Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 4.783,68 (darin enthalten S 797,28 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte verschuldete am 7. März 1992 als Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW einen Verkehrsunfall, bei dem der PKW VW-Passat der Klägerin beschädigt wurde. Die Klägerin war Erstbesitzerin des Fahrzeuges, das vorschadensfrei war und einen Zeitwert von S 203.000 S hatte. Nach dem Unfall war dieser PKW nur mehr S 75.000 wert.
Die Klägerin, die ihr beschädigtes Fahrzeug bislang nicht reparieren ließ, begehrte zuletzt (nach Klagseinschränkung zufolge Zahlung eines Betrages von S 128.000 durch die Zweitbeklagte) S 70.745 samt Anhang aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Klagsbetrag errechnet sich aus der Differenz der fiktiven Reparaturkosten von S 168.745 zuzüglich der - von der Klägerin mit S 30.000 veranschlagten (tatsächlich aber nur S 21.000 betragenden) - merkantilen Wertminderung und dem von der Zweitbeklagten bezahlten Betrag.
Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, die Klägerin wolle ihren beschädigten PKW gar nicht reparieren lassen, sondern ihn in unrepariertem Zustand weiterverkaufen. Mit der Zahlung von S 128.000 sei die Klägerin bereits schadlos gestellt.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand, der Klägerin S 61.745 sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren wies es ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es noch folgende wesentliche Feststellungen:
Der beim Unfall beschädigte PKW der Klägerin wurde abgemeldet und steht in unrepariertem Zustand bei der Firma VW-S*****. Die Klägerin wartet mit einer Entscheidung über das weitere Schicksal ihres PKWs bis zum Ausgang des Rechtsstreites. Sie besitzt eine gute wirtschaftliche Bonität.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zwar durch die objektive Wertminderung limitiert sei. Diesen Entscheidungen läge aber der Tatbestand zugrunde, daß das havarierte Fahrzeug in unrepariertem Zustand bereits verkauft worden sei, was im gegenständlichen Fall nicht zuträfe. Es widerspreche jedem vernünftigen Rechtsdenken, dem Schädiger das Recht einzuräumen, den Beschädigten zur sofortigen Sachentscheidung zu zwingen und Bedingungen zu setzen. Es bestehe keine Rechtsvorschrift, die die dem Geschädigten zustehenden Alternativen bei der Schadensregulierung auf den Schädiger übertrage. Künftige Prognosen der Beklagten seien unbeachtlich und zudem auch unbewiesen geblieben. Die Beklagten hätten die Reparaturkosten nicht bevorschußt; höchstens dadurch hätten sie die Klägerin möglicherweise unter Zugzwang setzen können.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteiles gerichteten Berufung der Beklagten Folge und wies das verbliebene Klagebegehren ab. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
Nach ständiger Rechtsprechung bestehe bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, gleichgültig, ob die Reparatur durchgeführt werde oder nicht (sogenannte fiktive Reparaturkosten). Wie der Oberste Gerichtshof in den letzten Jahren (in Abkehr von seiner ursprünglich vertretenen Rechtsansicht) ständig ausgesprochen habe (vgl. JBl 1985, 41; 1988, 249 u.a.), könnten fiktive Reparaturkosten in voller Höhe aber dann nicht zugesprochen werden, wenn sie höher als die objektive Wertminderung seien, weil sonst dem Geschädigten nicht nur der ihm gebührende Ausgleich für den erlittenen Schaden zukäme, sondern er auf Kosten des Schädigers bereichert würde. Lehre und Rechtsprechung stimmten darin überein, daß der Geschädigte primär Anspruch auf Wiederherstellung der beschädigten Sache durch den Schädiger oder auf Ersatz der Schadensbehebungskosten habe, solange die Reparaturkosten nicht den Zeitwert vor der Schädigung erheblich überstiegen (Reischauer in Rummel**2 § 1323 Rz 9; JBl 1988, 249 uva). Während also ein Geschädigter, der das beschädigte Fahrzeug (unrepariert) verkaufe oder für die Anschaffung eines Neufahrzeuges in Zahlung gebe, nur Anspruch auf Geldersatz in Höhe der objektiven Wertminderung habe, seien dem Geschädigten, der sein Fahrzeug reparieren lasse, die vollen Kosten zu ersetzen, auch wenn sie den Zeitwert des Fahrzeuges geringfügig überstiegen. Letzteres müsse auch für einen Geschädigten gelten, der sein Fahrzeug reparieren lassen wolle, dies aber zum Zeitpunkt der Geltendmachung seiner Schadenersatzforderung noch nicht getan habe, weil er dazu aus finanziellen Rücksichten nicht in der Lage gewesen sei. In diesem Fall wäre der Schädiger zu einer entsprechenden Bevorschussung verpflichtet (Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung, 87 ff; derselbe in JBl 1985, 43). Im vorliegenden Fall sei nicht zweifelhaft, daß die Klägerin, deren "gute Bonität" festgestellt worden sei, finanziell sehr wohl in der Lage gewesen wäre, ihren PKW reparieren zu lassen. Die Klägerin habe aber gar nicht behauptet, zur Reparatur des PKW entschlossen zu sein; ihr Geschäftsführer habe vielmehr deponiert, mit einer diesbezüglichen Entscheidung bis zum Ende des gegenständlichen Rechtsstreites zuwarten zu wollen, ohne aber darzutun, ob bzw. in welcher Richtung der Ausgang des Prozesses diese Entscheidung beeinflussen werde. An der Klägerin, die zunächst einen rechnerischen Schaden nur in Höhe des von der Zweitbeklagten bezahlten Betrages von S 128.000 erlitten habe (vgl. Apathy in JBl 1985, 42), wäre es aber entgegen der Meinung des Erstgerichtes gelegen, zu behaupten und zu beweisen, daß sie ihren PKW tatsächlich noch reparieren lassen werde und daher Anspruch auf Ersatz der für diese Reparatur prognostizierten höheren Kosten habe. Diesen Beweis habe die Klägerin aber nicht einmal angetreten. Daß die Klägerin, wie in der Berufungsverhandlung am 3. November 1993 erörtert worden sei, ihren PKW bis dahin - immerhin mehr als eineinhalb Jahre nach dem Unfall - nicht reparieren habe lassen, spreche für die Vermutung bzw. Behauptung der Beklagten, die Klägerin wolle das Fahrzeug gar nicht selbst reparieren lassen, sondern im beschädigten Zustand verkaufen. Die Ansicht der Klägerin, nicht zur Bevorschussung der Reparaturkosten verpflichtet zu sein, stehe im Widerspruch zur Rechtsmeinung des Höchstgerichts, das in seiner Entscheidung ZVR 1985/131 ausgesprochen habe, daß ein Geschädigter dann doch zum Einsatz eigenen Kapitals verpflichtet gewesen wäre, wenn ihm dies leicht möglich gewesen wäre. Daß die Klägerin nicht über die notwendigen Mittel für eine Reparatur ihres Fahrzeuges verfügt hätte, habe sie gar nicht behauptet. Der Ersatz der fiktiven Reparaturkosten der Klägerin sei mit der objektiven Wertminderung zu limitieren; durch die Zahlung von S 128.000 sei ihr Schaden daher abgegolten.
Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil die über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsame Frage, wer die Beweislast dafür trage, ob der Geschädigte eine Reparatur (oder einen Verkauf) beabsichtige (und unter dieser Voraussetzung unter Umständen mehr als die objektive Wertminderung vom Schädiger ersetzt verlangen könne), bisher vom Höchstgericht nicht entschieden worden sei.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, fiktive Reparaturkosten lägen nur dann vor, wenn der PKW in unrepariertem Zustand tatsächlich verkauft werde. Sie warte lediglich mit der Reparatur bis zur Klärung des Rechtsstreites zu. Die Reparaturkosten zuzüglich der Wertminderung würden den Zeitwert unterschreiten, weshalb die Reparatur tunlich und die Klägerin berechtigt sei, von den Beklagten Naturalherstellung zu begehren. Sei der für die Lösung der Rechtsfrage "Tunlichkeit" maßgebende Sachverhalt strittig, so treffe die Beweislast den Schädiger, weil er sich von der ihn primär treffenden Pflicht befreien wolle. Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe zu beweisen, daß sie ihren PKW tatsächlich reparieren lassen werde, sei verfehlt. Wolle man dem folgen, so müßte der Geschädigte den PKW bereits vor Schadensliquidierung reparieren lassen, damit der Schädiger Reparaturkosten und merkantile Wertminderung ersetzen müsse. Eine derartige Verpflichtung bestehe für den Geschädigten nicht. Hiebei könne auch die "gute Bonität" der Klägerin keine Rolle spielen. Die Beklagten wären verpflichtet gewesen, die Reparaturkosten in voller Höhe zu bevorschussen. Die Klägerin habe bewiesen, daß ein abstrakter Schaden in Höhe der Reparaturkosten und Wertminderung entstanden sei, womit sie ihrer Beweislast genügt habe. Für das Vorliegen eines niedrigeren konkreten als des verlangten und bewiesenen abstrakten Schadens treffe den Schädiger die Beweislast. Der dem Beklagten obliegende Beweis, daß die Reparatur tatsächlich nicht durchgeführt werde, sei nicht erbracht worden.
Hiezu wurde erwogen:
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß sich nach nunmehr ständiger Rechtsprechung der Zuspruch fiktiver Reparaturkosten in voller Höhe verbietet, wenn die Reparaturkosten höher als die objektive Wertminderung sind. Andernfalls würde man die Prinzipien des Schadenersatzrechtes verlassen und dem Geschädigten nicht nur den ihm gebührenden Ausgleich für den erlittenen Schaden zuerkennen; es würde vielmehr eine Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers eintreten (SZ 55/28; JBl 1985, 41 mit Anmerkung von Apathy = ZVR 1985/344; JBl 1988, 249 = ZVR 1988/129; JBl 1990, 718; SZ 63/46; vgl. Apathy, EKHG § 16 Rz 15 mwN; Reischauer in Rummel**2 § 1323 ABGB Rz 12). Steht bereits fest, daß die Reparatur nicht durchgeführt wird, so ist im Sinne dieser Judikatur ein über die objektive Wertminderung hinausgehendes Begehren abzuweisen.
Im vorliegenden Fall steht allerdings noch nicht fest, ob der PKW der Klägerin repariert wird. Soweit die Klägerin in der Revision vorbringt, die Aussage ihres Geschäftsführers ("Was mit dem havarierten Auto geschehen soll, ist noch nicht definitiv entschieden ....... Ich möchte abwarten, welchen Schaden die gegnerische Versicherung bezahlt, und erst dann werde ich eine Entscheidung treffen"; AS 78) hätte so verstanden werden müssen, daß der PKW nach Bezahlung der vollen Reparaturkosten auch tatsächlich repariert werde, wendet sie sich unzulässigerweise gegen die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die Klägerin mit einer Entscheidung über das weitere Schicksal ihres PKWs bis zum Ausgang des Rechtsstreites wartet.
Was nun die strittige Beweislastfrage anlangt, so besteht die Grundregel, daß jede Partei, die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Normen beweisen muß; d.h. daß jeder, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen hat (Fasching, Lehrbuch**2 Rz 882). Die Klägerin hatte demnach die Höhe ihres Schadens zu beweisen. Die festgestellte Differenz des gemeinen Wertes ihres PKWs vor und nach der Beschädigung (vgl. JBl 1990, 721 ua) wurde ihr von der Zweitbeklagten ohnehin ersetzt. Die Voraussetzungen für einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Ersatz von hiedurch nicht gedeckten fiktiven Reparaturkosten und merkantilem Minderwert waren von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen. Sie traf daher die Beweislast dafür, daß die Reparatur durchgeführt wird, zumal sie auch die bessere Zugangsmöglichkeit zu diesem - in der Regel wohl leicht, etwa durch Parteienvernehmung zu erbringenden - Beweis hatte und keinen Negativbeweis führen mußte (Fasching aaO Rz 883). Das bedeutete - entgegen ihrer Ansicht - keineswegs, daß sie den PKW schon vor der Schadensliquidierung hätte reparieren lassen müssen. Die Klägerin hat aber eine definitive Reparaturabsicht nicht einmal behauptet, sondern ihre Entscheidung über das weitere Schicksal des PKWs ausdrücklich offen gelassen. Unter diesen Umständen mußten die Beklagten ihrer im allgemeinen bei Naturalherstellung bestehenden Vorschußpflicht nicht nachkommen. Es nützt der Klägerin nichts, daß diese Pflicht ansonsten unabhängig von ihrer Bonität bestanden hätte, weil sie eigenes Kapital nicht einsetzen mußte (SZ 60/157 u.a.; Apathy, EKHG § 16 Rz 10 und 23; Reischauer aaO Rz 13 mwN; vgl. aber ZVR 1985/131; Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 91).
Die von der Klägerin erwähnte Tunlichkeit der Reparatur ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Reparaturkosten und merkantilen Minderwert übersteigenden Zeitwert vor der Beschädigung unbestritten; es kommt daher nicht darauf an, wen hiefür die Beweislast trifft.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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