Normen
BAO §278 Abs1 idF 2013/I/014;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150017.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte wies in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 u.a. nachträgliche Betriebsausgaben iSd § 32 Z 2 EStG 1988 (Zinsen) aus, die vom Finanzamt nach Durchführung eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens nur teilweise anerkannt worden sind (Einkommensteuerbescheid 2010 vom 14. August 2012). Dies mit der Begründung, dass Zinsen, die nach Betriebsaufgabe für vormalige Betriebsschulden anfielen, nur dann zu nachträglichen Betriebsausgaben führten, wenn der Steuerpflichtige alle ihm zumutbaren Schritte zur Tilgung der Verbindlichkeiten gesetzt habe. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 wären Teiltilgungen möglich gewesen. Das genaue Zahlenmaterial sei dem Mitbeteiligten bekanntgegeben und auch mit dessen steuerlichem Vertreter besprochen worden.
2 Einer gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 erhobenen Berufung vom 12. September 2012 gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 19. Juni 2013 keine Folge.
3 Mit Vorlageantrag vom 16. Juli 2013 beantragte der Mitbeteiligte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde
2. Instanz.
4 Am 30. Juli 2013 legte das Finanzamt die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
5 Mit Vorhalt vom 3. Oktober 2013 forderte das Finanzamt den Mitbeteiligten über Ersuchen des unabhängigen Finanzsenates auf, bekanntzugeben, welcher Betrieb wann eingestellt worden sei. Weiters wurde der Mitbeteiligte aufgefordert, die den eingestellten Betrieb betreffenden Darlehensverträge und den diese Darlehensverträge betreffenden Tilgungsplan, der bei Schließung des Betriebes vereinbart worden sei, vorzulegen.
6 Mit Vorhalt vom 14. Juli 2015 bzw. 15. Oktober 2015 (neuerliche Zustellung, nachdem der Mitbeteiligte angegeben hatte, den Vorhalt nicht erhalten zu haben) wurde der Mitbeteiligte weiters aufgefordert, bekanntzugeben, ob er nach Beendigung der betrieblichen Tätigkeit Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen übernommen und der Vermietung zugeführt habe, und ob im Zusammenhang mit einer Vermietung stehende Kredite vor oder nach der Betriebsaufgabe aufgenommen worden seien. Zudem wurden der im Zusammenhang mit der Vermietung stehende Kreditvertrag sowie (ein weiteres Mal) der Tilgungsplan und die Unterlagen über die tatsächliche Tilgung der den eingestellten Betrieb und die Vermietung betreffenden Kredite abverlangt; zudem noch Unterlagen zu einer vom Mitbeteiligten abgeschlossenen Lebensversicherung.
7 Die Vorhaltsbeantwortungen und die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen wurden vom Finanzamt an den unabhängigen Finanzsenat bzw. an das Bundesfinanzgericht übermittelt.
8 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesfinanzgericht den Einkommensteuerbescheid 2010 sowie die in diesem Zusammenhang ergangene Berufungsvorentscheidung vom 19. Juni 2013 unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde auf und führte zur Begründung aus, das Finanzamt habe nicht festgestellt, ob der Mitbeteiligte alle ihm zumutbaren Schritte zur Kredittilgung gesetzt habe. Dazu hätte es primär den bei Einstellung des Gewerbebetriebes offenen Darlehensstand (auch mit Hilfe der darlehensgebenden Banken) eruieren müssen, um zu wissen, wie hoch die offenen Darlehen für den Gewerbebetrieb (bei Einstellung) gewesen seien. In der Folge hätte geklärt werden müssen, inwieweit die für die Darlehen des eingestellten Betriebes eingegangenen Haftungen (Eltern des Mitbeteiligten, Wertpapiere) zur Tilgung hätten herangezogen werden können. Zudem hätte geklärt werden müssen, ob eine bestehende Lebensversicherung zur Kredittilgung hätte aufgelöst werden müssen bzw. ob Aufwendungen im Zusammenhang mit einer neu abgeschlossenen Lebensversicherung die Ausgaben der Lebensführung erhöhten.
9 Nach Klärung des Sachverhalts und der Vorlage eines Tilgungsplans seitens des Mitbeteiligten hätte das Finanzamt feststellen können, in welcher Höhe eine Tilgung des den eingestellten Betrieb betreffenden Kredites möglich gewesen wäre. Bei Vorliegen eines auf diese Weise einwandfrei zu beurteilenden Sachverhalts sei nicht auszuschließen, dass ein anderslautender Einkommensteuerbescheid 2010 hätte erlassen werden können.
"Bei (der) Ermessensübung wurde das ua aus Art 126b B-VG ableitbare Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung beachtet: Die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie ließ bei Orientierung am Normzweck (ua VwGH 29.9.2011, 2008/16/0087) die getroffene Maßnahme geboten erscheinen, da die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BFG bei Berücksichtigung des Umfangs des zu erhebenden Sachverhalts weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Bei Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist das Billigkeitsprinzip durchaus gewahrt und die Maßnahme in diesem Zusammenhang angemessen, zumal es auch im Interesse des Bf gelegen ist, einen dem wahren Sachverhalt zugrundeliegenden Bescheid zu erhalten."
10 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig und führte zur Begründung aus: "Eine Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor und ist sie durch Gesetz und Judikatur eindeutig geklärt."
11 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Finanzamtes, welches eine Revision für zulässig erachtet, weil der bekämpfte Beschluss von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen des § 278 Abs. 1 BAO (§ 289 BAO aF) für eine Bescheidaufhebung abweiche. Die Befugnis des Bundesfinanzgerichtes, ausnahmsweise nach § 278 Abs. 1 BAO vorzugehen, sei in dessen Ermessen gestellt. Mache das Bundesfinanzgericht von diesem Ermessen Gebrauch, habe es die Ermessensübung zu begründen. Aus dem angefochtenen Beschluss gehe nicht hervor, welche Überlegungen letztendlich zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Finanzamt geführt hätten, zumal die Ermittlungen, die vom Bundesfinanzgericht als fehlend tituliert würden, ohnehin in mehreren Vorhalteverfahren angesprochen und diesbezügliche Nachweise abverlangt worden seien. Aus dem angefochtene Beschluss gehe nicht hervor, dass bzw. weshalb im Sinne der Verfahrensökonomie (allfällige noch erforderliche) Sachverhaltsergänzungen nicht selbst durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit oder Kostenersparnis durchzuführen gewesen wären. Es lägen weder Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Zurückverweisung der Sache eine Verfahrensbeschleunigung erzielt werden könne, noch sei damit zu rechnen, dass dadurch ein weiteres Rechtsmittel vermieden werden könne. Genau das Gegenteil sei der Fall.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig und begründet.
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, normiert § 278 Abs. 1 BAO idF FVwGG (abgesehen von den in lit. a und b vorgesehenen Formalentscheidungen) den Vorrang der Entscheidung in der Sache vor einer ausnahmsweisen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde. Eine solche Aufhebung ist jedenfalls unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Ausnahmebestimmung (der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung) ist, an den Zielsetzungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 orientiert, restriktiv (im Sinne eines engen Anwendungsbereiches) zu verstehen (vgl. VwGH 1.9.2015, Ro 2014/15/0029, 9.9.2015, Ra 2015/16/0037, und 26.1.2017, Ra 2015/15/0063, mwN).
15 Legt man ein solches Verständnis des § 278 Abs. 1 BAO zugrunde, so vermögen die vom Gericht für die Aufhebung und Zurückverweisung ins Treffen geführten Gründe ein solches Ergebnis nicht zu tragen:
16 Nach den vorgelegten Verwaltungsakten hat das Finanzamt die im Aufhebungsbeschluss aufgetragenen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit der Mitbeteiligte ihm zumutbare Schritte zur voranggigen Tilgung ehemaliger betrieblicher Verbindlichkeiten getätigt hat, bereits durch mehrere Vorhalte (und Weitergabe der erhaltenen Unterlagen an das Bundesfinanzgericht) durchgeführt. Das Vorhaltsverfahren war vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Abgabenpflichtige die als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen über Verlangen der Abgabenbehörde nach Art und Umfang nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist wenigstens glaubhaft machen muss, wobei die Behörde die Höhe der betrieblichen Aufwendungen schätzen kann, wenn er dazu nicht in der Lage ist (vgl. z.B. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 65.Lfg., 2017, § 4 Abs. 4 EStG 1988 Tz 14; Doralt et al, EStG17, § 4 Tz 269, jeweils mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht geht im Aufhebungsbeschluss auf die Vorhalte des Finanzamtes und auf die Vorhaltsbeantwortungen des Mitbeteiligten sowie auf die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen nicht ein und legt insbesondere nicht dar, aus welchem Grund eine - allenfalls im Wege einer Schätzung zu erfolgende - Entscheidung in der Sache anhand dieser Unterlagen nicht möglich ist. Gesetzt den Fall, dass eine Entscheidung anhand der vorliegenden Angaben und Unterlagen des Mitbeteiligten tatsächlich nicht möglich sein sollte, hätte das Bundesfinanzgericht die für diesen Fall noch erforderlichen Ermittlungsschritte im Hinblick auf die Zielsetzungen des Verfahrens bezeichnen und beurteilen müssen und insbesondere die Frage zu beantworten gehabt, warum die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesfinanzgericht selbst insbesondere nicht im Interesse der Raschheit des Verfahrens gelegen sein sollte.
18 Da das Bundesfinanzgericht seine Beurteilung im Grunde des § 278 Abs. 1 BAO an sachfernen Gesichtspunkten orientierte, belastete es seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 31. Jänner 2018
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