OGH 1Ob620/94

OGH1Ob620/9429.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Johannes L*****, vertreten durch Zamponi, Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagten Parteien 1) Josef W***** und 2) Theresia W*****, beide vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer und Dr .Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, wegen 433.266,38 S sA und Duldung (Revisionsinteresse 270.000 S) sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgerichts vom 23. Juni 1994, GZ 6 R 10/94-82, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26. August 1994, GZ 6 R 10/94-84, womit aus Anlaß und infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 3. November 1993, GZ 3 Cg 199/92-74, teils als nichtig aufgehoben, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 17.136 S (darin 2.376 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer eines - laut Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet ausgewiesenen - unbebauten Grundstücks im Ausmaß von 873 m2 in Osthanglage mit einer Hangneigung von 10 Grad, das talseitig durch ein je zur Hälfte im Eigentum der Beklagten stehendes - laut Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesenes - Grundstück begrenzt wird. Am 20. und 21. Juli 1979 wurden auf dem Grundstück der Beklagten über Auftrag des Erstbeklagten und mit Wissen der Zweitbeklagten und Duldung durch diese Baggerungen (Grabungen) durchgeführt und dabei von der angrenzenden Straße aus nach Nordwesten etwa 15 m bis 20 m fast horizontal entsprechend dem Straßenniveau abgegraben und nach drei Seiten der Übergang zum benachbarten natürlichen Gelände mit steil ausgeführter Böschungsneigung hergestellt. Etwa eine Woche danach rutschte der Hang des Klägers infolge der durch diese Baggerungen bedingten Entfernung des Hangfußes in einer Länge von etwa 20 m und einer Breite von etwa 10 m (Rutschmasse etwa 80 bis 100 m3) auf das Grundstück der Beklagten ab; die Tiefe der Absenkung beträgt durchschnittlich 45 cm, an der tiefsten Stelle sogar 75 cm. Durch die Rutschung entstand eine Mulde, an deren Abrißkante Wasser eintritt. Überdies wird ein Rückstau in den Hang hinein und ein zusätzlicher Strömungsdruck hervorgerufen. Der Hang befand sich bei natürlicher und eingeleiteter Wasserführung und dem gegebenen Bodenschichtenaufbau vor Durchführung der Baggerungen im Gleichgewichtszustand; der gegebene Bodenschichtenaufbau sowie die natürliche und durch Versickerung häuslicher Abwässer - aus der vom Kläger auf dem Nachbargrundstück betriebenen Fremdenpension - verursachte Bodenfeuchtigkeit hätten ohne Baggerungen zu keiner Rutschung geführt. Selbst ohne versickerte häusliche Abwässer wäre es durch die Baggerungen zur Rutschung gekommen.

Die Kosten der bisher seit 14 Jahren unterbliebenen Sanierung betragen je nach ihrer Art etwa 220.000 S (Sanierung durch Anschüttung) bis 415.000 S (Sanierung durch Errichtung einer Stützmauer). Bis zur Sanierung ist das Grundstück nicht bebaubar und nur als Ergänzungsfläche zum Bauland, als nicht bebaubare Erweiterung vorhandener bebaubarer Grundflächen zu betrachten und nur mit dem halben Baulandpreis zu bewerten. Der ortsübliche Baulandpreis beträgt, bezogen auf den Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, indexberichtigt 300 S/m2. Es besteht somit, solange der Hang nicht saniert ist, eine objektive Wertminderung des Grundstücks des Klägers von 131.000 S.

Der Kläger begehrte von den Beklagten 433.226,38 S sA als Wiederherstellungsaufwand für die durch die Baggerungen der Beklagten verursachten massiven Rutschungen und Bodenzerstörungen auf seinem Grundstück aus dem Titel des Schadenersatzes, insbesondere aus dem Nachbarrecht, sowie die Duldung einer Hangsanierung entsprechend dem Hauptbegehren in der Form, daß die erforderlichen Bauauswirkungen auf dem Grundstück der Beklagten zuzulassen seien.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, die Rutschung sei nicht vorhersehbar gewesen und dafür nicht die von ihnen vorgenommene Baggerung, sondern die rechtswidrige Ableitung von Abwässern durch den Kläger, der im Rahmen seiner Fremdenpension eine nicht genehmigte Senkgrube errichtet habe, ursächlich gewesen. Wenn eine Haftung der Beklagten bestehe, so jedenfalls nur im Umfang der objektiven - mit Null anzusetzenden - Wertminderung des Grundstücks des Klägers.

Das Erstgericht verhielt die Beklagten zur Zahlung von 131.000 S samt 4 % Zinsen seit 13. März 1981 (Tag der Klagsbehändigung) und wies das Mehrbegehren ab. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Kläger nunmehr tatsächlich eine Sanierung durchführen lassen werde. § 364 ABGB gewähre dem Geschädigten einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch, doch dürfe keine Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers eintreten. Fiktive Reparaturkosten seien daher nur in Höhe der objektiven Wertminderung zuzusprechen. Bei einem Wert des Grundstücks vor der Rutschung von 300 S/m2 und nach der Rutschung von 150 S/m2 betrage der objektive Schaden rund 131.000 S. Da die Sanierung nur fiktiv sei, sei das obsolete Duldungsbegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil durch Zuspruch von 270.000 S samt 4 % Zinsen seit 12. Oktober 1993 (Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz) teilweise ab; das Zahlungsmehrbegehren von 163.266,83 S sA wies es ebenso unangefochten ab wie es in Ansehung des Duldungsbegehrens das Ersturteil wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs als nichtig aufhob und die Klage in diesem Umfang zurückwies. Die zweite Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und stellte - nach Beweiswiederholung durch Verlesung des in erster Instanz mündlich nicht erörterten Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. Herbert S***** - ferner fest, das Grundstück des Klägers weise nach Sanierung durch Anschüttung noch immer eine objektive Wertminderung von 50.000 S auf. In rechtlicher Hinsicht vertrat die Berufungsinstanz im wesentlichen die Auffassung, das Erstgericht habe den gegen den genannten Sachverständigen gerichteten Ablehnungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, weil hinreichende Gründe iS des § 355 und des § 19 Z 2 JN, die Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, nicht vorlägen. Die Beiziehung keines weiteren Sachverständigen durch das Erstgericht begründe aus im einzelnen genannten Gründen keinen Verfahrensmangel. Soweit die Beklagten einzelne Punkte des Sachverständigengutachtens ON 80 für aufklärungsbedürftig ansehen, hätten sie in erster Instanz gemäß § 357 ZPO die mündliche Gutachtenserörterung verlangen können. Im übrigen lägen die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Ausgleichsanspruchs analog § 364a ABGB vor. Die Beklagten hätten in ihrer Klagebeantwortung zutreffend vorgebracht, daß die Abgrabungen zufolge § 41 Abs 1 lit h Oö. BauO keiner Bewilligung der Baubehörde bedurften. Gegen ein von der Bewilligungspflicht ausgenommenes Bauvorhaben könne sich der Nachbar ebensowenig wehren wie gegen ein behördlich bewilligtes. Auch sei nicht von vornherein ersichtlich gewesen, wie tief das Gelände abgebaggert werden solle und ab wann die Gefahr einer Hangrutschung drohe. Wenn aber - wie auch von den Beklagten behauptet - die Gefahr einer Hangrutschung nicht vorhersehbar gewesen sei, so hätten die Abgrabungen der Beklagten zunächst den Anschein der Rechtmäßigkeit gehabt, womit dem Kläger keine Abwehrmöglichkeit zugestanden sei und jede Unterlassungsklage zu spät gekommen wäre. Umfänglich sei die Haftung nach § 364b ABGB nicht wie Schadenersatz nach § 1332 ABGB auf den gemeinen Wert zur Zeit der Beschädigung beschränkt, sondern umfasse volle Schadloshaltung, weswegen der Kläger grundsätzlich den Wiederherstellungsaufwand fordern könne; freilich müsse eine Bereicherung des Geschädigten vermieden werden. Da der Kläger in der letzten mündlichen Streitverhandlung ausdrücklich gesagt habe, vorzuhaben, die Rutschung zu sanieren, bestehe keine Veranlassung, vom Gegenteil auszugehen. Die zu den fiktiven Reparaturkosten ergangene Judikatur sei daher hier unanwendbar, zumal der Kläger eine Leistungsklage auf Naturalrestitution hätte erheben und die Kosten der vertretbaren Handlung nach § 353 EO verlangen oder von vornherein auf das Interesse nach § 368 EO hätte abstellen können. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dürften Autoreparaturkosten den Zeitwert (vor Schädigung) um etwa 15 % übersteigen; diese Rechtsprechung sei hier unanwendbar, weil Liegenschaften keine vertretbaren Sachen seien, für die durch Austausch voller Ersatz geleistet werden könne. Zudem wäre, wenn der Schädiger wie hier volle Schadloshaltung schulde, die Tunlichkeit der Wiederherstellung nicht eng auszulegen. Allerdings treffe den Geschädigten bei Zuspruch eines die objektive Wertminderung übersteigenden Schadenersatzes die Obliegenheit zur Schadensbehebung. Die Schadenminderungspflicht gebiete dem Kläger, die billigste Sanierungsmethode zu wählen, welche nach den erstgerichtlichen Feststellungen 220.000 S erfordere. Da das Grundstück des Klägers auch nach Sanierung durch Anschüttung immer noch eine objektive Wertminderung von 50.000 S aufweise, ergebe sich - bezogen auf den Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz als Bewertungsstichtag - ein Zuspruch von insgesamt 270.000 S. Den Einwand der Untunlichkeit der Sanierung hätten die Beklagten nicht erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

a) Der Einwand der Revisionswerber, zu Unrecht hätten das Erstgericht ihren gegen den Sachverständigen gerichteten Ablehnungsantrag zurückgewiesen und das Berufungsgericht diese Zurückweisung bestätigt, entzieht sich ebenso wie der im Verfahren erster Instanz erfolglos gestellte Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen als erstinstanzlicher Verfahrensmangel einer Überprüfung durch das Revisionsgericht, gleichgültig, ob er in der Berufung nicht geltendgemacht oder von der zweiten Instanz bereits verneint wurde (EFSlg 73.026, 64.136; JBl 1990, 535 uva; Kodek in Rechberger, Rz 3 zu § 503 ZPO mwN). Die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten zum selben Beweisthema einzuholen sei (10 Ob S 191/94; SSV-NF 7/12 uva) oder ob die eingeholten Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigten (10 Ob S 77/94; 10 Ob S 172/93; 10 Ob S 171/93 uva), gehören in das Gebiet der nicht revisiblen Beweiswürdigung (vgl Kodek aaO).

b) Nach § 364 Abs 1 ABGB darf die Ausübung des Eigentumsrechts, wozu auch Baggerungen gehören, grundsätzlich nur insofern stattfinden, als dadurch in die Rechte eines Dritten, somit auch des Grundnachbarn, nicht eingegriffen wird. Zweck der Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB ist es, im Interesse eines friedlichen Zusammenlebens der Nachbarn die Kollision zwischen gleichrangigen Eigentumsrechten zu regeln und die Befugnisse benachbarter Grundeigentümer abzugrenzen (JBl 1991, 247 mit Anm von Rummel = WoBl 1990, 133 = ecolex 1990, 604 mit Anm von Wilhelm = MietSlg 42.149; SZ 61/61, SZ 56/94 = MietSlg 35.028; Spielbüchler in Rummel 2, Rz 1 zu § 364 ABGB). § 364b ABGB verbietet die Vertiefung des eigenen Grundstücks auf eine Weise, daß dem Nachbargrund die Stütze entzogen wird, ohne daß das ortsübliche Maß überstiegen werden muß (JBl 1993, 188; MietSlg 21/17 ua; Pimmer in Schwimann, Rz 4 zu § 364b ABGB). Eine solche Vertiefung kann auch durch Abgraben eines Hangs an der Grundgrenze (Pimmer aaO Rz 3 zu § 364b ABGB) oder, wie hier, durch Abgraben des Hangfußes (Bassenge in Palandt, BGB54, Rz 3 zu § 909 unter Hinweis auf BGH in NJW 1980, 1679) verursacht werden: Zweck der Bestimmung des § 364b ABGB ist die Sicherung der Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen Vorkehrungen, die einen Eingriff in die natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit des Nachbargrundstücks bewirken (SZ 61/61 mwN zur § 364b ABGB vorbildlichen Bestimmung des § 909 BGB). Neben einem nicht zu beurteilenden Unterlassungsanspruch ist ein vom Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch bei nur aus § 364 Abs 2 und § 364b ABGB abgeleiteten Ansprüchen nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus der Interessenlage ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB anbieten. Hiebei ist an die Grundsituation des § 364a ABGB anzuknüpfen, daß dem Geschädigten ein Abwehrrecht genommen sein muß, das ihm nach Inhalt seines Eigentums „an sich“ zugestanden wäre (JBl 1993, 654; JBl 1993, 191; SZ 65/38 = JBl 1992, 641 mit Anm von Rummel = EvBl 1992/176 = ecolex 1992, 406 = RdW 1992, 304; SZ 63/185 = JBl 1991, 110 = EvBl 1991/15 = ecolex 1991, 81 mit Anm von Wilhelm; SZ 61/61; zuletzt JBl 1995, 317 ua; Pimmer aaO, Rz 53 zu § 364 ABGB mwN). Der Geschädigte hat einen Ersatzanspruch, weil er im öffentlichen Interesse oder im höher bewerteten Interesse des Nachbarn - ähnlich wie bei der Enteignung - über die normale Duldungspflicht des § 364 Abs 2 ABGB hinausgehende Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muß.

Wie das Berufungsgericht zur Begründung der Zulassung der ordentlichen Revision zutreffend ausführte, betraf die überwiegende Anzahl der bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen Fälle von baubehördlich bewilligten Bauvorhaben (vgl die Beispiele bei Pimmer aaO Rz 54 zu § 364 ABGB), bei denen infolge der mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Annahme der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen die Abwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. In den Entscheidungen SZ 61/61, SZ 63/185 und 1 Ob 19/93 = SZ 66/147 = RdU 1994, 70 = ecolex 1994, 317 war aber über Schäden abzusprechen, die bei ohne behördliche Genehmigung durchgeführten Erdbewegungsarbeiten, bei einer Gewässerverunreinigung bzw. bei einer Brunnenverunreinigung durch Düngung von landwirtschaftlichen Flächen mit Jauche auftraten. In diesen Fällen wurde in analoger Anwendung des § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch des Geschädigten bejaht: Der Schaden sei bereits eingetreten gewesen, ehe der von dieser Einwirkung Betroffene die Möglichkeit zur Ausübung des Untersagungsrechts faktisch habe nützen können, sodaß er sich in einer Situation wie derjenige befunden habe, dem aus anderen Gründen die Unterlassungsklage verwehrt gewesen sei. Die Abwehr ist zwar nicht rechtlich, etwa nach § 340 ABGB, aber faktisch derart erschwert, daß der Nachbar die bauliche Maßnahme praktisch hinnehmen muß (JBl 1995, 317). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Der Hinweis der Revisionswerber, der Kläger hätte aufgrund der länger andauernden Arbeiten gerichtliche Schritte gegen die Bauausführung einleiten und letztlich durch eine einstweilige Verfügung die Durchführung der gesamten Bauarbeiten verhindern können, ist angesichts der Dauer der schadensursächlichen Baggerungen von nur zwei Tagen und des etwa acht Tage später eingetretenen Schadens nicht nur feststellungsfremd, sondern die Beklagten übersehen auch, daß die Geltendmachung des - auch im Rahmen des Nachbarrechts zulässigen (SZ 47/62 ua) - vorbeugenden Unterlassungsanspruchs die konkrete Besorgnis einer unzulässigen Vertiefung voraussetzt. Der Kläger hätte ein bestimmtes, die Festigkeit seines Grundstücks gefährdendes Verhalten der beklagten Nachbarn als materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung zu behaupten und zu beweisen (bzw. zu bescheinigen) gehabt. Wenn - wie die Beklagten selbst behaupten - die Gefahr einer Hangrutschung nicht vorhersehbar war, so kann es umso weniger dem Kläger zugemutet werden, der von den Beklagten geschaffenen Gefahrensituation mit vorbeugender Unterlassungsklage zu begegnen (vgl SZ 61/61). Selbst die Anspruchsbescheinigung zur Begründung einer einstweiligen Verfügung wäre dem Kläger faktisch unmöglich gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Bauvorhaben der Beklagten einer behördlichen Bewilligung bedurft hätte oder nicht, weil die Baubewilligung nicht als behördliche Genehmigung iS des § 364a ABGB zu beurteilen ist (JBl 1995, 317; SZ 56/158 ua). Die Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch, daß es sich um solche Schäden handeln muß, die für den Betrieb der „Anlage“ typisch sind (JBl 1995, 317; SZ 65/38, SZ 61/7; Spielbüchler aaO Rz 3 zu § 364a ABGB), liegt hier vor.

Dem Kläger gebührt demnach in Analogie zu § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch. Für diesen ist entgegen den Revisionsauführungen auch die Zweitbeklagte passiv legitimiert, weil eine Haftung des Liegenschafts(mit)eigentümers nur in Ausnahmefällen zu verneinen ist (EvBl 1976/190 mwN; Pimmer aaO Rz 10 zu § 364 ABGB), jedenfalls aber nicht, wenn der Hälfteeigentümer - wie hier - die vom anderen Hälfteeigentümer beauftragte schadensursächliche Baumaßnahme duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre (SZ 65/38, SZ 63/3, SZ 59/47 = JBl 1986, 719 = ImmZ 1986, 175, je mwN ua) und damit der erforderliche Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Schadenseintritt hergestellt ist (Spielbüchler aaO Rz 5 zu § 364 ABGB, Rz 7 zu § 364a ABGB, Rz 3 zu § 364b ABGB): Als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft hätte die Zweitbeklagte die schadensursächlichen Baggerungen als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung rechtlich verhindern können (§§ 834 ff ABGB), diese Möglichkeit jedoch nicht genutzt. Beide Beklagten haben daher das schädigende Verhalten des vom Erstbeklagten mit Wissen der Zweitbeklagten und Duldung durch sie mit der Bauführung beauftragten Unternehmers und seiner Leute zu vertreten (SZ 65/38 ua) und haften für den Ausgleichsanspruch des Klägers zur ungeteilten Hand.

c) Dieser Ersatzanspruch gegen den Nachbarn ist auf den Ausgleich aller nachteiligen Auswirkungen von Veränderungen an Grund und Boden auf die Nachbarliegenschaft gerichtet, in erster Linie aber auf die Wiederherstellung des vorigen Zustands durch Behebung der eingetretenen Schäden (Pimmer aaO Rz 55 zu § 364 ABGB), etwa durch Wiederherstellung der erforderlichen Stütze (SZ 41/74, SZ 4/84; Pimmer aaO Rz 8 zu § 364b ABGB). Der Ausgleichsanspruch ist einem Entschädigungsanspruch aus Anlaß der Enteignung gleichzustellen (SZ 65/38) und richtet sich auf volle Genugtuung (SZ 43/139 = JBl 1971, 571 = EvBl 1971/16 mwN; SZ 25/67 = JBl 1953, 17 ua; Spielbüchler aaO Rz 9 zu § 364a ABGB mwN; Pimmer aaO Rz 57). Für die Berechnung des zu ersetzenden Interesses sind daher die subjektiven Verhältnisse des Geschädigten maßgebend (SZ 65/38 mwN). Es ist nach dem Wert der beschädigten oder zerstörten Sache gerade im Vermögen des Geschädigten zu fragen. Dies geschieht mit Hilfe der „Differenzmethode“: Das zu leistende Interesse besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (Koziol-Welser, Grundriß I10 459 f). Da sämtliche Auswirkungen auf das Vermögen des Geschädigten berücksichtigt werden müssen, ist die Schadensfeststellung nicht im Zeitpunkt der Schädigung abzuschließen, vielmehr müssen spätere Auswirkungen, vor allem der entgangene Gewinn (SZ 65/38), in die Betrachtung einbezogen werden.

Auch auf einen Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB in analoger Anwendung des § 364a ABGB ist die Bestimmung des § 1323 ABGB anzuwenden (Pimmer aaO Rz 56 zu § 364 ABGB); danach ist der Schaden in erster Linie durch Zurückversetzung in den vorigen Stand (Naturalrestitution) auszugleichen: Der Geschädigte ist demnach primär real so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis gestellt wäre (SZ 63/53); im vorliegenden Fall wäre demnach das Grundstück in den vorigen Zustand zurückzuversetzen (SZ 43/124). Nach ständiger Rechtsprechung hat der Geschädigte auch Anspruch auf Ersatz der bloß fiktiven Wiederherstellungskosten, das sind die zur Wiederherstellung notwendigen und angemessenen Kosten, gleichgültig, ob er die Schadensbehebung tatsächlich durchführen läßt oder sonstwie verwendet, weil es Sache des Geschädigten ist, wie er den ihm als Schadensgutmachung zukommenden Betrag verwendet (SZ 63/46 = GesRZ 1990, 100 = AnwBl 1990, 399 mit Anm von Arnold = ecolex 1990, 410; zu den fiktiven Reparaturkosten von Kraftfahrzeugen: Harrer in Schwimann, Rz 50 zu § 1323 ABGB; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht Allgemeiner Teil3 314). Ist Naturalherstellung nicht möglich oder „nicht tunlich“, so ist Geldersatz zu leisten. Dieser soll die Vermögenseinbuße ausgleichen. Tunlichkeit bildet bei Möglichkeit die Grenze der Ersatzpflicht der Naturalherstellung. Auch bei - wie hier bloß beabsichtigter - Naturalherstellung macht unverhältnismäßiger Aufwand diese untunlich (vgl EvBl 1989/103 ua). Bei Strittigkeit des für die Lösung der Rechtsfrage „Tunlichkeit“ maßgebenden Sachverhalts trifft die Beweislast den Schädiger (vgl ZVR 1980/235 ua; Reischauer aaO Rz 9 zu § 1323 ABGB mwN). In diesem Sinn ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten sich auf Untunlichkeit nicht berufen, zu verstehen. Untunlichkeit ist insbesondere gegeben, wenn die Wiederherstellung den berechtigten Interessen des Schädigers widerspricht, wenn die Wiederherstellung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Kriterien wegen der hohen Kosten nicht sinnvoll erscheint, wenn also etwa die Reparaturkosten den Wert der Sache im Zeitpunkt der Schädigung („Zeitwert“) erheblich übersteigen (Koziol-Welser aaO 458). Nach der neueren Rechtsprechung sind deshalb einerseits die fiktiven Schadensbehebungskosten nur mehr bis zur Höhe der Minderung des gemeinen Werts der beschädigten Sache (SZ 66/17 = JBl 1993, 786 = ecolex 1993, 377 mit Anm von Welser; SZ 63/46; JBl 1990, 718 mit Anm von Huber; JBl 1988, 249 = ZVR 1988/129; ZVR 1987/38 mwN; SZ 55/28 ua; Reischauer in Rummel 2, Rz 12 zu § 1323 ABGB; Apathy, Kommentar zum EKHG, Rz 15 zu § 16 EKHG mwN) - und zwar nicht bloß bei Kraftfahrzeugen (vgl SZ 66/17 und JBl 1990, 718) - zu ersetzen und andererseits wird verlangt, daß Kosten tatsächlich durchgeführter Schadensbehebungen den Wert der Sache nicht erheblich übersteigen: Eine der Aufgabe des Ersatzrechts widersprechende Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers soll vermieden und jener nicht besser als ohne den Schadensfall gestellt werden.

Steht bereits fest, daß die Reparatur nicht durchgeführt wird, so ist im Sinne dieser Judikatur ein über die objektive Wertminderung hinausgehendes Begehren abzuweisen. Im vorliegenden Fall hat aber die zweite Instanz ausgeführt, der Kläger habe in der letzten mündlichen Streitverhandlung ausdrücklich ausgesagt, vorzuhaben, die Rutschung zu sanieren, und es bestehe keine Veranlassung, vom Gegenteil auszugehen. Dies stellt eine das Revisionsgericht bindende Tatsachenbeurteilung der Berufungsinstanz dar, der Kläger werde nun die Wiederherstellung seines Grundstücks vornehmen. Damit hat der Kläger aber den ihm obliegenden Beweis (2 Ob 5/94 = ecolex 1994, 386), die Wiederherstellung werde durchgeführt, erbracht. Es genügt, daß der Geschädigte die Beseitigung des Schadens beabsichtigt (Harrer aaO Rz 51 zu § 1323 ABGB); er muß seine Liegenschaft nicht schon vor der Schadensliquidierung wiederherstellen lassen und ist nicht gehalten, erst den Schaden auf eigene Kosten zu sanieren und erst dann Ersatz zu begehren. Der Ausgleichsgedanke wird dabei auch ohne die hier nicht begehrte Vorschußleistung (Reischauer aaO Rz 13 zu § 1323 ABGB) nicht über Gebühr bemüht.

Bei Autoreparaturen nimmt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung Untunlichkeit im Sinne von Reparaturunwürdigkeit dann an, wenn die Instandsetzungskosten den Zeitwert vor der Schädigung erheblich übersteigen (ZVR 1987/94, ZVR 1987/38 ua; Reischauer aaO Rz 9 zu § 1323 ABGB mwN; Harrer in Schwimann, ABGB Rz 43 ff zu § 1323 mwN).

Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall indessen - wie das schon das Gericht zweiter Instanz richtig erkannte - nicht uneingeschränkt anwendbar. Der Vorrang der Naturalrestitution beruht auf der Erwägung, daß sie den besten und vollständigsten Ersatz bewirkt; sie ist daher am geeignetsten, den Ausgleichsgedanken zu verwirklichen, weil - anders als beim Geldersatz - durch sie der ohne das schädigende Ereignis gegebene tatsächliche Zustand hergestellt wird. Auch werden dem Geschädigten die mit der Wiederanschaffung verbundenen Mühen abgenommen. Bietet die Naturalrestitution somit den vollkommensten Ausgleich, ist sie auch durchzuführen, wenn sie teurer kommt als der Geldersatz, und zwar selbst dann, wenn - wie hier - der gesamte Schaden auf diese Weise nicht ersetzt werden kann. Nur wenn die Wiederherstellung einen unverhältnismäßigen Aufwand an Kosten und Mühen erfordert, scheidet sie wegen Untunlichkeit aus (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 173 f).

Diesen auf den Vorrang der Naturalrestitution abstellenden Grundsätzen ist im besonderen Maß bei Liegenschaften Geltung zu verschaffen: Anders als Kraftfahrzeuge und ähnliche Gebrauchsgüter sind sie nicht nur keine vertretbaren Sachen, für die durch Austausch voller Ersatz geleistet werden kann, sondern überdies als knappe Wirtschaftsgüter nur in weitaus geringerer Zahl vorhanden und überhaupt nicht vermehrbar. Bei Beschädigung solcher Güter ist deshalb - ähnlich wie bei Sachen ohne Verkehrswert - zu fragen, ob ein verständiger Eigentümer in der Lage des Geschädigten die Kosten aufwenden, ob also ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, diesen Aufwand gleichfalls bestreiten würde (vgl EvBl 1989/103; Reischauer aaO Rz 9a zu § 1323; vgl auch die Regelung bei Verletzung von Tieren in § 1332a ABGB).

Da die Beklagten das gesamte subjektiv zu berechnende Interesse zu ersetzen haben (SZ 65/38; Koziol aaO 203), dürfen der Tunlichkeit der Wiederherstellung (§ 1323 ABGB) keine engen Grenzen gezogen werden. Im vorliegenden Fall ist der (unbebaute) Teil jenes Grundstücks, auf welchem der Kläger eine Fremdenpension betreibt, vom Schaden betroffen (Ersturteil, S.3), sodaß - von seiner Warte aus gesehen - ein ganz besonderes Interesse an der Wiederherstellung der Liegenschaft in deren früher gegeben gewesenen, durch den Schadensfall jedoch verlorenen Bebauungseignung anzuerkennen ist. Die Frage, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Grundeigentümer in der Lage des geschädigten Klägers den früheren Zustand der Grundfläche trotz des die objektive Wertminderung erheblich übersteigenden Instandsetzungsaufwands wiederherstellen würde, um das Grundstück entsprechend nutzbar zu machen, ist deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats eindeutig zu bejahen, zumal von einem unverhältismäßig hohen Aufwand bei Abwägung aller Umstände hier noch nicht gesprochen werden kann.

Daran ändert auch nichts, daß eine vollkommene Zurückversetzung in den früheren Zustand selbst bei der aufwendigsten Instandsetzungsvariante nicht gelingen könnte, sondern eine restliche Wertminderung verbliebe: Diese ist dann eben - wie schon weiter oben ausgeführt - in Geld auszugleichen.

Der vom Gericht zweiter Instanz zuerkannte Schadenersatzbetrag (Aufwand der kostengünstigsten Instandsetzung von S 220.000,-- zuzüglich verbliebener Wertminderung von S 50.000,- -) ist deshalb zu billigen, weshalb der Revision der Beklagten ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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