OGH 2Ob4/08i

OGH2Ob4/08i24.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter H*****, vertreten durch Dr. Fritz Wintersberger und andere Rechtsanwälte in Mödling, gegen die beklagte Partei Gemeinde H*****, vertreten durch Dr. Stephan Gruböck, Rechtsanwalt in Baden, wegen 41.582,60 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juli 2007, GZ 14 R 108/07s-75, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 6. April 2007, GZ 24 Cg 213/03v-70, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 812,52 EUR (darin 135,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der 1935 geborene Kläger kam am 31. 12. 2001 auf einem vereisten Gehweg innerhalb des Friedhofs der beklagten Gemeinde zu Sturz. Er zog sich dabei einen Bruch der rechten Kniescheibe und einen Riss der vierköpfigen Oberschenkelstreckmuskelsehne zu. Die Vereisung war infolge der darüberliegenden Schneedecke nicht sichtbar; die Leute der beklagten Partei hatten das Friedhofsgelände weder geräumt noch gestreut.

Der Kläger begehrte, gestützt auf § 1319a ABGB, Schadenersatz in Höhe von zunächst 77.855,43 EUR sA, darin 72.672,83 EUR an Schmerzengeld, sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 31. 12. 2001. Zur Begründung des Schmerzengeldanspruchs verwies er auch auf Folgeoperationen, den komplizierten Heilungsverlauf und die psychische Unbill, die er infolge der verletzungsbedingten Einschränkung seiner Freizeitaktivitäten erlitten habe. Des weiteren brachte er vor, dass er unter Diabetes und Bluthochdruck leide. Da er nunmehr keine ausgedehnten Spaziergänge mehr unternehmen könne, sei er dem erhöhten Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls ausgesetzt. Der damit verbundene Verlust an Lebensqualität verursache seelische Schmerzen, die bei der Bemessung des Schmerzengelds ebenfalls zu berücksichtigen seien.

Das Erstgericht entschied mit Teilzwischenurteil vom 5. 7. 2004, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos; ihre außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 6. 10. 2005 mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (2 Ob 216/05m).

Im fortgesetzten Verfahren wurden drei Sachverständige (aus den Fachgebieten der Unfallchirurgie, der Inneren Medizin sowie der Neurologie und Psychiatrie) mit der Klärung der physischen und psychischen Unfallsfolgen betraut. Nach Vorliegen sämtlicher Gutachten schränkte der Kläger das Leistungsbegehren zuletzt auf 41.582,60 EUR sA, darin enthalten 36.400 EUR an Schmerzengeld, ein. Die beklagte Partei wandte ein, der Kläger habe durch eine vermeidbare Gewichtszunahme um 10 kg eine Verschlechterung der Stoffwechsellage und des Blutdrucks und damit „sicherlich" auch seines psychischen Zustands herbeigeführt und dadurch die ihn treffende Schadensminderungspflicht verletzt (ON 54).

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit 40.787,28 EUR sA sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies das Leistungsmehrbegehren von 795,32 EUR sA ab. Es erachtete das geltend gemachte Schmerzengeld von 36.400 EUR für angemessen.

Diese Entscheidung erwuchs in ihrem abweisenden Teil zur Gänze und in ihrem stattgebenden Teil hinsichtlich eines Zuspruchs von 27.637,28 EUR sA sowie des Feststellungsbegehrens unbekämpft in Rechtskraft.

Das im Übrigen, also hinsichtlich des Zuspruchs weiterer 13.150 EUR sA (und im Kostenpunkt) von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach das ermittelte Schmerzengeld angemessen sei. Der Rechtsmittelbehauptung, das Erstgericht sei auf den im Verfahren über die Anspruchshöhe erhobenen „Mitverschuldenseinwand" nicht eingegangen, den Kläger treffe an seinem schlechten Gesundheitszustand ein Mitverschulden von 25 %, erwiderte das Berufungsgericht, dass dieser Einwand den Anspruchsgrund betreffe und nach Fällung eines Zwischenurteils nicht mehr zulässig gewesen sei.

Über Antrag der beklagten Partei erklärte das Berufungsgericht in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs die Revision nachträglich mit der Begründung für zulässig, es bedürfe der Klärung durch den Obersten Gerichtshof, ob die Behauptungen der beklagten Partei über die auf eigener Sorglosigkeit des Klägers beruhende gesundheitliche Verschlechterung die Höhe oder den von der Präklusionswirkung des Zwischenurteils umfassten Grund des Anspruchs betreffen würden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dessen Rechtsansicht über die Unzulässigkeit des „Mitverschuldenseinwands" weicht zwar von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab; diese Fehlbeurteilung ist aus den folgenden Gründen für die Entscheidung aber nicht präjudiziell:

1.) a) Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs (Grundurteil) entfaltet innerhalb des Rechtsstreits insoweit (innerprozessuale) Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrunds nicht neuerlich aufgerollt werden darf. Es hat ferner insoweit Präklusionswirkung, als die Parteien keine weiteren Tatsachen vorbringen können, die den Grund des Anspruchs betreffen (2 Ob 568/95; 9 Ob 254/02x; 5 Ob 221/07x; RIS-Justiz RS0040736, RS0040864). Einwendungen, die sich auf den Grund des Anspruchs beziehen, können daher im Verfahren über die Höhe des Anspruchs nicht mehr geltend gemacht werden, es sei denn, dass erst nachträglich rechtsbegründende Tatsachen weggefallen oder rechtsvernichtende Tatsachen eingetreten sind (9 Ob 254/02x; RIS-Justiz RS0040754, RS0040756). Das Berufungsgericht hat grundsätzlich richtig erkannt, dass nach Rechtskraft eines Zwischenurteils über den Grund eines Schadenersatzanspruchs im Verfahren über die Anspruchshöhe die Einwendung des Mitverschuldens des Klägers nicht mehr erhoben werden kann (2 Ob 332/00p; RIS-Justiz RS0040750, RS0106185; vgl auch Rechberger in Rechberger, ZPO3 § 393 Rz 9; Simotta in Fasching/Konecny2 III § 393 ZPO Rz 8).

b) Aus § 1304 ABGB ergibt sich auch die Verpflichtung des Geschädigten, den (auch ohne sein Zutun) eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist (Schadensminderungspflicht; 2 Ob 135/03x mwN; RIS-Justiz RS0027043; Reischauer in Rummel, ABGB3 II/2a § 1304 Rz 37 f). Nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht kann zur Kürzung der Ansprüche des Geschädigten führen (RIS-Justiz RS0027062), die sich aber im Regelfall nicht in einer quotenmäßigen Schadensteilung niederschlägt; der Geschädigte hat vielmehr die von ihm zu vertretende Schadenserhöhung allein zu tragen (1 Ob 247/05p; Reischauer aaO § 1304 Rz 37; krit Karner in KBB2 § 1304 Rz 10).

c) Die beklagte Partei berief sich in erster Instanz auf einen Verstoß des Klägers gegen die ihn treffende Schadensminderungspflicht, weil er an der Verschlechterung seines Gesundheitszustands infolge vermeidbarer Gewichtszunahme mitverantwortlich sei. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht zum Anspruchsgrund gehört, sondern die Schadenshöhe betrifft und daher der Fällung eines Zwischenurteils nicht entgegensteht (ZVR 1985/144; 1 Ob 20/90; 1 Ob 270/04v; 7 Ob 176/06t; 3 Ob 212/07h; RIS-Justiz RS0040783 [T1], RS0106185 [T4]). Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht die inhaltliche Erledigung des diesen Einwand betreffenden Teils der Rechtsrüge der beklagten Partei abgelehnt.

2.) Diese Fehlbeurteilung begründet im konkreten Fall aber dennoch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, fehlt es ihr doch an der für die Zulässigkeit einer Revision erforderlichen Präjudizialität (RIS-Justiz RS0088931 [T2]; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 ZPO Rz 60).

Der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht könnte für die Entscheidung nur dann von Bedeutung sein, wenn in die Bemessung des Schmerzengelds auch schadenserhöhende Umstände eingeflossen wären, für welche die behauptete Gewichtszunahme (mit-)ursächlich sein konnte, somit insbesondere jene, die der Kläger im Zusammenhang mit seinen Vorerkrankungen (Diabetes und Bluthochdruck) behauptet hat. Die dem Gutachten des internen Sachverständigen entnommene Bemerkung, dass die Gewichtszunahme des Klägers seiner Gesundheit abträglich sei, bezog sich nur auf das begutachtete Krankheitsbild („metabolisches Syndrom"), das aber, wie sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, auf die Schmerzengeldbemessung keinen Einfluss hatte. Auch für die im Rechtsmittel wiederholte These, „die durch die vermeidbare Gewichtszunahme herbeigeführte Verschlechterung der Stoffwechsellage und des Blutdrucks habe sicherlich auch zur Verschlechterung seines psychischen Zustands" geführt, findet sich in den Feststellungen des Erstgerichts kein tauglicher Anhaltspunkt.

3.) In der Revision werden aber auch keine (sonstigen) Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung dargetan:

a) Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

b) Die Höhe des Schmerzengelds ist eine Frage des Einzelfalls, und begründet, abgesehen von einer eklatanten Fehlbemessung, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0031075, RS0042887). Eine solche Fehlbemessung wird mit der Ansicht, dass das dem Kläger zuerkannte Schmerzengeld von 36.400 EUR auf 31.000 EUR zu reduzieren sei, nicht aufgezeigt. Das von den Vorinstanzen ermittelte Schmerzengeld hält sich vielmehr im Rahmen der vom Berufungsgericht zitierten höchstgerichtlichen Judikatur (2 Ob 261/04b; 7 Ob 29/05y; 2 Ob 241/05p).

4.) Mangels Vorliegens einer präjudiziellen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm die Kosten seiner Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen sind.

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