OGH 4Ob96/20a

OGH4Ob96/20a22.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers M***** B*****, vertreten durch Dr. Stefan Aigner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Beklagte T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 170.001,12 EUR sA, Rente und Feststellung (Streitwert 7.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Teil‑ und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. März 2020, GZ 4 R 10/20g‑87, mit dem das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. November 2019, GZ 14 Cg 62/15k‑82, abgeändert wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00096.20A.0922.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Die angefochtene Entscheidung, die im Umfang der Abweisung einer über das gesetzliche Pensionsalter hinausgehenden Verdienstentgangsrente als unangefochten unberührt bleibt (Spruchpunkt 2.), wird hinsichtlich des Zuspruchs von 40.200,12 EUR sA (Schmerzengeld und Spesen aus Spruchpunkt 1.1.) dem Grunde nach bestätigt.

2. Im Übrigen, nämlich in Ansehung des Zuspruchs von Verdienstentgang (129.801 EUR aus Spruchpunkt 1.1.) und einer Verdienstentgangsrente ab 1. 1. 2015 bis zum Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters (Spruchpunkt 1.2.) wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde im Dezember 2005 wegen starker Unterbauchschmerzen in die urologische Abteilung des Krankenhauses eingeliefert, dessen Rechtsträger nunmehr die Beklagte ist. Aus dem im Krankenhaus aufgenommenen CT‑Befund ergab sich im Zusammenhang mit dem ausgeprägten entzündlichen Darmprozess der schlüssige Nachweis einer gedeckten Perforation, bei der die Durchführung einer Irrigoskopie nicht erforderlich bzw medizinisch nicht indiziert war. Dennoch wurde – anstelle der angezeigten antibiotischen Therapie – eine Irrigoskopie durchgeführt, wodurch die gedeckte Perforation vergrößert wurde und sich eine freie Perforation entwickelte, aus der schließlich eine eitrige Peritonitis resultierte. Im Rahmen der durchgeführten Operation wurde dem Kläger der betroffene Darmabschnitt entfernt, eine künstliche Darmausleitung hergestellt und etwa drei Monate später eine Rückoperation vorgenommen. In der Folge kam es zu weiteren Komplikationen und 2010 zu einer weiteren operativen Behandlung.

Der Kläger begehrte von der Beklagten mit seiner am 16. 4. 2015 eingebrachten Klage aufgrund des Behandlungsfehlers Schmerzengeld, Verdienstentgang und Spesen in Gesamthöhe von letztlich 170.001,12 EUR (darin Verdienstentgang in Höhe von 129.801 EUR bis Ende 2014), sowie eine monatliche Rente ab 1. 1. 2015 und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden des Klägers aus dem Behandlungsfehler.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen Verjährung ein und bestritt das Vorliegen eines Behandlungsfehlers.

Das Erstgericht gab dem Zahlungs‑ und Rentenbegehren mit Teil‑Zwischenurteil dem Grunde nach statt und behielt die Entscheidung über das Feststellungsbegehren dem Endurteil vor. Die Behandlung sei nicht lege artis gewesen. Hätte der diensthabende Radiologe dem behandelnden Chirurgen die richtige Diagnose „gedeckte Perforation“ zur Kenntnis gebracht, so hätte dem Kläger bei sach‑ und fachgerechter Behandlung sofort eine Kombinations‑Antibiotika‑Therapie verabreicht werden müssen. Darüber hinaus wäre sowohl ein konservatives Vorgehen mit Zuwarten und engmaschigen Kontrollen als auch – angesichts der heftigen Druckschmerzen im rechten Unterbauch – eine sofortige Operation am Abend der Aufnahme lege artis gewesen. Diesfalls wäre das Anbringen einer Schutzileostomie nicht erforderlich geworden, sodass jedenfalls die Gefahr einer Hernienbildung im Bereich der zur Anbringung der Schutzileostomie notwendigen zusätzlichen Schnittstelle vermieden worden wäre. Bei rein konservativem Vorgehen und Antibiotikagabe bereits am Tag der Einlieferung wie auch erst beginnend am nächsten Morgen (wie tatsächlich erfolgt) wäre bei Abstandnahme von der Irrigoskopie keine freie Perforation eingetreten. Die Beklagte habe daher für jene Folgen zu haften, die bei sach‑ und fachgerechter Diagnose und Behandlung des Klägers nicht eingetreten wären. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zahlungsanspruch dem Grunde nach, und zwar im Umfang des geltend gemachten Kapitalbetrags und der Rente bis zum Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters, wies aber das darüber hinausgehende Verdienstentgangsrentenbegehren, nämlich soweit eine Rente über das gesetzliche Pensionsalter des Klägers hinaus beansprucht werde, ab, zumal der Kläger keine besonderen Gründe vorgebracht habe, die einen Zuspruch über den Zeitpunkt des Erreichens des gesetzlichen Pensionsalters hinaus rechtfertigen könnten. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für nicht zulässig.

Mit ihrer – nach Freistellung gemäß § 508a Abs 2 ZPO vom Kläger beantworteten – außerordentlichen Revision macht die Beklagte Verfahrensmängel und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht den Einwand mangelnder Kausalität der Schadenshandlungen für den Verdienstentgang bzw die Rente entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der Höhe und nicht dem Grund des Anspruchs zugeordnet hat. Die Revision ist daher teilweise im Sinne des in eventu erhobenen Aufhebungsbegehrens berechtigt.

1. Zur Mängelrüge

1.1. Weiteres Gutachten

1.1.1. Die Revisionswerberin rügt, das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, ein weiteres Gutachten zur Frage einzuholen, ob die Irrigoskopie lege artis durchgeführt wurde. Diese Frage falle in den Fachbereich der Radiologie, sodass es dem beigezogenen Sachverständigen insoweit an der Qualifikation gemangelt habe. Das Berufungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt, sodass sein Verfahren selbst mangelhaft geblieben sei.

1.1.2. Dem ist entgegen zu halten, dass die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, eine solche der nicht revisiblen Beweiswürdigung ist (RS0043320; RS0043163 [T15]). Im Rahmen seiner Beweiswürdigung ist das Gericht entgegen der Revision auch nicht verpflichtet, bei einander widersprechenden Sachverständigengutachten ein Obergutachten einzuholen (RS0040588 [T4, T6]). Auch die Prüfung, ob ein Sachverständiger die erforderliche Fachkunde zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen aufweist, fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung, die in dritter Instanz nicht angefochten werden kann (RS0043235 [T13]; RS0043320 [T25]).

1.1.3. Entgegen der Revision liegt daher kein Verfahrensmangel vor, sondern die Rechtsmittelwerberin bekämpft unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Es ist auch unzutreffend, dass sich das Berufungsgericht nicht mit dem entsprechenden Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hätte (UA S 19 f). Dass seine Ausführungen der Revisionswerberin nicht überzeugend genug erscheinen, begründet keinen Verfahrensmangel (vgl 4 Ob 48/19s).

1.2. „Klagsänderung“

1.2.1. Die Revisionswerberin argumentiert, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sei das Vorbringen, die Perforation sei zu spät erkannt worden, eine (unzulässige) Klagsänderung. Es sei auch verspätet erstattet worden. Das Berufungsgericht sei auf die Rüge, dieses Vorbringen hätte nach § 179 ZPO zurückgewiesen werden müssen, nicht eingegangen.

1.2.2. Eine Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO liegt vor, wenn der Streitgegenstand geändert wird (RS0039388). Das ist – soweit hier relevant – dann der Fall, wenn andere oder neue rechtserzeugende Tatsachen für den Anspruch geltend gemacht werden (RS0039417 [T4]). Es ist aber keine Klagsänderung, wenn bei gleicher Tatsachengrundlage ein anderer Gesichtspunkt geltend gemacht wird oder ein allgemein gehaltenes Vorbringen konkretisiert wird (RS0039935 [T1]; 10 Ob 7/13x). Auch die auftragsgemäße Verbesserung des Vorbringens zu einem Tatsachensubstrat, das in gröberen Zügen schon Gegenstand des Verfahrens war, bewirkt keine Änderung des Klagegrundes (RS0118623 [T5]).

1.2.3. Der Kläger hat bereits in der Klage geltend gemacht, seine Befunde seien von der Beklagten nicht ernst genommen bzw fehlinterpretiert worden und die entsprechenden Therapien seien folglich zu spät eingeleitet worden. Wie die Revision hervorhebt, konkretisierte er dieses Vorbringen über Auftrag des Erstgerichts dahingehend, dass sein Begehren (auch) auf die zu spät erkannte Perforation gestützt werde. Wenn die Vorinstanzen der Ansicht sind, der Kläger habe im Sinne oben wieder gegebener Rechtsprechung sein zunächst allgemein gehaltenes Vorbringen über Auftrag des Gerichts nur konkretisiert, liegt darin keine Fehlbeurteilung.

1.2.4. Mangels neuer rechtserzeugender Tatsachen liegt auch kein Verstoß gegen § 179 ZPO vor.

1.3. Unzulässiges Zwischenurteil

1.3.1. Die Revisionswerberin rügt, für ein Zwischenurteil fehlten Feststellungen, aus denen sich ableiten ließe, dass der Kläger einen Verdienstentgang (bzw in welcher Höhe) erlitten habe, ob er gehalten sei, im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegeheit einen anderen Beruf anzunehmen, und ob hiefür noch andere Gründe als die Fehlbehandlung mitursächlich waren. Ebenfalls fehlten Feststellungen zum Ausmaß der Schmerzen, zum Pflegebedarf und zur alleinigen Kausalität der Fehlbehandlung. Schließlich sei es unzulässig, die Dauer der Rente in ein Zwischenurteil aufzunehmen.

1.3.2. Grundsätzlich ist die Frage, ob mit Zwischenurteil entschieden werden darf, eine prozessuale; ihre unrichtige Lösung begründet einen Verfahrensmangel erster Instanz, der in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn er – wie hier – vom Berufungsgericht verneint wurde (RS0040918 [T8, T18]). Dies gilt jedoch nicht für der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Feststellungsmängel zur Lösung der materiell‑rechtlichen Frage der Anspruchsvoraussetzungen, deren rechtliche Beurteilung jedenfalls revisibel ist (RS0123877).

1.3.3. Im vorliegenden Fall macht der Kläger aus einer Fehlbehandlung mehrere Ansprüche (Verdienstentgang, Schmerzengeld, Pflegekostenersatz und sonstige Spesen) geltend. Bei Anspruchshäufung in einer Klage kann ein Zwischenurteil schon dann gefällt werden, wenn auch nur ein Teilanspruch mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht und die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen auch für die anderen Teilansprüche zu bejahen sind (RS0041036), also wenn dadurch die den Grund des Globalanspruches betreffenden strittigen Fragen geklärt werden (RS0041039).

Diese Rechtsprechung hat aber nichts daran geändert, dass im Verfahren über den Grund des Anspruchs weiterhin alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle den Grund des Anspruchs betreffenden Einwendungen, somit also „die den Grund des Globalanspruchs betreffenden strittigen Fragen“ erledigt sein müssen (RS0040990). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RS0122728). Dazu zählen bei Schadenersatzansprüchen neben Verschulden und Rechtswidrigkeit auch der Kausalzusammenhang mit einer der in der Klage behaupteten Schadensfolgen, deren Eintritt an sich feststehen muss (RS0040945 [T2]).

1.3.4. Das Erstgericht hat – entgegen der Revision – ausführliche Feststellungen zu den Verletzungen des Klägers, also den aufgrund des Behandlungsfehlers notwendigen Operationen und Folgeerscheinungen getroffen. Es hat auch festgestellt, dass der Kläger dadurch Schmerzen erlitt. Die konkrete Dauer und Höhe der Schmerzperioden betrifft nicht den Grund, sondern die Höhe des Anspruchs, sodass insoweit kein Feststellungsmangel vorliegt (vgl 6 Ob 204/98p). Für einen Schadenersatzanspruch reicht zudem Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden aus (RS0026209), wobei es die Revision auch unterlässt, konkret darzulegen, welche anderen Faktoren für den Schaden kausal gewesen sein sollen.

1.3.5. Die Revision rügt aber zu Recht das Fehlen jeglicher Feststellungen dazu, welcher Tätigkeit der Kläger vor der Fehlbehandlung nachging und ob er sie wegen deren Folgen verlor. Nach den Klagsbehauptungen wurde der Kläger durch die Fehlbehandlung psychisch „aus der Bahn geworfen“ und „sozialer Stigmatisierung“ ausgesetzt, sodass er seinen Arbeitsplatz „verloren“ habe. Die Kausalität der Fehlbehandlung für diesen Verlauf wurde von der Beklagten bestritten.

1.3.6. Der Einwand mangelnder Kausalität betrifft den Grund des Anspruchs (RS0040945 [T2]). Auch wenn es sich um einen Teil eines Globalanspruchs handelt (siehe dazu 2 Ob 268/06k), hätte das Erstgericht Feststellungen zur Berufstätigkeit des Klägers vor dem Schadensereignis und zu dessen Kausalität für den behaupteten Verlust des Arbeitsplatzes treffen müssen (vgl 2 Ob 268/06k [9.a]). Die Ausmessung des Verdienstentgangs gehört zur Frage der Anspruchshöhe (RS0040783 [T1]; RS0106185 [T4]).

2. Zur Rechtsrüge

2.1. Im Rahmen der Rechtsrüge bekämpft die Beklagte die von den Vorinstanzen verneinte Verjährung. Der Kläger habe mit der Klagsführung nicht zuwarten dürfen, bis er Gewissheit über das Vorliegen eines Kunstfehlers gehabt habe. Spätestens am 4. 11. 2010 seien ihm alle anspruchsbegründenden Umstände bekannt gewesen, als die Rezidivhernie ambulant behandelt worden sei. Letztlich habe der Kläger auch gegen die Erkundigungsobliegenheit verstoßen.

2.2. Die dreijährige kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte Schaden und Schädiger so weit kennt, dass er mit Aussicht auf Erfolg Klage erheben kann (RS0034524; RS0034374). Diese Kenntnis muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kausalität zwischen Schaden und einem bestimmten Verhalten des Schädigers und jene Umstände, aus denen sich ein Verschulden des Schädigers ableiten lässt (RS0034951 [T1, T2, T4 bis T7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten dabei nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, eine Klage mit Aussicht auf Erfolg zu führen (RS0034366; RS0034524). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht (RS0034524 [T6, T18]; 4 Ob 144/11x).

2.3. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihre Kenntnis nicht zu ersetzen (RS0034459). Der Geschädigte darf sich aber auch nicht rein passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von die Ersatzpflicht begründenden Umständen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RS0065360 [T3]; RS0034459 [T2]). Die Kenntnis gilt schon in dem Zeitpunkt als erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre, wenn er sie ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen hätte können (RS0034327 [T1]). Die Erkundigungsobliegenheit darf jedoch nicht überspannt werden (RS0034327 [T6]). Sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente voraus, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327 [T42]). Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn er durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat (RS0034603 [T2, T4, T23]; RS0113727). Im Regelfall ist ein Laie nicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen (RS0034327 [T2]).

2.4. Die Verneinung der Verjährung durch die Vorinstanzen ist im Lichte dieser Rechtsprechung zutreffend. Soweit die Revision behauptet, der Kläger habe am 4. 11. 2010 Kenntnis vom Verschulden der Beklagten gehabt, entfernt sie sich von den Feststellungen. Der Kläger suchte an diesem Tag eine ambulante Behandlung in Folge der aufgetretenen Rezedivhernie auf. Dass ihm dabei bewusst war, dieses Rezidiv sei Folge einer schuldhaften Fehlbehandlung durch die Beklagte, ist nicht festgestellt; für ein derartiges Wissen liegen auch keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr ist festgestellt, dass der Kläger Formulare der Patientenvertretung vorfand und in ihm in der Folge der Entschluss reifte, seinen Fall überprüfen zu lassen. Damit steht aber auch fest, dass der Kläger an diesem Tag gerade noch keine gesicherten Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Ärzte der Beklagten hatte.

2.5. Auch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe erst mit Vorliegen des Sachverständigengutachtens am 1. 7. 2014 ausreichend Kenntnis gehabt, eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anzustrengen, hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung. Zumal der Kläger davor ein Schiedsverfahren vor der Tiroler Ärztekammer geführt hat, in dem kein Fehlverhalten der Beklagten festgestellt wurde, kann ihm auch keine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit vorgeworfen werden. Welche Umstände ihn ausnahmsweise zur Einholung eines Privatgutachtens verpflichten hätten sollen, ist nicht erkennbar und wird auch von der Revision nicht substanziiert dargelegt. Vielmehr durfte der Kläger zunächst darauf vertrauen, dass die Entscheidung des Schiedsverfahrens Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens war; gerade dieser Spruch ließ aber keine Umstände erkennen, die ein weiteres Nachforschen nahegelegt hätten.

2.6. Wie bereits anlässlich der Ausführungen zur Frage der Klagsausdehnung dargelegt, wurde mit dem in der letzten Tagsatzung erstatteten Vorbringen nur ein bereits erhobenes Vorbringen präzisiert. Insoweit liegt daher kein einer gesonderten Verjährung zugänglicher Anspruch vor (zur Anwendung der Trennungstheorie in Arzthaftungsfällen vgl 5 Ob 68/18p).

2.7. Die Bezugnahme der Revision allein auf den Umstand, dass der Kläger verschiedene Privatgutachten eingeholt hat, ist zum Beweis der Verjährung nicht zielführend. Ihre daran anknüpfende Behauptung, der Kläger habe den Beweis, dass ihm eine frühere Einholung der Gutachten unmöglich gewesen sei, nicht angetreten, verkennt, dass nach gesicherter jüngerer Rechtsprechung die Beweislast für eine Verletzung von Erkundigungspflichten den Schädiger trifft (RS0034456 [T5]; 4 Ob 112/19b). Im Übrigen wurden die Privatgutachten nach Erstattung des erstmals eine Fehlbehandlung nahelegenden Gutachtens und erst nach Klagseinbringung eingeholt. Was daraus für die Verjährung der Ansprüche des Klägers abzuleiten sein soll, lässt das Rechtsmittel offen. Die Ansprüche des Klägers sind daher nicht verjährt.

3. Zusammenfassend ist der Revision daher teilweise Folge zu geben. Das Zahlungsbegehren besteht mit Ausnahme des Begehrens auf Verdienstentgang dem Grunde nach zu Recht. Hinsichtlich des Anspruchs auf Verdienstentgang bzw Rente ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird die oben (1.3.) bezeichneten Feststellungen zu treffen und sodann neuerlich mit Teil‑Zwischenurteil oder Endurteil zu entscheiden haben.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.

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