OGH 5Ob221/07x

OGH5Ob221/07x20.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** I***** AG, *****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, gegen die beklagte Partei DI Dr. Hubert L*****, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 27.288,96 Euro s.A. und Räumung über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 3. August 2007, GZ 3 R 84/07f-70, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin hatte ursprünglich neben einem Räumungsbegehren einen rückständigen Mietzins in der Höhe von 15.794,68 Euro s.A. geltend gemacht, und zwar als Differenz zwischen einem bisher vorgeschriebenen Mietzins von monatlich 167,49 Euro und einem (erhöhten) angemessenen Mietzins von monatlich 508,20 Euro für den Zeitraum von 5/1999 bis 4/2002. Die Klägerin stützte ihr Begehren nach Mietzinserhöhung einerseits und zunächst darauf, dass der Beklagte das in den Bestandräumlichkeiten betriebene Geschäft am 1. 1. 1990 aus dem Nachlass seines Vaters DI Hermann L***** übernommen habe. Andererseits brachte die Klägerin in der Tagsatzung am 8. 11. 2004 vor, es sei erstmals in der Tagsatzung am 30. 8. 2004 ein das Mietzinserhöhungsbegehren (ebenfalls) rechtfertigender, im Juni 1989 erfolgter Unternehmensverkauf von DI Hermann L***** an dessen Sohn Ernst L***** hervorgekommen.

Mit rechtskräftigem Zwischenurteil (richtig: Teilzwischenurteil) vom 10. 5. 2005, GZ 6 C 447/02i-43, hat das Erstgericht erkannt, das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 15.794,68 Euro samt 12 % Zinsen seit 1. 1. 2002 zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht. Mit dieser Entscheidung bejahte das Erstgericht das Vorliegen des Erhöhungstatbestands nach § 12 Abs 3 idF vor dem 3. WÄG aufgrund einer Unternehmensveräußerung am 14. 6. 1989, welche der Klägerin erst (bei der Tagsatzung) am 30. 8. 2004 bekannt geworden sei.

Im fortgesetzten Verfahren dehnte die Klägerin nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens ihr Zahlungsbegehren in der Tagsatzung am 4. 10. 2006 auf 28.423,17 Euro s.A. aus. Die Klägerin brachte dazu vor, der ortsübliche und daher angemessene monatliche Mietzins für das Bestandobjekt per 14. 6. 1989 habe brutto 304,80 Euro betragen. Der Bestandnehmer habe monatlich 167,49 Euro entrichtet. Die Differenz (137,31 Euro) ergebe für die Zeit von 7/89 bis 9/06 das ausgedehnte Klagebegehren.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit Teilurteil zur

Zahlung von 27.288,86 Euro s.A. und wies das Mehrbegehren auf Zahlung

weiterer 1.134,31 Euro s.A. - rechtskräftig - ab. Zugrunde liegt dem

Zuspruch eine Differenz zwischen bezahltem und angemessenem

monatlichen Hauptmietzins in der Höhe von 137,31 Euro für die Zeit

von 7/1989 bis 2/2001 (= 140 Monate), ds zusammen 19.223,40 Euro, und

120,38 Euro für die Zeit von 3/2001 bis 9/2006 (= 67 Monate), ds

zusammen 8.065,46 Euro, insgesamt 27.288,86 Euro.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte macht in seiner gegen das Berufungsurteil erhobenen außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1.1. Der Beklagte führt inhaltlich einen vermeintlichen Mangel des Berufungsverfahrens aus, indem er beanstandet, das Berufungsgericht habe die Behandlung seiner Tatsachen- und Beweisrüge mit der unzutreffenden Begründung ihrer nicht gesetzmäßigen Ausführung abgelehnt. Er habe aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - mit der gewünschten Ersatzfeststellung eines angemessenen Hauptmietzinses für das Bestandobjekt von (zum Stichtag 14. 6. 1989) 1,86 Euro/m² (anstatt des vom Erstgericht festgestellten Durchschnittswerts für vergleichbare Objekte von 7,50 Euro/m²) eine Tatsachenfeststellung begehrt und keine Rechtsfrage angesprochen.

1.2. Das Berufungsgericht ist der Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshofs gefolgt, wonach es sich bei der Feststellung des

ortsüblichen Mietzinses um eine Tatfrage, bei der Beurteilung der

Angemessenheit des Mietzinses jedoch um eine Rechtsfrage handelt (5

Ob 101/05x = MietSlg 57.299; 5 Ob 227/00v = wobl 2001/156, 258 =

MietSlg 52.314; 5 Ob 294/98s = immolex 1999/72, 103 = MietSlg 50.325

= wobl 2000/35, 83; vgl auch RIS-Justiz RS0111105).

Das Erstgericht hat hier den „Durchschnittswert bei Vorhandensein von Sanitärräumen für vergleichbare Objekte" mit 7,50 Euro/m² festgestellt und ist dann - im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - aufgrund näher dargestellter Abzüge zu einem angemessenen Mietzins von 5,25 Euro/m² gelangt. Der Beklagte hat im Rahmen der Tatsachenrüge seiner Berufung die Miete eines Nachbarobjekts im betreffenden Haus herangezogen, davon bestimmte Abschläge vorgenommen und als Ergebnis die „Feststellung" begehrt, „der angemessene Hauptmietzins für das klagsgegenständliche Objekt" habe zum Stichtag 1,86 Euro/m² betragen.

Mit diesen Berufungsausführungen wird - wie vom Gericht zweiter Instanz richtig erkannt - einerseits die Feststellung des Erstgerichts zum ortsüblichen Mietzins nicht nachvollziehbar bekämpft und andererseits die Feststellung des Ergebnisses einer rechtlichen Beurteilung, nämlich des angemessenen Hauptmietzinses begehrt. Es trifft daher zu, dass die in der Berufung des Beklagten enthaltene Tatsachen- und Beweisrüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt und daher nicht als solche zu behandeln war. Auf die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Angemessenheitsprüfung kommt der Beklagte in seiner Revision nicht mehr zurück. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.1. Der Beklagte ist - zusammengefasst - der Ansicht, die Vorinstanzen hätten Bedeutung und Wirkung des in dieser Sache ergangenen Zwischenurteils über das Begehren auf Zahlung des Mietzinses verkannt. Das Berufungsgericht habe selbst eingeräumt, das ursprüngliche Klagebegehren sei betreffend den Unternehmensverkauf am 14. 6. 1989 mangels näherer Aufschlüsselung des Klagsbetrags unschlüssig gewesen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei diese Unschlüssigkeit nicht durch das Zwischenurteil und die im anschließenden Verfahren erfolgte Aufgliederung des (ausgedehnten) Klagsbetrags saniert worden. Richtigerweise hätte überdies davon ausgegangen werden müssen, dass das vom Erstgericht erlassene Zwischenurteil nur den Mietzinszeitraum von 5/1999 bis 4/2002, nicht aber die von der späteren Klagsausdehnung erfassten Zeiträume (7/1989 bis 4/1999 und 5/2002 bis 9/2006) zum Gegenstand gehabt habe. Für die letztgenannten Zeiträume fehlten dem Zuspruch rechtfertigende Feststellungen und es seien darauf gerichtete Ansprüche bereits verjährt.

2.2.1. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs (Grundurteil) entfaltet innerhalb des Rechtsstreits insoweit (innerprozessuale) Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrunds nicht neuerlich aufgerollt werden darf (RIS-Justiz RS0040736). Die bindende Wirkung eines den Rechtsbestand des Klagsanspruchs bejahenden Zwischenurteils erstreckt sich auch auf Klagserweiterungen, die erst im Verfahren über die Anspruchshöhe vorgenommen, aber aus demselben Rechtsgrund abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0039485).

2.2.2. Ein Zwischenurteil hat aber auch insoweit Präklusionswirkung, als die Parteien keine weiteren Tatsachen vorbringen können, die den Grund des Anspruchs betreffen. Daraus folgt, dass auch im Fall einer Klagserweiterung Einwendungen, die sich auf den Grund des Anspruchs beziehen, nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Einrede der Verjährung berührt den Grund des Anspruchs, muss daher schon im Zwischenverfahren erledigt werden und kann im Verfahren über die Höhe des Anspruchs grundsätzlich nicht mehr nachgetragen werden (10 Ob 110/05g). Allerdings kann sich die Präklusionswirkung des Zwischenurteils nur auf solche, den Anspruchsgrund betreffende Tatsachen und Einwendungen erstrecken, die vor Schluss der Verhandlung über den Grund des Anspruchs eingetreten waren und in diesem Verfahrensabschnitt geltend gemacht werden konnten. Betrifft der Verjährungseinwand lediglich Anspruchsteile, die nach Fällung des Zwischenurteils (durch Klagsausdehnung) geltend gemacht wurden, dann konnte insoweit vorher Verjährung nicht eingewendet werden und es betrifft dann dieser Einwand nicht den Grund des Anspruchs, sondern dessen Höhe (2 Ob 568/95 = RdW 1996, 113 = JBl 1996, 666).

2.2.3. Hier hat das Erstgericht mit rechtskräftigem Zwischenurteil (richtig: Teilzwischenurteil) erkannt, das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 15.794,68 Euro samt 12 % Zinsen seit 1. 1. 2002 zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht. Mit dieser Entscheidung bejahte das Erstgericht dem Grunde nach das Vorliegen des Mietzinserhöhungstatbestands nach § 12 Abs 3 idF vor dem 3. WÄG aufgrund einer Unternehmensveräußerung am 14. 6. 1989, welche der Klägerin erst (bei der Tagsatzung) am 30. 8. 2004 bekannt geworden sei. Damit hat das Erstgericht genau diesen Anspruch auf Mietzinserhöhung und - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht etwa nur ein Erhöhungsbegehren für den ganz bestimmten, in der Klage geltend gemachten Zeitraum dem Grund nach bejaht.

2.2.4. Die vom Beklagten relevierte Frage der Schlüssigkeit des ursprünglichen Klagsvorbringens betrifft den Grund des (ursprünglich erhobenen) Begehrens und kann daher im fortgesetzten Verfahren über die Höhe des bereits durch das rechtskräftige Zwischenurteil dem Grunde nach bejahten Anspruchs der Klägerin nicht mehr mit Erfolg erhoben werden (10 Ob 110/05g).

2.2.5. Den Einwand der Verjährung hat der Beklagte bereits - allerdings erfolglos, weil verspätet - in der Berufung gegen das Zwischenurteil erhoben, sodass insoweit und für den ursprünglich erfassten Mietzinszeitraum jedenfalls der Einwendungsausschluss in dem zu 2.2.2. dargestellten Sinn zum Tragen kommt. Im Übrigen setzt sich der Beklagte mit seinem Verjährungseinwand - unzulässig - über die Feststellung des Erstgerichts hinweg, wonach die Klägerin erst bei der Tagsatzung am 30. 8. 2004 von der Unternehmensveräußerung am 14. 6. 1989 Kenntnis erlangt hat. Hinsichtlich der von der späteren Klagsausdehnung erfassten Zeiträume und für den gerade auf diesen Erhöhungstatbestand (Unternehmensveräußerung am 14. 6. 1989) gegründeten Schadenersatzanspruch wegen Nichtanzeige eben dieser Unternehmensveräußerung kann daher die Verjährungsfrist (allgemein dazu etwa 8 Ob 31/02w = MietSlg 54.210) erst mit 30. 8. 2004 zu laufen begonnen haben und die Ausdehnung des Klagebegehrens auf den gesamten beurteilten Zeitraum erfolgte (bereits) in der Tagsatzung am 4. 10. 2006; Verjährung kann daher nicht eingetreten sein. Die Revision zeigt somit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf, ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

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