VwGH 2004/16/0184

VwGH2004/16/018418.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des DI S in W, vertreten durch die Burghofer & Pacher Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Zollsenat 2) vom 21. Juli 2004, GZ. ZRV/0132- Z2L/02, betreffend Zollerlass aus Billigkeitsgründen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236 Abs1;
ZollG 1988 §183 Abs1;
BAO §236 Abs1;
ZollG 1988 §183 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. August 1997 schrieb das Hauptzollamt Wien dem Beschwerdeführer Eingangsabgaben in der Höhe von S 53.600,-- zuzüglich Säumniszuschlag in der Höhe von S 1.072,-- zur Zahlung vor. Er habe im April 1993 einen in Deutschland zugelassenen Pkw im formlosen Vormerkverkehr von Deutschland nach Österreich gebracht hatte, obwohl er seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Zollgebiet gehabt habe.

Mit Schreiben vom 13. November 1998 beantragte der Beschwerdeführer, ihm diese Zollschuld aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Er brachte im Wesentlichen vor, die Entrichtung der Eingangsabgaben würde ihn in eine finanzielle Notlage bringen, weil er arbeitslos sei. Er habe sich das (mittlerweile gestohlene) Fahrzeug von seinem Bruder für seine Übersiedlung von Deutschland nach Österreich lediglich ausgeborgt. Es sei nicht in seiner Absicht gelegen, dem Staat Eingangsabgaben vorzuenthalten. Auf Grund des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union würde mittlerweile sein Verhalten nicht mehr zum Entstehen einer Zollschuld führen.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1999 wurde der Antrag abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, eine Billigkeitsmaßnahme könne erst dann in Erwägungen gezogen werden, wenn vom Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum hindurch angemessene Zahlungen geleistet worden wären.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er u. a. ausführte, am 19. Februar 1999 bereits S 14.000,-- entrichtet zu haben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. April 1999 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab und führte u. a. dem Abgabenpflichtigen seien beträchtliche Opfer zuzumuten, bevor eine Billigkeitsmaßnahme in Erwägung gezogen werden könne. Eine Nachsicht der Abgabenschuld nach Zahlung von nur S 14.000,-- würde eine Ungerechtigkeit gegenüber den anderen redlichen Steuerpflichtigen bedeuten.

Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde, in welcher er neben seinem bisherigen Vorbringen ausführte, nunmehr von der Sozialhilfe zu leben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer verblieben laut eigenen Angaben von seiner Notstandshilfe in Höhe von EUR 919,50 bis EUR 950,15 monatlich, nach Abzug seiner monatlichen Zahlungsverpflichtungen und Kosten in der Höhe von EUR 658,-- höchstens ein Betrag von EUR 290,-- zur Deckung seines Lebensunterhaltes. Er verfüge über kein weiteres Vermögen. Im Hinblick auf diese, bereits bestehende, wirtschaftliche Situation könne die Einhebung der in Rede stehenden Abgaben auch grundsätzlich keine (weitere) Existenzgefährdung verursachen. Somit sei von einer fehlenden Unbilligkeit der Abgabeneinhebung auszugehen. Die allenfalls für eine Ermessensentscheidung relevanten Umstände (Einzahlung von S 14.000,-- am 14. Februar 1999 und von S 300,-- am 10. Mai 1999; fehlende Absicht des Beschwerdeführers, eine zollunredliche Handlung zu setzen) könnten in diesem Fall dahingestellt bleiben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdevorbringen immerhin erkennbar - in seinem Recht auf Zollerlass aus Billigkeitsgründen verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 183 Abs. 1 ZollG 1988 - welche Bestimmung nach Anhang VI Z 10 des Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 45/1995, auf den Beschwerdefall noch anzuwenden ist - können Zollbeträge und Ersatzforderungen für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. liegt eine Unbilligkeit nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners vor, wenn und soweit durch die Entrichtung des Zolles der notdürftige Unterhalt des Zollschuldners und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, gefährdet ist.

Der Beschwerdeführer bringt wie schon im Verwaltungsverfahren vor, der Abgabenbescheid beruhe auf einer Rechtslage, die seit dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union nicht mehr anzuwenden sei. Damit macht der Beschwerdeführer das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit geltend.

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Die sich aus einer Änderung der Gesetzeslage ergebenden Unterschiede in der Abgabenbelastung, je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach diesen Änderungen verwirklicht wurden, treten demgegenüber allgemein ein und sind deswegen nicht als Unbilligkeit des Einzelfalls anzusehen. Daher kommt der Behauptung, dass nach der nunmehr geltenden Rechtslage ein Abgabentatbestand nicht erfüllt wäre, bei der Beurteilung der Unbilligkeit der Einhebung keine Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2001/16/0341).

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang auch vor, dass die Zollbehörden § 93 ZollG außer Acht gelassen hätten, wonach eine Eingangsvormerkbehandlung auch dann zulässig gewesen sei, wenn der Halter oder Benutzer des Beförderungsmittels einen Doppelwohnsitz, d. h. einen Wohnsitz innerhalb und einen Wohnsitz außerhalb des Zollgebietes habe. Dies sei bei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einfuhr der Fall gewesen.

Sollte der Beschwerdeführer damit die Unrechtmäßigkeit der Abgabenvorschreibung behaupten wollen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung grundsätzlich nicht damit begründet werden kann, dass die Abgabenvorschreibung zu Unrecht erfolgt sei. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1999, Zl. 94/17/0280).

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Beurteilung durch die belangte Behörde, dass im Beschwerdefall persönliche Unbilligkeit nicht vorliege.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid lediglich auf Grund der - unbestrittenen - Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer von seiner Notstandshilfe (monatlich EUR 919,50 bis EUR 950,15) nach Abzug seiner monatlichen Zahlungsverpflichtungen und Kosten (EUR 658,--) höchstens ein Betrag von EUR 290,-- zur Deckung seines Lebensunterhaltes verbleibe und dass er über kein weiteres Vermögen verfüge, geschlossen, dass die Einhebung der in Rede stehenden Abgaben keine persönliche Unbilligkeit verursachen würde, weil sie zu keiner (weiteren) Existenzgefährdung führen würde. Damit geht die belangte Behörde davon aus, dass die finanzielle Situation des Beschwerdeführers auch ohne die beantragte Nachsicht so schlecht gewesen sei, dass deren Gewährung nicht den geringsten Sanierungseffekt gehabt hätte. Sie unterlässt es aber, diese Annahme in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise zu begründen. Die von ihr dargestellte Einkommenssituation allein erlaubt nämlich noch nicht die Schlussfolgerung, der notwendige Unterhalt sei von vornherein gefährdet gewesen, sodass die Einhebung der Abgabe keine weitere Gefährdung desselben hätte bewirken könne. Insbesondere auf Grund der fehlenden betragsmäßigen Darstellung der im Beschwerdefall in Betracht kommenden Exekutionsmöglichkeiten kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass gerade die Einbringung der Abgabenschuld zur Gefährdung des notwendigen Unterhalts des Beschwerdeführers führen würde.

Da die belangte Behörde somit den angefochtenen Bescheid mit dem dargestellten Begründungsmangel belastet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2006

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