OGH 2Ob12/14z

OGH2Ob12/14z22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Fonds Soziales Wien, Guglgasse 7-9, 1030 Wien, vertreten durch schwartz huber-medek & partner rechtsanwälte og in Wien, und 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. M***** B*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 42.469,19 EUR sA, über die Revisionen der zweitklagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2013, GZ 1 R 72/13f‑20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Februar 2013, GZ 7 Cg 25/12s‑15, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00012.14Z.0122.000

 

Spruch:

 

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.978,20 EUR (darin 329,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Zwischen erstklagender Partei und beklagter Partei bleiben die Kosten des Revisionsverfahrens der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Der in Wien wohnhafte Beklagte ist österreichischer Staatsbürger und Facharzt für Innere Medizin. Sein 1934 im Iran geborener Vater ist ebenfalls österreichischer Staatsbürger, auch er lebt in Wien. Am 27. 7. 2006 schloss der Vater des Beklagten im Iran die Ehe mit der 1983 geborenen iranischen Staatsangehörigen F***** E*****. Diese stellte am 7. 11. 2007 einen Antrag auf Erteilung eines Visums als Familienangehörige, dem sie eine vom Beklagten eigenhändig unterfertigte, notariell beglaubigte Haftungserklärung vom 19. 9. 2007 mit folgendem Wortlaut beilegte:

Haftungserklärung

Ich, […], erkläre, dass ich für folgende Person

[…]

gemäß § 11 Abs 5 NAG iVm § 293 ASVG für entsprechende Unterhaltsmittel aufkomme und für den Ersatz jener Kosten hafte, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder einer Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen.

Eventualiter für den Fall, dass für die oben genannte […] nicht durch die bestehende Krankenversicherung ihres Ehegatten ohnehin eine ausreichende Krankenversicherung in Österreich besteht, erkläre ich auch die Haftung für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung für […].

Diese Haftungserklärung ist für fünf Jahre ab Datum der Unterfertigung gültig!

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Tragfähigkeit dieser Haftungserklärung seitens der Niederlassungsbehörde überprüft wird und durch entsprechende Belege nachgewiesen werden muss. Als Belege zum Nachweis der Tragfähigkeit dieser Haftungserklärung lege ich bereits jetzt einen aktuellen Gehaltszettel bei.

Weiters nehme ich zur Kenntnis, dass der Unterhalt tatsächlich geleistet werden muss. Zu diesem Zweck wird der von mir zu leistende Unterhalt derzeit mit einem Betrag von EUR 400,-- pro Monat festgelegt. Dieser Betrag wird der oben genannten begünstigten Person von mir jeweils zum Monatsersten bar übergeben.

Eine entsprechende Unterkunft für […] ist vorhanden. Sie wird in der gemeinsamen Ehewohnung ihres Ehegatten […] wohnen.

Diese Haftungserklärung kann während der fünfjährigen Gültigkeitsdauer nicht widerrufen werden.

Der Antrag auf Erteilung eines Visums wurde am 6. 2. 2008 jedoch abgewiesen. Um seiner Stiefmutter dennoch die Einreise nach Österreich zu ermöglichen, gab der Beklagte am 15. 2. 2008 eine weitere eigenhändig unterschriebene, notariell beglaubigte Erklärung für die Erlangung eines Visums ab. Diese lautete:

Verpflichtungserklärung

zur amtlichen Vorlage beim zuständigen Ministerium

Ich, […], lade hiermit

[…]

zu einem Besuch für die Dauer von drei Monaten zu mir ein.

Ich verpflichte mich, für den Unterhalt und die Unterkunft der eingeladenen Person aufzukommen.

Ich verpflichte mich weiters, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt ‑ auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgeht ‑ und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen. Weiters verpflichte ich mich, im Krankheitsfall alle Behandlungskosten zu tragen, das heißt eine Krankenversicherung für die eingeladene Person abzuschließen.

Auch aufgrund dieser Verpflichtungserklärung wurde der Stiefmutter des Beklagten ein Besuchervisum „C“ mit Gültigkeit vom 9. 4. bis 8. 7. 2008 ausgestellt. Sie reiste am 1. 5. 2008 in Österreich ein. Nach Ablauf des Visums kehrte sie jedoch nicht in den Iran zurück, sondern blieb in Österreich.

Am 13. 2. 2009 beantragte sie beim Bundesasylamt die Gewährung von Asyl. Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie sich aufgrund einer Zwangsehe, nach Misshandlungen durch ihren Ehemann und den Stiefsohn sowie nach einem Suizidversuch in einem äußerst schlechten psychischen Zustand befinde. Als Asylwerberin erhielt sie eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung nach § 51 AsylG. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien ( gemeint wohl: des Bundesasylamts ) vom 23. 12. 2010 wurde der Asylantrag abgewiesen. Über die dagegen erhobene Beschwerde an den Asylgerichtshof war bis zum 31. 12. 2011 noch nicht entschieden worden.

Die Stiefmutter des Beklagten erhielt im Zeitraum 13. 5. 2009 bis 31. 12. 2011 Leistungen nach dem Wiener Grundversorgungsgesetz (WGVG), wobei ihre Betreuung als „Sonderbetreuung“ eingestuft wurde. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 19. 5. 2004 hatte das Land Wien die erstklagende Partei mit der Abwicklung der Grundversorgung betraut. Auch die Leistungen für die Stiefmutter des Beklagten wurden von der erstklagenden Partei erbracht. Sie wurden dem Beklagten in mehreren Teilbeträgen mit insgesamt 42.469,19 EUR in Rechnung gestellt. Der Beklagte lehnte jegliche Zahlung ab. Das Land Wien hat sämtliche Ansprüche gegenüber dem Beklagten auf Ersatz der ihm infolge der Grundversorgung entstandenen Kosten an die erstklagende Partei abgetreten. Zumindest für den Zeitraum ab 13. 5. 2009 konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte für den Unterhalt und die Unterkunft seiner Stiefmutter aufgekommen ist.

Aufgrund der zwischen Bund und Ländern bestehenden Grundversorgungsvereinbarung (GVV) werden vom Bundesministerium für Inneres die Daten der Bezieher von Grundversorgungsleistungen erfasst. Diese Daten werden quartalsweise an die Länder übermittelt. Die Listen enthalten die Kosten für jede einzelne betreute Person. In Wien erhält die erstklagende Partei diese Listen, anhand deren sie ebenfalls quartalsweise „Kostennoten“ erstellt. Darin werden sämtliche Aufwendungen für die von ihr im jeweiligen Quartal betreuten Personen angeführt und verrechnet und zwar entsprechend dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Verteilungsschlüssel. Die „Kostennoten“ werden vom Bundesministerium für Inneres dem Grund und der Höhe nach für jede Einzelperson überprüft, insbesondere auch die Notwendigkeit einer allfälligen Sonderbetreuung. In den danach erstellten Prüfberichten sind auch die nicht anerkannten Teilleistungen samt Begründung der Nichtanerkennung ausgewiesen.

Die klagenden Parteien begehrten zuletzt den Beklagten zu verpflichten, ihnen zur gesamten Hand 42.469,19 EUR sA zu zahlen. Hilfsweise begehrten sie die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 6.446,84 EUR sA an die erstklagende und von 36.022,35 EUR sA an die zweitklagende Partei.

Die klagenden Parteien brachten vor, die Stiefmutter des Beklagten erhalte aufgrund ihres Asylantrags seit dem 13. 5. 2009 Leistungen nach dem WGVG in gesetzlicher Höhe. Bis zum 31. 12. 2011 hätten die klagenden Parteien 42.469,19 EUR aufgewendet. Der Beklagte hafte hiefür aufgrund der Haftungserklärung vom 19. 9. 2007 sowie der Verpflichtungserklärung vom 15. 2. 2008. Nach den Art 10 und 11 GVV seien die Gesamtkosten für die Betreuung hilfs- und schutzbedürftiger Personen nach einem bestimmten Schlüssel zwischen dem Bund und den Ländern aufzuteilen. Da die Durchführung der Grundversorgung der erstklagenden Partei obliege, die finanzielle Belastung aber auch die zweitklagende Partei treffe, handle es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine Gesamthandforderung. Für den Fall aber, dass die GVV dem Beklagten gegenüber insofern Rechtswirksamkeit entfalten sollte, als die einzelnen Gebietskörperschaften nur im Ausmaß der von ihnen jeweils endgültig zu tragenden Kosten forderungsberechtigt seien, werde aus anwaltlicher Vorsicht das Eventualbegehren gestellt.

Der Beklagte wandte ein, die Haftungserklärung vom 19. 9. 2007 entfalte keine Rechtswirkungen, weil sie nicht Grundlage für die Einreise der Stiefmutter des Beklagten geworden sei. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei vielmehr mit Bescheid vom 6. 2. 2008 abgewiesen worden. Aber auch die Verpflichtungserklärung vom 15. 2. 2008 gelte nicht mehr für die Zeit des Aufenthalts der Stiefmutter ab Stellung des Asylantrags, werde doch das Aufenthaltsrecht eines Asylwerbers nicht an eine solche Erklärung geknüpft. Spätestens mit dem Asylantrag sei daher die Geschäftsgrundlage der Verpflichtungserklärung weggefallen. Es bestehe auch deshalb keine Haftung des Beklagten, weil ein Asylwerber nach der geltenden Rechtslage einen Rechtsanspruch auf die Grundversorgung habe. Jede Rechtsauffassung, die einen solchen Anspruch verneine, widerspreche der Richtlinie (RL) 2003/9/EG, in deren Umsetzung die GVV abgeschlossen worden sei. Die Behauptung einer Gesamthandforderung sei unverständlich. Eine Forderung gegenüber dem Beklagten sei nur zugunsten jener Partei denkbar, die den Aufwand für den Fremden getragen habe. Auch sei die zweitklagende Partei bisher nie an den Beklagten herangetreten ‑ alle Rechnungen stammten von der erstklagenden Partei ‑, sodass ein allfälliger Anspruch der zweitklagenden Partei nicht fällig wäre. Die verrechneten Leistungen seien nicht notwendig und überhöht. Schließlich erhob der Beklagte noch den Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht.

Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil, dass das Hauptbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es ging im Wesentlichen vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und vertrat die Ansicht, der Beklagte hafte aufgrund der von ihm abgegebenen privatrechtlichen Haftungserklärungen den klagenden Parteien zur gesamten Hand. Beide Erklärungen seien nicht auf ein bestimmtes (fremdenrechtliches) Verfahren beschränkt, vielmehr solle die Erklärung vom 19. 9. 2007 fünf Jahre gültig sein. Ihrem Wesen nach handle es sich bei den gegenständlichen Forderungen um Gesamthandforderungen, wie sich dies aus der GVV ergebe. Der Beklagte habe die Haftung gerade für Leistungen nach dieser Vereinbarung übernommen. Er könne sich gegenüber den klagenden Parteien nicht darauf berufen, dass der Aufenthalt seiner Stiefmutter auf einem anderen Titel beruhe als jenem, der sie zur legalen Einreise nach Österreich berechtigt habe. Ihrem Wesen und Zweck nach sollten durch die beiden Erklärungen des Beklagten die in denselben genannten österreichischen Institutionen nicht mit Kosten belastet werden, die mit dem über die zugestandene Dauer hinausgehenden Aufenthalt eines Fremden in Österreich verbunden seien.

Das Berufungsgericht änderte dieses Zwischenurteil dahin ab, dass es das Hauptbegehren nur hinsichtlich der erstklagenden Partei dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Hinsichtlich der zweitklagenden Partei wies es sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht erörterte in rechtlicher Hinsicht, entgegen der Meinung des Erstgerichts könne die jeweilige Haftungs- und Verpflichtungserklärung des Beklagten nicht losgelöst von den Umständen, unter denen sie abgegeben wurde, betrachtet werden. Nach dem objektiven Erklärungswert der Haftungserklärung vom 19. 9. 2007 habe diese nur unter der Bedingung gelten sollen, dass die Stiefmutter des Beklagten auf Grundlage der Erklärung die Einreiseerlaubnis erhalte. Diese Bedingung sei infolge der rechtskräftigen Abweisung des Visumsantrags nicht eingetreten. Die klagenden Parteien könnten daher ihre Ansprüche nicht auf die Haftungserklärung vom 19. 9. 2007 stützen.

In Betracht komme hingegen eine Haftung des Beklagten aufgrund der Verpflichtungserklärung vom 15. 2. 2008, bei der es sich um eine solche iSd § 21 Abs 6 Fremdenpolizeigesetz (FPG) handle. Aufgrund dieser Erklärung habe die Behörde der Stiefmutter des Beklagten ein Besuchervisum „C“ ausgestellt und so die Einreise ermöglicht. Zur Vorgängerbestimmung des § 10 Fremdengesetz (FrG) habe der Oberste Gerichtshof eine derartige „Patronatserklärung“ als Mischform aus einer Bürgschaft und einem echten Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert. Nach dieser Rechtsprechung liege der Sinn und Zweck einer solchen Erklärung in der Übernahme der Ausfallshaftung für die einer Gebietskörperschaft oder einem Sozialversicherungsträger durch den Aufenthalt des Fremden entstehenden Kosten, sofern auf die Leistung kein gesetzlicher Anspruch bestehe. Der Oberste Gerichtshof habe die Haftung aus der Verpflichtungserklärung aber auch in Fällen bejaht, in denen der Fremde nach Ablauf des Aufenthaltstitels im Land verblieben sei, um Asyl angesucht habe und Kosten im Rahmen der Bundesbetreuung entstanden seien.

Die RL 2003/9/EG sehe zwar vor, dass die Mitgliedstaaten für die materiellen Aufnahmebedingungen der Asylwerber Sorge zu tragen hätten. Ob das Grundversorgungsgesetz des Bundes (GVG-B), das die Versorgung der Asylwerber im Rahmen der Bundesbetreuung regle, einen diesbezüglichen Rechtsanspruch normiere, sei aber hier nicht relevant. Die Stiefmutter des Beklagten werde nicht in einer Betreuungseinrichtung des Bundes, sondern durch das Land Wien versorgt und erhalte Leistungen nach dem WGVG. Dessen § 2 sehe vor, dass Leistungen der Grundversorgung einem hilfs- und schutzbedürftigen Fremden gewährt werden „können“, der seinen Hauptwohnsitz und mangels eines solchen seinen Aufenthalt in Wien habe. Damit werde aber gerade kein Rechtsanspruch auf eine Leistung nach dem WGVG, einem Selbstbindungsgesetz, begründet.

Davon abgesehen differenziere die Erklärung des Beklagten nicht danach, ob die Aufwendungen des Rechtsträgers auf einem gesetzlichen Anspruch auf Leistung beruhen. Es komme vielmehr darauf an, ob die Leistung deshalb notwendig werde, weil der Fremde über keine eigenen finanziellen Mittel verfügte. Auch die Leistungen an die Stiefmutter des Beklagten seien nur deshalb zu erbringen, weil sie über keine eigenen finanziellen Mittel verfüge und der Beklagte entgegen seiner Verpflichtungserklärung für ihren Unterhalt nicht aufkomme. Gerade für solche Fälle sei die Verpflichtungserklärung vorgesehen. Dementsprechend handle es sich bei ihr nicht nur um eine Bürgschaft, also ein Eintretenmüssen für Verpflichtungen des Fremden, sondern auch um eine Art Schadloserklärung im Sinne einer Belastungsübernahme. Bezweckt werde damit die Sicherung des Rechtsträgers gegen eine Inanspruchnahme durch einen Fremden, die aus dessen Vermögenslosigkeit resultiere. Nach Ansicht des Berufungsgerichts, die in teilweisem Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung stehe, schließe daher auch ein gesetzlicher Anspruch auf Grundversorgung eine Haftung nicht aus, wenn dieser nur dadurch entstehen habe können, dass aufgrund der Verpflichtungserklärung einem vermögenslosen Fremden die Einreise in das Bundesgebiet ermöglicht worden sei.

Klagsgegenständlich seien ausschließlich Leistungen nach dem WGVG, welche das Land Wien erbringe und finanziere. Dieses bediene sich zur Abwicklung der erstklagenden Partei, deren grundsätzliche Aktivlegitimation nicht mehr strittig sei. Eine Gesamthandforderung, bei der alle Gläubiger nur gemeinsam forderungs- und empfangsberechtigt wären, liege schon wegen der Teilbarkeit der Forderung nicht vor. Ebensowenig begründe die nur im Innenverhältnis wirksame Vereinbarung einer Kostenaufteilung zwischen den klagenden Parteien eine Gesamthandforderung gegenüber Personen, die eine Verpflichtungserklärung für den Ersatz von Aufwendungen der Rechtsträger abgegeben hätten. Es sei davon auszugehen, dass aus einer solchen Erklärung Kostenersatz nur demjenigen Rechtsträger geschuldet werde, der unmittelbar einen Anspruch aus Leistungen an den Fremden im dargestellten Sinne habe. Aus welchen Mitteln der Rechtsträger die Aufwendungen finanziere, sei dabei nicht von Relevanz. Im vorliegenden Fall habe nur das Land, nicht aber auch der Bund Leistungen an die Stiefmutter des Beklagten erbracht.

Zur Geltendmachung einer Haftung sei deshalb nur das Land Wien bzw aufgrund der Abtretung die erstklagende Partei berechtigt. Der zweitklagenden Partei stehe hingegen kein Anspruch zu, weshalb in teilweiser Stattgebung der Berufung sowohl ihr Haupt- als auch ihr Eventualbegehren abzuweisen sei. Dass die klagenden Parteien die Zahlung zur gesamten Hand gefordert hätten, hindere jedoch nicht, den Anspruch der erstklagenden Partei dem Grunde nach als berechtigt anzusehen. Es komme darauf an, ob das Zuerkannte als Minus vom Klagsantrag mitumfasst sei. Grundsätzlich sei vom Klagebegehren die Leistung an jede der klagenden Parteien umfasst, wobei zusätzlich die Sicherstellung auch für den anderen Gläubiger aufgrund der behaupteten Gesamthand erforderlich gewesen wäre. Werde daher eine Leistung ohne die Sicherstellung zugesprochen, sei dies als Minus Teil des Klagebegehrens. Zuletzt befasste sich das Berufungsgericht auch noch mit dem Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil das Berufungsgericht in der Auslegung der Verpflichtungerklärung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Erklärungen abgewichen sei. Darüber hinaus bestehe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer Haftung für Grundversorgungsleistungen nach der Änderung der Rechtslage im Jahr 2004 sowie zu einer allfälligen Gesamthandforderung von Bund und Land aus einer Verpflichtungserklärung bei Ansprüchen aus der Grundversorgung.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die Revisionen der zweitklagenden Partei und des Beklagten . Während die zweitklagende Partei die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstrebt, begehrt der Beklagte die Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens auch der erstklagenden Partei. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die erstklagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Der Beklagte beantragt, der Revision der zweitklagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Beide Rechtsmittel sind jedoch nicht berechtigt.

Die zweitklagende Partei macht geltend, durch die GVV sei die praktische Durchführung der Betreuung von Asylwerbern unter gleichzeitiger Festlegung diffiziler Kostentragungsregeln den Ländern überlassen worden. Eine Änderung der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen sei dadurch aber nicht eingetreten. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts stelle der Bund dem Land nicht „intern“ Mittel zur Verfügung, sondern er bediene sich zur Erfüllung seiner verfassungsgesetzlich bestimmten Kompetenz des Landes. Der Bund habe der Stiefmutter des Beklagten aufgrund dessen Verpflichtungserklärung den Sichtvermerk erteilt und sei im Rahmen seiner Aufgaben gemäß Art 10 Abs 1 Z 3 und 7 B-VG zur Erbringung von Versorgungsleistungen in Anspruch genommen worden. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nehme nicht Bedacht darauf, dass die Tätigkeit des Landes entsprechend der Vereinbarung nach Art 15a B‑VG in einer Angelegenheit des Wirkungsbereichs des Bundes erfolge. Es wäre eine eklatante Benachteiligung des Bundes, dem keine Rechtsgrundlage zur Verfügung stehe, die Länder zur Geltendmachung von finanziellen Leistungen des Bundes gegen „Garanten“ verhalten zu können, wenn ihm ein Klagerecht in seinem eigenen Kompetenzbereich abgesprochen werde.

Der Beklagte steht weiterhin auf dem Standpunkt, dass sich die öffentliche Hand ihrer unionsrechtlichen und gesetzlichen Verpflichtung gegenüber Asylwerbern nicht durch einen Rückgriff auf einen „Bürgen“ entziehen könne. In der Interpretation des Berufungsgerichts würde § 2 WGVG der RL 2003/9/EG widersprechen. Jede Bestimmung, die Betreuungsleistungen in das Ermessen der Behörden stelle, wäre nichtig, weil Österreich seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie nicht nachgekommen wäre. Unrichtig sei auch die zweitinstanzliche Rechtsansicht, wonach bei ausdrücklicher Geltendmachung einer Gesamthandforderung ein Zuspruch des gesamten Betrags an nur einen der Gläubiger möglich sei. Dieser würde mehr erhalten, als er gefordert habe.

Hiezu wurde erwogen:

1. Zur Verpflichtungserklärung des Beklagten:

1.1 Die Verpflichtungserklärung des Beklagten vom 15. 2. 2008 beruhte auf § 21 Abs 6 FPG 2005 in der damals geltenden Fassung BGBl I 2005/100 (vgl nunmehr § 21 Abs 3 FPG idF BGBl I 2013/68). In dieser Fassung regelte der mit „Erteilung von Visa“ überschriebene § 21 FPG in Abs 1, dass Visa einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dieser ein gültiges Reisedokument besitzt (Z 1); die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint (Z 2); öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen (Z 3), und kein Versagungsgrund wirksam wird (Z 4). § 21 Abs 5 FPG enthielt eine demonstrative Aufzählung von Gründen, aus denen öffentliche Interessen der Erteilung eines Visums entgegenstünden.

Gemäß § 21 Abs 6 FPG konnte die Behörde einem Fremden jedoch trotz Vorliegens bestimmter in Abs 5 genannter Gründe Visa erteilen, wenn aufgrund einer im öffentlichen Interesse eingegangenen Verpflichtung eines Rechtsträgers iSd § 1 Abs 1 AHG, oder aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erschien, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen konnten. Aus der Verweisung auf § 21 Abs 5 Z 1, 2 oder 3 FPG ergab sich, dass die Gründe des Fehlens eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes (Z 1), des Fehlens ausreichender eigener Mittel für den Unterhalt und die Wiederausreise (Z 2) sowie der Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden, „es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs“, (Z 3) erfasst wurden. Auf den zuletzt erwähnten Versagungsgrund wird noch zurückzukommen sein.

Tragender rechtspolitischer Hintergrund für die Normierung dieser drei Visumsversagungsgründe war die Hintanhaltung einer allfälligen finanziellen Belastung des Staates, die durch den Aufenthalt des betroffenen Fremden entstehen konnte; genau diese sollte durch die Verpflichtungserklärung eines Dritten abgewendet werden ( Muzak , Rechtsfragen betreffend Verpflichtungserklärungen für die Erteilung von Visa, migraLex 2012, 2).

Aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 952 XXII. GP; abgedruckt etwa bei Vogl , Fremdenrecht 6 [Stand 24. 2. 2014] 530) geht hervor, dass § 21 Abs 6 FPG 2005 der (mit 31. 12. 2005 außer Kraft getretenen) Vorgängerbestimmung des § 10 Abs 3 FrG 1997 mit Modifikationen nachgebildet wurde. Im Übrigen sah schon § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 die Möglichkeit der Erteilung eines Sichtvermerks trotz Vorliegens bestimmter Versagungsgründe im Falle der Verpflichtungserklärung eines Dritten vor (vgl Muzak , Die Aufenthaltsberechtigung im österreichischen Fremdenrecht, [1995] 69 ff).

1.2 Für längerfristige Aufenthalte enthält das Niederlassungs‑ und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I 2005/100, mit der in dessen § 2 Abs 1 Z 15 definierten Haftungserklärung eine ähnliche Konstruktion (vgl Muzak , Rechtsfragen betreffend Verpflichtungserklärungen für die Erteilung von Visa, migraLex 2012, 2 FN 4). Vorübergehend war für bestimmte Fälle überdies eine sogenannte Patenschaftserklärung mit vergleichbarer Zielsetzung vorgesehen (§ 2 Abs 1 Z 18 NAG idF BGBl I 2009/29; vgl dazu Knasmüller , Die „Patenschaftserklärung“ im NAG ‑ eine zivilrechtliche Perspektive, FABL 3/2010-I, 81; dies , Rechtsnatur und Wirksamkeit der „Patenschaftserklärung“, SIAK-Journal 2011 H 2, 29). Auch für die Haftungserklärung und die Patenschaftserklärung galt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen festhielt, § 10 Abs 3 FrG als Vorbild (vgl 10 ObS 172/10g; 10 ObS 181/10f; 10 ObS 87/11h).

Die (erste) Haftungserklärung des Beklagten vom 19. 9. 2007 war eine solche iSd § 2 Abs 1 Z 15 NAG. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Haftung des Beklagten könne aus den von ihm genannten Gründen nicht auf diese Erklärung gestützt werden, bleibt in sämtlichen Rechtsmittelschriften unwidersprochen. Gegenstand der Prüfung in dritter Instanz ist daher allein die Frage, ob die auf § 21 Abs 6 FPG beruhende (zweite) Verpflichtungserklärung vom 15. 2. 2008 die geltend gemachte Haftung trägt.

1.3 Der Oberste Gerichtshof hat sich mehrfach mit der Rechtsnatur und den Rechtsfolgen einer (als „Patronatserklärung“ bezeichneten) Verpflichtungserklärung nach § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 bzw § 10 Abs 3 FrG 1997 auseinandergesetzt:

1.3.1 In der Entscheidung 10 ObS 176/94 SZ 67/214 ging es um die Frage, ob die im Jahr 1993 abgegebene Verpflichtungserklärung der Tochter der Klägerin, für den Unterhalt und die Unterkunft ihrer Mutter aufzukommen, deren Anspruch auf Leistung einer monatlichen Ausgleichszulage schmälern könne. Der Oberste Gerichtshof betonte, Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung sei die Sicherung jener Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs. Es könne nämlich nicht Sinn der Patronatserklärung sein, eine Gebietskörperschaft oder auch einen Sozialversicherungsträger von gesetzlich gebührenden Ansprüchen zu entlasten. Die Patronatserklärung könne auch objektiv nicht so verstanden werden, dass der Patron die Gebietskörperschaft oder einen Sozialversicherungsträger entlasten wolle. Sinn und Zweck der Erklärung könne nur in der Übernahme der Ausfallshaftung für solche Kosten liegen, auf die kein gesetzlicher Anspruch bestehe. In diesem Sinn sei auch die Verpflichtung zu verstehen, für den Unterhalt der eingeladenen Person aufzukommen. Auch diese Verpflichtung könne nur subsidiär für den Fall angenommen werden, als der Eingeladene nicht über eigene Mittel für seinen Unterhalt verfüge. Habe aber auch ein Fremder bei Inlandsaufenthalt gesetzlichen Anspruch auf die entsprechende Ausgleichszulage, dann werde dieser Anspruch nicht dadurch beseitigt, dass sich ein Dritter zur subsidiären Unterhaltsgewährung verpflichtet hat (ebenso 10 ObS 8/95; 10 ObS 87/11h; RIS‑Justiz RS0058850).

1.3.2 Auch die Entscheidung 6 Ob 334/99g hatte eine Verpflichtungserklärung nach § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 zum Gegenstand. Der Rechtsträger einer Krankenanstalt nahm den „Patron“ im Umfang aufgelaufener Pflegegebühren in Anspruch, für die kein Krankenversicherungsschutz bestand. Das Klagebegehren wurde letztlich wegen Verjährung abgewiesen. Im Zuge der Prüfung der Anspruchsgrundlage folgte der Oberste Gerichtshof den Grundsätzen der Entscheidung 10 ObS 176/94 und hob zusätzlich den privatrechtlichen Charakter der Verpflichtungserklärung hervor. Deren Auslegung nach den §§ 914 f ABGB führe zu dem Ergebnis, dass die Verpflichtungserklärung keine abstrakte Garantie, sondern zum gesicherten Anspruch akzessorisch sei. Bei der Verpflichtung des Dritten handle es sich um eine Mischform aus Bürgschaft und echtem Vertrag zugunsten Dritter. Soweit sich der Dritte verpflichte, Verbindlichkeiten des Fremden gegenüber dem Bund zu begleichen, sei die Erklärung ihrer Struktur nach mit einer Bürgschaft iSd § 1346 ABGB vergleichbar, wobei er als Bürge für zukünftige Schuldverhältnisse beitrete. Insoweit er erkläre, für Forderungen anderer Rechtsträger gegenüber dem Fremden zu haften, liege ein echter Vertrag zugunsten Dritter zwischen ihm und dem Bund vor (so auch 10 ObS 28/11g zu einer Verpflichtungserklärung nach § 10 Abs 3 FrG 1997; vgl Muzak , Die Aufenthaltsberechtigung im österreichischen Fremdenrecht [1995] 73 f). Zu der grundsätzlichen Berechtigung des Anspruchs wurde in dieser Entscheidung nichts ausgeführt.

1.3.3 Die Entscheidung 7 Ob 323/99x SZ 73/36 erging über den Anspruch der Republik Österreich gegen einen Dritten, der mit einer Verpflichtungserklärung nach § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 mehreren Personen die Einreise nach Österreich ermöglicht hatte. Statt wie vorgesehen nach Kanada weiterzureisen, stellten diese Personen in Österreich einen Asylantrag und wurden für einen Zeitraum von fast zwei Jahren in Bundesbetreuung übernommen. Der gegen den „Patron“ gerichtete Anspruch auf Ersatz des geleisteten Aufwands wurde dem Grunde nach als berechtigt erachtet. In Anlehnung an die zitierte Vorjudikatur, die Lehrmeinung Muzaks und an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gelangte der 7. Senat zu der Auffassung, dass die Patronatserklärung auch die Kosten der Bundesbetreuung von Asylwerbern umfasse, zumal der privatwirtschaftliche Charakter der Bundesbetreuung nicht zweifelhaft sei. Dabei handle es sich auch nicht um eine sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs ergebende Belastung iSd § 10 Abs 1 Z 3 FrG 1992, da nach § 1 Abs 3 Bundesbetreuungsgesetz kein gesetzlicher Anspruch auf die Bundesbetreuung bestehe.

1.3.4 In der Entscheidung 7 Ob 124/06w wurde hingegen die vom Land Tirol aus einer Verpflichtungserklärung gemäß § 10 Abs 3 FrG 1997 geltend gemachte Haftung für nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz erbrachte Leistungen verneint, weil die „eingeladene“ Person nach kurzem Aufenthalt im Bundesgebiet wieder ausgereist war und erst nach einer späteren neuerlichen Einreise einen Asylantrag gestellt hatte. Es fehle am unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Patronatserklärung und dem die Kosten verursachenden (zweiten) Aufenthalt.

1.4 Im zeitlichen Geltungsbereich des FPG und des NAG wurde die zu § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 ergangene sozialrechtliche Rechtsprechung fortgeschrieben (vgl 10 ObS 172/10g; 10 ObS 181/10f). Auch die Lehre hält im Wesentlichen weiterhin an den zu § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 bzw § 10 Abs 3 FrG 1997 entwickelten Grundsätzen fest (vgl etwa Muzak , Rechtsfragen betreffend Verpflichtungserklärungen für die Erteilung von Visa, migraLex 2012, 2 [5]; Knasmüller , Die „Patenschaftserklärung“ im NAG ‑ eine zivilrechtliche Perspektive, FABL 3/2010-I, 81 [82 f]). Nach wie vor soll daher auch gelten, dass der Sinn und Zweck einer Patronatserklärung in der Sicherung jener Kosten zu sehen ist, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, „es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs“. Es könne nicht Sinn der Patronatserklärung sein, die Gebietskörperschaft oder auch einen Sozialversicherungsträger von gesetzlich gebührenden Ansprüchen zu entlasten (vgl RIS‑Justiz RS0058853).

Dazu ist jedoch festzuhalten, dass sich die Rechtslage insoweit geändert hat. Der in § 10 Abs 1 Z 3 FrG 1992 und § 10 Abs 2 Z 2 FrG 1997 geregelte Versagungsgrund der Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden, der jeweils durch die Verpflichtungserklärung eines Dritten substituiert werden konnte, sah nämlich ausdrücklich eine entsprechende Einschränkung („...es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches“) vor. Daraus konnte ohne gegenteilige Anhaltspunkte im Wege der Auslegung nach den §§ 914 f ABGB abgeleitet werden, dass auch die Verpflichtungserklärung (als privatrechtliche Willenserklärung) nach dem Parteiwillen nur solche Belastungen decken sollte, die sich nicht aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs ergaben (idS 7 Ob 323/99x SZ 73/36), wobei es auf den Zeitpunkt der Entstehung dieses Anspruchs nicht ankam.

Die in § 21 Abs 5 Z 3 FPG 2005 in der hier maßgeblichen Fassung enthaltene Einschränkung lautet hingegen: „...es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs.“ In den Gesetzesmaterialien findet sich zu dieser geänderten Formulierung keine nähere Erläuterung. Sie legt jedoch nahe, dass der Gesetzgeber damit auch auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Reichweite der Verpflichtungserklärung nach § 10 Abs 3 Z 2 FrG 1992 bzw § 10 Abs 3 FrG 1997 reagierte und den Anwendungsbereich der Verpflichtungserklärung erweitern wollte. Im Hinblick auf die Neufassung des Versagungsgrundes ist eine Verpflichtungserklärung iSd § 21 Abs 6 FPG 2005 ohne Hinweise auf einen abweichenden Parteiwillen demnach dahin auszulegen, dass sie auch solche Belastungen einer Gebietskörperschaft erfassen sollte, die aus der Erfüllung eines erst bei oder nach der Einreise entstehenden gesetzlichen Anspruchs des Fremden resultierten.

1.5 Den von Muzak (Rechtsfragen betreffend Verpflichtungserklärungen für die Erteilung von Visa, migraLex 2012, 2 [5 f]) geäußerten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer Verpflichtungserklärung, die ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Wendung enthält, dass die Haftung auch gelte, wenn der Aufenthalt „aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgeht“, ist nicht beizutreten. Die von diesem Autor als gesetzeskonform angesehene Beschränkung der Reichweite der Verpflichtungserklärung auf den durch das Visum ermöglichten Aufenthalt könnte abermals nur im Wege der Auslegung der Verpflichtungserklärung erzielt werden. Aus welchen grundsätzlichen Erwägungen aber stets ein vom insoweit klaren Wortlaut der Erklärung abweichendes Auslegungsergebnis erzielt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Es stünde auch mit der Entscheidung 7 Ob 323/99x SZ 73/36 im Widerspruch.

Davon abgesehen strebt der Beklagte in dritter Instanz eine Auslegung seiner Verpflichtungserklärung im Sinne der Meinung Muzaks ohnedies nicht mehr an. Willensmängel bei der Abgabe der Erklärung hat er in erster Instanz nicht behauptet. Auf seinen Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kam er schon in der Berufung nicht mehr zurück.

1.6 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der in RIS‑Justiz RS0058853 wiedergegebene Rechtssatz für Verpflichtungserklärungen im Anwendungsbereich des § 21 Abs 6 FPG 2005 idF BGBl I 2005/100 keine uneingeschränkte Geltung (mehr) beanspruchen kann. Dem Klagebegehren könnte daher nicht schon deshalb die Berechtigung abgesprochen werden, weil die Leistungen an die Stiefmutter des Beklagten in Erfüllung eines erst nach der Einreise in das Bundesgebiet durch Stellung eines Asylantrags entstandenen gesetzlichen Anspruchs auf Grundversorgung erfolgten. Es ist vielmehr entgegen der Rechtsansicht des Beklagten für die Beurteilung seiner Haftung auch nicht entscheidend, ob ein Rechtsanspruch auf diese Leistungen bestand oder ob diese Leistungen auf privatwirtschaftlicher Grundlage gewährt worden sind (dazu Näheres sogleich). Dies hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Allerdings liegt darin kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ‑ die zuletzt zitierten sozialrechtlichen Entscheidungen hatten keine Verpflichtungserklärung nach § 21 Abs 6 FPG 2005 zum Gegenstand ‑, sondern es ist der geänderten Rechtslage Rechnung zu tragen.

2. Zur RL 2003/9/EG , der Grundversorgungsvereinbarung und ihrer gesetzlichen Transformation:

2.1 Durch die RL 2003/9/EG des Rates vom 27. 1. 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten („Aufnahme-RL“) entstand erheblicher Anpassungsbedarf bei der gesetzlichen Regelung der Betreuung von Asylwerbern in Österreich. Nach Art 13 RL sind den Asylwerbern materielle Aufnahmebedingungen zu gewähren, die einem Lebensstandard entsprechen, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylwerber gewährleistet. Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung und Schulbildung sind ebenso vorgesehen wie besondere Maßnahmen für besonders bedürftige Personen, Minderjährige sowie Opfer von Folter und Gewalt. All diese Rechte und Pflichten sind verbunden mit einem Anspruch auf willkürfreie Entscheidung in einem rechtsstaatlichen Verfahren (vgl Marx , Umsetzung der Aufnahmerichtlinie in Österreich, migraLex 2005, 82; Sperl/Lukas , Alles neu macht die EU?, juridikum 2003, 61). Gemäß Art 21 Abs 1 RL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass insbesondere gegen abschlägige Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt werden können, wobei zumindest in letzter Instanz die Anrufung eines Gerichts möglich sein muss.

2.2 Als Maßnahme zur Umsetzung der RL 2003/9/EG schlossen der Bund und die Länder die auf Art 15a B‑VG gestützte Grundversorgungsvereinbarung (GVV), BGBl I 2004/80, deren Ziel die Vereinheitlichung der Unterstützung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde und die Verteilung dieser Personen auf das Bundesgebiet sowie die Aufteilung der anfallenden Kosten war. Die GVV sieht eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern vor: Der Bund führt Betreuungseinrichtungen, sorgt für die Erstaufnahme von Asylwerbern, richtet eine Koordinationsstelle ein und erfüllt Informationspflichten gegenüber den Ländern (Art 3 GVV). Die Länder hingegen haben verschiedene Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgung von Asylwerbern nach Beendigung des Zulassungsverfahrens und sonstigen Fremden sowie ebenfalls Informationspflichten (Art 4 GVV; Oswald , Aktuelle Fragen zur Grundversorgung von Asylwerbern, migraLex 2009, 51).

Gemäß Art 10 Abs 1 GVV werden die in Durchführung der Maßnahmen dieser Vereinbarung entstehenden Gesamtkosten zwischen Bund und Ländern im Verhältnis sechs zu vier aufgeteilt. Nach Art 10 Abs 2 GVV werden die auf die einzelnen Länder gemäß Abs 1 entfallenden Kosten zwischen den Ländern nach der Wohnbevölkerung ausgeglichen. In Art 11 Abs 1 GVV wird angeordnet, dass die Kosten für die Grundversorgung von Asylwerbern, die ihren Asylantrag ab dem 1. 5. 2004 in erster Instanz beim Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle) einbringen, für die Dauer des Verfahrens in erster und zweiter Instanz, längstens für 12 Monate gemäß Art 10 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Die Kosten für die Grundversorgung Fremder gemäß (ua) Abs 1, deren Asylverfahren bis zur rechtskräftigen materiellen Entscheidung länger als den oben genannten Zeitraum dauern, trägt der Bund gemäß Art 11 Abs 4 GVV alleine.

2.3 Parallel zum Abschluss der GVV wurde durch die unter BGBl I 2004/32 kundgemachte Novelle das Bundesbetreuungsgesetz (BBetrG) 1991 mit Wirkung ab 1. 1. 2005 maßgeblich geändert. Während das BBetrG 1991 zunächst als Selbstbindungsgesetz iSd Art 17 B‑VG konzipiert war und in § 1 Abs 3 ausdrücklich festhielt, dass auf die Betreuung kein Rechtsanspruch bestehe (vgl 1 Ob 272/02k SZ 2003/17; 9 Ob 71/03m), gewährte es in der novellierten Fassung in Umsetzung der RL 2003/9/EG bestimmten Personen einen Rechtsanspruch ( Fessl , Verstößt das Bundesbetreuungsgesetz gegen die Kompetenzverteilung des B-VG?, ZUV 2004, 123; Oswald , Aktuelle Fragen zur Grundversorgung von Asylwerbern, migraLex 2009, 51 f). Die bis dahin privatwirtschaftlich erbrachten Leistungen wurden auf ein hoheitliches Regime umgestellt ( Wiederin in Korinek/Holoubek , Bundesverfassungsrecht [10. Lfg 2011] Art 10 Abs 1 Z 3 5.Tb Rz 3; Sieberer , Verfassungsfragen zum neuen Bundesbetreuungsgesetz und zur Grundversorgungsvereinbarung, ZfV 2005, 2). Mit Wirkung vom 17. 8. 2005 erhielt das Gesetz schließlich die Bezeichnung Grundversorgungsgesetz-Bund (GVG‑B) 2005 (Art 6 Z 1 Fremdenrechtspaket 2005, BGBl I 2005/100).

In der Umsetzung der GVV wurde auf Länderebene ua das WGVG, LGBl 2004/46, erlassen. § 2 Abs 1 WGVG normiert, dass Leistungen der Grundversorgung nach diesem Gesetz einem hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, der seinen Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen seinen Aufenthalt in Wien habe, gewährt werden „können“. Nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Muzak/Pinter , Fremden- und Asylrecht³ C.28 Wiener Grundversorgungsgesetz Beilage 20 zu § 2) soll mit dieser Bestimmung (nur) die örtliche Zuständigkeit des Landes Wien festgelegt werden. Der aus § 2 Abs 1 WGVG gezogene Rückschluss des Berufungsgerichts auf das Nichtbestehen eines Rechtsanspruchs nach diesem Landesgesetz ist deshalb keineswegs zwingend. Davon abgesehen ist es aus den in Punkt 1.6 festgehaltenen Erwägungen für die Lösung des hier zu beurteilenden Falles nicht entscheidend, ob das Land Wien (die erstklagende Partei) der Stiefmutter des Beklagten Leistungen aus der Grundversorgung im Rahmen der Privatwirtschaft oder in hoheitlicher Vollziehung des Landesgesetzes gewährt.

3. Zur Revision der zweitklagenden Partei:

3.1 Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften nach Art 15a B-VG („Gliedstaatsverträge“) sind öffentlich-rechtliche Vereinbarungen, deren Gegenstand Angelegenheiten der Gesetzgebung und Vollziehung, aber auch solche der Privatwirtschaftsverwaltung sein können (1 Ob 213/98z mwN; Öhlinger/Eberhard , Verfassungsrecht 10 [2014] Rz 318; Thienel in Korinek/Holoubek , Bundesverfassungsrecht [3. Lfg 2000] Art 15a Rz 25 ff). Vereinbarungen nach Art 15a B‑VG begründen unmittelbar Rechte und Pflichten der Gebietskörperschaften, die nach den Art 137 und Art 138a B‑VG durchsetzbar sind. Um Rechte und Pflichten der Normunterworfenen zu erzeugen, bedarf es aber ihrer Umsetzung durch Rechtssetzungsakte der beteiligten Gebietskörperschaften, also durch Gesetz oder Verordnung (vgl 3 Ob 94/99s mwN SZ 72/126; Thienel aaO Rz 93; Öhlinger/Eberhard aaO Rz 320; Berka , Verfassungsrecht 5 [2014] Rz 463). Folgerichtig enthält auch Art 1 Abs 5 GVV den deklarativen Hinweis, dass diese Vereinbarung keinen Rechtsanspruch für Fremde begründet (zur fehlenden Außenwirksamkeit der GVV vgl ferner Sieberer , Verfassungsfragen zum neuen Grundversorgungsgesetz und zur Grundversorgungsvereinbarung, ZfV 2005, 1 [8, FN 61]; Marth , Grundversorgungsvereinbarung und Betreuung von Asylwerbern, SIAK-Journal 2005, H 1, 12 [16]; Oswald , Aktuelle Fragen zur Grundversorgung von Asylwerbern, migraLex 2009, 51 [57]).

3.2 Die in Art 10 und 11 GVV enthaltenen Regelungen über die Kostenaufteilung zwischen Bund und Ländern wurden in das GVG‑B 2005 (auch in das WGVG) nicht aufgenommen. Es fehlt somit an der für die Außenwirksamkeit dieser Regelungen notwendigen speziellen Transformation (vgl Thienel aaO Rz 94). Durch die in § 8 Abs 2 GVG-B 2005 enthaltene Ermächtigung der Behörde und des Bundesministers für Inneres, „für Zwecke der Abrechnung gemäß Art 10 f Grundversorgungsvereinbarung“ Daten von Fremden gemäß Art 2 Abs 1 GVV automationsunterstützt zu verwenden, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Das bedeutet für den konkreten Fall, dass die zweitklagende Partei ihre behauptete Anspruchsberechtigung gegenüber dem Beklagten nicht auf die sich aus den Art 10 und 11 GVV ergebende finanzielle Belastung durch die Grundversorgung der Stiefmutter des Beklagten stützen kann.

3.3 Aus den kompetenzrechtlichen Überlegungen der zweitklagenden Partei ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen:

3.3.1 Wohl hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. 10. 2006, G 33/06 ua, ausgeführt, dass die Grundversorgung sachlich derart eng mit dem AsylG verbunden sei, dass der Bund sich bei der Erlassung des GVG-B 2005 zu Recht auf Art 10 Abs 1 Z 3 und 7 B‑VG gestützt habe ( Oswald , Aktuelle Fragen zur Grundversorgung von Asylwerbern, migraLex 2009, 51 [52 f]; Wiederin in Korinek/Holoubek , Bundesverfassungsrecht [10. Lfg 2011] Art 10 Abs 1 Z 3 5.Tb Rz 3; vgl auch Fessl , Aktuelles zur Betreuung von Asylwerbern, UVSaktuell 2007, 29; seit der Novelle BGBl I 2008/2 enthält Art 10 Abs 1 Z 3 B‑VG den neuen Kompetenztatbestand „Asyl“). Das ändert aber nichts daran, dass der Bund und die Länder über die Verteilung der mit der Grundversorgung von Fremden verbundenen Aufgaben (im Sinn der den Finanzausgleich regelnden Bestimmung des § 2 F‑VG) eine wirksame Vereinbarung nach Art 15a B‑VG treffen konnten, ohne dass zur Effektuierung der diesbezüglichen Regelung eine gesetzliche Umsetzung erforderlich war (vgl Sieberer , Verfassungsfragen zum neuen Grundversorgungsgesetz und zur Grundversorgungsvereinbarung, ZfV 2005, 2 [9]). Das wird von der zweitklagenden Partei auch nicht in Frage gestellt.

3.3.2 Im vorliegenden Fall hat im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich das Land Wien (die erstklagende Partei) ‑ in Erfüllung der ihr gemäß Art 4 GVV zugewiesenen Aufgaben ‑ Leistungen aus der Grundversorgung an die Stiefmutter des Beklagten erbracht, die es dem Beklagten verrechnete und fällig stellte. Der Patronatserklärung kann nicht entnommen werde, dass der Beklagte nicht an den konkreten Erbringer der Leistung, sondern (auch) an jene Gebietskörperschaft zahlen müsste, die aufgrund einer ihn nicht bindenden öffentlich‑rechtlichen Vereinbarung nach Art 15a B‑VG letztlich einen Teil der damit verbundenen Aufwendungen zu tragen hat. Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, dass es der zweitklagenden Partei an der Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Aufwandersatzes fehlt. Auf die in der Lehre geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Kostentragungsregeln der Art 10 und 11 GVV mit § 2 F‑VG ist schon aus dem in Punkt 3.2 erwähnten Grund hier nicht weiter einzugehen (vgl dazu Sieberer aaO 8 ff; Kofler in Kneihs/Lienbacher [Hrsg] Rill-Schäffer-Kommentar [7. Lfg 2011] § 2 F‑VG Rz 28).

3.4 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich die Revision der zweitklagenden Partei als nicht berechtigt erweist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

4. Zur Revision des Beklagten:

4.1 Vorauszuschicken ist, dass die Aktivlegitimation der erstklagenden Partei nicht mehr strittig ist. Auch die Reichweite der Verpflichtungserklärung steht nicht mehr zur Diskussion (vgl Punkt 1.5). Dass es für die Berechtigung des Anspruchs nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Stiefmutter des Beklagten ein Rechtsanspruch auf die empfangenen Leistungen aus der Grundversorgung zustand, wurde ebenfalls bereits ausgeführt (Punkt 1.6 und 2.3). Es kann dann aber auch die Frage auf sich beruhen, ob der Landesgesetzgeber die RL 2003/9/EG richtlinienkonform umgesetzt hat. Diese RL enthält im Übrigen keine Regelungen, die den zur Leistung der Grundversorgung verpflichteten Staat daran hinderten, Regressansprüche ‑ hier aufgrund privatrechtlicher Patronatserklärungen anlässlich der Einreise ‑ vorzusehen. Aus der eingangs wiedergegebenen, insoweit nach wie vor aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs folgt daher, dass der Beklagte nach den Grundsätzen eines echten Vertrags zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) für den Aufwand der erstklagenden Partei einzustehen hat.

4.2 Eine sog Gesamthandforderung, bei der die Leistung grundsätzlich nur an alle Gläubiger erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0017321; P. Bydlinski in KBB 4 § 890 Rz 2), liegt nicht vor. Das folgt nicht nur aus der Teilbarkeit einer Geldforderung, sondern schon aus dem Fehlen einer Gläubigermehrheit. Wie ausgeführt fehlt es ja der zweitklagenden Partei an der materiellen Anspruchslegitimation. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob dem Berufungsgericht ein ‑ vom Beklagten inhaltlich relevierter ‑ Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen § 405 ZPO vorzuwerfen ist. Das ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

4.2.1 Ob ein Aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RIS‑Justiz RS0041023; Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 405 Rz 4). Ein Aliud liegt dann vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte, was einen Vergleich der zur Begründung der Rechtsfolge vorgetragenen und zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen erfordert (5 Ob 207/10t; RIS‑Justiz RS0041027).

Im vorliegenden Fall sind die vorgetragenen und die zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen ident. Die Anspruchsberechtigung der zweitklagenden Partei wurde aus rechtlichen Erwägungen verneint. Wäre das Bestehen einer Gesamthandforderung zu bejahen gewesen, hätte die (einmalige) Leistung des Beklagten schuldbefreiende Wirkung gegenüber beiden Gläubigern gehabt. Existiert nur ein einziger Gläubiger, so wird der Beklagte durch Zahlung an diesen von seiner Schuld befreit. Eine abweichende Rechtsfolge ist darin nicht zu sehen.

4.2.2 Der Oberste Gerichtshof hat mit Bezug auf die erörterte Rechtslage bereits festgehalten, dass (auch) bei der ‑ wegen Teilbarkeit der Leistung ‑ verfehlten Geltendmachung einer Gesamthandforderung als Minus der Zuspruch nach Anteilen in Betracht kommen kann (5 Ob 207/10t). Auf die Größe der Anteile kommt es dabei nicht an. Demzufolge könnten etwa auch Anteile im Verhältnis 99 : 1 als Minus zum Gesamthandbegehren zugesprochen werden. Dann wäre aber nicht einzusehen, warum ein Zuspruch des Ganzen an einen von mehreren Klägern als Aliud beurteilt werden sollte, wenn nur diesem die Stellung als Gläubiger zukommt. Das Berufungsgericht war daher ohne Verstoß gegen § 405 ZPO zum Ausspruch befugt, dass das Klagehauptbegehren (nur) hinsichtlich der erstklagenden Partei dem Grunde nach zu Recht besteht.

4.2.3 Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die klagenden Parteien ‑ wieder aufgrund einer vom Senat nicht geteilten Rechtsansicht ‑ ein Eventualbegehren formulierten, in welchem sie ihre vermeintlichen Anteile bezifferten. Denn der Ausspruch des Berufungsgerichts bezog sich auf das Hauptbegehren, an die im Eventualbegehren genannten Beträge war es dabei nicht gebunden. Davon abgesehen wäre nach den vorstehenden Rechtsausführungen auch dieses auf eine Gläubigermehrheit abstellende Eventualbegehren bloß als (weiteres) Minus zum Hauptbegehren zu behandeln gewesen (RIS‑Justiz RS0037601).

4.2.4 Zusammenfassend ist daher festzuhalten:

Ein auf die Leistung an mehrere Kläger zur gesamten Hand gerichtetes Klagebegehren begreift als Minus den Zuspruch an nur einen der Kläger in sich, wenn dieser in Ermangelung einer Gläubigermehrheit allein zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert ist.

4.3 Auch der Revision des Beklagten muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht zum Anspruchsgrund gehört, sondern die Schadenshöhe betrifft und daher der Fällung eines Zwischenurteils nicht entgegensteht (2 Ob 4/08i mwN; 1 Ob 40/14k; 6 Ob 62/13f). Soweit sich der diesbezügliche Einwand des Beklagten auch auf die erstklagende Partei bezieht, ist er im fortgesetzten Verfahren zu prüfen. Die in der Berufungsentscheidung dazu bereits enthaltenen Ausführungen sind für das Erstgericht nicht bindend (RIS‑Justiz RS0126666).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO iVm § 52 Abs 4 ZPO.

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