OGH 11Os12/82

OGH11Os12/8231.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs 3 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 23. November 1981, GZ 13 Vr 2.704/80-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Haszler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3. Mai 1914 geborene Pensionist Johann A des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 6. Dezember 1979

in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Vortäuschung seiner Verfügungsberechtigung über die Sparkonten seines am 5. Dezember 1979 verstorbenen Vaters Peter A, indem er die betreffenden Sparbücher unter Angabe der Losungsworte vorlegte, einen Angestellten der C in Graz zur Auszahlung eines Betrages von 104.300 S vom Sparkonto Nr. 4917-021869 der Zweiganstalt Frohnleiten und einen Angestellten der D Graz zur Auszahlung eines Betrages von 100.000 S vom Sparkonto Nr. 30021.422 der D Frohnleiten verleitet zu haben, wodurch der Nachlaß nach Peter A (im Urteilssatz außerdem unzutreffend: 'bzw die gesetzlichen Erben Inge E und Gerhard F sowie Auguste A') am Vermögen um mindestens 123.534 S geschädigt wurde. Der Angeklagte Johann A bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; mit seiner Berufung strebt er die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge des Angeklagten behauptet, die Urteilsfeststellung, wonach er ohne Wissen seines Vaters Peter A dessen Wohnung aufgesucht habe, um unter anderem die beiden Sparbücher an sich zu nehmen, sei durch die Beweisergebnisse nicht gedeckt. Der angebliche Begründungsmangel betrifft an sich keine entscheidende (d. h. für die rechtliche Unterstellung der Tat oder die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes maßgebliche) Tatsache. Ausschlaggebend ist nicht, ob der Vater des Angeklagten wußte, daß sein Sohn die Sparbücher aus der väterlichen Wohnung holte, sondern nur, ob er dem Angeklagten die Verfügungsberechtigung über die Sparkonten schenkungsweise überließ. Die Urteilsfeststellungen, wonach eine solche Schenkung nicht stattfand, wurden aber mit dem Hinweis auf das gerichtsärztliche Gutachten Dris. Walther G (S 175 ff) sowie auf die Zeugenaussage Dris. Herbert H (S 160 f), woraus die psychische Unfähigkeit des Peter A hervorgeht, am 29. November 1979 noch eine Erklärung der vom Angeklagten behaupteten, auch die Bekanntgabe der Losungsworte umfassenden Form abzugeben, und auf die Zeugenaussagen seiner Mutter Auguste A (S 159 f) sowie der Adelinde I (S 171), wonach der Angeklagte erst nach dem Tod seines Vaters die erstgenannte Zeugin zur Preisgabe der Losungsworte verleitete (siehe auch S 57 in ON 2), in übereinstimmung mit dem Akteninhalt begründet und die gegenteilige Verantwortung des Angeklagten sowie die Aussagen seiner Frau und seiner Kinder, soweit diese die Verantwortung des Angeklagten zu stützen versuchten, als unglaubwürdig erachtet (S 193 bis 198). Zum weiteren Vorbringen der Beschwerde in der Mängelrüge, auch die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte die Nacht zum 29. November 1979 im Zimmer seines Vaters verbringen mußte, weil er ihn wegen dessen Verwirrtheitszustandes nicht alleinlassen konnte, entbehre einer Deckung durch aktenkundige Verfahrensergebnisse, genügt es, auf die auch in der Hauptverhandlung vom 23. November 1981 aufrechterhaltene Verantwortung des Angeklagten hinzuweisen, wonach er die ganze Nacht aufgepaßt und bei seinem Vater geschlafen habe, damit dieser 'nichts anstellen' könne (siehe S 37 und 155). In den weiteren Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO erschöpft sich die Beschwerde in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates, wenn sie die Zeugin Auguste A wegen der - vom Erstgericht ohnehin erörterten (S 198) - Feindschaft zum Angeklagten als unglaubwürdig bezeichnet, der von ihr genannten Begründung für die Preisgabe der Losungsworte die innere Wahrscheinlichkeit abspricht und auf die Möglichkeit hinweist, daß sein Vater - entgegen dem gerichtsärztlichen Gutachten - am 29. November 1979 in einem lucidum intervallum doch noch imstande gewesen sein könnte, die Losungsworte seiner Sparbücher bekanntzugeben.

In der Rechtsrüge bringt der Angeklagte der Sache nach vor, es fehle an einer für die Vermögensschädigung kausalen Täuschungshandlung; da er als durch die Kenntnis der Losungsworte legitimierter Inhaber der vinkulierten Sparbücher zur Verfügung über die Konten berechtigt gewesen sei, wäre der nach Annahme des Erstgerichtes von ihm anläßlich der Abhebungen verschwiegene Tod seines Vaters für die Sparkassenbeamten unerheblich gewesen.

Diesen Ausführungen ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Erlangung des Gewahrsams an einem vinkulierten Sparbuch an sich selbst dann, wenn der neue Gewahrsamsträger das Losungswort kennt, dem Erwerb der Verfügungsberechtigung über das Sparkonto nicht gleichgesetzt werden kann. Dem trägt die seit 1. März 1979 in Geltung stehende Bestimmung des § 18 Abs 8 des Kreditwesengesetzes BGBl 1979/63 Rechnung: Nach dieser Rechtsvorschrift ist die Kreditunternehmung zwar unbeschadet der Vorbehalte nach Abs 6 leg. cit. (zu denen unter anderen der Vorbehalt zählt, Verfügungen über die Spareinlage nur gegen Angabe des Losungswortes vorzunehmen) berechtigt, aber nicht verpflichtet, an jeden Vorleger einer Sparurkunde, die auf eine bestimmte Bezeichnung, insbesondere auf Namen, lautet, die Zahlung zu leisten, soweit nicht eine Meldung über den Verlust der Sparurkunde, ein behördliches Verbot oder eine behördliche Sperre die Auszahlung hemmt. Hieraus ergibt sich, daß das Kreditunternehmen auch einem durch Vorlage des Sparbuches und Angabe des Losungswortes dem äußeren Anschein nach legitimierten Abheber bei Bedenken gegen dessen materielle Berechtigung die Auszahlung verweigern kann (siehe auch Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht, S 115). Wer daher ein Sparbuch (unter Angabe des Losungswortes) vorlegt, um vom Sparkonto abzuheben, weist damit nicht nur seine formelle Legitimation nach; dieses Verhalten schließt auch die stillschweigende Behauptung ein, zur Verfügung über die Spareinlage berechtigt zu sein. Daß diese Behauptung in der Praxis nur selten überprüft wird, ändert nichts an ihrer entscheidenden Bedeutung für die Einwilligung der Kreditunternehmung in die begehrte Auszahlung. Wer - wenn auch durch Vorlage des Sparbuches und Angabe des Losungswortes legitimiert - seine Verfügungsberechtigung über das Sparguthaben konkludent vortäuscht, sucht den für die Auszahlung Verantwortlichen hiedurch in einen Irrtum zu führen, der für das die Vermögensschädigung bewirkende Verhalten des Getäuschten ursächlich ist. Da von einer derartigen Täuschungshandlung über den hiedurch bewirkten oder bestärkten Irrtum und die durch diesen Irrtum veranlaßte Verfügung des Getäuschten bis zum Eintritt eines Vermögensschadens infolge jener Verfügung eine kausale Verkettung besteht (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 23 zu § 146), ist bei Zutreffen der weiteren - im konkreten Fall nicht in Zweifel gezogenen - Tatbestandsvoraussetzungen das Tatbild des Betruges erfüllt (SSt 41/35, SSt 46/

45 uam; vergleiche Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 13 zu § 146, Kienapfel BT II, RN 45 zu § 146 StGB).

Anzumerken bleibt, daß sich der Schuldspruch nach dem Inhalt der den Urteilssatz insoweit klarstellenden Entscheidungsgründe auf den nicht (nach der gesetzlichen Erbfolge) auf den Angeklagten entfallenden Teil der Verlassenschaft nach dem Vater des Angeklagten bezieht - dessen Rechtspersönlichkeit mit dem Tod geendet hatte (Koziol-Welser, Grundriß I5, 42) -, somit auf eine in die Obsorge des Verlassenschaftsgerichtes zu nehmende Vermögensmasse eigener Art, bezüglich derer die - im übrigen nur zum Teil dem Personenkreis des § 166 StGB angehörenden - weiteren zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Personen noch keine Erbserklärungen abgegeben hatten und daher noch nicht einmal zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt und keinesfalls Eigentum (im Rechtssinn oder bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise) erlangt hatten, sodaß sich vorliegend die - in der Beschwerde auch gar nicht aufgeworfene - Frage nach der Privilegierung im Sinn des § 166 StGB nicht stellt. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, die es gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Vorstrafen des Angeklagten, darunter zwei einschlägige, als mildernd den Umstand, daß der Angeklagte (von seinen Eltern) gegenüber seinen Geschwistern offenbar benachteiligt wurde.

Die Berufung des Angeklagten strebt die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) an.

Das Berufungsbegehren wird allein auf die Behauptung gestützt, daß der Angeklagte die Sparbücher von seinem Vater unter Bekanntgabe der Losungsworte geschenkt erhalten habe und ihm Bereicherungsvorsatz und Täuschung zu Unrecht zur Last gelegt würden.

Damit zeigt der Berufungswerber keinen für die Strafbemessung relevanten Gesichtspunkt auf; er übersieht, daß gemäß dem § 295 Abs 1 StPO bei Erledigung der Berufung der Ausspruch des Erstgerichtes über die Schuld des Angeklagten zu Grunde zu legen ist. Umstände, die die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung rechtfertigen könnten, zeigt auch die Aktenlage nicht auf; angesichts der Vorstrafen des Angeklagten besteht keine begründete Aussicht, daß der Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

Auch der unbegründeten Berufung war somit der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte