OGH 8Ob68/14d

OGH8Ob68/14d23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekurs- und Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** N*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin Z*****‑AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) H***** K*****, und 2) H***** K*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, und der auf deren Seite beigetretenen Nebenintervenientin M***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Klaus Hirtler Rechtsanwalt GmbH in Leoben, wegen 122.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Mai 2014, GZ 3 R 30/14b‑58, und über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der klagenden Partei gegen den darin enthaltenen Beschluss (AZ 3 R 31/14z), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1.1 Mit dem mit „außerordentlichem Revisionsrekurs“ angefochtenen Beschluss hat das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts über den Protokollberichtigungsantrag der Klägerin (ON 46) mit inhaltlicher Begründung bestätigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichts absolut unzulässig, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde. Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor (vgl 8 Ob 88/13v).

Das als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin ist daher absolut unzulässig.

1.2 Unrichtig ist, dass das Erstgericht den (unbestritten) unzulässigen Protokollberichtigungsantrag nicht zurückgewiesen habe. Der zugrunde liegende Beschluss des Erstgerichts (ON 51) enthält zwei Entscheidungsteile, und zwar

a) die Zurückweisung des Protokoll-berichtigungsantrags, weil eine Protokollrüge („Widerspruch“ nach § 212 Abs 1 und 2 ZPO) in der Verhandlung nicht erfolgt ist und

b) Umdeutung des Antrags in einen Widerspruch nach § 212a Abs 2 iVm § 212 Abs 5 ZPO.

Nach der übereinstimmenden inhaltlichen Begründung von Erstgericht und Rekursgericht hat das (Prozess‑)Gericht über einen (rechtzeitigen) Widerspruch hier gegen die Übertragung des Protokolls nicht zu entscheiden, weil der Widerspruch gemäß § 215 Abs 1 ZPO nur die Beweiskraft des Protokolls berühre (2 Ob 25/04x).

2.1 Mit ihren Ausführungen in der außerordentlichen Revision gegen die Sachentscheidung zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Selbst wenn man die von der Klägerin angezogene Bestimmung des § 19 Z 5 des Steiermärkischen Baugesetzes als Schutzgesetz beurteilte und eine Verletzung dieser Bestimmung im Fall einer bejahten (Bau‑)Bewilligungspflicht der in Rede stehenden Grabungsarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten annehmen würde, bestünden die von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht zu Recht.

2.2 Bei Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinn des § 1311 ABGB fordert die ständige Rechtsprechung keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs (RIS‑Justiz RS0027640; RS0027462). Dies darf aber nicht dahin verstanden werden, dass im Fall einer Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB die Vermutung bestehe, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen; es kommt zu keiner Umkehrung der Beweislast (RIS‑Justiz RS0027517; RS0022599). Vielmehr spricht in diesen Fällen der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde. Die Schadenersatzhaftung darf danach nur als gegeben angenommen werden, wenn überwiegende Gründe dafür vorliegen, dass der Schaden durch das Verhalten des in Anspruch genommenen Beklagten herbeigeführt wurde (RIS‑Justiz RS0027517; 2 Ob 213/13g). Es obliegt dann dem Beklagten die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ‑ durch Entkräftung des ihn belastenden Anscheinsbeweises - ernsthaft zweifelhaft zu machen (RIS‑Justiz RS0022599; RS0022474). Er muss darlegen, dass andere konkrete Schadensursachen zumindest gleich wahrscheinlich sind (vgl RIS‑Justiz RS0040272; RS0040196; 7 Ob 237/12x).

Ob dem Kläger der Anscheinsbeweis im Einzelfall gelungen ist, betrifft die nicht revisible Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0040196; RS0112460).

2.3 Im Anlassfall hat das Erstgericht die Feststellung getroffen, dass die von den Beklagten in Auftrag gegebenen Grabungsarbeiten letztlich nicht zu den eigentlichen schadensbildenden Bewegungen auf dem Grundstück der Klägerin führten. Die Ansicht der Klägerin, dass nicht klar sei, was der gerichtliche Sachverständige unter „eigentlichen schadensbildenden Bewegungen“ verstanden habe und diese Feststellung bestenfalls als Negativfeststellung tauge, ist nicht stichhaltig. In der Beweiswürdigung hat das Erstgericht dazu festgehalten, dass vom gerichtlichen Sachverständigen ein Zusammenhang zwischen der Hangbewegung und den Grabungsarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten explizit ausgeschlossen wird. Hat es einen Zusammenhang zwischen der schadensstiftenden Hangbewegung (dem Hangkriechen) und den Grabungsarbeiten nicht gegeben, so steht ‑ mit den Worten der Klägerin ‑ fest, dass der in Rede stehende Schaden am Grundstück der Klägerin auch ohne die Grabungsarbeiten eingetreten wäre. Damit haben die Beklagten den Gegenbeweis zu dem an sich zulässigen Anscheinsbeweis erbracht. Der Anscheinsbeweis wurde dadurch entkräftet.

2.4 Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision, wonach eine alternative Schadensursache (außer den Grabungsarbeiten) nicht vorliege, was sich schon aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen den Drainagearbeiten und den Rissen am Haus der Klägerin ergebe, und wonach sich der gerichtliche Sachverständige selbst widersprochen habe, betreffen in Wirklichkeit die Frage, ob der Klägerin der Anscheinsbeweis zur Kausalität der Grabungsarbeiten für die Schäden an ihrem Haus gelungen ist bzw die Beklagten diesen entkräften konnten. Diese Frage der Beweiswürdigung kann vor dem Obersten Gerichtshof allerdings nicht mehr angegriffen werden.

2.5 Soweit sich die Klägerin auf einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB beruft, ist darauf hinzuweisen, dass auch dafür der Nachweis des (zumindest) potentiellen Kausalzusammenhangs zwischen den Grabungsarbeiten der Beklagten bzw dem dadurch bedingten Entzug der erforderlichen Stütze für den Boden bzw des Gebäudes der Klägerin als Nachbarin und dem Schaden erforderlich ist (vgl 3 Ob 175/00g und 1 Ob 240/99x; vgl auch 1 Ob 182/10m und 1 Ob 196/06i).

Nach dem der in der außerordentlichen Revision zitierten Entscheidung 1 Ob 620/94 zugrunde liegenden Sachverhalt rutschte der Hang des dortigen Klägers infolge der durch Baggerungen bedingten Entfernung des Hangfußes etwa eine Woche nach den Abgrabungen auf dem Grundstück der Beklagten auf deren Grundstück ab. Ein vergleichbarer Sachverhalt mit jenem im Anlassfall liegt damit nicht vor.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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