfzehn Kinder gewährt wird, um 43,19 € für jedes Kind und
o) für sechzehn und mehr Kinder gewährt wird, um 50 € für jedes Kind.
(4) Ab 1. Jänner 2003 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,3 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.
Nachweisführung
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob die Bf dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. VwGH 29.9.2011, 2011/16/0063; VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, und die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068; VfGH 10.12.2007, B 700/07).
Sachverständigengutachten
Die Sachverständigengutachten, die den Bescheinigungen des Sozialministeriumservice zugrunde zu legen sind, haben sich mit allen der Behörde vorliegenden Beweismitteln, die für die Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, von Bedeutung sein können, auseinanderzusetzen.
Diese Beweismittel sind in den Befund des Gutachtens aufzunehmen. Es bilden nur jene Tatsachen, die in den Befund aufgenommen wurden, die Grundlage für die im Rahmen der Gutachtenserstattung im engeren Sinn vorgenommen Wertungen.
Wäre es möglich, dass Sachverständige ihnen bekannte, aber nicht in den Befund ihres Gutachtens aufgenommene Tatsachen bei der Gutachtenserstellung im engeren Sinn verwerten dürften, wäre eine Bekämpfung durch die Parteien und eine Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte nicht möglich, weil gar nicht beurteilt werden könnte, wovon bei Erstattung des Gutachtens im engeren Sinn ausgegangen wurde. Die Behörde hat daher zu prüfen, ob in den Befund des Gutachtens alle notwendigen und entscheidungsrelevanten Tatsachen Eingang gefunden haben (vgl. VwGH 23.6.2014, 2010/12/0036; VwGH 2.7.2009, 2009/12/0083).
Ist dies nicht der Fall, weil im Beihilfenverfahren ärztliche Befunde vorgelegt werden, die nicht in das Gutachten des Sozialministeriumservice aufgenommen worden sind, ist grundsätzlich vor einer Entscheidung eine neuerliche Befassung des Sozialministeriumservice erforderlich.
Vollständigkeit des Gutachtens des Sozialministeriumservice
Dem im Beschwerdeverfahren erstellten (letzten) Gutachten des Sozialministeriumservice vom 25./26.9.2014 liegen nach dessen Befund folgende Beweismittel zugrunde:
2014-07-15 BEFUND PSYCH FA DR. F
2014-07-16 BEFUND PSYCH FA DR . D
2007-10-08 BERUFUNGSENTSCHEID UNABHÄNGIGER FINANZSENAT
2008-02-27 BEFUND NERVENFA DR. D
2014-04-15 BEFUND NERVENFA DR . F
2011-01-20 BEFUND NERVENFA DR. F
2014-08-22 BESTÄTIGUNG NERVENFA DR. F
Auf die von der Bf im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befunde von DDr. F vom 15.4.2014 und vom 15.7.2014 sowie von Dr. D vom 27.2.2008 und vom 16.7.2014 wurde somit vom Sozialministeriumservice Bedacht genommen.
Nicht in das Gutachten aufgenommen wurde klarerweise der erst nach Gutachtenserstellung am 8.10.2014 erstattete, oben wiedergegebene, Befundbericht von Dr. Q R.
Wenn auch der Befundbericht von Dr. Q R dem Gutachten nicht zugrunde liegt, ist eine neuerliche Befassung des Sozialministeriumservice nicht notwendig:
Dr. R verweist im Wesentlichen auf die dem Sozialministeriumservice bekannt gegebenen Befunde von DDr. F und Dr. D, legt die ebenfalls dem Sozialministeriumservice bekannt gewesene Tatsache, dass die Bf und ihr Gatte der Meinung sind, die Bf sei auf Grund der traumatisierenden Ereignisse in der Kindheit bereits von Kindheit an nicht belastbar und dadurch auch nicht arbeitsfähig gewesen, dar. Auch der dem Sozialministeriumsservice bekannt gewesene "Mord an ihrem eigenen Vater" wird genannt und die Anamnese der Kindheit als "ziemlich heftig" beschrieben. Darüber, ob die heutige Erwerbsunfähigkeit auf die traumatisierenden Ereignisse in der Kindheit zurückzuführen und diese Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres der Bf eingetreten ist, kann auch Dr. R nichts sagen.
Mit diesem Befundbericht wird daher nichts vorgebracht, das dem Sozialministeriumservice bei seiner letzten Gutachtenserstellung nicht bekannt gewesen ist.
Es haben daher alle notwendigen und entscheidungsrelevanten Tatsachen Eingang in das Gutachten gefunden.
Wiederholt ein im Verwaltungs- oder im Beschwerdeverfahren neu vorgelegter ärztlicher Befund inhaltlich nur Aussagen aus Befunden, die dem Sozialministeriumservice bereits vorgelegen sind und Eingang in das letzte Gutachten des Sozialministeriumservice gefunden haben, liegen daher keine neuen entscheidungsrelevanten Tatsachen vor, ist eine neuerliche Befassung des Sozialministeriumservice nicht erforderlich.
Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele VwGH 25.9.2013, 2013/16/0013). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, m.w.N.).
Hat das Gutachten des Sozialministeriumservice die Frage zu beantworten, ob das Kind wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. bzw. 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, muss das Gutachten daher erstens feststellen, ob das Kind auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und zweitens, ob dafür der Grund darin liegt, dass diese körperliche oder geistige Behinderung bei dem Kind vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten eingetreten ist.
Diese Feststellung darf sich aber nicht in einer bloßen Behauptung erschöpfen, sondern muss sich mit den vorliegenden Beweismitteln so auseinandersetzen, dass dies für den Antragsteller, die belangte Behörde und das Gericht auch nachvollziehbar ist. Insbesondere muss eine Auseinandersetzung mit den aktenkundigen Befunden erfolgen und ist vom Sozialministeriumservice in einer Zusammenschau aller Beweismittel zu begründen, warum eine vom Sozialministeriumservice diagnostizierte, einer selbständigen Unterhaltsverschaffung entgegenstehende Behinderung vor oder nach dem im Gesetz genannten Zeitpunkt eingetreten ist oder eine derartige Behinderung nicht besteht (vgl. BFG 21.7.2014, RV/7101144/2014).
Vollständiges, widerspruchsfreies und schlüssiges Gutachten des Sozialministeriumservice
Das der Beschwerdevorentscheidung zugrunde liegende Gutachten des Sozialministeriumservice vom 25./26.9.2014 ist vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig.
Das Gutachten enthält eine ausführliche und in dieser Form vorbildliche Anamnese und setzt sich mit den vorgelegten Befunden auseinander.
Der Gesamtgrad der Behinderung wird ebenso wie die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit schlüssig begründet.
Wenn die medizinische Sachverständige aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie die Frage, ob die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, nicht eindeutig beantworten kann, ist dies durchwegs schlüssig.
Die evidenten schweren Traumen können für die heutige Erwerbsunfähigkeit ursächlich sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Erwerbsunfähigkeit schon vor mehr als 34 Jahren eingetreten ist. Die Bf hat mit 18 Jahren geheiratet und zehn Kinder großgezogen, sodass das Fehlen sozialversicherter Tätigkeiten auch im Familienleben der Bf oder in anderen, nicht krankheitsbedingten Ursachen - laut Vorlageantrag im Verfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat (siehe UFS 8.10.2007, RV/2727-W/07) wurde die Bf selbst zum ersten Mal mit 14 Jahren straffällig und verübte zuvor als Strafunmündige Diebstähle - begründet gewesen sein kann. Es kann sich die dauernde Erwerbsunfähigkeit daher auch erst im späteren Lebensalter manifestiert haben.
Es ist rechtlich nicht von Belang, ob die Gründe für die nunmehrige Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr vorlagen, entscheidend ist, ob diese Gründe bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt haben (vgl. etwa VwGH 5.4.2011, 2010/16/0220, zu Querschnittlähmung vor dem 21. Lebensjahr und erst später eingetretener Erwerbsunfähigkeit).
Dokumente, die belegen würden, dass die posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) bzw. schwere chronifizierte Depressio mit passager psychotischem Überbau der Bf bereits vor dem 21. Lebensjahr ein Maß erreicht hat, dass die Bf keinem Erwerb nachgehen kann, bestehen nicht. Die erst Jahrzehnte später erstellten Befunde geben keinen konkreten Aufschluss.
Wenn so DDr. F am 15.7.2014 ausführt, die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen hätten sich im Wesentlichen vor dem Hintergrund pathogen wirksamer Umwelteinflüsse entwickelt und in der Kindheit begonnen, verweist er auf eine langjähriger Entwicklung, bei der Jahrzehnte später nicht festgestellt werden kann, welchen Grad diese bei Vollendung des 21. Lebensjahres der Bf erreicht hat.
Die Angabe von Dr. D am 16.7.2014, es sei "schon verständlich, dass die Erwerbsfähigkeit der Patientin eigentlich nie wirklich gegeben war", ist allgemein gehalten und stellt keine tatsächlich vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene Erwerbsunfähigkeit fest. Im Übrigen wäre eine derartige Diagnose auch nachvollziehbar nach den Regeln der ärtzlichen Wissenschaft zu begründen und dürfte sich nicht in einer bloßen Behauptung erschöpfen.
Glaubhaftes Vorbringen der Beschwerdeführerin
Wenn die Bf in ihrem Vorlageantrag ausführt, dass ihr nicht geglaubt werde, so stimmt das nicht. Finanzamt, Sozialministeriumservice und Bundesfinanzgericht glauben der Bf, dass sie eine sehr schwere Kindheit mit massiven traumatischen Ereignissen hatte und dass ihre Kindheit so verlaufen ist, wie dies die Bf etwa in der Anamnse vor dem Sozialministeriumservice am 25.9.2014 geschildert hat.
Ob diese traumatischen Ereignisse aber dazu geführt haben, dass die Bf bereits vor mehr als 30 Jahren dauernd erwerbsunfähig gewesen ist oder die dauernde Erwerbsunfähigkeit erst später im Leben der Bf eingetreten ist, ist eine Frage, die nicht die Betroffene selbst beantworten kann, sondern die auf Grund von ärztlichen Befunden von der Behörde und vom Bundesfinanzgericht zu beurteilen ist. Derartige ärztliche Befunde aus der Zeit der Vollendung des 21. Lebensjahres bestehen, wie die Bf selbst angibt, nicht. Es wurden auch keine anderen Beweismittel aus dieser Zeit, die auf den Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit schließen lassen, vorgelegt. Dass die Bf tatsächlich keinem - sozialversicherungspflichtigen - Erwerb nachgegangen ist, heißt nicht automatisch, dass die Bf damals nicht in der Lage gewesen wäre, zumindest einfache Arbeiten zu verrichten. Es kann so gewesen sein, Nachweise dafür gibt es aber nicht.
Finanzamt, Sozialministeriumservice und Bundesfinanzgericht sind auch nicht der Meinung, dass die von der Bf genannten Ärzte, die sie in den letzten Jahren betreut haben, lügen. Den Gutachten des Sozialministeriumservice wurden sehr wohl die von der Bf vorgelegten ärztlichen Befunde zugrunde gelegt. In Übereinstimmung mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft, konnte aber kein einziger Arzt den konkreten Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr ausdrücklich diagnostizieren.
Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nicht nachweisbar
Der Sachverständigen des Sozialministeriumservice ist daher zu folgen, dass die Frage, ob die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, mit den vorliegenden Beweismitteln nicht eindeutig beantwortbar ist. Damit wird der Nachweis einer vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit nicht erbracht.
Der Nachweis, wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande zu sein, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen.
Da dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, hat das Finanzamt zu Recht Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt.
Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
Der angefochtene Bescheid ist nicht nicht rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), die Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Nichtzulassung der Revision
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Wien, am 2. März 2015
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise: | VwGH 29.09.2011, 2011/16/0063 |