OGH 1Ob240/99x

OGH1Ob240/99x22.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Fischer, Walla & Matt, Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, wider die beklagte Partei Anita S*****, vertreten durch Dr. Horst Lumper, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 144.455 S sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. April 1999, GZ 2 R 71/99d-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 30. Dezember 1998, GZ 8 Cg 9/98w-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Text

Begründung

In der Erdgeschoßwohnung eines Vorarlberger Hauses auf dem Grundstück 925/3 wurde 1995 ein Wasserschaden am Fußboden und an den Wänden festgestellt. Dort wohnt die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei (im folgenden kurz VN) mit ihrem Ehegatten. Sie ist weder Grundstückseigentümerin noch Mieterin. Die Ehegatten bauten 1991 das Untergeschoß als Wohnung aus. Sie bezahlen die Betriebskosten und die Rückzahlungsraten für das zur Finanzierung des Wohnungsausbaus aufgenommene Darlehen. Das Grundstück 925/3 steht je zur Hälfte im Miteigentum der Eltern der VN. Die Beklagte ist Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Grundstücks 928/3, auf dem sich gleichfalls ein Wohnhaus befindet. Dessen Erschließung und jene der angrenzenden Grundstücke 928/1 und 928/2 erfolgte durch einen 1978/79 errichteten Weg, der zu den Grundstücken 928/1 und 925/3 abfällt. Das Grundstück 925/3 liegt am tiefsten Punkt der näheren Umgebung. Der Weg befindet sich im Verlauf des natürlichen Hanggefälles zwischen einer höher und einer tiefer gelegenen Straße, an deren Ende das Grundstück 925/3 liegt. Das Weggrundstück steht je zu einem Drittel im Miteigentum jener Personen, deren Grundstücke durch den Weg aufgeschlossen werden. Bei Errichtung des Wegs und des Hauses der Beklagten wurde der natürliche Wasserabfluß am Hang zwischen der höher und der tiefer gelegenen Straße verändert. Größere Regenmengen versickern am Wegkörper kaum. Weder der Weg noch das Grundstück der Beklagten hatte bis zum Dezember 1995 Entwässerungsanlagen. Ein Unwetter mit Starkregen im Sommer 1995 führte auf der Terrasse der VN zu einem Wasserstand von zumindest 15 cm. Ein Abstellraum an der Ostseite des Hauses wurde feucht. Nach einer Entfeuchtung durch einen Gewerbsmann nahm die VN an, es sei wieder "alles in Ordnung". Heftigen Niederschläge im Dezember 1995 bewirkten einen "Wassereintritt in der Wohnung" der VN. Dadurch verursachte Schäden zeigten sich insbesondere an der Fußbodenkonstruktion und an den Wänden. Der Fußboden im Erdgeschoß liegt noch etwa 11 cm "unter Geländeniveau". Der Eintritt eines solchen Schadens wäre auch für einen Sachverständigen nicht vorhersehbar gewesen. Ein solcher hätte unterstellen dürfen, daß die Außenwände des Hauses auf dem Grundstück 925/3 "gegen Niederschlags- und Hangwasser abgedichtet" seien; diese waren jedoch im Bereich der Terrassentür und der Stirnseite des Hauses bis Dezember 1995 undicht. Die Wasseransammlung auf dem Grundstück 925/3 beeinflussen infolge der Hanglage auch die nordöstlich gelegenen Grundstücke 925/2 und 925/4. Mit auf das Grundstück 925/3 abfließendem Hangwasser muß wegen seiner Lage am tiefsten Punkt der näheren Umgebung gerechnet werden. Durch Einlaufschächte auf dem (auch) das Grundstück der Beklagten erschließenden Weg wäre ein Wasserabfluß davon auf das Grundstück 925/3 vermeidbar gewesen. In Ermangelung einer solchen Entwässerungsanlage konnte das Niederschlagswasser im Sommer und im Dezember 1995 vom Weg, aber auch vom Garagenvorplatz auf dem Grundstück der Beklagten bis zum Gartentor auf dem Grundstück 925/3 abfließen und dort bis zur Hausterrasse vordringen. Nicht feststellbar ist, in welchem Umfang Schäden in der Wohnung der VN durch die Ereignisse im Sommer und im Dezember 1995 verursacht wurden.

Die klagende Partei erbrachte ihrer VN aufgrund des Wasserschadens einen "angemessenen" Betrag von 139.040 S als Versicherungsleistung und wendete außerdem noch 5.415 S für ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Schadensausmaßes auf. Der Vater der VN, diese selbst und deren Ehegatte zedierten der klagenden Partei die ihnen "aufgrund der Schadensereignisse durch Wassereintritte ..., aus welchem Rechtsgrund auch immer, zustehenden Ersatzansprüche ... zum Inkasso".

Die klagende Partei begehrte als Legalzessionarin gemäß § 67 VersVG, aber auch aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zession durch ihre VN, deren Ehegatten und den Vater der ersteren den Zuspruch von 144.455 S sA (Ersatzleistung an die VN 139.040 S, Aufwand von 5.415 S für ein Gutachten zur Ermittlung des Schadensausmaßes). Sie brachte vor, der Schaden, den sie ihrer VN ersetzt habe, sei durch Niederschlagswasser verursacht worden, das sich zunächst auf dem Grundstück 928/3 und dessen Zufahrtsweg gestaut habe, dann "mangels einer sachgerechten Abflußeinrichtung" auf das Grundstück 928/3 geflossen und dort schließlich "bei der Terrassentüre" des Hauses in die Küche der VN eingedrungen sei. Die Beklagte habe für den nach den Regenfällen im Sommer und im Dezember 1995 eingetretenen Schaden, der allein durch die mit der Errichtung deren Hauses und seines Zufahrtswegs verknüpften "Veränderung des natürlichen Wasserverlaufs am Hang" verursacht worden sei, als Grundeigentümerin verschuldensunabhängig nach § 364a ABGB, aber auch aus dem Titel des Schadenersatzes einzustehen, weil ihr vorwerfbar sei, "die notwendigen Vorkehrungen für eine entsprechende Entwässerung nicht getroffen" zu haben. Gemäß § 39 Abs 1 WRG dürfe der Eigentümer eines Grundstücks überdies den natürlichen Abfluß der sich dort ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer - auch aus atmosphärischen Niederschlägen - "zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern". Eine solche Änderung sei der Beklagten jedoch durch die Errichtung ihres Hauses und seines Zufahrtswegs anzulasten. Sie habe daher auch ein Schutzgesetz verletzt.

Die Beklagte wendete ein, nur zu einem Drittel Miteigentümerin des Weggrundstücks zu sein. Sie könne daher maximal mit diesem Bruchteil für den Gesamtschaden in Anspruch genommen werden. Der private Zufahrtsweg sei "entsprechend den einschlägigen Bauvorschriften" errichtet worden. Der Wasserabfluß auf das Grundstück 925/3 nach starken Regenfällen im Dezember 1995 sei nicht nur über das Weggrundstück erfolgt. Ein Versickern des Wassers sei wegen des gefrorenen Bodens nicht möglich gewesen. Verantwortlich für den Wasserschaden der VN sei überdies der Eigentümer des Grundstücks 925/3, weil die rund um sein Haus verlegten Waschbetonplatten das Versickern des Wassers noch zusätzlich verhindert hätten. Die Wasserimmissionen hätten "das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschritten". Der Wasserschaden wäre auch eingetreten, wenn die Errichtung des Wegs unterblieben wäre. Er sei - selbst für einen Sachverständigen - unvorhersehbar gewesen, weil der Weg "weder Bau- noch Zustandsmängel" aufgewiesen habe. Eine "vormals direkt an der Privatstraße" errichtete kleine Gartenmauer sei abgetragen worden, was erst das Eindringen von Wasser auf dem Grundstück 925/3 ermöglicht habe. Demnach hätte schon die (Wieder-)Errichtung einer "Steinabgrenzung" das Abfließen von Wasser auf dieses Grundstück verhindert. Der geltend gemachte Ersatzanspruch sei ferner überhöht, weil die Geschädigte die Instandsetzungsarbeiten "offensichtlich selbst durchgeführt" habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; es stellte - abgesehen vom einleitend wiedergegebenen Sachverhalt - ferner fest, es sei nicht feststellbar, ob der Schaden in der Wohnung der VN durch das vom Grundstück der Beklagten und dessen Zufahrtsweg abgeflossenes Niederschlagswasser verursacht worden sei. Rechtlich meinte es, die klagende Partei habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen der vom Grundstück der Beklagten ausgehenden Einwirkung und dem eingetreten Schaden am Nachbargrundstück nicht nachweisen können, sei doch eine Schadensverursachung durch Hang- und Sickerwasser von anderen Grundstücken zumindest gleich wahrscheinlich.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach zunächst aus, daß "die ordentliche Revision - vorbehaltlich des § 508 ZPO - nicht zulässig" sei. Diesen Ausspruch änderte es sodann mit Beschluß vom 15. Juni 1999 dahin ab, daß die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Beklagte habe für einen Schaden, der durch das von ihrem Grundstück abgeflossene Wasser zumindest mitverursacht worden sei, nur bei Verschulden einzustehen. Die Regelung des § 364a ABGB sei nicht anzuwenden, weil "die von der Beklagten errichtete Zufahrtsstraße nicht einer behördlich genehmigten Anlage gleichzusetzen" sei, "deren Genehmigung einen Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB ausschlösse". Die Eigentümer des Grundstücks 925/3 hätten die auf Regenwasser beschränkte Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse dann nicht hinnehmen müssen, wenn die dadurch verursachten Immissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt hätten. Im Baurechtsverfahrens hätte überdies auf eine fachgerechte Herstellung der Zufahrtsstraße durch eine taugliche Entwässerungsanlage gedrungen werden können. Zweck der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 364a ABGB sei nur "der Ausgleich jener immissionsbedingter Schäden, die ein Grundeigentümer im öffentlichen Interesse und im Interesse der Volkswirtschaft ohne die Möglichkeit einer Abhilfe im Wege eines behördlichen Verfahrens hinnehmen" müsse. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Aus "§ 39 Abs 2 WRG" (gemeint offenkundig § 39 Abs 1 WRG) sei der geltend gemachte Anspruch ebensowenig ableitbar, weil sich diese Regelung nur auf Grundstücke landwirtschaftlichen Charakters beziehe. In Ermangelung einer solchen Eigenschaft des oberen oder des unteren Grundstücks scheide ein derartiger Ausgleichsanspruch aus. Im Anlaßfall seien die betroffenen Grundstücke Bauflächen. Die Beklagte hafte aber auch nicht aus dem Titel des Schadenersatzes, weil sie den am Nachbargrundstück eingetretenen Wasserschaden - selbst unter Zugrundelegung des nach § 1299 ABGB für einen Sachverständigen bedeutsamen Sorgfaltsmaßstabs - nicht habe vorhersehen können. Es sei nicht behauptet worden, daß der Beklagten das erstmalige Eindringen von Wasser im Nachbarhaus im Sommer 1995 mitgeteilt worden sei. Ohne besondere Verdachtsmomente habe sie nicht annehmen müssen, ein Haus werde dem nach den örtlichen Verhältnissen zu erwartenden Wasserandrang nicht standhalten. Eine "Verpflichtung zur Prüfung der baulichen Ausführung und Dichtheit eines allenfalls betroffenen Hauses" habe nicht bestanden. Mangels Vorhersehbarkeit eines Schadens bestehe nach der Verkehrsübung auch keine Rechtspflicht, das Abfließen von Niederschlagswasser auf ein Nachbargrundstück zu verhindern. Das Erstgericht habe daher das Klagebegehren zu Recht abgewiesen. Die ordentliche Revision sei schließlich doch zuzulassen gewesen, weil der Oberste Gerichtshof "bei in den Grundzügen vergleichbaren Sachverhalten ... die analoge Anwendung des § 364a ABGB und damit einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in einem weiteren Ausmaß für zulässig erachtet habe als das Berufungsgericht".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen des vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grundes zulässig; sie ist - im Rahmen ihres Aufhebungsantrags - aber auch berechtigt.

1. Die Ausübung des Eigentumsrechts findet nach § 364 Abs 1 ABGB nur insofern statt, als dadurch nicht in Rechte eines Dritten - so in die eines Grundnachbarn - eingegriffen oder Interessen des allgemeinen Wohls verletzt werden. Mittelbare Einwirkungen vom Nachbargrundstück sind § 364 Abs 2 ABGB zufolge jedoch soweit zu dulden, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen. Der Nachbar muß aber auch durch eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB verursachte Immissionen, die über die Duldungspflicht nach § 364 Abs 2 ABGB hinausgehen, hinnehmen. Eine solche Anlage muß in einem Verfahren genehmigt worden sein, das - wie etwa jenes nach der Gewerbeordnung - eine wirksame Berücksichtigung von Nachbarinteressen erlaubt.

Seinem rechtlichen Wesen nach ist § 364a ABGB ein der Enteignung verwandter Tatbestand, weil dem Geschädigten im Interesse des Nachbarn oder im öffentlichen Interesse ein Abwehrrecht gegen Einwirkungen, die von einer behördlich genehmigten Anlage ausgehen, entzogen wird, selbst wenn sie das gemäß § 364 Abs 2 ABGB zu duldende Ausmaß überschreiten. Der Geschädigte kann aber den Ersatz des durch solche Immissionen in seinem Vermögen verursachten Schadens begehren. Dieser Anspruch ist von einem Verschulden des Nachbarn als Anlagenbetreiber unabhängig (JBl 1999, 524; ausführlich Oberhammer in Schwimann, ABGB2 Rz 3 ff zu § 364a je mwN).

1. 1. Einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch gewährt die Rechtsprechung aber auch bei ausreichenden Anhaltspunkten für eine Analogie zu § 364a ABGB. Maßgeblich dafür ist die in § 364a ABGB umschriebene Grundposition. Dieser ist gleichzuhalten, wenn dem Nachbarn ein ihm als Eigentümer "an sich" zustehendes Abwehrrecht erschwert wird, weil eine behördliche Bewilligung den Anschein der Rechtmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen schafft und deshalb die Abwehrmöglichkeit, wenngleich rechtlich nicht ausgeschlossen, so doch faktisch derart beeinträchtigt wird, daß der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muß. So hat etwa die behördliche Bewilligung von Baumaßnahmen wie eine behördliche Anlagengenehmigung nach § 364a ABGB die tatsächliche Wirkung, daß der Grundnachbar solche Baumaßnahmen als anscheinend gefahrlos hinnimmt, weil er - durch die Autorität der behördlichen Bewilligung verleitet - glaubt, sie hinnehmen zu müssen. (1 Ob 221/98a; JBl 1999, 520 [Rummel]; JBl 1999, 524; RdU 1998, 197; Oberhammer aaO Rz 5 zu § 364a je mwN). Es muß sich dabei allerdings immer um Immissionen handeln, die durch unmittelbare Emissionen der im einzelnen bedeutsamen Anlage bewirkt werden und für deren Betrieb typisch sind (1 Ob 221/98a; JBl 1999, 524; RdU 1998, 197; SZ 69/220 je mwN).

1. 2. Die Streitteile unterstellen im Revisionsverfahren ausdrücklich, daß die hier maßgeblichen Einwirkungen, so sie der Beklagten nach Immissionsrecht zuzurechnen sein sollten, durch Maßnahmen auf Grundlage einer baubehördlichen Bewilligung verursacht wurden. Insofern sind daher die unter 1. 1. erläuterten Analogievoraussetzungen verwirklicht. Der Anlaßfall erfordert demnach keine Auseinandersetzung mit den zuletzt von Rummel (JBl 1999, 523 [Glosse]) erörterten Analogiegrenzen, weil die durch eine behördliche Bewilligung geschaffene Analogiegrundlage nach der die ständige Rechtsprechung billigenden überwiegenden Ansicht (siehe dazu Kerschner, Kausalitätshaftung im Nachbarrecht?, RdU 1998, 10; Oberhammer aaO Rz 5 je mwN) solche Grenzfragen nicht berührt. Ist eine Analogiegrundlage nach 1. 1. - wie im Anlaßfall - zu bejahen, so stellt sich als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs nach § 364a ABGB auch nicht die Frage, ob der Nachbar schadensursächliche Immissionen durch die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs hätten abwehren können und daher, wie die Beklagte erstmals im Revisionsverfahren behauptet, nicht in den Genuß einer analogen Anwendung des § 364a ABGB kommen könnte, läßt doch die Gewährung eines solchen Ausgleichsanspruchs die Zulässigkeit der Eingriffsabwehr unberührt (SZ 67/138). Der Ausgleichsanspruch besteht also in einem derartigen Fall nicht nur dann, wenn etwa die Unterlassungsklage wie bei einem Störfall als einmaliges Ereignis zu spät käme oder die Schädigung nicht vorhersehbar war (idS auch Oberhammer aaO Rz 5 zu § 364a)

1. 3. Die voranstehend erörterte Rechtslage wurde vom Berufungsgericht mangels Beachtung der jüngeren ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verkannt. Allein dieser Umstand kann aber dem Klagebegehren, wie nachstehend noch darzulegen sein wird, nicht schon jedenfalls zum Erfolg verhelfen.

2. Die VN ist weder Eigentümerin des Grundstücks 925/3 noch Mieterin ihrer Wohnung. Nicht zu erörtern ist daher, ob einem Mieter, dem die immissionsrechtliche Unterlassungsklage seit der Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs zu 7 Ob 654/89 (= SZ 62/204) zugebilligt wird, auch einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB kraft eigenen Rechts hat, wenn er in der Ausübung seiner Mietrechte durch übermäßige Einwirkungen von einem Nachbargrundstück beeinträchtigt wird (siehe zum Sondertatbestand des § 8 Abs 3 MRG SZ 67/155).

Die Feststellungen erlauben keine abschließende rechtliche Beurteilung der Rechtsstellung der VN. Der Klageanspruch ließe sich aber nur dann schlüssig aus § 67 Abs 1 VersVG ableiten, wenn die Ersatzleistung der klagenden Partei einen Schaden beträfe, für den gegenüber der VN ein Dritter haftet. Ob das Klagebegehren in § 67 Abs 1 VersVG eine Stütze fände, muß indes nicht geklärt werden, weil der Klageanspruch auch auf eine feststehende rechtsgeschäftliche Zession der Ansprüche durch einen der Miteigentümer des Grundstücks 925/3 gestützt wurde, Miteigentümern zweifellos Ansprüche nach § 364a ABGB zustehen und die Beklagte in keinem Verfahrensabschnitt - so auch nicht im Revisionsverfahrens - einwendete, die klagende Partei sei in Ermangelung einer Abtretung durch beide Miteigentümer des Grundstücks 925/3 nicht aktiv legitimiert. Es erübrigt sich daher, der Frage nachzugehen, ob derjenige Miteigentümer, der den Zessionsvertrag mit der klagenden Partei schloß, die Gemeinschaft im Sinne des § 848 ABGB "ordentlich vorstellte" (zur Problemlage Hofmeister/Egglmeier in Schwimann aaO Rz 3 zu § 848). Insofern ist also die Aktivlegitimation der klagenden Partei ein erledigter Streitpunkt, der im fortgesetzten Verfahren nicht neuerlich aufgerollt werden darf (siehe etwa SZ 69/127).

3. Auf verschuldensunabhängige Ausgleichs- ansprüche gegen mehrere Personen, die den Haftungstatbestand gemeinsam verwirklichten, wendet der Obersten Gerichtshof die für deliktische Ersatzansprüche geltenden Grundsätze - also auch § 1302 ABGB - an. Danach haften mehrere, nicht gemeinsam wirkende Schadensstifter solidarisch, wenn einzelnen bestimmte Schadensteile auf der Verursachungsebene nicht zugerechnet werden können oder jeder einzelne eine notwendige Bedingung für den ganzen Schaden setzte. Der erstgenannte Fall bewirkt eine solidarische Haftung der Nebentäter sogar für Schäden, die einzelnen nicht sicher zurechenbar sind; für die Haftungsanknüpfung genügt also eine potentielle Kausalität (SZ 67/155 mwN).

3. 1. Kommen mehrere Eigentümer in Betracht, deren Grundstücke nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls Ursache für den durch mittelbare Immissionen entstandenen Schaden gewesen sein könnten, ohne daß feststellbar wäre, in welchen physikalisch gesicherten Anteilen sich die konkreten schadensstiftenden Einwirkungen entweder auf alle oder nur auf einzelne Grundstücke zurückführen lassen, so kann das - entsprechend der unter 3. erläuterten Rechtslage - nichts an der Solidarhaftung jedes der Grundeigentümer ändern. Der Kläger hat also insoweit nur nachzuweisen, daß jedes der einzelnen Grundstücke nach gewichtigen physikalischen Wahrscheinlichkeitskriterien, auf die unter 4. nochmals zurückzukommen sein wird, für die schädigenden Immissionen ursächlich gewesen sein kann. Der Geschädigte trägt somit nicht das Risiko der Unaufklärbarkeit der wahren Schadensursache; dieses Risiko tragen vielmehr die nach bereits erläuterten Prämissen als Haftpflichtige nach Immissionsrecht in Betracht kommenden Personen (Näheres zum gleichen Grundsatz nach Kriterien alternativer Kausalität im Schadenersatzrecht etwa bei Harrer in Schwimann aaO Rz 26 f zu § 1302).

3. 2. Unter Heranziehung der bisherigen Ausführungen kann daher die Solidarhaftung der Beklagten für den geltend gemachten Gesamtschaden - entgegen deren Prozeßvorbringen im Verfahren erster Instanz - nicht schon deshalb ausscheiden, weil sie bloß Miteigentümerin des Weggrundstücks zu einem Drittel ist, steht doch fest, daß sich der Abfluß von Niederschlagswasser auf das Grundstück 925/3 nicht nur vom Zufahrtsweg, sondern auch vom Garagenvorplatz auf dem Grundstück 928/2, dessen Alleineigentümerin die Beklagte ist, ereignete.

3. 3. Das Berufungsgericht ließ die Beweisrüge der klagenden Partei gegen die erstgerichtliche Negativfeststellung, es sei nicht feststellbar, ob der eingeklagte Wasserschaden durch Niederschlagswasser verursacht worden sei, das vom Grundstück der Beklagten und dessen Zufahrtsweg abgeflossen sei, vor dem Hintergrund seiner unzutreffenden Ansicht, die Beklagte hafte nur für Verschulden, unerledigt. Diese Negativfeststellung ist jedoch im Kontext der weiteren Tatsachen nicht wegen des vom Gericht zweiter Instanz herangezogenen Grundes, sondern zufolge der Erwägungen unter 3., 3. 1. und 4. 1. nicht entscheidungswesentlich.

4. Die Beantwortung der Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises ist ein Akt der rechtlichen Beurteilung, die Wertung, ob ein solcher Beweis im konkreten Einzelfall erbracht oder durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, fällt dagegen in den Bereich der nicht revisiblen Beweiswürdigung (1 Ob 168/98g; RdW 1998, 129 mwN aus der Rsp; Fasching, LB2 Rz 897; Harrer aaO Rz 5 zu § 1296).

Der Anscheinsbeweis beruht auf typischen Geschehnisabläufen, deren Verwirklichung auch im konkreten Fall wahrscheinlich ist. Er dient demjenigen als Beweiserleichterung, der anspruchsbegründende Tatsachen darzutun hat, modifiziert insofern das Beweisthema und daher auch den Umfang der Beweislast und kann vom Gegner durch den Beweis eines ernsthaft in Betracht zu ziehenden atypischen Geschehnisablaufs entkräftet werden (1 Ob 168/98g; RdW 1998, 129 mwN aus der Rsp).

4. 1. Der Nachweis potentieller Kausalität im Sinne der Ausführungen unter 3. und 3. 1. ist seiner Natur nach ein Anscheinsbeweis. Auch beim hier bedeutsamen Schaden, dessen Ursache der Abfluß von Niederschlagswasser von mehreren Grundstücken verschiedener Eigentümer sein kann, läßt sich nicht strikt beweisen, ob als notwendige Ursachen des Schadens alle in Betracht kommenden Abflußströme oder nur einzelne davon wirkten, welche allenfalls einzelnen Abflußströme ausschlaggebend waren und welcher Teil des Schadens auf welchen konkreten Abflußstrom oder auf welches bestimmte Bündel an Abflußströmen zurückzuführen ist.

Ob aber entweder der klagenden Partei der Beweis des ersten Anscheins oder der Beklagten der Entkräftungsbeweis aufgrund der vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen gelang, darf als nicht revisible Tatfrage nicht der Oberste Gerichtshof beurteilen. Diese Beurteilung wird vielmehr das Gericht zweiter Instanz im zweiten Rechtsgang nachzutragen haben.

5. Ein Mitverschulden des Geschädigten kann auch gegen einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB eingewendet werden (1 Ob 221/98a; SZ 69/220; SZ 54/137; Oberhammer aaO Rz 6 zu § 364a).

Dieser Umstand hat allerdings im Anlaßfall keine relevanten Auswirkungen, weil sich in den Urteilen der Vorinstanzen keine Feststellungen finden, die sich auf die Tatsachenbehauptungen der Beklagten zu dem von ihr im Verfahren erster Instanz eingewendeten Mitverschulden der Miteigentümer des Grundstücks 925/3 bezögen. Feststellungsmängel in dieser Hinsicht wurden weder im Berufungs-, noch im Revisionsverfahren gerügt. Die Beklagte stützte ihren Mitverschuldenseinwand dagegen nicht auf die mangelnde Dichtheit des Hausmauerwerks auf dem Grundstück 925/3, wozu Feststellungen vorhanden wären.

6. Der erkennende Senat tritt im übrigen den Erwägungen des Berufungsgerichts zur Verneinung eines schadensursächlichen Verschuldens der Beklagten bei. Unter Heranziehung der voranstehend dargestellten Rechtslage zur analogen Anwendung des § 364a ABGB stellen sich - auch nach Ansicht der Revisionswerberin - nicht mehr die im Rechtsmittel zu § 39 Abs 1 WRG aufgeworfenen Rechtsfragen. Eine Haftung der Beklagten nach § 364a ABGB dem Grunde nach wird daher im fortgesetzten Verfahren zu bejahen sein, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis kommen sollte, daß die den Klagegrund bildenden Einwirkungen nach den erläuterten Kriterien ursächlich für den festgestellten Wasserschaden waren und das nach § 364 Abs 2 ABGB zulässige Maß überschritten.

7. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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