European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:G361.2020
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin,
"[d]er Verfassungsgerichtshof möge
1. in §539 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr 87/2015, die Wortfolge 'oder die Verlassenschaft' und in §543 Abs2 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr 87/2015 die Wortfolge 'eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des §539 begeht oder' als verfassungswidrig aufheben;
2. in eventu in §539 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr 87/2015, die Wortfolge 'oder die Verlassenschaft' als verfassungswidrig aufheben
3. in eventu in §543 Abs2 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr 87/2015, die Wortfolge 'eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des §539 begeht oder'"
als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die §§538 bis 543 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, JGS 946/1811, idF BGBl I 87/2015 lauten samt Überschriften (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Erbfähigkeit
§538. Erbfähig ist, wer rechtsfähig und erbwürdig ist.
Gründe für die Erbunwürdigkeit
§539. Wer gegen den Verstorbenen oder die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.
§540. Wer absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat, etwa indem er ihn zur Erklärung des letzten Willens gezwungen oder arglistig verleitet, ihn an der Erklärung oder Änderung des letzten Willens gehindert oder einen bereits errichteten letzten Willen unterdrückt hat, ist erbunwürdig, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat. Er haftet für jeden einem Dritten dadurch zugefügten Schaden.
§541. Wer
1. gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten des Verstorbenen oder gegen dessen Verwandte in gerader Linie eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
2. dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat oder
3. sonst gegenüber dem Verstorbenen seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich vernachlässigt hat,
ist erbunwürdig, wenn der Verstorbene aufgrund seiner Testierunfähigkeit, aus Unkenntnis oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage war, ihn zu enterben, und er auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat.
Eintrittsrecht bei Erbunwürdigkeit
§542. Bei gesetzlicher Erbfolge treten die Nachkommen der erbunwürdigen Person an deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.
Beurteilung der Erbfähigkeit
§543. (1) Die Erbfähigkeit muss im Zeitpunkt des Erbanfalls vorliegen. Eine später erlangte Erbfähigkeit ist unbeachtlich und berechtigt daher nicht, anderen das zu entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig zugekommen ist.
(2) Wer nach dem Erbanfall eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des §539 begeht oder die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht (§540), verliert nachträglich seine Erbfähigkeit."
2. §166 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl 60/1974, idF BGBl I 154/2015 lautet samt Überschrift:
"Begehung im Familienkreis
§166. (1) Wer eine Sachbeschädigung, eine Datenbeschädigung, eine Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems, einen Diebstahl mit Ausnahme der in den §§129 Abs2 Z2, 131 genannten Fälle, eine Entziehung von Energie, eine Veruntreuung, eine Unterschlagung, eine dauernde Sachentziehung, einen Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht mit Ausnahme der in den §§138 Z2 und 3, 140 genannten Fälle, einen Betrug, einen betrügerischen Datenverarbeitungsmißbrauch, eine Untreue, eine Geschenkannahme durch Machthaber, eine Hehlerei nach §164 Abs1 bis 4, eine Fälschung unbarer Zahlungsmittel, eine Annahme, eine Weitergabe oder einen Besitz falscher oder verfälschter unbarer Zahlungsmittel, eine Vorbereitung der Fälschung unbarer Zahlungsmittel, eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, eine Annahme, eine Weitergabe oder einen Besitz entfremdeter unbarer Zahlungsmittel oder ein Ausspähen von Daten eines unbaren Zahlungsmittels zum Nachteil seines Ehegatten, seines eingetragenen Partners, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, wenn die Tat jedoch sonst mit einer Freiheitsstrafe bedroht wäre, die drei Jahre erreicht oder übersteigt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Ein Vormund, Kurator oder Sachwalter, der zum Nachteil desjenigen handelt, für den er bestellt worden ist, wird jedoch nicht begünstigt.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer sich an der Tat bloß zum Vorteil eines anderen beteiligt (§12), der zum Verletzten in einer der genannten Beziehungen steht.
(3) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin ist Partei eines Verlassenschaftsverfahrens vor dem Bezirksgericht Judenburg.
Die Antragstellerin und ihr Bruder wurden von ihrer am 1. Juni 2018 verstorbenen Mutter mit Testament vom 28. Oktober 1976 zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Die Antragstellerin gab am 17. August 2018 eine unbedingte Erbantrittserklärung zur Hälfte der gesamten Verlassenschaft ab. Auf Grund des Verdachtes einer Straftat nach §133 StGB (Veruntreuung) gegen die Verlassenschaft regte der Bruder bei der Staatsanwaltschaft Leoben die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Antragstellerin an. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren hinsichtlich eines Teiles der Vorwürfe ein und erhob im Übrigen einen Strafantrag. Das auf Grund dieses Strafantrages geführte Strafverfahren gegen die Antragstellerin vor dem Landesgericht Leoben wurde am 9. März 2020 gegen Leistung einer Geldbuße sowie eines Pauschalkostenbeitrages diversionell erledigt. In weiterer Folge setzte das Bezirksgericht Judenburg das Verlassenschaftsverfahren fort.
2. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2020, 12 A 784/18g-104, wies das Bezirksgericht Judenburg die von der Antragstellerin abgegebene unbedingte Erbantrittserklärung ab und erklärte die Antragstellerin iSd §539 ABGB für erbunwürdig, weil sie gegen die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung, nämlich eine Veruntreuung nach §133 Abs1 und 2 erster Fall StGB, begangen habe, die mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht sei. Eine Privilegierung gemäß §166 StGB komme nicht in Betracht, weil die Antragstellerin die Veruntreuung der Wertgegenstände erst nach dem Ableben der letztwillig Verfügenden begangen habe.
3. Aus Anlass dieser Entscheidung des Bezirksgerichtes Judenburg erhebt die Antragstellerin den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG. Darin legt sie ihre Bedenken wie folgt dar:
"[…]
4.2. Nach ständiger Rechtsprechung liegt im verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art7 B‑VG und des Art2 StGG ein den Gesetzgeber bindendes allgemeines Sachlichkeitsgebot (VfSlg 17.266/2004); der Gesetzgebung werden insofern inhaltliche Schranken gesetzt, als der Gleichheitssatz verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen vorzusehen oder sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (VfSlg 17.315/2004; 17.500/2005; 16.407/2001). Es sind nur solche unterschiedlichen Regelungen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig, die nicht durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen begründet sind (VfSlg 17.315/2004).
Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (VfSlg 16.967/2001; 16.504/2002; 17.807/2006): Der Gesetzgeber kann von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (VfSlg 16.124/2001; 16.771/2002); wenn dabei Härtefälle entstehen, macht dies das Gesetz nicht gleichheitswidrig (16.771/2002).
4.3. Der Gesetzgeber beabsichtigte im Rahmen des Erbrechts-[Ä]nderungsgesetzes 2015, dass in Hinkunft auch strafbare Handlungen gegen die Verlassenschaft die Erbunwürdigkeit begründen; vor dieser Novelle sah §540 ABGB (alte Fassung) nämlich die Erbunwürdigkeit bloß für strafbare Handlungen gegen den Verstorbenen vor, strafbare Handlungen gegen dessen Vermögen nach seinem Ableben – sohin gegen die ruhende Verlassenschaft – begründeten hingegen keine Erbunwürdigkeit.
Der Gesetzgeber beabsichtigte, diese Lücke zu schließen, dass auch strafbare Handlungen, 'wie etwa die Unterschlagung, die Zerstörung oder der Diebstahl von in der Verlassenschaft befindlichen Sachen oder die widerrechtliche Kontobehebung mit Bereicherungsvorsatz zur Erbunwürdigkeit führen, weil auch dadurch der letzte Wille des Verstorbenen oder die gesetzliche Erbfolge faktisch vereitelt wird' (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 688 der Beilagen XXV. GP, Seite 5).
Die Erbwürdigkeit als Teil der Erbfähigkeit (§536 ABGB) ist grundsätzlich zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen zu beurteilen; diese kann jedoch auch noch nachträglich abhanden kommen: Gemäß §543 Abs2 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015 verliert auch derjenige seine Erbfähigkeit (wieder), der nach dem Erbanfall — in der Regel ist dies der Zeitpunkt des Ablebens des Verstorbenen — eine gerichtliche Handlung gegen die Verlassenschaft setzt, die als juristische Person dessen Rechtsposition fortsetzt (§546 ABGB), bevor der Erbe mit der Einantwortung wiederum dieser nachfolgt (§547 ABGB).
4.4. Die Intention des Gesetzgebers ist grundsätzlich zu begrüßen; ihm ist beizupflichten, dass auch strafbare Handlungen nach Ableben des Verstorbenen dessen Willen unterlaufen können.
Der Gesetzgeber hat jedoch bei der Neuregelung das Zusammenspiel mit §166 StGB — dieser Tatbestand sieht eine Privilegierung von strafbaren Handlungen im Familienkreis, sodass diese mit höchstens sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedroht sind, vor, zu dem jedoch nach ständiger Rechtsprechung die Verlassenschaft nach einem privilegierenden Familienangehörigen nicht zählt - offensichtlich nicht beachtet.
4.4.1. Damit kommt es zu der unsachlichen Situation, dass strafbare Handlungen, die dasselbe Tatobjekt betreffen, je nach deren zeitlicher Begehung zu vollkommen unterschiedlichen Rechtsfolgen führen:
+) Delinquiert ein (späterer) Erbe schon zu Lebzeiten des Verstorbenen gegen dessen Vermögen in einem den Betrag von € 5.000,00 übersteigenden Wert, sehen die entsprechenden Tatbestände des Strafgesetzbuches - etwa Schwere Sachbeschädigung (§126 Abs1 Z7 StGB), Schwerer Diebstahl (§128 Abs1 Z5 StGB), Veruntreuung (§133 Abs2 1. Fall) oder Unterschlagung (§134 Abs3 1. Fall) je einen Strafrahmen von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe vor; ist der (spätere) Erbe jedoch ein Familienangehöriger des Verstorbenen im Sinn des §166 StGB, beträgt der Strafrahmen höchstens sechs Monate – er ist somit erbwürdig.
+) Delinquiert der Erbe gegen dasselbe Vermögensgut nach Ableben des Verstorbenen, jedoch noch vor Einantwortung - sohin gegen die ruhende Verlassenschaft -, kommt ihm diese Privilegierung nicht zugute, da die Verlassenschaft nicht als privilegierendes Familienmitglied im Sinn des §166 StGB zähl[t], obwohl diese die Rechtsposition des Verstorbenen fortsetzt – der Erbe ist somit erbunwürdig.
+) Delinquiert der Erbe erst nach erfolgter Einantwortung, durch die er der Verlassenschaft nachfolgt, – etwa durch Auffinden von Vermögensgegenständen des Verstorbenen – und zählen die Miterben zum privilegierenden Familienkreis im Sinn des §166 StGB, ist er weiterhin erbwürdig.
Es erscheint vollkommen ungerechtfertigt, die Erbunwürdigkeit davon abhängig zu machen, ob ein und derselbe Wertgegenstand des Verstorbenen vor dessen Ableben, während der ruhenden Verlassenschaft oder nach der Einantwortung des Täters delinquiert wird.
Eine strafbare Handlung gegen den Verstorbenen zu dessen Lebzeiten ist ohnedies auch wesentlich verwerflicher als nach dessen Ableben gegen seine Verlassenschaft; auch wenn man der ruhenden Verlassenschaft eine höhere Schutzwürdigkeit zuerkannte als dem Verstorbenen, der durchaus noch Kenntnis über seinen Vermögensstatus hat bzw haben kann, lassen sich daraus die so stark unterschiedlichen Rechtsfolgen eines gleichgelagerten Sachverhaltes nicht sachlich begründen.
4.4.2. Die Gesetzeslage führt auch zu dem Paradoxon, dass etwa der Diebstahl eines Betrages von € 1,000.000,00 zu Lebzeiten des Verstorbenen aufgrund der Privilegierung des §166 StGB – wenn der Erbe naher Familienangehöriger ist – dessen Erbunwürdigkeit aufrecht hält, während der Diebstahl eines Betrages von € 5.001,00 desselben Täters nach dem Ableben des Verstorbenen bereits seine Erbunwürdigkeit bewirkt.
4.4.3. §539 letzter Satz ABGB ermöglicht dem Verstorbenen überdies auch die Möglichkeit, strafbare Handlungen zu verzeihen, somit die Erbunwürdigkeit nicht eintreten zu lassen; dies ist bei strafbaren Handlungen gegen die Verlassenschaft jedenfalls nicht möglich, da ja die Tat nach dem Ableben des Verstorbenen [gesetzt] wurde. Auch darin liegt eine unzulässige Schlechterstellung strafbarer Handlungen nach dem Tode des Verstorbenen.
4.5. Die durchaus achtenswerte Intention des Gesetzgebers, nämlich auch die ruhende Verlassenschaft zu schützen und strafrechtliche Übergriffe gegen diese zu sanktionieren, ließe sich auf zwei Arten gleichheitskonform verwirklichen:
Einerseits könnte in die Bestimmungen der §§539 und 543 ABGB in der Fassung des Erbrechts-Änderungsgesetzes 2015 vorgesehen werden, dass die Privilegierung des §166 StGB bei der Frage der Erbunwürdigkeit auch dann zu tragen kommt, wenn der Verstorbene mit dem Erben in einem entsprechenden Familienverhältnis stand; andererseits ließe sich dies durch Abänderung des §166 StGB bewirken, indem auch die Verlassenschaft nach einem nahen Familienangehörigen die Privilegierung ermöglicht.
Damit könnte die im konkreten Fall schlagend gewordene Ungleichbehandlung vermieden werden: Die Antragstellerin wäre dann erbwürdig, egal ob sie – die vorgeworfenen Tathandlungen wurden von ihr stets bestritten – die vom Erstgericht angenommenen Straftatbestände zu Lebzeiten ihrer Mutter, während deren Verlassenschaft oder nach deren Einantwortung gegen den Miterben, ihren Bruder, gesetzt hätte."
4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Bedenken der Antragstellerin entgegentritt:
"[…]
3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
3.1. Die Erbfähigkeit wird als Teil der allgemeinen Rechtsfähigkeit definiert. Erbfähig ist, wer rechtsfähig und erbwürdig ist (§538 ABGB). Bei der Erbunwürdigkeit handelt es sich um die relative Erbunfähigkeit einem gewissen Erblasser gegenüber. Die Gründe, die zur Erbunwürdigkeit führen, sind in den §§539 bis 541 ABGB geregelt. Das ABGB unterscheidet zwischen absoluten Erbunwürdigkeitsgründen (§§539 und 540 ABGB), die jedenfalls zur Erbunwürdigkeit führen, und relativen Erbunwürdigkeitsgründen, die nur dann zur Erbunwürdigkeit führen, wenn der Verstorbene keine Enterbung mehr aussprechen konnte (§541 ABGB).
Die Erbfähigkeit muss im Zeitpunkt des Erbanfalls vorliegen. Eine später erlangte Erbfähigkeit ist unbeachtlich und berechtigt daher nicht, anderen das zu entziehen, was ihnen bereits rechtmäßig zugekommen ist (§543 Abs1 ABGB). Der Erbanfall bezeichnet den Erwerb des Erbrechts, der mit dem Tod des Verstorbenen (Erbfall) oder mit Eintritt einer aufschiebenden Bedingung im Sinn der §§696 und 703 ABGB erfolgt (§536 ABGB). Wer nach dem Erbanfall eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des §539 ABGB begeht oder die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht (§540 ABGB), verliert nachträglich seine Erbfähigkeit (§543 Abs2 ABGB).
3.2. Die Verlassenschaft setzt als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen zunächst fort (§546 ABGB). Erst mit der gerichtlichen Einantwortung (§797 ABGB; §§177 ff AußStrG) folgt der Erbe der Rechtsposition der Verlassenschaft nach; dasselbe gilt mit Übergabebeschluss für die Aneignung durch den Bund (Gesamtrechtsnachfolge; §546 ABGB).
3.3. Gemäß §539 ABGB ist erbunwürdig, wer gegen den Verstorbenen oder die Verlassenschaft eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, sofern der Verstorbene nicht zu erkennen gegeben hat, dass er ihm verziehen hat. Nach der Lehre scheidet die Verzeihung durch die Verlassenschaft aus (vgl Christandl/Nemeth, Das neue Erbrecht – ausgewählte Einzelfragen, NZ 2016, 1 [7]). Die Erbunwürdigkeit ist – bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte — von Amts wegen wahrzunehmen, kann aber auch von jedem, der ein rechtliches Interesse an der Erbunfähigkeit des Erbunwürdigen hat, eingewendet werden (vgl Welser, Erbrechts-Kommentar §539 Rz. 5; Werkusch-Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 §539 Rz. 3).
3.4. Maßgeblich für das Vorliegen von Erbunwürdigkeit gemäß §539 ABGB ist die jeweils gesetzlich vorgesehene Strafdrohung und nicht das konkret verhängte Strafmaß im Einzelfall. Bei der Bestimmung der Strafdrohung zur Feststellung von Erbunwürdigkeit gemäß den §§539 ff ABGB sind die Regelungen des StGB zu beachten (vgl RIS-Justiz RS0012264; OGH 3.4.1968, 6 Ob 91/68; 13.12.1984, 8 Ob 549/84; vgl Kralik, Erbrecht 37; Eccher in Schwimann/Kodek4 §540 Rz. 7; Likar-Peer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 286). Zu diesen zählt auch §166 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974, betreffend die Begehung von Straftaten im Familienkreis.
3.4.1. […]
3.4.2. Gemäß §166 StGB sind bestimmte Straftaten geringer strafbedroht, wenn sie im Familienkreis begangen wurden. Diese Privilegierung gilt für die in §166 StGB aufgezählten Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte, wenn diese zum Nachteil des Ehegatten, des eingetragenen Partners, eines Verwandten in gerader Linie, des Bruders oder der Schwester oder eines anderen Angehörigen, sofern dieser mit dem Täter in Hausgemeinschaft lebt, begangen wurden. In diesen Fällen ist die allgemeine Strafdrohung auf drei Monate, die Strafdrohung qualifizierter Delikte auf sechs Monate herabgesenkt.
3.4.3. Darüber hinaus werden diese Taten nicht vom öffentlichen Ankläger, sondern nur 'auf Verlangen des Verletzten', dh als Privatanklagedelikt verfolgt. §166 StGB bewirkt insofern eine doppelte Privilegierung bestimmter Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte innerhalb der Familie: einerseits hinsichtlich der Strafdrohung und damit in materiell-rechtlicher Hinsicht, andererseits hinsichtlich der Anklage und damit in verfahrensrechtlicher Hinsicht (vgl Kirchbacher in Höpfel/Ratz, WK2 StGB §166, Rz. 1).
3.4.4. Der Grund für die Privilegierung von Begehungen im Familienkreis liegt darin, dass in der Familie zwischen 'Mein und Dein' nicht so streng wie unter Fremden unterschieden, das Unrecht der Tat weniger schwer empfunden wird, die Hemmschwelle zur Tatbegehung geringer ist, die Güterverschiebung innerhalb der Familie nicht so schwer wiegt wie bei Außenstehenden, derartige 'interne Angelegenheiten' mit Rücksicht auf die Familienehre lieber selbst erledigt als nach außen getragen werden und das Interesse an der Aufrechterhaltung intakter Familienbeziehungen größer ist als das Verlangen nach Bestrafung (vgl Rainer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [9. Lfg 2003] zu §166 StGB). In den Erläuterungen zur Vorläuferbestimmung des §175 StGB, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 60/1974, heißt es dazu (RV 30 BIgNR XIII. GP, 311):
'...Denn innerhalb der Familie wird zwischen Mein und Dein nicht so streng unterschieden wie unter Fremden, und die durch ein Vermögensdelikt bewirkte Verschiebung der Güterverteilung innerhalb der Familie trifft diese in der Regel nicht so schwer wie eine Vermögensschädigung einer mit dem Täter nicht verwandten Person.'
3.5. Maßgeblich für die Beurteilung der Erbunwürdigkeit gemäß §539 Abs1 ABGB ist, ob eine mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Straftat begangen wurde. Die in §166 StGB geregelte Privilegierung bestimmter Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte im Familienkreis führt daher dazu, dass die Begehung einer solchen Straftat durch einen Familienangehörigen gegen den Erblasser regelmäßig keine Erbunwürdigkeit des Familienangehörigen begründet. Zur Frage, ob und unter welchen Umständen §166 StGB auch bei der Beurteilung der Erbunwürdigkeit aufgrund von Straftaten gegen die Verlassenschaft eines Familienangehörigen im Sinne dieser Bestimmung anzuwenden ist, hat sich der Oberste Gerichtshof – soweit ersichtlich – bislang nicht geäußert (vgl zuletzt OGH 24.4.2020, 2 Ob 100/19y). In der Lehre werden hiezu unterschiedliche Auffassungen vertreten. So wird einerseits die Auffassung vertreten, dass §166 StGB nur auf Straftaten gegen den Erblasser anzuwenden ist. Davon ausgehend wird kritisiert, dass bestimmte strafbare Handlungen gegen den Erblasser wegen der aus §166 StGB folgenden geringeren Strafdrohung nicht zur Erbunwürdigkeit führen, wenn sie von bestimmten Angehörigen gesetzt werden, wohingegen dieselben strafbaren Handlungen, wenn sie gegen die Verlassenschaft begangen wurden, Erbunwürdigkeit begründen (vgl die Nachweise bei Werkusch-Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 §539, Rz. 2 mwN). Vor diesem Hintergrund spricht sich ein Teil der Lehre gänzlich gegen die Anwendung der Privilegierung bei der Beurteilung der Erbunwürdigkeit aus (vgl Zöchling-Jud, Pflichtteilsrechtliche Aspekte im neuen Erbrecht, in Pabel , 50 Jahre JKU (2018), 64 f.; Likar-Peer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 §540 Rz. 69, 14; Binder/Griller in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge2 §9 Rz. 39 ff.; aA Kletečka, Erbunwürdigkeit auf Grund von 'betrügerischer Krida' (§156 StGB) im Familienkreis? NZ 2019/124, 361 [364]). Nach anderen Stimmen soll wiederum die strafrechtliche Privilegierung gemäß §166 StGB nicht nur bei Straftaten gegen den Erblasser, sondern auch bei Straftaten gegen die Verlassenschaft erbrechtlich zu berücksichtigen sein (vgl Apathy/Neumayr, KBB6 §§539-541, Rz. 2; Tschugguel, Erbunwürdigkeit und Begehung im Familienkreis, EF-Z 2016/143, 311 [312]). Dies wird damit begründet, dass der Erblasser den Nachlass repräsentiere, weshalb bei Beurteilung der Privilegierung auf Grund der — bei §166 StGB anzustellenden — wirtschaftlichen Betrachtung ein Delikt gegen den Erblasser vorliege (vgl Kletečka, NZ 2019/124, 361 [365]).
3.6. Die Strafgerichte haben §166 StGB bisher weder auf eine Straftat gegen den Nachlass eines Familienangehörigen noch auf eine – vor Abgabe von Erbantrittserklärungen begangene – Straftat gegen den Nachlass einer Person, die Familienangehörige als Erben eingesetzt hat, angewendet (RIS-Justiz RS0094991; zuletzt OGH 25.1.2011, 14 Os 168/10b; vgl Flora in Leukauf/Steininger, StGB4 §166, Rz. 11). Nach einem Teil der Lehre sollte dagegen dann, wenn ein Nachlass nach einem Angehörigen des Täters betroffen ist, jedenfalls materiell-rechtlich eine Privilegierung angenommen und nur prozessual ein Offizialdelikt bejaht werden (vgl Lewisch, Strafrecht Besonderer Teil I2, 281). Hinsichtlich Straftaten gegen den Nachlass einer Person, die Familienangehörige als Erben eingesetzt hat, könnte nach Auffassung in der Lehre dann, wenn die Straftat nach Abgabe von Erbantrittserklärungen erfolgt ist, ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Privilegierung angenommen werden, etwa wenn sämtliche als Erben in Betracht kommenden Personen Geschwister sind, weil dann nur nahe Verwandte durch die Straftat benachteiligt würden (vgl OGH 31.3.1982, 11 Os 12/82; Jaeger in Wessely/Mitgutsch, Handbuch Strafrecht Besonderer Teil, Bd. 1 [2013] zu §166 StGB, Rz. 12).
3.7.1. Die Ergänzung der Bestimmung des §539 ABGB um den Fall, dass eine gerichtlich strafbare Handlung iSd. §539 ABGB gegen die Verlassenschaft begangen wurde, erfolgte mit dem ErbRÄG 2015. Das ErbRÄG 2015 hat den Katalog der Erbunwürdigkeitsgründe insofern erweitert. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage wird dazu Folgendes ausgeführt (RV 688 BIgNR XXV. GP, 5):
'§539 des Entwurfs entspricht weitgehend dem bisherigen §540 und regelt die Erbunwürdigkeit auf Grund einer gerichtlich strafbaren Handlung gegen den Verstorbenen und – neu – auch gegen die Verlassenschaft. Damit sollen strafbare Handlungen, wie etwa die Unterschlagung, die Zerstörung oder der Diebstahl von in der Verlassenschaft befindlichen Sachen oder die widerrechtliche Kontobehebung mit Bereicherungsvorsatz zur Erbunwürdigkeit führen, weil auch dadurch der letzte Wille des Verstorbenen oder die gesetzliche Erbfolge faktisch vereitelt wird. Die mit dem ErbRÄG 1989 eingeführte Erbunwürdigkeit auf Grund der Verletzung familienrechtlicher Pflichten findet sich nunmehr in §541 des Entwurfs wieder.'
§539 ABGB in der Fassung des ErbRÄG 2015 ist auf alle Todesfälle nach dem 31. Dezember 2016 anzuwenden (§1503 Abs7 Z2 ABGB), unabhängig davon, wann der Erbunwürdigkeitsgrund verwirklicht wurde (RV 688 BIgNR XXV. GP, 41; vgl Werkusch-Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 §539 Rz. 2).
3.7.2. Auch §543 Abs2 ABGB, wonach die Erbfähigkeit auch nachträglich nach dem Erbanfall, insbesondere wegen strafbarer Handlungen gegen die Verlassenschaft gemäß §539 ABGB, beseitigt werden kann, wurde mit dem ErbRÄG 2015 in das ABGB eingeführt. In den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage wird dazu Folgendes ausgeführt (RV 688 BIgNR XXV. GP, 5):
'Diese Bestimmung entspricht in Abs1 erster Satz dem bisherigen §545 und im zweiten Satz dem bisherigen §546. Wenn auch die Erbfähigkeit demnach grundsätzlich zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen zu beurteilen ist, so kann sie doch nachträglich abhandenkommen. Nach Abs2 verliert seine Erbfähigkeit nämlich, wer nach dem Erbanfall eine gerichtlich strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft im Sinn des §539 begeht oder die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht (§540). Die übrigen Änderungen sind sprachlicher Natur.'
II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:
1. Zum Anlassverfahren:
[…]
2. Zur Zulässigkeit:
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003).
2.2. Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016; VfGH 27.11.2019, G180/2019). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (vgl VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014, 20.210/2017; VfGH 27.11.2019, G180/2019, Rz. 21 mwN).
2.3. Ausgehend von dieser Rechtsprechung erweist sich der vorliegende Antrag als zu eng gefasst:
2.3.1. Die Antragstellerin bringt vor, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, dass bestimmte strafbare Handlungen, die ein Erbe gegen den Erblasser zu dessen Lebzeiten gesetzt hat, im Hinblick auf die Privilegierung gemäß §166 StGB nicht zur Erbunwürdigkeit gemäß §539 ABGB führen, während dieselben strafbaren Handlungen gegen die Verlassenschaft zur Erbunwürdigkeit gemäß §539 ABGB und damit zum Verlust der Erbfähigkeit gemäß §543 Abs2 ABGB führen. Wenngleich die Antragstellerin selbst vorbringt, dass diese Ungleichbehandlung durch eine Abänderung des §166 StGB vermieden werden könnte (siehe Seite 10 des Antrages), hat sie §166 StGB nicht angefochten. Tatsächlich folgt die von der Antragstellerin monierte Rechtsfolge aber nicht unmittelbar aus den angefochtenen Bestimmungen des Erbrechts, sondern aus §166 StGB. Erst aus §166 StGB ergibt sich nämlich, dass bestimmte Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte im Familienkreis einer geringeren Strafdrohung unterliegen (vgl OGH 25.1.2011, 14 Os 168/10b = SSt 2011/7; vgl Werkusch-Christ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 §539, Rz. 2; vgl auch OGH 8.3.2007, 2 Ob 240/05s). §539 ABGB regelt dagegen bloß generell, dass Erbunwürdigkeit ua dann vorliegt, wenn die gesetzte Straftat mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist.
2.3.2. Vor dem Hintergrund ihrer Bedenken hätte die Antragstellerin daher auch §166 StGB anfechten müssen, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl VfGH 10.3.2015, G201/2014).
2.3.3. Da sich der Anfechtungsantrag der Antragstellerin ausschließlich gegen näher bezeichnete Wortfolgen in §539 und in §543 Abs2 ABGB richtet, §166 StGB jedoch nicht angefochten wurde, erweisen sich sowohl der Hauptantrag als auch die Eventualanträge mangels richtiger Abgrenzung des jeweils begehrten Aufhebungsumfangs als unzulässig.
3. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sowohl der Hauptantrag als auch die Eventualanträge mangels richtiger Abgrenzung des jeweils begehrten Aufhebungsumfangs unzulässig sind.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:
III. In der Sache:
1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Antragstellerin erblickt in den angefochtenen Wortfolgen eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art7 B‑VG; Art2 StGG). Die behauptete Gleichheitswidrigkeit wird im Wesentlichen damit begründet, dass eine strafbare Handlung gegen die ruhende Verlassenschaft zur Erbunwürdigkeit führt, während dieselbe strafbare Handlung zu Lebzeiten des Verstorbenen keine Erbunwürdigkeit begründet. Es sei unsachlich, dass die Privilegierung des §166 StGB nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die strafbare Handlung zu Lebzeiten des Verstorbenen begangen wurde.
3. Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002; 20.317/2019). Sie kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraums einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und VfGH 1.10.2019, G330/2018, Rz. 74 mwN).
4.1. Die Bundesregierung hält zunächst nochmals fest, dass die von der Antragstellerin vorgebrachte Ungleichbehandlung von Straftaten gegen den Erblasser und Straftaten gegen die Verlassenschaft hinsichtlich der Beurteilung der Erbwürdigkeit keine unmittelbare Folge der angefochtenen Bestimmungen ist, sondern sich aus dem – nicht angefochtenen – §166 StGB ergibt (s auch bereits oben Pkt. II.2.3.1.). Die angefochtenen Bestimmungen sehen vor, dass nicht nur strafbare Handlungen gegen den Verstorbenen zu dessen Lebzeiten, sondern auch strafbare Handlungen, die gegen die Verlassenschaft begangen wurden, zur Erbunwürdigkeit und zum Verlust der Erbfähigkeit führen. Laut den Erläuterungen (s dazu oben Pkt. I.3.7.1.) soll damit verhindert werden, dass der letzte Wille des Verstorbenen oder die gesetzliche Erbfolge vereitelt und in die vom Erblasser hinterlassene Ordnung eingegriffen wird. Für die Beurteilung, welche strafbaren Handlungen gegen den Erblasser bzw gegen die Verlassenschaft zur Erbunwürdigkeit und zum Verlust der Erbfähigkeit führen sollen, wird auf die in den strafrechtlichen Bestimmungen – und damit auch gemäß §166 StGB – vorgesehene Strafdrohung abgestellt.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist es nicht unsachlich, auch Straftaten gegen die Verlassenschaft bei der Beurteilung der Erbfähigkeit und Erbwürdigkeit zu berücksichtigen und dabei auf die für die Straftaten vorgesehenen Strafdrohungen abzustellen. Nach den strafrechtlichen Bestimmungen – konkret gemäß §166 StGB – gelten aber für bestimmte strafbare Handlungen (und zwar primär Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte), die im Familienkreis begangen wurden, unterschiedliche Strafdrohungen, je nachdem, ob sie gegen den Erblasser oder gegen die Verlassenschaft begangen wurden (s dazu oben Pkt. I.3.4.). Die von der Antragstellerin monierte Ungleichbehandlung ist daher keine Folge der erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB, sondern eine direkte Folge des §166 StGB. Demgemäß besteht auch im Schrifttum die Auffassung, dass ein allfälliger Widerspruch zwischen dem Erbrecht und dem Strafrecht (in Bezug auf die Beachtlichkeit des Umstandes der Begehung im Familienkreis bei bestimmten Straftaten gegen die Verlassenschaft) 'auf der strafrechtlichen Seite aufzulösen' sei (vgl Kletečka, Erbunwürdigkeit auf Grund von 'betrügerischer Krida' [§156 StGB] im Familienkreis? NZ 2019/124, 361 [364]). Die Bedenken der Antragstellerin gegen die angefochtenen Wortfolgen in §539 und in §543 Abs2 ABGB gehen vor diesem Hintergrund von vornherein ins Leere.
4.2. Selbst wenn die monierte Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen in den angefochtenen Wortfolgen des §539 ABGB und des §543 Abs2 ABGB verortet wäre, läge nach Ansicht der Bundesregierung aber keine unsachliche Differenzierung vor, da die Unterscheidung durch unterschiedliche Sachverhalte begründet ist:
Nach Auffassung der Bundesregierung zeitigen Vermögens- bzw Zahlungsmitteldelikte gegen den Erblasser und Vermögens- bzw Zahlungsmitteldelikte gegen die Verlassenschaft generell unterschiedliche Folgen, weshalb auch eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Bewertung der Strafdrohung gerechtfertigt ist. So gereicht eine solche strafbare Handlung gegen die Verlassenschaft nicht nur der Verlassenschaft, sondern auch den Rechtsnachfolgern, also den Erben des Erblassers, zum Nachteil. Zudem zählen die Rechtsnachfolger nicht in jedem Fall zum Familienkreis des Straftäters iSd. §166 StGB, weshalb die Privilegierung nicht regelmäßig auch ihnen gegenüber zur Anwendung gelangen würde. Es ist daher nicht nur sachlich gerechtfertigt (wie oben dargelegt wurde), Straftaten gegen die Verlassenschaft bei der Beurteilung von Erbfähigkeit und Erbwürdigkeit zu berücksichtigen. Es ist auch sachlich gerechtfertigt, dass derartige Straftaten jedenfalls zur Erbunfähigkeit und Erbunwürdigkeit führen, die Privilegierung gemäß §166 StGB insofern also nicht anzuwenden ist. Wird eine solche strafbare Handlung dagegen zu Lebzeiten des letztwillig Verfügenden begangen, wirkt sich dies nur auf den – zum Familienkreis iSv. §166 StGB zählenden – Erblasser unmittelbar nachteilig aus und lediglich allenfalls mittelbar auf die Rechtsnachfolger des Erblassers. Daher ist die Anwendung der Privilegierung in diesem Fall sachlich gerechtfertigt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht unsachlich, an Vermögens- bzw Zahlungsmitteldelikte gegen den Erblasser zu dessen Lebzeiten und gegen die Verlassenschaft unterschiedliche Rechtsfolgen im Hinblick auf die Erbwürdigkeit und Erbfähigkeit zu knüpfen. Diese Unterscheidung stimmt im Übrigen auch mit dem Ziel der Privilegierung von Vermögens- und Zahlungsmitteldelikten im Familienkreis (s dazu oben Pkt. I.3.4.4.), das sich im Wesentlichen im Schutz und der Erhaltung von (aufrechten) Familienbeziehungen manifestiert, überein.
4.3. Sollte der Verfassungsgerichtshof dagegen zur Auffassung gelangen, dass diese Differenzierung nicht sachlich gerechtfertigt ist, könnte die Rechtslage nach Ansicht der Bundesregierung durch eine verfassungskonforme Interpretation der relevanten Bestimmungen bereinigt werden (vgl dazu VfSlg 20.277/2018).
In diesem Sinne könnte die strafrechtliche Privilegierung gemäß §166 StGB nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur auf Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte gegen einen Familienangehörigen zu dessen Lebzeiten, sondern auch auf Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte gegen die Verlassenschaft eines Angehörigen des Täters im Sinne des §166 StGB angewendet werden. Dies könnte vor allem dann als geboten erscheinen, wenn (wie im Anlassfall) sämtliche als Erben in Betracht kommende Personen zum Familienkreis des Straftäters iSv. §166 StGB zählen, sodass die Straftat insofern zwar unmittelbar die Verlassenschaft, mittelbar jedoch Familienangehörige betrifft (dass insofern eine Unterscheidung hinsichtlich der Privilegierung vorzunehmen ist, scheint im Übrigen auch der Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu entsprechen, vgl OGH 31.3.1982, 11 Os 12/82; s. bereits oben Pkt. I.3.6.).
5. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtenen Wortfolgen nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sind."
5. Der Bruder der Antragstellerin hat als beteiligte Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren eine Äußerung erstattet, in der er die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Bedenken der Antragstellerin mit näheren Argumenten entgegentritt.
IV. Zulässigkeit
1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Umfang der in Prüfung gezogenen Norm nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014, 20.070/2016; VfGH 13.10.2016, G640/2015; 12.12.2016, G105/2016)
2. Es müssen daher im Gesetzesprüfungsverfahren all jene Bestimmungen mit angefochten werden, die in die Abwägung bei der Abgrenzung des Aufhebungs-umfanges miteinzubeziehen sind; insbesondere darf nicht durch Anfechtung nur eines Teils dieser Bestimmungen das Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorweg genommen werden (siehe VfGH 10.3.2015, G201/2014; 7.10.2015, G315/2015 ua). Dass in einer solchen Konstellation dann eine im Ergebnis allenfalls zu weite Fassung des Antrages diesen nicht unzulässig macht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, derzufolge, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen mit teilweiser Abweisung des Antrages vorzugehen ist (siehe dazu etwa VfGH 26.9.2017, G347/2016 mwN).
3. Die Bundesregierung vertritt in ihrer Äußerung die Auffassung, dass der vorliegende Antrag zu eng gefasst sei.
Die Antragstellerin bringe vor, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, dass bestimmte strafbare Handlungen, die ein Erbe gegen den Erblasser zu dessen Lebzeiten gesetzt habe, im Hinblick auf die Privilegierung gemäß §166 StGB nicht zur Erbunwürdigkeit gemäß §539 ABGB führten, während dieselben strafbaren Handlungen gegen die Verlassenschaft zur Erbunwürdigkeit gemäß §539 ABGB und damit zum Verlust der Erbfähigkeit gemäß §543 Abs2 ABGB führten. Wenngleich die Antragstellerin selbst vorbringe, dass diese Ungleichbehandlung durch eine Änderung des §166 StGB vermieden werden könne, habe sie diese Bestimmung nicht angefochten. Tatsächlich folge die von der Antragstellerin monierte Rechtsfolge aber nicht unmittelbar aus den angefochtenen Bestimmungen des Erbrechts, sondern aus §166 StGB. Erst daraus ergebe sich, dass bestimmte Vermögens- und Zahlungsmitteldelikte im Familienkreis einer geringeren Strafdrohung unterlägen. §539 ABGB regle dagegen bloß generell, dass Erbunwürdigkeit unter anderem dann vorliege, wenn die gesetzte Straftat mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sei. Vor dem Hintergrund ihrer Bedenken hätte die Antragstellerin daher auch §166 StGB anfechten müssen, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könne.
4. Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung im Recht:
Die Antragstellerin begründet den behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG im Wesentlichen damit, dass es durch die Privilegierung des §166 StGB zu einer unsachlichen Differenzierung bei der Beurteilung der Erbunwürdigkeit komme: Ein und dieselbe Straftat führe einmal nicht zur Erbunwürdigkeit, nämlich soweit diese im Familienkreis begangen werde; werde die Straftat jedoch gegen die Verlassenschaft begangen, liege Erbunwürdigkeit vor, weil diesfalls die Privilegierung des §166 StGB nicht greife.
Angesichts dieser Bedenken hätte die Antragstellerin aber auch die Bestimmung des §166 StGB anfechten müssen, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl etwa VfGH 10.3.2015, G201/2014; 30.11.2017, G133/2017, V86/2017; 27.6.2018, G177/2017 ua). Der vorliegende Antrag auf Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen in §539 und §543 Abs2 ABGB erweist sich daher als zu eng gefasst.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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