OGH 2Ob261/04b

OGH2Ob261/04b3.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan R*****, vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (restlich) EUR 34.200 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. September 2004, GZ 2 R 143/04b-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. März 2004, GZ 57 Cg 117/03x-10, in der Hauptsache bestätigt, im Kostenpunkt jedoch abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung des Zuspruches von 4 % Zinsen aus EUR 15.800 seit 26. 11. 2003 als unbekämpft unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass sie im Übrigen zu lauten haben:

„Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 34.200 samt 4 % Zinsen seit 15. 5. 2003 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 551 bestimmte Pauschalgebühr des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 3.381,17 (darin EUR 563,53 USt) bestimmten vorprozessualen Kosten binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 210,78 (darin EUR 35,13 USt) bestimmten weiteren Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 3.199,10 (darin EUR 391,85 USt und EUR 848 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.753 (darin EUR 282 USt und EUR 1.061 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der damals 47-jährige Kläger wurde am 26. 11. 1999 als Fußgänger bei einem Verkehrsunfall in Innsbruck verletzt. Das alleinige Verschulden des Lenkers des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs steht außer Streit. Die beklagte Partei hat ihre Haftung dem Grunde nach anerkannt und einen Verjährungsverzicht bis zum 31. 12. 2004 abgegeben. Der Kläger erlitt einen verschobenen Bruch des äußeren Schienbeinkopfs rechts, der operativ behandelt wurde. Sechs Wochen danach wurde eine Reosteosynthese erforderlich. Ende Dezember 2001 wurde das Metall entfernt und eine vordere Kreuzbandplastik hergestellt, um die unfallskausale Instabilität des Knies zu beheben. Der Kläger befand sich nach dem Unfall bis einschließlich 4. 4. 2000 und sodann im Zusammenhang mit der Metallentfernung und der Kreuzbandrekonstruktion wieder vom 27. 12. 2001 bis 28. 1. 2002 im Krankenstand. Nach den operativen Eingriffen bedurfte er auch zu Hause der Hilfe, weil er mit dem verletzten Bein monatelang nicht auftreten konnte. Nach der Operation im Dezember 2001 musste er ein halbes Jahr lang eine Schiene tragen. Auch musste er sich jahrelang wöchentlich dreimal einer therapeutischen Behandlung unterziehen. Zusammengefasst erlitt der Kläger vom Unfallstag bis zum 22. 8. 2002 (komprimiert) 12 Tage starke, 7 Wochen mittlere und 19 Wochen leichte Schmerzen. An Dauerfolgen verblieben eine deutliche vordere und geringgradige äußere Instabilität des rechten Kniegelenks mit endlagigem Beugedefizit, verminderter Belastungsfähigkeit des rechten Beins bei Muskeldefizit und fallweiser Schwellneigung und Belastungsschmerzhaftigkeit sowie ausgedehnte Operationsnarben im rechten Kniebereich. Spätfolgen sind nicht auszuschließen, wobei sich in äußeren Teilen des rechten Kniegelenks bereits eine posttraumatische Gonarthrose gebildet hat. Nicht ausschließbar ist auch die spätere Notwendigkeit einer Endoprothese, falls es zu einer erheblichen Beschwerdezunahme kommen sollte. Die eingetretenen Dauerfolgen bedingen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, welche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit 25 % einzuschätzen ist. Der Kläger übt zwar noch den gleichen Beruf (als Vertreter) wie vor dem Unfall aus, womit für ihn jedoch nunmehr höhere Anstrengungen verbunden sind. Insbesondere bei längeren Autofahrten leidet der Kläger an Schmerzen; ebenso schmerzt ihn jeder länger als eine halbe Stunde dauernde „Stillstand im Fuß". Während der Kläger bis zum Unfall sportlich aktiv gewesen ist, kann er seither kaum noch Sport betreiben. Die Ausübung der von ihm in der Vergangenheit bevorzugten Sportarten Schifahren, Tennis und Squash wird ihm wahrscheinlich nicht mehr möglich sein. Auf der Grundlage zweier medizinischer Sachverständigengutachten bezahlte die beklagte Partei im Zuge der vorprozessualen Vergleichsverhandlungen mit dem rechtsfreundlichen Vertreter des Klägers neben den Heilungskosten und dem Ersatz für den Verdienstentgang am 7. 11. 2001 EUR 7.267,28 (im Berufungsurteil versehentlich unrichtig: EUR 7.262,28), am 26. 4. 2002 EUR 12.732,72, am 10. 2. 2003 EUR 10.000 und am 7. 4. 2003 EUR 4.300 an Schmerzengeld sowie ebenfalls am 10. 2. 2003 eine Verunstaltungsentschädigung von EUR 1.500. Die am 10. 2. 2003 und am 7. 4. 2003 bezahlten Beträge in Gesamthöhe von EUR 15.800 wurden vom Kläger als unzulässige Teilzahlungen an die beklagte Partei rücküberwiesen, bei der sie am 28. 11. 2003 einlangten.

Mit der am 19. 11. 2003 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von EUR 50.000 samt 4 % Zinsen seit 15. 5. 2003 sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Unfallsfolgen, beschränkt mit der Höhe der Haftungssumme aus einem bestimmten Versicherungsvertrag. Ausgehend von den eingetretenen Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie unter Berücksichtigung der gesamten Lebenssituation des Klägers erscheine im Rahmen einer Globalbemessung ein weiteres Schmerzengeld von EUR 50.000 (insgesamt somit EUR 70.000) als angemessen.

Die beklagte Partei anerkannte das Leistungsbegehren im Umfang von EUR 15.800 sowie das Feststellungsbegehren als zu Recht bestehend, bestritt jedoch die darüber hinausgehende Schmerzengeldforderung des Klägers als überhöht.

Das Erstgericht, das in der mündlichen Streitverhandlung vom 2. 2. 2004 auf Antrag des Klägers im Umfang des Anerkenntnisses der beklagten Partei ein Teilanerkenntnisurteil erlassen hatte, gab auch dem restlichen Klagebegehren statt und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 34.200 samt 4 % Zinsen seit 15. 5. 2003 sowie 4 % Zinsen aus EUR 15.800 seit 26. 11. 2003. Es erachtete ein Schmerzengeld von insgesamt EUR 84.300 als angemessen, wobei es (versehentlich) von einer weiteren Teilzahlung der beklagten Partei von EUR 14.300 an den Kläger ausging.

Dieses Urteil erwuchs in Ansehung des Zinsenzuspruches aus dem mit dem Teilanerkenntnisurteil erledigten Teilbetrag unbekämpft in Rechtskraft. Im Übrigen wurde es von der beklagten Partei in der Hauptsache sowie von beiden Parteien im Kostenpunkt angefochten.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 16. 9. 2004 stellten die Parteien die eingangs wiedergegebenen Zahlungen der beklagten Partei, deren Widmung, die Rücküberweisung eines Teilbetrages durch den Kläger, sowie den Umstand außer Streit, dass die beklagte Partei den Betrag von EUR 15.800 nach Fällung des Teilanerkenntnisurteiles neuerlich (nunmehr aber zur Gänze aus dem Titel des Schmerzengeldes) an den Kläger überwiesen hat.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache; ferner gab es der Berufung der beklagten Partei im Kostenpunkt Folge, dem Kostenrekurs des Klägers hingegen nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig und der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, die Schmerzengeldforderung von insgesamt EUR 70.000 sei nicht überhöht. Der Kläger habe sich bereits zwei Operationen unterziehen müssen und werde möglicherweise eine Knieprothese benötigen. Seine Erwerbsfähigkeit sei um 25 % gemindert. Bei der Berufsausübung müsse er sich vermehrt anstrengen, die Ausübung von Sport sei ihm kaum mehr möglich. Im Hinblick auf den komplizierten Heilungsverlauf, die lebenslangen künftigen Schmerzen und das Alter des Klägers sei das ihm insgesamt gebührende Schmerzengeld mit EUR 70.000 zu bemessen. Unter Berücksichtigung der unstrittigen Zahlungen sei der Zuspruch von EUR 34.200 daher zu Recht erfolgt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des Betrages von EUR 34.200 samt 4 % Zinsen seit 15. 5. 2003 abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig. Es entspricht wohl der ständigen Rechtsprechung, dass die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes eine Frage des Einzelfalles ist, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen vermag (RIS-Justiz RS0042887). Hier ist jedoch infolge einer eklatanten Fehlbemessung des Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt (RIS-Justiz RS0031075; zuletzt 2 Ob 180/04s = ZVR 2004/113), zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus den Gründen der Einzelfallgerechtigkeit die Revision dennoch ausnahmsweise zulässig (Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Das Schmerzengeld8, 226 f).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel unter vergleichsweiser Anführung mehrerer Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte sowie des Obersten Gerichtshofes zusammengefasst geltend, das dem Kläger für seine Knieverletzung zuerkannte Schmerzengeld sei bei weitem überhöht, stehe im Widerspruch zur bisherigen Judikatur und führe zu einem höchst unangemessenen und gleichheitswidrigen Ergebnis.

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (2 Ob 61/02p = ZVR 2004/43 mwN; RIS-Justiz RS0031307; Danzl aaO 170 mwN).

In die Globalbemessung des Schmerzengeldes sind demnach neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einzubeziehen (ZVR 1989/134; ZVR 1999/50 ua; RIS-Justiz RS0031307 [T 4]). Unter diesem Gesichtspunkt können (unter anderem) die Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen, das Bewusstsein eines Dauerschadens und der Gefahr einer Verschlechterung dieses Schadens, der Verlust der Fähigkeit, vor dem Unfall regelmäßig betriebene und liebgewonnene Sportarten oder sonstige Freizeitaktivitäten auszuüben und größere Anstrengungen und Mühen bei der Arbeit als bisher bei der Bemessung des Schmerzengeldes in Betracht zu ziehen sein (ausführlich Danzl aaO 118 f mwN; vgl auch ZVR 2000/92 mwN sowie die zu RIS-Justiz RS0031054 und RS0031065 angeführten Entscheidungen). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen, wobei der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung nicht gesprengt werden darf (RIS-Justiz RS0031075).

In dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24. 10. 2002, 2 Ob 61/02p (ZVR 2004/43), zugrunde liegenden Anlassfall, auf den sich die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel stützt, hatte der damalige Kläger nach einem Verkehrsunfall vom 1. 8. 1999 einen Verrenkungsbruch des linken Sprunggelenkes mit Hautabschürfungen und subkapitale Brüche des 2. bis 4. Mittelfußknochens links erlitten. Er wurde mehrmals operiert und musste sich mehreren Bewegungs- und Physiotherapien unterziehen. Der Heilungsverlauf wurde als komplikationsvoll und verzögert beschrieben, Berührungsschmerzen im Bereich des Außenknöchels werden immer bemerkbar sein. Zusätzlich zu den bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits erlittenen Schmerzen (9 Tage starke, 49 Tage mittlere und 134 Tage leichte Schmerzen) wurden für die Zukunft etwa 205 Tage mittelstarke und 60 Tage leichte Schmerzen angenommen. Aufgrund einer außerordentlichen Revision der damals beklagten Parteien minderte der Oberste Gerichtshof das von den Vorinstanzen als angemessen erachtete (ungekürzte) Schmerzengeld von S 930.000 (EUR 67.585) auf S 400.000 (EUR 29.069,13) und führte aus, im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in den Fällen, in denen ein Schmerzengeld von S 930.000 zugesprochen worden sei bzw welche bisherigen Beträge für die festgestellten Verletzungen des Klägers zugesprochen worden seien, erscheine dieser Betrag angemessen, um alles vom Kläger erduldete bzw noch zu erduldende Unbill abzugelten.

Im Gegensatz zu der in der Revisionsbeantwortung des Klägers vertretenen Auffassung ermöglicht gerade diese Entscheidung eine vergleichende Betrachtung mit dem vorliegenden Fall, weil die jeweils erlittenen Verletzungen und ihre Folgen in ihrer Schwere und dem (komplizierten) Heilungsverlauf sowie in ihren Dauerfolgen durchaus vergleichbar sind. Im Hinblick auf die nur um knapp vier Monate divergierenden Unfallszeitpunkte versagt auch das Argument des Klägers, „dass diese Entscheidung bereits längere Zeit zurückliegt". Eine Bedachtnahme auf sich ändernde Schmerzengeldsätze kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil - wie ausgeführt - das Schmerzengeld grundsätzlich global, das heißt als Gesamtentschädigung festzusetzen ist.

In jenen (durchwegs schon älteren) Entscheidungen, in denen sich der Oberste Gerichtshof mit der Überprüfung des angemessenen Schmerzengeldes nach einem Bruch des Schienbeinkopfes zu befassen hatte, lagen überwiegend noch weitere schwerwiegende Verletzungen vor (zu den im Folgenden wiedergegebenen Entscheidungen siehe auch in Manz CD-Rom Danzl, Schmerzengeld-Entscheidungen, Ausgabe 2/2004):

In der Entscheidung vom 12. 3. 1987, 8 Ob 85/86 (REDOK 11.608) billigte der Oberste Gerichtshof bei einem Kläger, dem nach einem Bruch im Bereich des rechten inneren und äußeren Schienbeinkopfes infolge einer Traumatisierung bereits bestehender Gefäßinnenwandveränderungen das rechte Bein amputiert werden musste, das von den Vorinstanzen mit S 400.000 (EUR 29.069) bemessene Schmerzengeld.

Mit der Entscheidung vom 30. 8. 1989, 2 Ob 31/89, wurde im Falle eines Klägers, der neben einem Schienbeinkopfbruch weitere Knochenbrüche (rechter Unterschenkel, rechte Hüftgelenkspfanne, rechter Oberschenkelhals, Oberschenkelschaft, Oberschenkelknorren) Prellungen an Kopf und Bauch, eine Gehirnerschütterung, einen Unfallschock und innere Verletzungen (Einriss des Dickdarms und Zerreißung des Dünndarms) erlitten hatte, und bei dem schwerwiegende Dauerfolgen zurückgeblieben sind, ein Schmerzengeld von S 600.000 (EUR 43.604) nach Revisionen beider Streitteile bestätigt.

In dem der Entscheidung vom 29. 10. 1985, 2 Ob 30/85 (REDOK 7700), zugrunde liegenden Fall, in dem der Kläger außer einem Schienbeinkopfbruch einen Hüftverrenkungsbruch, einen Oberschenkelbruch, mehrfache Brüche des Wadenbeins sowie einen Trümmerbruch mit Zertrümmerung des Wadenbeinköpfchens erlitten hatte, sich zahlreichen Operationen unterziehen musste, auf Dauer arbeitsunfähig wurde und mit - komprimiert - 21 Tagen leichten Schmerzen jährlich bis an sein Lebensende rechnen musste, wurde ein Schmerzengeld von S 600.000 (EUR 43.604) als angemessen erachtet.

In der Entscheidung vom 17. 5. 1988, 2 Ob 51/88 (ZVR 1989/135), wurde im Falle einer Klägerin, die neben einem Schienbeinkopfbruch eine Gehirnerschütterung oder -quetschung, Schnittwunden im Gesicht, innere Verletzungen, Brüche des Beckens, des rechten oberen und des linken unteren Schambeinastes, des linken Armes und einen Trümmerbruch nahe dem Ellenbogengelenk sowie weitere Verletzungen erlitten hatte und überdies zahlreichen Operationen, einer länger dauernden Berufsunfähigkeit sowie der Ungewissheit ausgesetzt war, ob sie ihren Beruf als Schauspielerin je wieder werde ausüben können, ein Schmerzengeld von S 680.000 (EUR 49.418) als gerechtfertigt angesehen.

Dem gegenüber hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 21. 3. 2002, 2 Ob 12/02g, das von den Vorinstanzen zu gering bemessene Schmerzengeld eines Klägers, der bei einem Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma, mehrere Knochenbrüche sowie innere Verletzungen erlitten hatte und (unter anderem) an Bewegungseinschränkungen und Impotenz als Dauerfolgen leidet, auf die begehrten S 860.000 (EUR 62.499) erhöht.

In der Entscheidung vom 28. 6. 2001, 2 Ob 115/01x (ZVR 2002/63), wurde das von den Vorinstanzen einer im Unfallszeitpunkt schwangeren Frau, die bei einem Verkehrsunfall eine Beckenfraktur, einen offenen Oberschenkelbruch mit nachfolgender Oberschenkelamputation erlitt und zusätzliche seelische Belastungen zu ertragen hat, weil die unfallbedingte Notgeburt schwerste Behinderungen ihres Kindes nach sich gezogen hat, zuerkannte Schmerzengeld im begehrten Ausmaß von S 1,000.000 (EUR 72.673) als unbedenklich angesehen.

Im Lichte dieser Rechtsprechung wäre - unter Berücksichtigung des seit den älteren Entscheidungen eingetretenen Geldwertverfalles, der eine Aufwertung der zugesprochenen Beträge um bis zu rund 50 % erfordern kann (vgl 2 Ob 255/01s) - im vorliegenden Fall angesichts der festgestellten Schmerzperioden, der Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen, der dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen und der damit verbundenen seelischen Beeinträchtigungen sowie allen sonstigen zu erduldenden Ungemachs ein über den von der beklagten Partei bereits entrichteten Betrag von insgesamt EUR 35.800 hinausgehender Zuspruch an Schmerzengeld nicht gerechtfertigt. Die mit einer allfälligen späteren Operation verbundene Unbill, die derzeit noch nicht absehbar ist, ist von dieser Bemessung ohnedies nicht erfasst.

In Stattgebung der berechtigten Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des restlichen Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 2 erster und zweiter Fall, 50 ZPO.

Bei der neu zu fassenden Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war zunächst zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger gemäß § 1415 ABGB grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Teilzahlungen anzunehmen (SZ 66/156 mwN; RIS-Justiz RS003272; Harrer/Heidiger in Schwimann, ABGB², § 1415 Rz 1). Die beklagte Partei hat im Zuge der Vergleichsverhandlungen vor Einbringung der Klage aus dem Titel des Schmerzengeldes insgesamt EUR 34.300 in vier Teilbeträgen an den Kläger bezahlt, womit dessen Ansprüche - ausgehend vom späteren Anerkenntnis der beklagten Partei - noch nicht zur Gänze abgegolten waren. Der Kläger hat hievon einen Teilbetrag von EUR 14.300 an die beklagte Partei zurücküberwiesen, ohne dass diese sich auf die bereits erfolgte Annahme der überwiesenen Teilbeträge mit schuldtilgender Wirkung berufen oder der Rücküberweisung das Schikaneverbot entgegengehalten hätte. Sie ließ vielmehr den Zuspruch von Verzugszinsen aus dem rücküberwiesenen Teilbetrag an den Kläger unbekämpft, sodass dessen Berechtigung zur Rücküberweisung im Revisionsverfahren als unstrittig anzusehen ist. Die von der beklagten Partei für sich reklamierte Anwendung des § 45 ZPO scheitert hinsichtlich des Leistungsbegehrens daher schon daran, dass sie durch Leistung bloß einer Teilzahlung Veranlassung zur Klage gegeben hat. Dies gilt auch für das Feststellungsbegehren, in Ansehung dessen den Urteilen der Vorinstanzen nur die - außer Streit stehende - Abgabe eines Verjährungsverzichtes bis zum 31. 12. 2004, nicht aber auch die wirksame Abgabe eines konstitutiven Haftungsanerkenntnisses zu entnehmen ist (vgl dazu Danzl aaO 221 mwN).

Daraus folgt, dass der Kläger in dem bis zur Fällung des Teilanerkenntnisurteiles in der mündlichen Streitverhandlung vom 2. 2. 2004 währenden ersten Verfahrensabschnitt mit EUR 15.800 seines Leistungsbegehrens und seinem mit EUR 10.000 bewerteten Feststellungsbegehren durchgedrungen ist. Unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles erscheint in dieser Prozessphase die Anwendung des § 43 Abs 2 zweiter Fall ZPO auf das Leistungsbegehren des Klägers gerade noch vertretbar; ist diese Bestimmung doch auch dann beachtlich, wenn der Kläger wegen einer vor dem Prozess erhaltenen Teilzahlung überwiegend unterlegen ist, die insgesamt erhobene Forderung jedoch nicht übermäßig hoch gegriffen ist (M. Bydlinski in Fasching/Konecny II/1² § 43 ZPO Rz 19 mwN). Da der Kläger mit (insgesamt) 51 % seines Schmerzengeldbegehrens durchgedrungen ist, muss die Überklagung noch nicht als erkennbare und offenbare Überforderung (M. Bydlinski aaO) außerhalb jeder vernünftigen Überlegung (Danzl aaO 229 mwN) qualifiziert werden, wie sich schon aus dem Umstand ergibt, dass immerhin zwei Instanzen der Bemessung des Klägers gefolgt sind. Allerdings hat der Kläger nur Anspruch auf Kostenersatz im Rahmen des im ersten Verfahrensabschnitt erzielten Prozesserfolges (RIS-Justiz RS0116722; Danzl aaO 230). Es sind ihm daher die Kosten dieses Abschnittes auf Basis eines fiktiven Streitwertes von EUR 25.800 zu ersetzen, das sind EUR 2.598,50 (darin EUR 341,25 USt und EUR 551 Barauslagen).

Hiezu kommen die vorprozessualen Kosten des Klägers, die dem ersten Verfahrensabschnitt zuzuordnen sind. Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass die Kosten außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen als vorprozessuale Kosten zu behandeln sind (SZ 50/135; vgl auch OLG Wien ZVR 1995/50; Fucik in Rechberger, ZPO² vor § 40 ZPO mwN), sofern sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und - weil sie mit einem erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verbunden waren - nicht ohnedies durch den Einheitssatz gedeckt sind (§ 23 Abs 4 RATG). Zu einem Abgehen von dieser Judikatur sieht sich der erkennenden Senat auch durch die sich auf M. Bydlinski (aaO § 41 ZPO Rz 44) stützenden Ausführungen des Berufungsgerichtes anlässlich der Erledigung des Kostenrekurses des Klägers und der von der beklagten Partei erhobenen Berufung im Kostenpunkt, diese Kosten hätten als materieller Anspruch in der Klage (allenfalls als Nebenforderung gemäß § 54 Abs 2 JN) geltend gemacht werden müssen, nicht veranlasst.

Die zwischen den Parteien in Bezug auf das Kostenverzeichnis Beil ./I zuletzt allein umstrittene Frage, ob das Schreiben des Klagevertreters vom 16. 8. 2001, mit dem er dem Rechtsschutzversicherer einen Vollmachtswechsel ankündigte, unter die nach den erwähnten Grundsätzen ersatzfähigen vorprozessualen Kosten fällt, ist zu verneinen. Aus dem Kostenverzeichnis Beil ./I gebühren dem Kläger daher vorprozessuale Kosten von EUR 1.250,02 (darin EUR 298,34 USt). Sämtliche der in der Kostennote Beil ./J verzeichneten Leistungen wurden nach den Feststellungen des Erstgerichtes im Bemühen um eine außergerichtliche vergleichsweise Regelung erbracht. Dazu steht nicht im Widerspruch, dass die Kostennote auch die Rücksprache mit dem Kläger und dessen Information über den Stand der Verhandlungen dienende Telefonate, Schreiben und Besprechungen umfasst. Auch die Beauftragung des medizinischen Sachverständigen mit der Erstattung eines abschließenden Gutachtens und dessen Erörterung mit dem Kläger erfolgte nicht nur zur Sammlung von Beweismaterial, sondern auch zur Schaffung einer Grundlage für die danach fortgesetzten Vergleichsgespräche, wobei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, dass sich die Parteien dem Gutachten unterworfen haben und die Prozesskosten auf diese Weise vermindert worden sind (vgl Fucik aaO vor § 40 ZPO Rz 5). Der bescheinigte Leistungsumfang und die Dauer der Vergleichsverhandlungen rechtfertigen die Beurteilung, dass sie einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe verursacht haben. Die in der Kostenrekursbeantwortung der beklagten Partei vertretene Ansicht, telefonische Vergleichsverhandlungen fielen stets unter den Einheitssatz, trifft bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs 4 RATG nicht zu. Das Kostenverzeichnis Beil ./J ist jedoch dahin zu korrigieren, dass die Heilungskosten von EUR 5.265,07 nur hinsichtlich des Schreibens vom 25. 11. 2002 in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen und die Kosten für die angeführten Kopien nach Maßgabe der zwischen den Streitteilen hierüber erzielten Einigung herabzusetzen sind. Im Übrigen sind die in Beil ./J verzeichneten vorprozessualen Kosten auf Basis des im ersten Verfahrensabschnitt ersiegten Betrages (EUR 25.800), somit in einer Höhe von EUR 2.131,15 (darin EUR 355,19 USt) zuzuerkennen.

Da mit dem Teilanerkenntnisurteil vom 2. 2. 2004 die Schmerzengeldansprüche des Klägers vollständig erledigt wurden, ist der folgende Verfahrensabschnitt kostenrechtlich selbständig zu beurteilen. Ab der Tagsatzung, in welcher das Teilanerkenntnisurteil erging (§ 12 Abs 3 RATG), ist der Kläger mit Ausnahme eines Teiles seines Zinsenbegehrens zur Gänze unterlegen. Für diesen Verfahrensabschnitt gebührt der beklagten Partei daher gemäß § 43 Abs 2 erster Fall ZPO voller Kostenersatz auf Basis des restlichen Streitwertes von EUR 34.200 (M. Bydlinski aaO Rz 17 mwN), das sind EUR 2.258,28 (darin EUR 376,38 USt).

Zusammenfassend folgt daraus, dass die beklagte Partei dem Kläger EUR 551 an Pauschalgebühr und (insgesamt) EUR 3.380,21 (darin EUR 563,37) an vorprozessualen Kosten zu ersetzen hat, während sich hinsichtlich der übrigen Verfahrenskosten bei Saldierung der wechselseitigen Ansprüche ein Überhang von EUR 210,78 (darin EUR 35,13 USt) zugunsten der beklagten Partei ergibt.

Im Berufungs- und Revisionsverfahren hat die beklagte Partei jeweils zur Gänze obsiegt, sodass ihr voller Kostenersatz zusteht. Die Kostenrekursbeantwortung ist hingegen nicht zu honorieren, da diesem Rechtsmittelschriftsatz (ebenso wie dem Kostenrekurs des Klägers) durch die Abänderung der Sachentscheidung der Boden entzogen worden ist.

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