VwGH 2008/16/0087

VwGH2008/16/008729.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des DI S in W, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 26. Mai 2008, Zl. ZRV/0016-Z2L/07, betreffend Zollerlass aus Billigkeitsgründen, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Darstellung des Sachverhalts und der anzuwendenden Rechtslage kann auf das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2004/16/0184, verwiesen werden. Aus diesem ergibt sich, dass das damalige Hauptzollamt Wien (in der Folge: Zollamt) dem Beschwerdeführer Eingangsabgaben in der Höhe von S 53.600,-- zuzüglich Säumniszuschlag in der Höhe von S 1.072,-- zur Zahlung vorgeschrieben hat, weil der Beschwerdeführer im April 1993 einen in Deutschland zugelassenen Pkw im formlosen Vormerkverkehr von Deutschland nach Österreich gebracht habe, obwohl er seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet gehabt habe.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm diese Zollschuld aus Billigkeitsgründen zu erlassen, abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. Juli 2004 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Dabei führte sie begründend aus, dem Beschwerdeführer verblieben laut eigenen Angaben von seiner Notstandshilfe (EUR 919,50 bis EUR 950,15 monatlich) nach Abzug seiner monatlichen Zahlungsverpflichtungen und Kosten (EUR 658,--) höchstens ein Betrag von EUR 290,-- zur Deckung seines Lebensunterhaltes. Er verfüge über kein weiteres Vermögen. Im Hinblick auf diese, bereits bestehende, wirtschaftliche Situation könne die Einhebung der in Rede stehenden Abgaben auch grundsätzlich keine (weitere) Existenzgefährdung verursachen. Somit sei von einer fehlenden Unbilligkeit der Abgabeneinhebung auszugehen. Die allenfalls für eine Ermessensentscheidung relevanten Umstände (Einzahlung von S 14.000,-- am 14. Februar 1999 und von S 300,-- am 10. Mai 1999; fehlende Absicht des Beschwerdeführers, eine zollunredliche Handlung zu setzen) könnten in diesem Fall dahingestellt bleiben.

Mit dem bereits genannten hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2004/16/0184, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid vom 21. Juli 2004 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil die belangte Behörde hinsichtlich der persönlichen Unbilligkeit es unterlassen habe darzustellen, warum eine Einhebung der Abgabenschuld zu keiner (weiteren) Existenzgefährdung führen würde und eine Gewährung der Nachsicht daher keinen Sanierungseffekt hätte. Aufgrund der fehlenden Feststellungen der belangten Behörde, insbesondere der in Betracht kommenden Exekutionsmöglichkeiten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der notwendige Unterhalt von vornherein gefährdet gewesen sei.

Mit Vorhalt vom 4. Jänner 2008 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, Unterlagen zur bestehenden Einkommens- und Vermögenslage vorzulegen und bekanntzugeben, ob die wirtschaftliche Lage eine Änderung erfahren habe.

In seinem Schreiben vom 15. Jänner 2008 führte der Beschwerdeführer aus, er beziehe Notstandshilfe von EUR 30,65 pro Tag, sohin monatlich EUR 919,50. Seine Heizkosten seien seit 25. Juni 2004 auf jährlich EUR 1.275,-- gestiegen. Er habe auch laufend Kosten für "Gesundheitsbehandlungen". Der Beschwerdeführer sei nunmehr 58 Jahre alt und die Chancen am Arbeitsmarkt noch Arbeit zu finden, seien relativ gering.

Der Beschwerdeführer legte zur Bestätigung seines Vorbringens ein Schreiben des AMS vom 24. Juli 2007 über seinen Leistungsanspruch von täglich EUR 30,65 sowie eine ärztliche Bestätigung über eine Polio-Auffrischungsimpfung vor.

Mit Schreiben vom 17. März 2008 teilte das Zollamt der belangten Behörde mit, dass insgesamt EUR 3.050,95 an vollstreckbaren Schulden aushafteten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Dabei führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer beziehe monatliche Notstandshilfe von EUR 919,50. Davon habe er nach eigenen Angaben monatliche Ausgaben von EUR 707,58 (für "Miete, Heizöl, Strom, Telecom Grundgebühr, Telefon, öffentliche Verkehrsmittel, Gesundheit, Haushaltsversicherung, Mietnebenkosten und Haftpflicht") zu begleichen. Der Notstandshilfeempfängern zustehende unpfändbare Freibetrag betrage EUR 871,--. Die Einbringung des Differenzbetrages von monatlich EUR 48,50 mittels Zwangsvollstreckung sei daher möglich. Es würde dem Beschwerdeführer das monatliche Existenzminimum verbleiben. Diesem stünden Ausgaben von EUR 707,58 gegenüber. Dem Beschwerdeführer verblieben sohin EUR 163,42 zur Bestreitung des notwendigen Nahrungsstandes und unvorhergesehener Aufwendungen. Möge dies auch zu keiner direkten Bedrohung der Lebensfähigkeit führen, so verbleibe dem Beschwerdeführer bei diesem Betrag keine Möglichkeit zur Bildung finanzieller Reserven zur Bestreitung unvorhergesehener, dringend erforderlicher Kosten wie z.B. einer Heizungsreparatur im Winter. Die Einhebung der Abgaben durch Pfändung auf das Existenzminimum wäre daher für den Beschwerdeführer bei einem solchen Betrag mit außergewöhnlichen und schwerwiegenden Auswirkungen verbunden. Insoweit sei daher von einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung auszugehen.

Bei der nunmehr zu erfolgenden Ermessensentscheidung sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer nur 1999 eine Zahlung von S 14.000,--, somit nur 26 % des geschuldeten Abgabenbetrages, geleistet habe. Danach sei vom Beschwerdeführer kein weiterer größerer Teilbetrag auf seine Zollschuld einbezahlt worden. Dies könne nicht als ernsthafter Wille des Beschwerdeführers zur Entrichtung der gesamten - seit 1998 rechtskräftigen - Zollschuld gewertet werden. Über einen Zeitraum von nahezu elf Jahren seit Zustellung des mittlerweile längst rechtskräftigen Abgabenbescheides seien keine den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers entsprechenden Teilbeträge geleistet worden. Die Bevorzugung von Billigkeits- gegenüber Zweckmäßigkeitserwägungen würden zu einer Ungleichbehandlung jener Abgabenpflichtigen führen, die in gleichen bzw. ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten und im Bemühen, ihrer Abgabenpflichten nachzukommen, Härten auf sich nehmen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erlass seiner Zollschuld aus Billigkeitsgründen verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach (dem Beschwerdefall noch anzuwendenden) § 183 Abs. 1 ZollG 1988 (vgl. Anhang VI Z 10 des Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, und § 122 Abs. 2 ZollR-DG) können Zollbeträge und Ersatzforderungen für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. liegt eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners vor, wenn und soweit durch die Entrichtung des Zolles der notdürftige Unterhalt des Zollschuldners und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, gefährdet ist.

Aus dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 ZollG ergibt sich, dass die Behörde bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen zunächst festzustellen hat, ob das gesetzliche Merkmal der Unbilligkeit gegeben ist. Bejahendenfalls hat die Behörde sodann in Ausübung des freien Ermessens (arg. "können") die begehrte Nachsicht ganz oder teilweise zuzuerkennen oder abzulehnen (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 86/16/0141).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem genannten Vorerkenntnis den Bescheid vom 21. Juli 2004 aufgehoben, weil die belangte Behörde nicht ausreichend begründet hatte, warum ihrer Ansicht nach die Entrichtung der Abgabenschuld nach den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers nicht unbillig sei.

In dem im fortgesetzten Verfahren erlassenen angefochtenen Bescheid bejaht die belangte Behörde das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit. Strittig ist nunmehr ausschließlich, ob die belangte Behörde von ihrem Ermessen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat.

Die Ermessensübung hat sich am Zweck der Norm zu orientieren (vgl. die bei Ritz, BAO3, Rz 8 zu § 20, angeführte hg. Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde habe ihrer Ermessensentscheidung die Feststellung zugrundegelegt, dass der Beschwerdeführer seit dem Februar 1999 keine Zahlungen mehr geleistet habe. Dies sei insofern aktenwidrig, als der Beschwerdeführer am 10. Mai 1999 eine weitere Zahlung in Höhe von S 300,-- geleistet habe.

Die belangte Behörde führt dazu in ihrer Gegenschrift aus, dass die genannte Zahlung von S 300,-- zur Begleichung der Eingabegebühr für die Einbringung des Antrages nach § 183 ZollG und nicht zur Entrichtung der Abgabenschuld erfolgt wäre. Auch wenn in der Gegenschrift Feststellungen nicht nachgeholt werden können, so vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers der Beschwerde schon deswegen nicht zu einem Erfolg zu verhelfen, als die Richtigkeit der Feststellung der belangten Behörde, wonach vom Beschwerdeführer seit 1999 "kein weiterer größerer Teilbetrag auf seine Zollschuld einbezahlt" worden sei, damit nicht widerlegt wird. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer nach dem Jahr 1999 Bemühungen zur Entrichtung der Abgaben unternommen hätte.

Wenn der Beschwerdeführer weiters rügt, die belangte Behörde hätte Feststellungen darüber treffen müssen, "wann der finanzielle Abstieg des Beschwerdeführers begann und ob dieser Zeitpunkt mit der Einstellung der Zahlungen auf das Abgabenkonto korreliert", so unterlässt er es auch in diesem Zusammenhang darzulegen, warum die von ihm als notwendig erachteten Feststellungen zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, einen Fehler in der Ermessensübung der belangten Behörde aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. September 2011

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