OGH 4Ob93/12y

OGH4Ob93/12y18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen E***** B*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wider den Antragsgegner Dr. G***** F***** S*****, vertreten durch Mag. Josef Hofinger und Dr. Roland Menschick, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen 17.582 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 10. Februar 2012, GZ 22 R 18/11w‑55, womit infolge Rekurses des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 29. November 2010, GZ 3 Nc 27/08a‑51, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs des Antragsgegners wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

„1. Die vom Antragsgegner der Antragstellerin zu leistende Entschädigung für die Wildschäden in den betroffenen Waldgebieten, die am 7. 3. und 20. 5. 2008 bei der Jagd- und Wildschadenskommission geltend gemacht wurden (Wildschadensmeldungen Nr 1 und 2/2008), wird mit 8.825 EUR festgesetzt.

2. Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen 8.825 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 6. 2008 zu bezahlen.

3. Das Entschädigungsmehrbegehren von 8.757 EUR sA wird zurückgewiesen.“

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin war Eigentümerin der Waldgebiete W*****, H***** und B***** (Parzellen Nr 988/1, 1616, 1617 und 1618 der EZ ***** KG A*****); sie verstarb im Zuge des Gerichtsverfahrens, das nunmehr von der Verlassenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin fortgesetzt wird. Der Antragsgegner ist Pächter dieser zum genossenschaftlichen Jagdgebiet A***** gehörigen Waldgebiete.

Mit Wildschadensmeldung Nr 1/2008 vom 7. 3. 2008 machte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner als Jagdleiter des genossenschaftlichen Jagdgebiets festgestellte Wildschäden in den Revieren H*****, B***** und W***** in Höhe von 1.500 EUR geltend und ergänzte diese Schadensmeldung mit Wildschadensmeldung Nr 2/2008 vom 20. 5. 2008 auf eine Schadenshöhe von insgesamt 8.825 EUR (darin 1.500 EUR aus Wildschadensmeldung Nr 1/2008 und Kosten der Beiziehung eines Forstfachmannes von 200 EUR).

Die Jagd- und Wildschadenskommission für das genossenschaftliche Jagdgebiet A***** beim Gemeindeamt A***** gab diesen Anträgen mit Bescheid vom 20. 8. 2008 teilweise statt und verpflichtete den Antragsgegner, „den bei der Verhandlung festgelegten Schaden in der Höhe von 500 EUR an die Antragstellerin zu ersetzen“; die über diesen Betrag hinausgehende Schadensforderung von 8.325 EUR (davon 200 EUR für die Kosten der Beiziehung eines Forstfachmannes) wurden als überhöht (Erhebungskosten als unbegründet ‑ kein Wildschaden) abgewiesen (Beil ./A).

Mit am 26. 8. 2008 beim Erstgericht eingebrachtem Schriftsatz begehrte die Antragstellerin, die vom Antragsgegner zu leistende Entschädigung für die am 7. 3. 2008 und 20. 5. 2008 geltend gemachten Wildschäden in den Waldgebieten H*****, B***** und W***** mit 8.825 EUR festzusetzen und den Antragsgegner zur Zahlung von 8.825 EUR sA zu verpflichten. Die Jagd- und Wildschadenskommission habe die Schadenshöhe unrichtig ermittelt.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrags. Es sei kein Wildschaden, für den er zu haften hätte, entstanden, keinesfalls im geltend gemachten Umfang.

Das Erstgericht gab ein schriftliches Gutachten eines Sachverständigen für Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Hölzer, in Auftrag (Band I/ON 39), das in der Tagsatzung vom 1. 7. 2010 mündlich erörtert und ergänzt wurde; in dieser Tagsatzung dehnte die Antragstellerin das Entschädigungsbegehren auf den sich aus dem Gutachten ergebenden Schadensbetrag von insgesamt 17.582 EUR sA aus (Band II/AS 603).

Der Antragsgegner wendete ein, dass die Ausdehnung des Antrags unzulässig sei. Die Antragstellerin habe den Wildschaden im Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission beziffert, die darüber entschieden habe; nur dieser Schaden sei daher Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Ein gegenüber den ersten Schadensmeldungen erhöhter Schaden hätte bei der Jagd- und Wildschadenskommission geltend gemacht werden müssen.

Die Antragstellerin replizierte, die in den Revierplänen der betroffenen Reviere eingezeichneten Schadensflächen seien sowohl Gegenstand des Verfahrens vor der Jagd- und Wildschadenskommission als auch des im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens, weshalb Identität der Sache vorliege; die Ausdehnung betreffe keinen neuen Primärschaden.

Das Erstgericht setzte die vom Antragsgegner zu leistende Entschädigung für die Wildschäden in den betroffenen Waldgebieten, die am 7. 3. und 20. 5. 2008 bei der Jagd- und Wildschadenskommission geltend gemacht wurden, mit 17.582 EUR fest und erkannte den Antragsgegner schuldig, der Antragstellerin diesen Betrag samt 4 % gestaffelter Zinsen zu zahlen. Es stellte zusammengefasst folgenden Sachverhalt fest:

Der Sachverständige erhob im größten der drei betroffenen Jagdrevierteile 88 Stichproben (entsprechend einer Referenzfläche von 35,2 ha), im nächstkleineren Revierteil 45 Stichproben (Referenzfläche 18 ha) und im kleinsten Revierteil, der am stärksten durch Wildverbiss in Mitleidenschaft gezogen war, 27 Stichproben (Referenzfläche 10,8 ha). Für die drei Revierteile ergab sich ein Wildschaden von 572,04 EUR pro Hektar, 254,20 EUR pro Hektar und 193,97 EUR pro Hektar, woraus sich ein durchschnittlicher ‑ nach Fläche gewichteter ‑ Wildschaden von 274,07 EUR pro Hektar errechnet. Der Wildschaden beträgt für die einzelnen Revierteile 6.828 EUR (193,97 x 35,2 ha), 6.178 EUR (572,04 x 10,8 ha) und 4.576 EUR (254,20 x 18 ha), in Summe für zusammen 64 ha im Bewertungszeitpunkt Frühjahr 2008 insgesamt 17.582 EUR. Bei den Deckungsbeiträgen im Zuge der forstwirtschaftlichen Nutzung liegt die jährliche Untergrenze bei etwa 100 EUR pro Hektar und die jährliche Obergrenze bei etwa 1.500 EUR pro Hektar, wobei nicht festgestellt werden kann, in welche Kategorie bzw Größenordnung „die Fläche der Antragstellerin“ hier einzuordnen ist.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Bescheid der Jagd- und Wildschadenskommission durch den bei Gericht eingebrachten Antrag bezogen auf die Wildschadensmeldungen Nr 1 und 2/2008 gemäß § 77 oö JagdG außer Kraft getreten sei. In Anwendung von § 67 Abs 1 iVm § 68 Abs 5 oö JagdG ergäbe sich ein Zuspruch an die Antragstellerin in Höhe von 17.582 EUR.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass er in der Hauptsache insgesamt wie folgt lautet:

„1. Die vom Antragsgegner der Antragstellerin zu leistende Entschädigung für die Wildschäden in den betroffenen Waldgebieten, die am 7. 3. und 20. 5. 2008 bei der Jagd- und Wildschadenskommission geltend gemacht wurden (Wildschadensmeldungen Nr 1 und 2/2008), wird mit restlich 8.325 EUR festgesetzt.

2. Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen 8.325 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 6. 2008 zu bezahlen.

3. Das Entschädigungsmehrbegehren der Antragstellerin von 9.257 EUR sA wird zurückgewiesen.“

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Antragsausdehnung im gerichtlichen Verfahren auf einen Betrag, der über das bei der Kommission geltend gemachte Entschädigungsbegehren hinausgehe, fehle.

§ 77 Abs 1 oö JagdG ordne eine sukzessive Kompetenz der Gerichte an; das Gericht könne zur Entscheidung über Ansprüche wegen Jagd- und Wildschäden nur dann angerufen werden, wenn die Jagd- und Wildschadenskommission über den bei ihr erhobenen Entschädigungsantrag eine Sachentscheidung getroffen habe. Im vergleichbaren Fall einer sukzessiven Kompetenz nach § 40 Abs 1 MRG werde vertreten, dass der bei der Schlichtungsstelle gestellte ‑ und dort noch beliebig veränderbare ‑ Antrag bei Gericht nur mehr innnerhalb der Grenzen der Identität der Sache ‑ gemessen am zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs ‑ verändert werden könne. Zu § 67 Abs 1 Z 1 ASGG (wonach vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden könne, wenn der Versicherungsträger „darüber“ bereits mit Bescheid entschieden habe) sei nach der Rechtsprechung der (zulässige) Gegenstand der Bescheidklage auf jene Ansprüche beschränkt, über die der Versicherungsträger entschieden habe. Zu § 20 Abs 3 BStG 1971 (gerichtliche Zuständigkeit für die Bestimmung der Höhe der im Verwaltungswege zuerkannten Enteignungsentschädigung) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es sich im Falle einer Anrufung des Gerichts durch den Enteigneten um eine (Weiter-)Verfolgung seines Entschädigungsanspruchs handle und nach Ablauf der genannten Antragsfrist jedenfalls die Geltendmachung eines neuen (Teil-)Anspruchs (nicht bloß die Geltendmachung neuer für die Höhe des Anspruchs maßgebender Tatumstände und rechtlicher Gesichtspunkte) wegen Fristablaufs ausgeschlossen sei. Durch die Anrufung des ordentlichen Gerichts werde der Bescheid der Verwaltungsbehörde über die Höhe der Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts vernichtet und das Gericht habe ein von Grund auf vollkommen neues Verfahren durchzuführen und vollkommen neu zu entscheiden, wobei die Entschädigung nur insgesamt nicht höher als der vom Enteigneten begehrte Betrag sein dürfe. In Anlehnung an diese Judikatur habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 365/97p zur Vorschrift des § 20 Abs 3 Sbg ROG 1977 ausgesprochen, es bestehe kein Hindernis, einen im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Anspruch anders, auch höher zu beziffern und Nebenansprüche für einen ganz bestimmten Schaden erstmals geltend zu machen; das Gericht habe sich dabei aber im Rahmen der gestellten Anträge der Parteien zu halten und dürfe nicht über sie hinausgehen. Für alle Fälle einer sukzessiven Kompetenz bestehe daher Einigkeit darüber, dass im gerichtlichen Verfahren ein Anspruch, der nicht Gegenstand des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gewesen sei, nicht geltend gemacht werden könne.

Ziehe man den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, der durch Entscheidungsantrag (Sachantrag) ‑ also den begehrten Betrag ‑ und den rechtserzeugenden Sachverhalt bestimmt werde, auch im Anwendungsbereich des § 77 Abs 1 oö JagdG heran, folge daraus, dass der Geschädigte in seinem Antrag an das Gericht keinen höheren Schadensbetrag begehren könne, als er im Kommissionsverfahren geltend gemacht habe, und dass er seinen Antrag im Laufe des Verfahrens nicht über diesen Rahmen hinaus ausdehnen könne. Im Rahmen des § 77 Abs 1 oö JagdG hätten es beide Seiten in der Hand, jene Teile der verwaltungsbehördlichen Entscheidung, durch die sie sich nicht beschwert erachteten, unangefochten zu lassen und damit bestimmte Sachbereiche „außer Streit zu stellen“ (Vorrang der Parteiautonomie in Privatrechtssachen). Damit sei es dem Grundeigentümer aber auch nicht möglich, im gerichtlichen Verfahren einen höheren Ersatzbetrag zu begehren, als er von der Kommission als Entschädigung begehrt und zugesprochen bekommen habe. Der Ausdehnung des Begehrens im gerichtlichen Verfahren stehe daher die „Identität der Sache“ entgegen, die eine ‑ aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels auch von Amts wegen wahrzunehmende ‑ Unzulässigkeit des Rechtswegs bewirke, sodass insoweit das Begehren der Antragstellerin als unzulässig zurückzuweisen sei. Damit sei auch das weitere Begehren auf Zahlung jenes Betrags, der ihr bereits von der Kommission zugesprochen worden sei, unzulässig, habe sie doch nur ‑ fristgerecht ‑ einen Neufestsetzungsantrag bei Gericht gestellt, weshalb der Bescheid der Kommission im Umfang des Zuspruchs von 500 EUR auch nicht außer Kraft getreten sei.

Zur Höhe des Ersatzbetrags sei gemäß § 65 Abs 1 oö JagdG davon auszugehen, dass der Jagdausübungsberechtigte allen entstandenen Jagd- und Wildschaden im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen habe. Der Wildschaden umfasse nach § 65 Abs 2 oö JagdG den innerhalb des Jagdgebiets von jagdbaren Tieren an Grund und Boden und an den noch nicht eingebrachten Erzeugnissen verursachten Schaden. Nach § 68 Abs 1 oö JagdG sei der Ermittlung von Jagd- und Wildschäden der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zugrunde zu legen. Nach § 68 Abs 5 oö JagdG seien Wildschäden im Walde nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten, wobei zwischen Verbiss-, Fege- und Schälschäden zu unterscheiden und weiters zu berücksichtigen sei, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten sei; die Landesregierung könne nähere Richtlinien für die Feststellungs- und Berechnungsmethoden erlassen. Der gerichtliche Sachverständige habe unter Anwendung der von der oö Landesregierung herausgegebenen Richtlinien zur Bewertung von Verbiss- und Fegeschäden im Wald vom 1. 7. 2004 für pauschalierte Betriebe die geltend gemachten Wildschäden stichprobenartig erhoben und in seinem Gutachten entsprechend bewertet, indem er aus den von ihm gezogenen Stichproben die Schadenshöhe aus einem Durchschnitt pro Hektar Landfläche für die einzelnen Reviere ermittelt habe. Der Rekurswerber ziehe weder die Richtigkeit der im Gutachten festgehaltenen Befundergebnisse in Zweifel, noch werfe er dem Sachverständigen Fehler bei der Bewertung entsprechend der genannten Richtline vor. Bestehe für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, wie dies bei der Bewertung von Wildschäden im Wald nach § 65 Abs 2 iVm § 68 Abs 5 oö JagdG der Fall sei, habe der Sachverständige selbst aufgrund der einschlägigen Fachkenntnisse die geeignete(n) Methode(n) auszuwählen. Im Instanzenzug könne im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (nur) die generelle Eignung der gewählten Methode überprüft, nicht aber das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode in Frage gestellt werden. Mangels Beweisrüge des Rekurswerbers sei daher nur die grundsätzliche Eignung der vom Sachverständigen gewählten Methode (Schadensermittlung entsprechend den genannten Richtlinien) zu beurteilen. Keinesfalls beantworteten diese Bewertungsrichtlinien nur die Frage, mit welcher Methode die Anzahl der beschädigten Pflanzen festgestellt werden könne. Dass bei großen Schadensflächen die Anzahl der geschädigten Bäume anhand von Stichproben zu erheben sei, wobei die Anzahl der Stichprobenflächen von der Größe der Schadensfläche abhänge, werde auch vom Rekurswerber nicht beanstandet. Es bestünden dagegen auch keine Bedenken, weil auf diese Weise die Ermittlung der Anzahl der durch Verbiss beschädigten Bäume und des jeweiligen Schädigungsgrades auf einer derart großen Schadensfläche ‑ anders als bei Durchführung einer Vollzählung ‑ mit einem noch vertretbaren Kostenaufwand bewerkstelligt werden könne. Der Sachverständige habe ‑ den Richtlinien folgend ‑ auch zwischen den einzelnen Schädigungsgraden (nicht als Wildschaden zu bewertende nur leichte Schädigung; mittlerer Verbissschaden; Totalschaden) unterschieden, die Standortsgüte (Bonität) des betroffenen Bestands durch eigene Messungen ermittelt und erhoben, ob auf der betreffenden Fläche Kulturpflegearbeiten durchgeführt worden seien oder nicht; er habe die über die jeweilige Normalpflanzenanzahl hinausgehenden Pflanzzahlen nicht in die Bewertung einbezogen und auf dieser Basis unter Heranziehung der jeweils im Gutachten angegebenen „Einzelwerte“ die Schadensermittlung (Entschädigungsbe-rechnung) vorgenommen. Mit dieser ‑ auf durchschnittlichen Kostenwerten je nach Schädigungsgrad, Wuchsalter, Kulturpflege und Standortsgüte beruhenden ‑ Bewertungsmethode werde der entstandene Wildschaden im Ergebnis objektiv ‑ und nicht subjektiv konkret ‑ ermittelt, wobei keine Deckungsbeitragsrechnung zur Ermittlung der wirtschaftlichen Folgen der festgestellten Verbissschäden auf das Betriebsergebnis des forstwirtschaftlichen Betriebs des jeweils geschädigten Grundeigentümers vorgenommen werde. Es ergäbe sich aber schon aus der Natur der Sache, dass bei Wildschäden an forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken eine exakte Ermittlung der eingetretenen Ertragsminderung nur sehr eingeschränkt möglich sei, weil sich hier das schädigende Ereignis typischerweise erst viele Jahre oder gar Jahrzehnte später finanziell auswirke und dazu auch noch Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ausmaßes des Wildverbisses und seiner Auswirkungen auf den Wachstumsfortgang nur beschädigter, aber nicht zerstörter Pflanzen hinzuträten, sodass im Ergebnis jede Bemessung eines Wildschadens ‑ bezogen auf den Zeitpunkt seiner Kenntnis durch den Grundeigentümer ‑ letztlich immer nur auf fiktiver Grundlage beruhen könne.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. 9. 1994, B 362/92, zu insoweit identen Bestimmungen des nö JagdG ausgesprochen, dass für den Ersatz der nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewertenden „Wildschäden im Walde“ der Grundsatz der objektiven Schadensberechnung gelte, und dass zu berücksichtigen sei, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandsschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten sei. Es bedeute Willkür (Verletzung des Beschwerdeführers im Gleichheitsrecht), wenn die belangte Behörde auf jenen Nachteil abstelle, welcher sich in Ansehung des forstwirtschaftlichen Betriebs des Beschwerdeführers insgesamt ergeben habe, weil die Landeskommission sich dadurch im Ergebnis nicht nur einer dem Gesetz völlig fremden Art der subjektiven Schadensberechnung bediene, sondern auch gegen den Grundsatz verstoßen habe, bei der Schadensermittlung ausschließlich auf die Verhältnisse im konkreten Jagdgebiet abzustellen.

In seinem Erkenntnis vom 21. 9. 2010, B 239/09 ua, gelange der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, es sei dem Verordnungsgeber der nö JagdVO nicht darin entgegenzutreten, dass er die Schadensbemessung anhand allgemein anerkannter forstlicher Bewirtschaftungsgrundsätze vorgenommen wissen wolle und davon abweichende individuelle Nutzungen, wie sie vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ins Treffen geführt worden seien, im Interesse einer für alle Forstwirte gleichen Schadensermittlung nicht berücksichtige, eine derartige standardisierte Durchschnittsbetrachtung bei der Ermittlung von Wildschäden sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Im Anlassfall komme es daher auf die konkrete Ertragssituation des jeweiligen Waldbesitzers und daher auf den Deckungsbeitrag für die konkret betroffenen Waldflächen und das jeweilige Schadensjahr nicht an. Ausgehend von der vom Grundsatz der objektiven Schadensermittlung beherrschten Regelung des § 68 Abs 5 Satz 1 oö JagdG müsse der Geschädigte, der Schadenersatz für Wildschäden begehre, weder konkret den ‑ aus den Verbissschäden resultierenden ‑ Aufwand für Nachforstung (Arbeits- und Materialaufwand) noch einen konkreten Verdienstentgang für das konkrete Schadensjahr (hochgerechnet auf die Gesamtnutzungsdauer) nachweisen. Wildschäden im Walde seien vielmehr nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Die vom Sachverständigen angewendete Methode sei daher zur Bewertung der geltend gemachten Wildschäden der Antragstellerin geeignet, und in der Übernahme der Bewertungsergebnisse des Sachverständigengutachtens durch das Erstgericht liege keine unrichtige rechtliche Beurteilung. Die für die Wildschäden zu leistende Entschädigung sei daher entsprechend dem von der Antragstellerin im Kommissionsverfahren begehrten Schadensbetrag von 8.825 EUR abzüglich des ihr bereits von der Kommission unbekämpft zugesprochenen Betrags von 500 EUR mit 8.325 EUR festzusetzen und dem Antragsgegner die Zahlung dieses Betrags zuzüglich der unstrittigen Verzugszinsen aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionsrekurs des Antragsgegners spricht die vom Rekursgericht als erheblich beurteilte Rechtsfrage nicht an. Soweit er sich gegen die vom Sachverständigen angewendete Bewertungsmethode ausspricht, ist er darauf zu verweisen, dass das Gericht Sachverständigen die im Zuge der Auftragserledigung anzuwendende Methode nicht vorzuschreiben hat, da die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit gehört (vgl RIS-Justiz RS0119439).

Besteht ‑ wie hier ‑ für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (RIS‑Justiz RS0118604; vgl ausführlich auch 16 Ok 8/10 mwN). Eine Nachprüfung kommt nur dann in Betracht, wenn gegen zwingende Denkgesetze verstoßen wurde oder die vom Gericht gewählte Methode auf abstrakten Überlegungen ohne entsprechenden Tatsachenermittlungen basierte (RIS‑Justiz RS0043122); solches ist hier nicht der Fall.

Da der Antragsgegner in seinem Rechtsmittel auch sonst keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, ist dieses trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0102059).

II. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber nur teilweise berechtigt.

1. Vorauszuschicken ist, dass die Antragstellerin im verfahrenseinleitenden Antrag vorgebracht hat, ihre beiden Wildschadensmeldungen jeweils beziffert zu haben (Nr 1: ca 1.500 EUR, Nr 2: 8.825 EUR, darin enthalten 1.500 EUR aus Meldung Nr 1); dem hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen. Das Rekursgericht hat diesen Sachverhalt (der im Übrigen auch in der Begründung der Kommissionsentscheidung so wiedergegeben wird) zutreffend als unstrittig seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs, sie habe ihren Anspruch vor der Kommission nicht beziffert, führen demnach die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen.

2. Die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs begründet eine Nichtigkeit der davon betroffenen Entscheidung analog § 477 Abs 1 Z 6 ZPO (RIS‑Justiz RS0007419). Die Unzulässigkeit des Rechtswegs (§ 56 Abs 1 AußStrG) ist gemäß § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0062118 zum Verstoß gegen die Rechtskraft).

3.1. Gemäß § 77 Abs 1 oö JagdG ist gegen den Bescheid der Kommission über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden eine Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zulässig. Der Bescheid der Kommission tritt außer Kraft, soweit eine Partei innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids die gerichtliche Entscheidung der Sache im Verfahren außer Streitsachen beantragt. Im gerichtlichen Verfahren ist das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz (EisbEG) sinngemäß anzuwenden.

3.2. § 77 Abs 1 oö JagdG legt eine sukzessive Kompetenz fest (vgl RIS-Justiz RS0117047, RS0063070). Entsprechend den Grundsätzen zur sukzessiven Kompetenz hat das Gericht nicht die Verwaltungsentscheidung zu prüfen, sondern ein eigenes Verfahren durchzuführen und aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen vollkommen neu zu entscheiden (RIS-Justiz RS0053868 [insb T6] zu § 77 Abs 1 oö JagdG). Das Gericht hat sich dabei aber im Rahmen der Anträge der Parteien zu halten und darf über diese nicht hinausgehen (RIS-Justiz RS0053762 [T6]).

4. Der Senat teilt die sorgfältig begründete Auffassung des Rekursgerichts, dass der gerichtliche Rechtsweg hinsichtlich des nicht bereits im Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission ziffernmäßig geltend gemachten Schadensbetrags unzulässig ist.

4.1. Erst jüngst hat der neunte Senat des Obersten Gerichtshofs (9 Ob 10/12d) in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:

Die Anmeldung des Schadens bei der Jagd- und Wildschadenskommission und der Antrag an das Gericht auf Entscheidung im Verfahren außer Streitsachen haben der Geltendmachung des Wildschadens gegenüber dem Jagdausübungsbe-rechtigten insoweit zu entsprechen, als Gegenstand des Verfahrens vor der Kommission bzw dem Außerstreitgericht kein darüber hinausgehender Schaden sein kann. In diesem Sinn wurde bereits vom VwGH, 82/03/0008, ausgesprochen, dass im Fall der ziffernmäßigen Bekanntgabe der Schadenshöhe nur die mit dieser Höhe begrenzte Schadensforderung Gegenstand des Kommissionsver-fahrens sein kann.

4.2. Im genannten Fall war allerdings nicht strittig, dass der vor Gericht geltend gemachte Anspruch jenem vor der Kommission (auch) ziffernmäßig entsprach. Im Anlassfall hat der Geschädigte hingegen vor Gericht einen höheren Schadensbetrag geltend gemacht als vor der Kommission, weil er sein Begehren im Hinblick auf die Bewertung durch den gerichtlichen Sachverständigen ausgedehnt hat. Einen derartigen Sachverhalt hatte der Oberste Gerichtshof bisher nicht zu beurteilen.

4.3. Der Senat schließt sich auch für den hier gegebenen Fall der Auffassung an, dass ein bei der Jagd- und Wildschadenskommission geltend gemachter und dort bereits der Höhe nach bezifferter Ersatzanspruch im nachfolgenden außerstreitigen Verfahren bei Gericht nur mehr innerhalb der Grenzen der Identität der Sache ‑ gemessen am zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ‑ verändert werden kann (in diesem Sinne auch 7 Ob 19/02y zur sukzessiven Kompetenz gemäß § 67 Abs 5 ForstG).

4.4. Die Entscheidung des VwGH 82/03/0008 betraf einen Fall, in dem die Verwaltungsbehörde als Berufungsinstanz einen höheren Schaden festsetzte, als der Geschädigte im Verfahren erster Instanz vor der Kommission begehrt hatte. Es handelte sich damit zwar um keinen Fall sukzessiver Kompetenz, doch betont der Verwaltungsgerichtshof, dass die Kommission nur im Rahmen des ziffernmäßig bestimmten Antrags entscheiden darf und der Antragsteller ‑ sollte seine Bewertung zu gering sein ‑ den darüber hinausgehenden Schadensbetrag im Verfahren nach § 69 oö JagdG geltend zu machen hat. Für den hier gegebenen Fall einer sukzessiven Kompetenz kann nichts anderes gelten: Darf die Kommission nur jenen Schaden der Höhe nach zusprechen, den der Geschädigte beziffert hat, darf auch im Gerichtsverfahren kein höherer Betrag begehrt und zugesprochen werden.

4.5. Für dieses ‑ strenge ‑ Ergebnis spricht auch die in derartigen Schadensfällen regelmäßig sehr schwierige Schadensfeststellung und Bewertung für die Vergangenheit. Dieser Umstand erfordert nicht nur eine rasche und fristgerechte Anspruchsstellung iSv §§ 69, 73 und 77 oö JagdG, sondern auch eine Beschränkung des gerichtlichen Verfahrens auf jene Schäden und Beträge, die der Geschädigte schon im Verfahren vor der Kommission ziffernmäßig geltend gemacht hat.

4.6. Dem Argument der Antragstellerin, der Geschädigte sei nicht verpflichtet gewesen, seinen Schaden vor der Kommission zu beziffern, ist entgegenzuhalten, dass es allein dem Geschädigten obliegt, sein Begehren im Kommissionsverfahren auf einen bestimmten Betrag zu beschränken oder nicht. Mit seiner Entscheidung, sein Begehren im Kommissionsverfahren ziffernmäßig zu bewerten, nahm der Geschädigte eine Einschränkung seines Ersatzanspruchs auf die geltend gemachte Summe vor. Einen darüber hinausgehenden Schaden hätte er schon von Anbeginn an oder nach Bekanntwerden der tatsächlichen Schadenshöhe unter Einhaltung des in §§ 69 ff oö JagdG beschriebenen Verfahrens geltend machen können und müssen (Reisinger/Schiffner, Oberösterreichs Jagdrecht § 69 Rn 6). Dem Revisionsrekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

5.1. Im gerichtlichen Verfahren zur Feststellung der Entschädigung bei einem Wildschaden hat der Geschädigte auf der Grundlage des von ihm ersiegten Entschädigungsbetrags Anspruch auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsver-teidigung notwendigen, durch das Gerichtsverfahren verursachten Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung (§ 77 Abs 1 vierter Satz oö JagdG iVm § 44 Abs 2 EisbEG).

5.2. Da die Antragstellerin in ihrer Rechtsmittelgegenschrift auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Gegenseite hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Ein Kostenersatz an den Antragsgegner kommt im gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd- oder Wildschäden infolge des dort geltenden Grundsatzes der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0058085).

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