European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121721
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin binnen 14 Tagen deren mit jeweils 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin ist aufgrund des Kauf‑ und Bauträgervertrags vom 1. Februar 2013 zu 142/3737 bzw 11/3737 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ *, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung W 7/19 und am Kfz‑Abstellplatz Kfz‑AP7 im Haus G* verbunden ist. Ihre Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche aufgrund von Mängeln an Allgemeinflächen der Liegenschaft hat sie an die Eigentümergemeinschaft abgetreten, diesbezüglich ist das Verfahren 45 Cg 11/17m des Erstgerichts anhängig. Gegenstand dieses Verfahrens sind von der Klägerin behauptete Mängel am Parkettboden ihrer Wohnung sowie an einem Türschloss.
Das Erstgericht wies ihr Begehren, festzustellen, dass die Beklagte für die am Parkettboden sowie am Türschloss bestehenden Mängel und sämtliche künftig aus diesen Mängeln resultierenden Schäden unbeschränkt hafte, mangels Feststellungsinteresses ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Feststellungsklagen seien zwar nicht nur zur Wahrung von Schadenersatz-, sondern auch Gewährleistungsansprüchen nach § 933 ABGB zulässig. Voraussetzung dafür sei aber, dass der Gewährleistungsberechtigte mangels Kenntnis der Ursachen der unzureichenden Leistungsqualität und deren technischen oder wirtschaftlichen Behebbarkeit noch nicht in der Lage sei, seine daraus abzuleitenden Ansprüche mit Leistungsklage geltend zu machen. Wenn Art und Umfang der Mängel bekannt seien und nur Angaben über die Höhe etwa von Verbesserungskosten fehlten, bestehe kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines konkreten Gewährleistungsanspruchs. Sei dem Gewährleistungs-berechtigten bekannt, welche Mängel vorliegen, worin deren Ursache liege und wie diese behoben werden können, stehe ihm die Leistungsklage offen.
Nach ihrem Vorbringen seien der Klägerin die Mängel in ihrer Wohnung bekannt. Die Mängel am Parkettboden könnten danach nur durch Neuerrichtung des Bodens zur Gänze behoben werden. Dass sie über die Möglichkeit der Behebung des Mangels am Türschloss im Unklaren sei, behaupte sie nicht. Sie könne ihren Verbesserungsanspruch gegen die Beklagte daher mit Leistungsklage geltend machen. Bloße Unsicherheiten in der rechtlichen Beurteilung der Durchsetzbarkeit eines Neuherstellungsanspruchs vermögen ein Feststellungs-interesse nicht zu begründen. Das Feststellungsinteresse in Bezug auf einen allfälligen Preisminderungsanspruch fehle auch deshalb, weil sie diesen im Verfahren auf Durchsetzung ihres Verbesserungsanspruchs noch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist im Wege der Klageänderung mittels Leistungsbegehren geltend machen könne. Mängel der Allgemeinflächen der Liegenschaft könnten ihr Feststellungsinteresse nicht begründen, weil sie Ansprüche daraus an die Eigentümergemeinschaft abgetreten habe und ihr Feststellungsbegehren nur die Mängel in ihrer Wohnung betreffe.
Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, unter Bedachtnahme auf die Entscheidung 1 Ob 166/98p könne auch die Ansicht vertreten werden, die von der Klägerin behauptete Ungewissheit der vollständigen Behebbarkeit der Mängel des Parkettbodens und ein in diesem Fall verbleibender, der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Preisminderungsanspruch rechtfertigten ihr Feststellungsinteresse.
In der ordentlichen Revision der Klägerin beantragt sie, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig und vermag auch keine erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
1. Der Frage, wie ein bestimmtes Prozessvorbringen zu verstehen ist, kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042828 [T3]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS‑Justiz RS0042828 [T11, T31]). Das für den Feststellungsanspruch erforderliche Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO richtet sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls, sodass auch dieser Frage – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]). Eine unvertretbare Fehlbeurteilung des rechtlichen Interesses der Klägerin auf Basis ihres Prozessvorbringens liegt hier – auch unter Berücksichtigung der in der Begründung des Zulassungsausspruchs genannten Entscheidungen – nicht vor.
2.1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse und die Subsidiarität der Feststellungs‑ gegenüber der Leistungsklage zutreffend wiedergegeben, darauf kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 erster Satz ZPO). Eine Feststellungsklage ist grundsätzlich dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann, was insbesondere dann der Fall ist, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, somit weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogenen Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder ‑anspruchs nicht in Betracht kommen (RIS‑Justiz RS0038817, RS0039021). Ebenso zutreffend verwies das Berufungsgericht auf die ständige Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0018668), wonach im Fall, dass noch nicht feststeht, welche einklagbare Rechtswirkung (Wandlung, Preisminderung oder Verbesserung bzw Schadenersatz in Folge Verzugs des Gewährleistungspflichtigen mit der Verbesserung) der Leistungsstörung entspringt, dem Gewährleistungs-berechtigten das Feststellungsinteresse zuerkannt werden muss. Voraussetzung dafür ist, dass die klagende Partei mangels Kenntnis der Ursachen des Mangels bzw der Möglichkeit der Mängelbehebung noch nicht in der Lage ist, ihre daraus abzuleitenden Ansprüche mit Leistungsklage geltend zu machen (8 Ob 66/13h mwN; 6 Ob 81/15b).
2.2. Bereits zu 5 Ob 536/89 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Kläger, wenn ihnen die Mängel der Heizanlage bekannt geworden seien und sie ausführen könnten, welche Arten der Mängelbehebung theoretisch und praktisch möglich wären, lediglich das Ausmaß der Mängel– gemeint: die Höhe der zur Mängelbehebung notwendigen Kosten – ziffernmäßig nicht feststellbar sei, sie zur Erhebung der Leistungsklage in der Lage seien. Dass ihnen die Kosten der Mängelbehebung nicht bekannt waren, ändere daran nichts.
Daran knüpfte der 7. Senat zu 7 Ob 211/97y an. Seien Art und Umfang der Mängel bekannt und fehlten nur Angaben über die Höhe von Verbesserungskosten, bestehe kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines konkreten Gewährleistungsanspruchs.
Im gleichen Sinn judizierten der 6. Senat zu 6 Ob 28/02i und der 3. Senat zu 3 Ob 227/05m: In den beiden Entscheidungen setzte sich der Oberste Gerichtshof auch mit der im Zulassungsausspruch zitierten Entscheidung 1 Ob 166/98p (= JBl 1999, 733 [krit Riedler]) auseinander. Diese sei nicht einschlägig, weil dort das Begehren auf Feststellung der Gewährleistungspflicht innerhalb der Gewährleistungsfrist erhoben und danach ein ganz konkretes Verbesserungsbegehren erhoben worden sei, in dem nicht nur der Mangel bezeichnet, sondern die durchzuführenden Arbeiten zur Behebung des Mangels im Einzelnen bis ins Detail aufgelistet waren. Deshalb habe der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 166/98p ein Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des ursprünglich gestellten Feststellungsbegehrens über die vorerst bloß angestrebte konkrete Verbesserung bejaht, um dem Kläger bei Misslingen der konkret begehrten Verbesserung einen anderen Gewährleistungsanspruch zu wahren.
2.3. Auch hier ist der Sachverhalt dem zu 1 Ob 166/98b entschiedenen Fall nicht vergleichbar; die Klägerin strebt gerade nicht – wie zu 1 Ob 166/98b – eine ganz konkrete Verbesserung im Wege eines Leistungsbegehrens an. Soweit der Entscheidung 1 Ob 166/98b überhaupt eine allgemeine Aussage dahingehend entnommen werden könnte, solange die Durchführbarkeit einer den vertragsgemäßen Zustand des Kaufobjekts herstellenden Verbesserung – unabhängig von einem konkreten Verbesserungsbegehren – ungewiss sei oder der Kläger nach erfolglosen Verbesserungsversuchen allenfalls noch andere Gewährleistungsansprüche geltend machen könne, sei ihm ein Feststellungsinteresse zuzugestehen (ablehnend Riedler, Zulässigkeit der Feststellungsklage im Gewährleistungsprozess, JBl 1999, 733; Reischauer in Rummel³ § 933 ABGB Rz 8a; Frauenberger‑Pfeiler, Zur Feststellung „des Gewährleistungsanspruchs“, ecolex 2008, 500), müsste diese im Übrigen als vereinzelt angesehen werden (so bereits 3 Ob 227/05m).
2.4 Zu 10 Ob 51/15w war ein anderer Sachverhalt zu beurteilen. Die Klägerin kannte die konkrete Schadensursache ebenso wenig wie den Gesamtumfang und das Gesamtausmaß der Mängel bzw Schäden. Mangels Vorhersehbarkeit dieser Umstände war die Ansicht der Vorinstanzen, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, ihre Ansprüche bereits mit Leistungsklage geltend zu machen, vertretbar.
Die im Zulassungsausspruch angedeutete Judikaturdivergenz liegt daher – jedenfalls in Bezug auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt – nicht vor.
3.1. Die Vorinstanzen haben das Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinn der zitierten Rechtsprechung bereits auf Basis ihres Prozessvorbringens verneint. Eine unvertretbare Fehlbeurteilung ist ihnen dabei nicht unterlaufen.
3.2. Die Klägerin hat konkrete Mängel (Unebenheit, Risse und Spalten) des Parkettbodens ihrer Wohnung behauptet. Verbesserungsversuche durch Abschleifen und Austausch von Parkettlamellen hätten die Mängel nicht beseitigt, sondern einen Farbunterschied bewirkt. Als Ursache nannte die Klägerin Verlege‑ und Verarbeitungsfehler, die Mängelbehebung sei nur durch Gesamtaustausch des Parkettbodens möglich. Auch für das Schloss der Tür liegt eine konkrete Behauptung zur Art des Mangels (Schloss reicht nicht bis zur Metallplatte) und dessen Ursache (nicht korrekte Montage, zu kurzer Zylinder) vor. Dass die Klägerin in Unkenntnis der Behebungsmöglichkeit wäre, ist ihrem Vorbringen nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen.
3.3. Der von der Klägerin ins Treffen geführte Umstand, dass sich ihr Verbesserungsanspruch nach Durchführung des Beweisverfahrens in rechtlicher Sicht „allenfalls als untunlich“ herausstellen könnte, vermag nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts ihr Feststellungsinteresse nicht zu rechtfertigen, zumal die rechtliche Qualifikation eines feststehenden Mangels Risiko des Gewährleistungsberechtigten ist (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 933 ABGB Rz 8a) und es nach der in der Revision nicht bezweifelten, zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts der Klägerin offen stünde, im Verfahren auf Durchsetzung ihres Verbesserungsanspruchs selbst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist im Wege der Klageänderung ein Preisminderungsbegehren zu erheben (vgl RIS‑Justiz RS0018763, RS0018683). Dass die Verbesserung der von der Klägerin behaupteten Mängel einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und sie daher als unbehebbar anzusehen seien (vgl RIS-Justiz RS0022044), behauptete die Klägerin nach der vertretbaren Auslegung der Vorinstanzen nicht. Auch in ihrer Revision gesteht sie vielmehr sogar ausdrücklich zu, dass ihr eine Leistungsklage wegen des als erforderlich behaupteten Parkettbodenaustauschs möglich wäre.
3.4. Dass ein allfälliger Preisminderungsanspruch betreffend den Parkettboden erst nach abschließender Klärung des Umfangs der Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft ermittelt werden könnte, trifft nicht zu. Die für die Ermittlung der Preisminderung anzuwendende relative Berechnungsmethode setzt den Wert der mangelfreien Sache in ein Verhältnis zu jenem der mangelhaften Sache (RIS‑Justiz RS0018764). Nach dem Prinzip der Erhaltung der subjektiven Äquivalenz soll die beim Vertragsschluss zugrunde gelegte Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung aufrecht erhalten bleiben (RIS‑Justiz RS0018764 [T4]). Daraus folgt zwingend, dass – allfällige – Mängel der allgemeinen Teile der Liegenschaft keine Auswirkung auf die Ermittlung einer allfälligen Preisminderung in Bezug auf das von der Klägerin erworbene Wohnungseigentumsobjekt und dessen Mängel im Inneren haben können. Auf die Frage, für welchen Gewährleistungsbehelf sich die Eigentümergemeinschaft entscheidet, an die die Klägerin sämtliche Ansprüche in Bezug auf allgemeine Teile abgetreten hat, kommt es daher nicht an. Vielmehr wären bei der Ermittlung einer Preisminderung aufgrund von Mängeln am Parkettboden bzw Türschloss zum Zweck der Erhaltung der subjektiven Äquivalenz allfällige – aufgrund Klage der Eigentümergemeinschaft ohnedies zu verbessernde oder durch Preisminderung abzugeltende – Mängel an allgemeinen Teilen außer Betracht zu lassen. Die Klägerin ist in der Wahl ihres Gewährleistungsbehelfs nicht beschränkt, weil sie – in Ansehung der Mängel nur in ihrem Wohnungseigentumsobjekt – nicht auf allfällige Mängel an allgemeinen Teilen Rücksicht nehmen muss. Damit ist aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sowohl die Höhe der Verbesserungskosten als auch einer – allfälligen – Preisminderung hätte die Klägerin durch naheliegende zweckmäßige Maßnahmen wie etwa ein Sachverständigengutachten ermitteln können (vgl RIS-Justiz RS0118968), auch hinsichtlich des Ausmaßes eines allenfalls nach Verbesserung noch verbleibenden Preisminderungsanspruchs nicht korrekturbedürftig. Ein Abweichen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zur relativen Berechnungsmethode ist nicht zu erkennen.
3.5. Dass der Klägerin nach Abklärung der Mängel an den Allgemeinflächen die Möglichkeit eröffnet sein könnte, von ihrem Wandlungsrecht Gebrauch zu machen, ist eine im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerung, darauf hat sie sich bislang nicht berufen. Im Übrigen stünde es ihr offen (RIS‑Justiz RS0018763), noch während des Prozesses im Wege der Klageänderung nach Ablauf der Frist des § 933 ABGB etwa statt Verbesserung oder Preisminderung Wandlung zu verlangen.
4. Die ordentliche Revision war mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
5. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, ihnen steht daher Ersatz der tarifgemäß verzeichneten Kosten hiefür zu (vgl RIS‑Justiz RS0035979, RS0035962).
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