OGH 3Ob44/70

OGH3Ob44/708.7.1970

SZ 43/124

Normen

ABGB §1323
ZPO §454
ABGB §1323
ZPO §454

 

Spruch:

"Wiederherstellung des letzten Besitzstandes" i S des § 454 ZPO bedeutet "Zurückversetzung in den vorigen Stand" i S des § 1323 ABGB, wobei keine genaue sondern eine soweit als mögliche Wiederherstellung genügt

OGH 8. Juli 1970, 3 Ob 44/70 (LG Innsbruck 2 R 591/69; BG Matrei in Osttirol C 75/69 )

Text

Mit rechtskräftigem Versäumungsendbeschluß des Erstgerichtes vom 24. August 1966 wurde die nunmehr klagende Partei auf Grund einer Besitzstörungsklage gem § 454 ZPO verurteilt, auf den Grundstücken Nr 3396/1 Wiese und 3540/10 Wald der KG M den früheren Zustand durch Zuschütten eines neuangelegten Weges und Versetzen des Geländes in den vorigen Stand wiederherzustellen.

Die auf Grund dieses Titels mit Beschluß vom 16. September 1966 bewilligte Exekution bekämpfte die klagende Partei mit der gegenständlichen Oppositionsklage, in welcher sie ursprünglich witterungsbedingte bzw durch ein nach Hochwasser erfolgtes Einschreiten der Wasserrechtsbehörde hervorgerufene Unmöglichkeit der Leistung behauptete - diese Einwendungen wurden von den Vorinstanzen als nicht stichhältig bzw gegen § 35 Abs 3 EO verstoßend bezeichnet -, im Zuge des Verfahrens jedoch zusätzlich vorbrachte, in der Zwischenzeit ihrer Verpflichtung aus dem Exekutionstitel entsprochen zu haben.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte zur behaupteten Erfüllung vor, daß der frühere Zustand nur teilweise wiederhergestellt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den für das Revisionsverfahren noch wesentlichen tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes bestehen die beiden gegenständlichen Grundstücke im wesentlichen aus zwei nördlich und südlich des sogenannten B-Grabens ansteigenden Hängen. Der von der klagenden Partei im Zuge der Errichtung einer Pipeline vorübergehend angelegte Weg, dessen Errichtung den Gegenstand des Besitzstörungsverfahrens bildete, ist heute in der Natur nicht mehr sichtbar. Der frühere Zustand des Geländes wurde im Bereich des nördlichen Hanges praktisch zur Gänze wiederhergestellt. Der südliche Hang weist (gegen den B-Graben zu) eine Neigung von zirka 40 Grad auf. Nach Angaben des Beklagten soll früher die obere Kante dieses Hanges zirka 6 bis 8 m weiter nördlich verlaufen, der Hang also noch steiler gewesen sein. Ein derart steiler Neigungswinkel könnte nunmehr lediglich durch Errichtung einer Mauer erreicht werden, der jetzt in der Natur vorhandene Zustand stellt die einzige Möglichkeit für die Anlegung eines Naturgrundes nach Beseitigung des von der klagenden Partei vorübergehend angelegten Weges dar. Die klagende Partei hatte sich im Besitzstörungsverfahren in der Meinung kontumazieren lassen, daß eine völlige Wiederherstellung des früheren Zustandes möglich sei und wurde erst nachher von ihren Technikern darüber aufgeklärt, daß dies technisch undurchführbar ist.

Bei diesem Sachverhalt vertrat des Erstgericht die Ansicht, daß auf den Einwand der technischen Unmöglichkeit zufolge § 35 Abs 3 EO nicht Rücksicht genommen werden könne und der klagenden Partei hinsichtlich des Einwandes der Erfüllung der Nachweis der Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht gelungen sei.

Das Berufungsgericht gab infolge Berufung der klagenden Partei dem Klagebegehren statt. Es führte aus, die Feststellung des Erstgerichtes, daß der jetzige Zustand die einzige Möglichkeit der Wiederherstellung bei Anlegung eines Naturgrundes darstelle, stütze sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing R, wonach unter Berücksichtigung der durch die Verlegung der Ölleitung notwendig bedingte Veränderung der Trasse die (völlige) Wiederherstellung des früheren Zustandes (im Bereich des südlichen Hanges) nicht möglich ist. Unter Berücksichtigung der rechtmäßigen Verlegung dieser Ölleitung sei die vorgenommene Wiederherstellung die einzig mögliche Restitutionsart, daher sei die klagende Partei ihrer Verpflichtung aus dem Endbeschluß nachgekommen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die vom Revisionswerber vermißte Feststellung, daß der Sachverständige Dipl-Ing R nach seiner Erklärung das gegenständliche Gelände früher nicht gesehen hat, ist deshalb nicht entscheidungswesentlich, weil die Vorinstanzen bei ihrer Entscheidung die Erklärung des Beklagten, die Hangkante sei im südlich der Sohle des B-Grabens gelegenen Bereich früher weiter nördlich verlaufen, ohnedies als richtig unterstellten (siehe hiezu die Feststellung über die technische Unmöglichkeit der völligen Wiederherstellung des früheren Zustandes, welche nur unter dieser Voraussetzung sinnvoll ist).

Da auch bei Vornahme der vermißten Feststellung der Beklagte nur diesen Umstand für sich ableiten kann, liegt die behauptete Mangelhaftigkeit nicht vor.

Entscheidend ist vielmehr ausschließlich die Frage, ob beim festgestellten Sachverhalt die klagende Partei ihre Verpflichtung aus dem Exekutionstitel erfüllt hat oder nicht.

Das Berufungsgericht zog, insoweit ungerügt, als Feststellungsgrundlage auch die Erklärung des Sachverständigen heran, daß infolge der durch die Verlegung der Ölleitung notwendig bedingten Veränderung der Trasse, also einer auf die Verlegung der Ölleitung zurückzuführenden Veränderung des Gesamtgeländes, keine andere Wiederherstellungsmöglichkeit besteht als jene, welche die klagende Partei im Zuge des gegenständlichen Rechtsstreites ohnedies vorgenommen hat. Das Begehren auf "Wiederherstellung des letzten Besitzstandes" i S des § 454 ZPO stellt inhaltlich nichts anderes dar, als jenes auf "Zurückversetzung in den vorigen Stand" i S des § 1323 ABGB (ebenso RZ 1962, 228 u a), in beiden Fällen genügt schon grundsätzlich die Herstellung einer im wesentlichen gleichartigen Lage (ebenso Ehrenzweig II/1[2], 65, SZ 5/138, EvBl Nr 328/54, 7 Ob 253/68 u a). Falls daher eine genaue Wiederherstellung des früheren Zustandes schon von vornherein unmöglich ist wie im vorliegenden Fall (vgl SZ 5/138 u a), kann das Wiederherstellungsbegehren gem § 454 ZPO und damit auch die diesem Begehren entsprechende Wiederherstellungsverpflichtung nur dahin lauten, daß der frühere Zustand soweit als möglich wiederhergestellt wird. Da hier feststeht, daß die klagende Partei im Laufe des Oppositionsprozesses den früheren Zustand so weit als möglich wiederhergestellt hat - die Verpflichtung zur Errichtung einer früher nicht vorhandenen Mauer wäre durch den Endbeschluß nicht gedeckt -, ferner die erst nach Durchführung der Wiederherstellungsarbeiten mögliche neue Einwendung ungeachtet der Bestimmung des § 35 Abs 3 EO auch während des Rechtsstreites erhoben werden konnte (ebenso Heller - Berger - Stix, 120, SZ 2/54, JBl 1934, 172, 3 Ob 1/70 u a), tritt der Oberste Gerichtshof der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht bei.

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