Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte, der seit 1994 in Österreich lebt, unterfertigte (gerichtlich beglaubigt) am 14. 6. 2002 folgende formularmäßige (die persönlichen Daten wurden von ihm handschriftlich ergänzt) „Verpflichtungserklärung":
„Ich, D***** Bilal ....... lade Herrn/Frau D***** Özkan
.............., Herrn/Frau D***** Filiz ...., Herrn/Frau D*****
Gazelhan ...... zu einem Besuch in der Dauer von 20 Tagen zu mir ein.
Ich verpflichte mich, für den Unterhalt und die Unterkunft der eingeladenen Personen aufzukommen. Ich verpflichte mich weiters, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgeht - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen.
Innsbruck, am 14. 6. 2002 Unterschrift (unleserlich) Hinweise
1.) Durch diese Verpflichtungserklärung sind beispielsweise auch Kosten für Fürsorgeleistungen und Aufwendungen für medizinische Betreuung erfasst.
2.) Die Unterschrift muss gerichtlich oder notariell beglaubigt sein."
Der Beklagte war zuvor von seinem Cousin Özkan D***** telefonisch um eine „Einladung" gebeten worden, um dem Cousin, dessen Ehefrau Filiz und ihrem minderjährigen Sohn Gazelhan die Einreise nach Österreich zu ermöglichen. Er wusste von Landsleuten, dass man zu diesem Zweck bei der Bezirkshauptmannschaft ein Formular holen, dieses ausfüllen und beglaubigen lassen müsse. Der Beklagte schloss der Verpflichtungserklärung die Reservierungsbestätigung eines Hotels und eine Einkommensbestätigung der letzten drei Monate an. Der Cousin landete am 11. 7. 2002 in München und fuhr mit seiner Familie nach Österreich, wo er drei Tage bei (anderen) Verwandten blieb. Dann reiste er mit seiner Familie nach Deutschland zurück und stellte am 2. 8. 2002 einen Asylantrag. Am 1. 4. 2003 wurde er auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens zwischen Österreich und Deutschland (mit seiner Familie) nach Österreich überstellt und stellte auch hier einen Asylantrag. Diesem wurde, da der Cousin auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in der Türkei gefährdet gewesen war, nach einem Jahr stattgegeben. Bis dahin war der Cousin mit seiner Familie in Heimen untergebracht.
Die hiefür der klagenden Partei entstandenen und von ihr auf Grund des Tiroler Sozialhilfegesetzes getragenen Kosten begehrt sie vom Beklagten auf Grund dessen „Patronatserklärung" ersetzt. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein, sein Cousin, der nach kurzem Aufenthalt in Österreich wieder nach Deutschland ausgereist sei, habe ohne sein Wissen und entgegen seinem Willen hier im April 2003 einen Asylantrag gestellt. Durch die Ausreise sei die Verpflichtungserklärung erloschen. Der Beklagte befinde sich selbst in einer Notlage. Die klagende Partei sei auf Grund des Tiroler Sozialhilfegesetzes zur Gewährung von Sozialhilfe an die Familie D***** verpflichtet gewesen; die Übernahme der Ausfallshaftung diene nicht dazu, eine Gebietskörperschaft von ihren gesetzlichen Verpflichtungen zu entlasten. Er sei für die Leistungen der klagenden Partei daher nicht ersatzpflichtig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verpflichtungserklärung habe sich auf einen 20-tägigen Aufenthalt bezogen und könne sich nicht auf einen Zeitraum nach der Ausreise aus Österreich und der Wiedereinreise infolge der Überstellung von Deutschland erstrecken.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Sinn und Zweck der vom Beklagten unterfertigten Verpflichtungserklärung könne nur in der Übernahme der Ausfallshaftung für solche Kosten liegen, auf die kein gesetzlicher Anspruch bestehe. Die Verpflichtung, für den Unterhalt der eingeladenen Person aufzukommen, könne nur subsidiär für den Fall angenommen werden, dass der Eingeladene nicht über eigene Mittel für seinen Unterhalt verfüge. Habe aber ein Fremder gesetzlichen Anspruch auf Bundesbetreuung, werde dieser Anspruch nicht dadurch beseitigt, dass sich ein Dritter zur subsidiären Unterhaltsgewährung verpflichtet habe. In diesem Sinne könne auch keine Verpflichtung zum Rückersatz des Dritten hinsichtlich des Bundes, des Landes, der Gemeinde oder der Gebietskörperschaft entstehen, die auf Grund eines Selbstbindungsgesetzes, wie etwa des Bundesbetreuungsgesetzes, zur Leistung verpflichtet sei. Es könne nämlich nicht Sinn der Patronatserklärung sein, den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder eine Gebietskörperschaft von gesetzlich zu erbringenden Leistungen zu entlasten. Die Hilfsbedürftigkeit des Asylwerbenden und seiner Familie sei von der klagenden Partei zugestanden worden. Bereits die Aufnahme in die Bundesbetreuung impliziere die Erfüllung aller hiezu erforderlichen Voraussetzungen. Es ergebe sich daher ein Anspruch der betreffenden Familie auf Betreuung durch die klagende Partei von Gesetzes wegen. Den Beklagten, dessen Verpflichtungserklärung nur als subsidiäre Ausfallshaftung gesehen werden dürfe, treffe demnach keine Rückersatzpflicht.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da der Rechtsfrage, ob bei Inanspruchnahme von auf einem Selbstbindungsgesetz basierenden Leistungen eine Rückersatzpflicht desjenigen bestehe, der eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, erhebliche Bedeutung zukomme, hiezu eine „ausdrückliche" Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle und in der Entscheidung 7 Ob 323/99x eine Haftung des Patrons bejaht worden sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei, die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht oder das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsansicht des
Berufungsgerichtes, aus der Patronatserklärung sei (grundsätzlich)
nicht für die einem Asylwerber auf Grund von auf einem
Selbstbindungsgesetz (wie dem Bundesbetreuungsgesetz - vgl dazu etwa
9 Ob 71/03m und 5 Ob 98/05f) beruhenden Anspruch erbrachten
Betreuungsleistungen zu haften, zur Entscheidung des OGH 7 Ob 323/99x
(SZ 73/36) im Widerspruch steht.
Die Verpflichtungs-(Patronats-)erklärung des Beklagten ist wortgleich
mit jener, die bereits Gegenstand der zitierten Entscheidung war. Der Oberste Gerichtshof hat dort ausgesprochen, dass eine Person durch eine solche Erklärung die Haftung für jene Kosten übernimmt, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt eines Fremden in Österreich entstehen können. Sie ist eine Mischform zwischen Bürgschaft und echtem Vertrag zu Gunsten Dritter und begründet eine zu jener des Fremden akzessorische Verbindlichkeit (vgl auch 6 Ob 334/99g, ecolex 2000, 255). Weiters hat der Oberste Gerichtshof in SZ 73/36 ausdrücklich ausgeführt, dass die betreffende Haftung auch Kosten einer allfälligen Bundesbetreuung während der Dauer des Asylverfahrens umfasse.
Eine weitere Auseinandersetzung mit der in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichtes aufgeworfenen Rechtsfrage erübrigt sich aber, weil es darauf im vorliegenden Fall gar nicht ankommt: Der Ausspruch, dass auch Kosten einer allfälligen Bundesbetreuung umfasst seien, betraf (selbstredend) Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Aufenthalt, zu dem der beklagte „Patron" eingeladen hatte, aufgelaufen waren. Dies trifft hier aber nicht zu. Der Cousin des Beklagten hatte mit seiner Familie Österreich schon nach drei Tagen wieder verlassen und war erst mehr als acht Monate später ohne Wissen und Willen des Beklagten (unfreiwillig?) nach Österreich zurückgekehrt, um (auch) hier um Asyl anzusuchen. Davon, dass dieser zweite Aufenthalt die Fortsetzung des ersten, Monate zurückliegenden Aufenthaltes gewesen wäre, zu dem der Beklagte (für 20 Tage) eingeladen hatte und sich die Patronatserklärung daher auch auf diesen zweiten Aufenthalt erstreckt hätte, kann - wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat - unter den gegebenen Umständen keine Rede sein. Eine Haftung des Beklagten für die allein geltend gemachten Kosten des zweiten Aufenthaltes kommt schon deshalb nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Es steht nur der einfache Einheitssatz (und nicht, wie verzeichnet, der vierfache Einheitssatz) zu.
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