Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. März 2010, AZ 133 Bl 26/10z, verletzt § 166 Abs 1 StGB.
Text
Gründe:
Bei der Staatsanwaltschaft Wien wurde zum AZ 43 St 208/09h ein Ermittlungsverfahren gegen Brigitte S***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB geführt.
Gegen die Einstellung des Verfahrens am 18. Jänner 2010 (ON 1 S 2) hatte sich der Antrag auf Fortführung (§ 195 StPO) des Privatbeteiligten Ernst F***** gerichtet (ON 7), den das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 10. März 2010 abwies (ON 11).
Nach dessen Inhalt sei Ausgangspunkt des Verfahrens die Behauptung des Privatbeteiligten gewesen, die Beschuldigte (seine Halbschwester) habe „ihr im Frühjahr 2008 übergebene Sparbücher der am 20. 9. 2008 verstorbenen gemeinsamen Mutter Barbara S***** mit einer Gesamteinlage von ca. 100.000,- € zu seinem Vermögensnachteil unterschlagen“. Der Nachlass ihrer Mutter sei dem Privatbeteiligten und der Beschuldigten am 13. März 2009 zu gleichen Teilen eingeantwortet worden (ON 11 S 1 ff). Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies den Fortführungsantrag insbesondere mit der Begründung ab, dass als Geschädigte einer „betrügerischen Verwertung der Sparbücher“ ‑ je nach Tatzeitpunkt vor oder nach dem 20. September 2008 ‑ nur die verstorbene Mutter oder der Halbbruder der Beschuldigten in Frage kämen, weshalb von Begehung im Familienkreis nach § 166 Abs 1 StGB auszugehen sei. Dies ungeachtet einer ‑ allenfalls für den Tatzeitraum zwischen 20. September 2008 und 13. März 2009 in Frage kommenden, nicht von dieser Bestimmung erfassten ‑ Schädigung des ruhenden Nachlasses, weil die Berechtigung des Fortführungsantrags auf Basis der im Einstellungszeitpunkt vorliegenden Verfahrensergebnisse zu prüfen sei und die Privilegierungsvoraussetzungen damals durch die zwischenzeitig erfolgte Einantwortung des Nachlasses jedenfalls wieder erfüllt gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Diese Begründung steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz nicht in Einklang.
§ 166 Abs 1 StGB stellt bei der Privilegierung der Begehung dort genannter strafbarer Handlungen auf eine Angehörigeneigenschaft im Tatzeitpunkt ab (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 166 Rz 1 und 16; vgl Lewisch BT I2, 290; RIS-Justiz RS0094712). Erfolgte demnach die Tat zum Nachteil eines ruhenden Nachlasses, ändert sich an der fehlenden Privilegierung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0094991; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 166 Rz 22) auch dann nichts, wenn der Nachlass nachträglich einem oder mehreren Angehörigen im Sinn des § 166 Abs 1 StGB eingeantwortet wird.
Da die Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil der Beschuldigten wirkt, hat es mit ihrer Feststellung sein Bewenden.
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