Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit 9.135 S (darin enthalten 1.522,50 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 6. 2. 1994 erlitt die Klägerin bei einem durch den Beklagten verschuldeten Schiunfall Rupturen des vorderen Kreuzbandes, des medialen Seitenbandes sowie des Außenmeniskus am Hinterhorn. Die Verletzungen wurden operativ versorgt, wobei sich der Heilungsverlauf zunächst unkompliziert gestaltete. Die Klägerin wurde nach 3-tägigem Krankenhausaufenthalt entlassen. Sie trug auf ärztliche Verordnung zehn Wochen lang eine Stütz-Mobilisierungschiene für das Kniegelenk und verwendete während der Dauer von acht Wochen Stützkrücken. Sie war insgesamt zwölf Wochen berufsunfähig. Zur Behandlung einer unfallskausalen zusätzlichen Komplikation (Teilverschluß und Entzündung des Venenhauptstammes am linken Bein) hielt sich die Klägerin vom 13. bis 25. 2. 1994 in der Wiener Privatklinik stationär auf. Danach litt sie an einem in der Häufigkeit sich steigernden Auslassen des linken Knies, vor allem beim Bergabgehen. Bei Überlastung kam es auch bisweilen zu einer Schwellneigung des verletzten Kniegelenks.
Mit ihrer beim Bezirksgericht St.Johann im Pongau am 16. 2. 1996 zu 3 C 640/96b eingebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst 75.000 S Schmerzengeld und 7.928,80 S an Aufwendungen für Heilmittel. Das dort eingeholte Sachverständigengutachten vom 18. 9. 1996 bejahte unfallskausale Dauerfolgen, mit Spätkomplikationen müsse gerechnet werden. Das Gutachten ergab starke Schmerzen im Zusammenhang mit Operation und Frührehabilitation in der Dauer von 3 bis 5 Tagen, mittelstarke Schmerzen in weiterer Folge unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich aufgetretenen Venenprobleme gerafft in der Dauer von 5 bis 7 Tagen und leichte sowie abklingende Schmerzen inklusive Restbeschwerden in der Dauer von 10 bis 12 Wochen.
Am 23. 1. 1997 mußte sich die Klägerin einer neuerlichen Operation unterziehen. Sie nahm danach Heilgymnastik und Massagen in Anspruch, die sie selbst bezahlte. Für die vom Sozialversicherungsträger übernommenen Leistungen hat sie einen Selbstbehalt zu zahlen.
Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens im Vorprozeß dehnte die Klägerin ihren Schmerzengeldanspruch auf 76.000 S aus. Sie führte aus, dieser Betrag werde zur Abgeltung von 8 Wochen leichter und 4 Tagen starker Schmerzen begehrt. Die zeitliche Abgrenzung des Schmerzengeldbetrages sei erforderlich, weil eine Ausdehnung des Klagebegehrens über die Streitwertgrenze von 100.000 S nicht möglich sei. Das Bezirksgericht St.Johann im Pongau gab dem Begehren der Klägerin auf Schmerzengeld und Ersatz der Heilmittelkosten zur Gänze statt. Es führte aus, das von der Klägerin begehrte Schmerzengeld von 76.000 S sei angesichts der Schwere der Verletzungen und der vom Sachverständigen ermittelten Schmerzperioden gerechtfertigt. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.
Noch vor Schluß der Verhandlung in dem beim Bezirksgericht St.Johann im Pongau geführten Verfahren brachte die Klägerin beim Landesgericht Wels eine zweite Schadenersatzklage aus demselben Schiunfall ein. Neben einem mit 110.000 S bewerteten Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für Dauerfolgen und Spätkomplikationen begehrte sie weitere 36.000 S Schmerzengeld. Dieser Betrag errechne sich für die vom Sachverständigen ermittelten (im Vorprozeß noch nicht begehrten) mittelstarken Schmerzen in der Dauer von 6 Tagen und leichten Schmerzen in der Dauer von restlich 3 Wochen. Diese Schmerzperioden seien noch nicht Streitgegenstand des Vorprozesses gewesen. Eine Ausdehnung ihres Begehrens um diese Beträge hätte die bezirksgerichtliche Wertgrenze im Vorprozeß überschritten und sei damit nicht möglich gewesen. Die nunmehrige Klage sei zur Vermeidung der Verjährung erforderlich.
Unter Hinweis auf die am 23. 1. 1997 durchgeführte weitere Operation - die der Sachverständige in seinem Gutachten noch nicht berücksichtigt habe - dehnte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren um weitere 120.000 S Schmerzengeld und 12.800 S Behandlungskosten aus.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Er nimmt zum Vorbringen der Klägerin, eine Ausdehnung ihres Begehrens im Vorprozeß sei wegen der damit verbundenen Überschreitung der Streitwertgrenze von 100.000 S nicht möglich gewesen, nicht Stellung und wendet im wesentlichen ein, Schmerzengeld sei global zu bemessen. Die Klägerin begehre unzulässigerweise Teilbeträge, die ihr angesichts des Zuspruches von Schmerzengeld im Vorprozeß nicht zustünden.
Die vom Beklagten in Ansehung des Schmerzengeldanspruches erhobene Einrede der Streitanhängigkeit ist rechtskräftig abgewiesen.
Das Erstgericht erließ ein Teil-Zwischenurteil. Es sprach der Klägerin
1. Schmerzengeld von weiteren 36.000 S zu, stellte
2. die Haftung des Beklagten für Dauerfolgen und Spätkomplikationen aus dem Schiunfall und der hieraus resultierenden Verletzung am linken Knie fest und bejahte
3. den Anspruch im Umfang der Ausdehnung des Klagebegehrens um weitere 132.800 S dem Grunde nach.
Unter Zugrundelegung des im Vorprozeß eingeholten Sachverständigengutachtens seien sowohl die Schmerzengeldforderung von weiteren 36.000 S als auch das Feststellungsbegehren gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich im Vorprozeß eine Klageausdehnung vorbehalten. Dem Erfordernis der Globalbemessung von Schmerzengeld werde insofern Rechnung getragen, als nach dem Sachverständigengutachten Schmerzengeld von insgesamt 112.000 S gerechtfertigt sei. Nach der am 23. 1. 1997 durchgeführten (und im vorliegenden Gutachten noch nicht konkret berücksichtigten) Operation müßten weitere Schmerzperioden berücksichtigt werden, wozu es einer Gutachtensergänzung bedürfe. Erst danach werde eine neue Globalbewertung der Schmerzperioden und eine abschließende Globalbemessung des Schmerzengeldes möglich sein.
Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Punkte 1 und 3 des erstgerichtlichen Urteils gerichteten Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die von der Rechtsprechung geforderte Globalbemessung von Schmerzengeld sei im vorliegenden Fall wegen Überschreitens der bezirksgerichtlichen Streitwertgrenze im Vorprozeß problematisch. Der Oberste Gerichtshof habe sich mit Fragen der globalen Bemessung von Schmerzengeld im Zusammenhang mit einer Überschreitung der bezirksgerichtlichen Streitwertgrenze bisher noch nicht befaßt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, das Erfordernis der globalen Bemessung von Schmerzengeld bedeute noch nicht, daß der Kläger das Schmerzengeld auch global einzuklagen habe. Die gegenteilige Ansicht müßte dazu führen, daß ein Kläger, der seine Klage beim Bezirksgericht erhoben hat, alle die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze übersteigenden Schmerzengeldansprüche verlieren würde. Diese Konsequenz habe die Rechtsprechung aus dem immer wieder zitierten Gebot der Globalbemessung des Schmerzengeldes bisher jedoch noch nicht gezogen. Sie wäre auch im Hinblick auf § 55 Abs 3 JN und mangels eines gesetzlichen Ausschlusses der Nachklage speziell beim Schmerzengeld nicht berechtigt und unbillig. Daß die Klägerin die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze im Vorprozeß nicht voll ausgeschöpft habe, sei bedeutungslos, weil die Summe ihrer gestellten Begehren diese jedenfalls übersteige. Dem Erfordernis der Globalbemessung sei nur in dem Sinne Rechnung zu tragen, als die Klägerin insgesamt nicht mehr und nicht weniger an Schmerzengeld zugesprochen erhalte, als sie bei Globaleinklagung mittels einer einzigen Klage ersiegt hätte. Das Ziel der Rechtsordnung, daß der Gläubiger seinen vollen, ihm nach dem Gesetz zustehenden Anspruch durchsetzen könne, sei höherwertig gegenüber der gesetzlich gar nicht vorgesehenen Pflicht des Gläubigers zur Globaleinklagung von Schmerzengeld.
Das unangefochten gebliebene Feststellungsurteil stehe dem zu Punkt 3 des angefochtenen Ersturteils erlassenen Zwischenurteil nicht entgegen, sehe doch § 393 ZPO im Falle der Bestreitung eines Anspruches dem Grunde und der Höhe nach ein Zwischenurteil dann vor, wenn die Verhandlung zunächst nur in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif ist. Es bestehe keine Identität dieses Begehrens mit der Feststellung der Haftung des Beklagten für Dauerfolgen und Spätkomplikationen nach Punkt 2 des angefochtenen Urteils, weil der rechtskräftig gewordene Ausspruch über die Feststellung der Haftung nichts über die Zulässigkeit oder die materielle Berechtigung der von der Klägerin erhobenen Nachklage aussage.
Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der seit 1968 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist das Schmerzengeld eine einmalige Abfindung. Der Anspruch ist prinzipiell als Gesamtentschädigung im Rahmen einer Globalbemessung auszumitteln, wobei auch künftige, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartende Schmerzen einzubeziehen sind. Eine ergänzende Bemessung kommt nur dann in Betracht, wenn Schmerzen bei der ersten Bemessung nicht vorhersehbar oder in ihrem Ausmaß nicht abschätzbar waren und daher das Schmerzengeld nicht zur Gänze beurteilt werden konnte (SZ 58/118; ZVR 1969/146; 1970/37; 1979/308; 1983/345; 1990/134; 1997/67; RZ 1992/41; RIS-Justiz RS0031055 und RS0031307). Mangels besonderer, vom Verletzten darzustellender Gründe steht es nicht in seinem Belieben, Teileinklagungen vorzunehmen (ZVR 1990/158 und 1997/67) bzw Schmerzengeld nur für einen bestimmten Zeitraum zu begehren (ZVR 1979/308 und 1983/345; Jarosch/Müller/Piegler/Danzl, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht6 195 ff; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 49 zu § 1325).
Diese Rechtsprechung ist in der Lehre seit langem auf Kritik gestoßen. So haben Ertl (Teileinklagung von Schmerzengeldansprüchen, VersRdSch 1970, 115 und RZ 1997, 146 ff) und Klicka (Keine Teilklage bei Schmerzengeld? ÖJZ 1991, 435 ff) die Verschieden- behandlung von Schmerzengeldforderungen in der Frage einer Teileinklagung im Sinn des § 55 Abs 3 JN mit beachtenswerten Argumenten als dogmatisch verfehlt und praktisch unzweckmäßig aufgezeigt. Ob diese Argumente ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfordern, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben:
Der Oberste Gerichtshof hat schon bisher erkannt, daß besondere, vom Kläger darzulegende Gründe die Geltendmachung von Teilbeträgen und darauffolgend eine "Nachklage" rechtfertigen (ZVR 1997/67, stRsp RIS-Justiz RS0031051; Jarosch/Müller/Piegler/Danzl aaO 198 ff). In den bisher zu beurteilenden Fällen lagen die besonderen Umstände darin, daß Verletzungsfolgen (und dadurch bedingte spätere Schmerzen) noch nicht endgültig überblickt werden konnten oder größere Schmerzen als ursprünglich im Urteil angenommen auftraten (ZVR 1983/345; 1990/158; 1997/67; RIS-Justiz RS0031055, RS0031056 und RS0031082).
Derartige "besondere Umstände" können aber auch im Prozeßrecht begründet sein. Dies ist dann der Fall, wenn verfahrensrechtliche Vorschriften dem Kläger eine Ausdehnung seines zunächst angesprochenen, (angesichts der erlittenen Schmerzen) aber als zu gering zu beurteilenden Ersatzbetrages verwehren. Stehen daher die Prozeßgesetze einer Ausdehnung des Schmerzengeldbetrages auf den angesichts der erlittenen Schmerzen angemessenen Pauschalbetrag entgegen, kann dem Verletzten eine Nachklage auf den angemessenen Differenzbetrag nicht verwehrt werden. Seine Nachklage ist in diesen Fällen schon aufgrund der besonderen Umstände gerechtfertigt.
Die Klägerin hat die ihre Nachklage begründenden besonderen Umstände schon damit dargetan, daß sie sowohl im Vorprozeß als auch in ihrer Nachklage darauf hinwies, eine zeitliche Abgrenzung des geltend gemachten Schmerzengeldbetrages sei deshalb erforderlich, weil ihr eine Ausdehnung des Klagebegehrens über die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze von 100.000 S nicht möglich (gewesen) sei. Der Beklagte hat zu diesem Vorbringen nur insoweit Stellung genommen, als er meinte, die Klägerin hätte ihr Begehren ausdehnen oder von vornherein beim Gerichtshof einklagen müssen. Dem ist zu entgegnen, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Klageeinbringung das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung noch nicht vollständig überblicken konnte, gestaltete sich doch der Heilungsverlauf zunächst unkompliziert. Daß sie zunächst nur 75.000 S beim Bezirksgericht einklagte, entsprach damit der erforderlichen prozessualen Vorsicht, die ihr nicht zum Nachteil gereichen kann. Der Umfang ihres Ersatzanspruches wurde erst durch das im Vorprozeß eingeholte Sachverständigengutachten deutlich. Zu diesem Zeitpunkt war ihr aber eine Klageausdehnung über die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze von 100.000 S durch die Prozeßgesetze verwehrt, es sei denn, der Beklagte hätte einer Ausdehnung zugestimmt. Daß der Beklagte im Vorprozeß einer Klageausdehnung über 100.000 S zugestimmt hätte, behauptet er selbst zu keinem Zeitpunkt, er bringt dies nicht einmal in der Revision vor.
Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit der Nachklage in Ansehung des aus zwingenden prozessualen Gründen im Vorprozeß noch nicht geltend gemachten Schmerzengeldteilbetrages von 36.000 S somit zu Recht bejaht.
Der Beklagte wendet sich in seiner Revision auch gegen das Zwischenurteil über den Grund jenes Schmerzengeldanspruches, den die Klägerin aus der nachfolgenden Operation vom 23. 1. 1997 ableitet. Aus Zeitpunkt und Inhalt des davor eingeholten Sachverständigengutachten vom 18. 9. 1996 ist evident, daß das Erfordernis dieser Operation im Zeitpunkt der ersten Schmerzengeldbemessung noch nicht erkennbar war. Die der Klägerin daraus entstehenden künftigen Schmerzen konnten daher im bisherigen Zuspruch noch nicht berücksichtigt werden und sind einer ergänzenden Bemessung im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung zugänglich.
Das vom Erstgericht über diese Ansprüche gefällte Zwischenurteil wird entgegen der Auffassung der Revision durch den rechtskräftig gewordenen, Dauerfolgen betreffenden Feststellungsausspruch schon deshalb nicht überflüssig, weil sich das angestrebte Rechtschutzziel von jenem des Feststellungsbegehrens wesentlich unterscheidet. Das rechtskräftig gewordene Feststellungsurteil legt bindend fest, daß der Beklagte der Klägerin für alle künftigen unfallskausalen Dauerfolgen haftet. Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen hieraus steht der Klägerin somit nach ihrem Eintritt offen. Die Klage auf weiteres Schmerzengeld aufgrund der Operation vom 23. 1. 1997 bezieht sich hingegen auf den Ersatz eines dann auch konkret erlittenen, unfallskausalen Schadens. Die Auffassung der Vorinstanzen, wonach dieser Anspruch in Ansehung seines Grundes entscheidungsreif ist (§ 393 Abs 1 ZPO), ist angesichts des hier vorliegenden Sachverhalts nicht zu beanstanden.
Der Revision des Beklagten ist somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)