European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:E93578
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 940,50 EUR (darin 156,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 22. 2. 2006 ereignete sich gegen 8:50 Uhr im Schigebiet Fiss auf der Frommes-Abfahrt bei der „Windleskante“ ein Schiunfall, an dem die Klägerin als Schifahrerin und der Zweitbeklagte als Lenker eines von der erstbeklagten Partei gehaltenen Schidoos beteiligt waren.
Die Klägerin war damals als Aushilfsschilehrerin für die Schischule F* tätig. Grundsätzlich war im gesamten Schigebiet das Befahren und der Aufenthalt auf Pisten im Zeitraum zwischen 17:00 Uhr abends und 9:00 Uhr morgens verboten. Für die Schilehrer der besagten Schischule bestand allerdings aufgrund einer Vereinbarung mit der Betriebsleitung der erstbeklagten Partei die Möglichkeit, vor Beginn des Liftbetriebs (um 9:00 Uhr) zu trainieren, wobei ihnen der Zugang zu den Liften und Bergbahnen offen stand. Im Zuge dieser Trainingsfahrten wurde seit Jahren auch die Frommes-Abfahrt befahren; eine auf diese Piste bezogene Einschränkung der Benützungserlaubnis gab es nicht.
Auch am Unfallstag absolvierten die Schilehrer der Schischule F* vor Beginn des Liftbetriebs eine Trainingsfahrt. Für die Klägerin war dies die erste Trainingsfahrt der Saison; sie befuhr auch das erste Mal die Frommes-Abfahrt. Die Klägerin befand sich in einer Gruppe von 14 bis 15 Personen, die sich im Zuge der Talfahrt oberhalb der Frommes-Alm sammelte. Von dort sollten die Schilehrer einzeln zur Mittelstation fahren. Als erstes fuhr ein Ausbildungsschilehrer, danach folgten zumindest drei bis vier weitere Schilehrer, die alle mit den roten Schianzügen der Schischule bekleidet waren. Die Klägerin fuhr „als eine der Mittleren aus der Gruppe“ in mittellangen Schwüngen relativ zügig ab.
Die Piste weist im Bereich der Unfallstelle einen starken Geländeknick auf. In Fahrtrichtung talwärts ist sie vor dieser Kuppe zunächst 11 m, dann 13 m breit und hat eine Längsneigung von 6 %. Unmittelbar nach der Kuppe ist die Piste 12 m breit, die Längsneigung beträgt 25 %. Die Piste wird linksseitig durch einen steilen Abhang, rechtsseitig durch eine Böschung begrenzt. Die Klägerin näherte sich der Geländekante auf der linken Pistenhälfte mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 bis 40 km/h.
Um etwa 8:40 Uhr war der Zweitbeklagte von der Talstation mit dem Schidoo und einem daran befestigten Anhänger bergwärts losgefahren, um Fliesen zur Pumpstation des Beschneiungsteichs der erstbeklagten Partei zu transportieren. Der Schidoo war mit einer in ca 1,7 m Bodenhöhe angebrachten orangefarbenen Drehleuchte und einem Folgetonhorn ausgestattet. Außerdem war auf einer Teleskopstange in 2,2 m Höhe ein roter Wimpel befestigt. Mit dem Starten des Motors wurden sowohl die Drehleuchte als auch das Folgetonhorn automatisch aktiviert. Das Folgetonhorn kann händisch ausgeschaltet werden. Wird der Schidoo später neuerlich gestartet, wird das Folgetonhorn nicht wieder automatisch in Gang gesetzt. Ob der Zweitbeklagte im Zuge seiner Fahrt am Unfallstag den akustischen Warnton eingeschaltet hatte, ist nicht feststellbar.
Er fuhr in Annäherung an die Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von ca 25 km/h und hielt mit dem 1,2 m breiten Fahrzeug einen Seitenabstand von ca 1,3 m zum (aus seiner Sicht) rechten Pistenrand ein. Obwohl ihm die vor der Klägerin gestarteten Schilehrer begegneten, behielt er vor Erreichen der sichtbehindernden Geländekante Geschwindigkeit und Fahrlinie unverändert bei.
Die Klägerin und der Zweitbeklagte erlangten rund zwei Sekunden vor der Kollision wechselseitige Sicht aufeinander, als erstere sich etwa 23 m oberhalb und letzterer (bezogen auf seine Sitzposition) sich ca 12,2 m unterhalb der Geländekante befand. Für eine Reaktion auf das Auftauchen des Unfallgegners benötigten sie jeweils eine Sekunde. Hätte der Zweitbeklagte sofort reagiert, so hätte er den Schidoo nach einer Wegstrecke von 9,1 m anhalten können. Das Fahrzeug wäre dann noch unterhalb der Geländekante zum Stillstand gekommen und die Klägerin hätte den Unfall vermeiden können. Der Zweitbeklagte bremste aber erst zeitgleich mit der Kollision. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Schidoo bereits 3,1 m oberhalb der Geländekante, seine Endposition lag weitere 2,2 m danach. Die Klägerin, die gerade einen Linksschwung ausführte, hatte mit dem rechten Bein an der rechten Kufe des Schidoos eingefädelt und wurde etwa 15 m durch die Luft geschleudert. Wäre der Schidoo (aus Sicht des Zweitbeklagten) noch weiter rechts gefahren, wäre der Unfall nicht vermieden worden, die Kollision wäre frontal erfolgt.
Bei einem Schidoo, wie ihn der Zweitbeklagte verwendete, besteht für den Fahrer grundsätzlich die Möglichkeit, von seinem Sitz aufzustehen, um sein Gesichtsfeld zu erweitern. Wäre der Zweitbeklagte in Annäherung an die Geländekante aufgestanden, hätten die Unfallgegner einander früher gesehen; beide hätten den Unfall vermeiden können. Ob dies der Praxis beim Schidoofahren auch dann entspricht, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Beifahrer auf dem Schidoo sitzt, ist nicht feststellbar.
Die 1941 geborene Klägerin erlitt bei dem Unfall eine erstgradige offene Unterschenkelfraktur und eine zweitgradige offene Oberschenkelfraktur am rechten Bein mit Sprengung der Kreuzbeinfuge. Die Durchblutung und die Nebenversorgung des Beines blieben ungestört. Die Klägerin wurde anlässlich mehrerer stationärer Krankenhausaufenthalte mehrmals operiert. Am 11. 7. 2008 kam es zu einer Refraktur des rechten Oberschenkels als Folge des nach der Verletzung nicht ausreichend durchwachsenen Knochens. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz hatte die Klägerin (auf körperliche Schmerzen bezogen) 21 Tage starke, 10 Wochen mittlere und 21 Wochen leichte Schmerzen zu erdulden. Eine Einschätzung der künftigen Schmerzen ist angesichts des bisherigen atypischen Heilungsverlaufs noch nicht möglich. Spätfolgen sind nicht auszuschließen, als Dauerfolge wird jedenfalls eine „massiv eingeschränkte Beinleistung“ verbleiben.
Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt ihres Unfalls bereits einen dreiwöchigen Urlaub in Indien geplant und gebucht, welchen sie stornieren musste. Dafür fielen Stornierungskosten von 500 EUR an.
Die Klägerin begehrte von den beklagten Parteien den Ersatz ihres zuletzt mit insgesamt 54.643,35 EUR sA bezifferten Schadens sowie die Feststellung deren Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 22. 2. 2006. Das Zahlungsbegehren umfasst neben einem in dritter Instanz unstrittigen Betrag von 4.143,36 EUR an diversen Heilungskosten, 50.000 EUR an Schmerzengeld sowie die Stornokosten von 500 EUR. Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, der Zweitbeklagte sei im unübersichtlichen Gelände zu schnell und nicht auf Sicht gefahren. Da ihm schon vor Erreichen der Kante abfahrende Schifahrer entgegengekommen seien, hätte er mit weiteren Fahrern rechnen und anhalten müssen. Den Zweitbeklagten treffe daher das Alleinverschulden an der Kollision. Die Haftung der erstbeklagten Partei gründe sich auf die Verletzung vertraglicher Verkehrssicherungspflichten sowie auf die Bestimmungen des EKHG.
Die beklagten Parteien wandten ein, der Zweitbeklagte sei äußerst rechts bergwärts gefahren, als ihm unterhalb der Geländekante überraschend eine Gruppe von Schifahrern entgegengekommen sei. Er habe den Schidoo sofort abgebremst. Unmittelbar nach dem Stillstand seines Fahrzeugs sei die Klägerin mit hoher Geschwindigkeit über die Kante gefahren und gegen den Schidoo geprallt. Sie sei für den Zweitbeklagten vor der Kollision nicht sichtbar gewesen. Die Klägerin, die nicht auf Sicht gefahren sei, hätte jedoch den Schidoo wegen der Teleskopstange früher erkennen können. Beim Einsatz eines Schidoos handle es sich um eine typische Gefahr, mit welcher jeder Schifahrer rechnen müsse. Das geltend gemachte Schmerzengeld sei überhöht, die Stornokosten seien nicht ersatzfähig.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit einem Teilbetrag von 44.143,35 EUR sA und dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt. Das auf Zahlung weiterer 10.500 EUR sA lautende Mehrbegehren wies es ab. Dabei ging es vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dem Zweitbeklagten sei vorzuwerfen, dass er trotz Sicht auf die Klägerin nicht sofort reagiert und den Schidoo zum Stillstand gebracht habe. Die erstbeklagte Partei habe im Rahmen ihrer vertraglichen Haftung für das Verschulden des Zweitbeklagten gemäß § 1313a ABGB einzustehen. Ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht erwiesen. Die Globalbemessung des Schmerzengelds sei noch nicht möglich, da noch kein Endzustand vorliege und der weitere Verlauf derzeit nicht abschätzbar sei. Nach den bisher erduldeten Schmerzen sei ein Teilschmerzengeld von 40.000 EUR angemessen. Bei den geltend gemachten Stornokosten handle es sich um frustrierte Aufwendungen, die nicht ersatzfähig seien. Der Schädiger habe nicht die Vermögensminderung verursacht, sondern lediglich den Urlaubsgenuss vereitelt. Einschließlich der Heilungskosten stehe der Klägerin somit ein Betrag von 44.143,35 EUR sA zu. Da Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten, sei auch das Feststellungsbegehren berechtigt.
Das von sämtlichen Parteien angerufene Berufungsgericht gab beiden Berufungen teilweise Folge und änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es die beklagten Parteien zur Zahlung von 37.232,51 EUR sA an die Klägerin verpflichtete, dem Feststellungsbegehren im Umfang von drei Viertel stattgab und das auf 17.410,84 EUR sA lautende Zahlungsmehrbegehren abwies; die spruchmäßige Abweisung auch des Feststellungsmehrbegehrens unterblieb. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Zur Rechtsrüge der beklagten Parteien erörterte das Berufungsgericht, der Zweitbeklagte sei schon in Anbetracht der ihm vor dem Unfall entgegenkommenden Schifahrer zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. Die auf einer längeren Reaktionszeit als einer Sekunde beruhenden Berechnungen der beklagten Parteien und die darauf gegründeten Ausführungen zur Vermeidbarkeit des Unfalls könnten daher auf sich beruhen. Der Zweitbeklagte hätte aufgrund der Gefährlichkeit des von ihm gelenkten Schidoos für abfahrende Schifahrer im Bereich einer derart unübersichtlichen und uneinsehbaren Stelle wie der besagten Geländekante nur mit äußerster Vorsicht fahren dürfen. Er habe damit rechnen müssen, dass der Schidoo von Schifahrern längere Zeit hindurch nicht wahrgenommen werden könnte. Er hätte daher die Uneinsehbarkeit des Geländes auf ein Minimum reduzieren und auf dem Schidoo aufstehen müssen. Das Beweisverfahren habe nicht ergeben, dass ihm dies wegen seines Beifahrers nicht möglich gewesen wäre. Da dem Zweitbeklagten überdies eine Reaktionsverzögerung vorzuwerfen sei, treffe ihn jedenfalls ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls. Das Erstgericht habe daher zutreffend die deliktische Haftung des Zweitbeklagten und im Hinblick auf den (unentgeltlichen) Beförderungsvertrag die vertragliche Haftung der erstbeklagten Partei bejaht. Damit erübrige sich eine Auseinandersetzung mit der Frage der analogen Anwendbarkeit des EKHG.
Die Klägerin treffe jedoch ein Mitverschulden, weil sie nicht auf Sicht gefahren sei. Außerhalb der regulären Liftbetriebszeiten müsse jeder verantwortungsbewusste Schifahrer, umso mehr die Klägerin als Aushilfsschilehrerin, mit Schidoos auf der Piste rechnen. Sie hätte sich daher der Geländekante nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern dürfen, die es ihr ermöglicht hätte, vor unerwartet auftauchenden Hindernissen rechtzeitig auszuweichen oder stehen zu bleiben. Dazu komme, dass sie den roten Wimpel auf der Teleskopstange trotz seines geringeren Auffälligkeitswerts bereits kurz vor der Drehleuchte sehen hätte können. Bei Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens sei von einer Verschuldensteilung von 1 : 3 zu Lasten der beklagten Parteien auszugehen.
Aufgrund der Rechtsrüge der Klägerin ergänzte das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung zunächst den Sachverhalt dahin, dass es noch folgende weitere Feststellungen traf:
„Vor dem Unfall war die Klägerin sehr sportlich. Sie ging schwimmen, bergsteigen, klettern, Schi fahren, Rad fahren und besuchte ein Fitnessstudio. Alle diese sportlichen Betätigungen sind ihr seit dem Unfall nicht mehr möglich.“
Davon ausgehend erhöhte es das Teilschmerzengeld auf 45.000 EUR. Damit seien sämtliche körperlichen Schmerzen und psychischen Belastungen sowie alles Ungemach aus dem Unfall bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abgegolten.
Die geltend gemachten Stornokosten seien zu ersetzen. Nach den Entscheidungen 2 Ob 279/77 (frustrierte Fahrschulkosten) und 8 Ob 27/87 (Stornogebühr für einen Campingbus) seien zwar die aus dem Gebrauchsentgang einer Sache resultierenden ideellen Nachteile grundsätzlich nicht ersatzfähig. Nach dieser Rechtsprechung würde die gegenteilige Auffassung zu einer untragbaren Ausweitung der Schadenersatzansprüche führen. Auch Koziol verneine bei Körperverletzungen die Schadenersatzpflicht für frustrierte Aufwendungen. Dieser Ansicht seien jedoch Reischauer, Karner und insbesondere Schobel entgegengetreten, aufgrund von dessen überzeugenden Argumenten die bisherige Rechtsprechung zum Ersatz von Stornokosten zu überdenken sei. Schobel vertrete die Ansicht, dass die bei einer Körperverletzung übertretenen Verhaltensnormen zwar in erster Linie den Schutz der körperlichen Integrität und der damit verbundenen Schmerzfreiheit, darüber hinaus aber auch die Verhinderung der typischerweise mit einer Körperverletzung einhergehenden Folgenachteile, wie die temporäre Einschränkung der Bewegungsfähigkeit und die sich daraus ergebende Durchkreuzung von Lebensplänen, zum Ziel hätten. Daher seien auch typische mit Körperverletzung einhergehende Frustrationsschäden grundsätzlich vom „Schutzzweck des § 1325 ABGB“ erfasst, die jedoch im Einzelnen zu differenzieren seien. Dabei sei auf den Stärkegrad des Rechtswidrigkeitszusammenhangs des Frustrationsschadens abzustellen. Wenn die Klägerin aufgrund ihrer Verletzung einen bereits gebuchten Urlaub nicht antreten könne, so sei dieser mit der Körperverletzung einhergehende Frustrationsschaden vom „Schutzzweck der Norm des § 1325 ABGB“ erfasst. Die Klägerin mache jedoch nicht die gesamten Reisekosten geltend, sondern lediglich die von ihr tatsächlich bezahlten Stornierungskosten, womit sie ihrer Schadensminderungsobliegenheit Rechnung trage. Mit der Stornierung der Reise verhindere sie den Eintritt eines immateriellen Frustrationsschadens. Ihr sei zwar der erwartete Genuss aus dem bereits abgeschlossenen Vertrag über die Reise entgangen, die Stornierung verhindere jedoch ihre Enttäuschung darüber, die Reisekosten umsonst aufgewendet und damit verloren zu haben. Damit habe die Stornierung den drohenden Frustrationsschaden in eine bloße Dispositionsbeeinträchtigung verwandelt. Die Bezahlung der Stornogebühr stelle ein taugliches und adäquates Mittel zur Verhinderung des Eintritts eines größeren Schadens (nämlich des Frustrationsschadens) dar. Da diese Aufwendung ein durch den Schädiger verursachtes Vermögensminus darstelle, sei sie als materieller Schaden zu ersetzen. Der Schaden der Klägerin belaufe sich somit auf insgesamt 49.643,35 EUR, wovon ihr drei Viertel, dies seien 37.232,51 EUR zu ersetzen seien.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Ersatzfähigkeit von Stornokosten für eine bereits gebuchte, jedoch aufgrund einer Körperverletzung nicht angetretenen Reise seit der Entscheidung 8 Ob 27/87 keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen dieses Berufungsurteil richten sich die Revisionen sämtlicher Parteien, wobei die Klägerin die Stattgebung des Klagebegehren im vollen Umfang anstrebt, während die beklagten Parteien dessen gänzliche Abweisung begehren.
In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile jeweils, das gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision der Klägerin:
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Die Klägerin ist durch die den Zulassungsausspruch begründende Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht beschwert. Die Zulässigkeit ihrer Revision wäre daher nur dann gegeben, wenn sie zumindest eine für die Entscheidung präjudizielle (andere) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend gemacht hätte (vgl 2 Ob 147/01h; RIS-Justiz RS0102059 [T2, T3 und T4]; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 ZPO Rz 11). Diese Voraussetzung trifft jedoch nicht zu:
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Zweitbeklagte hätte vor Erreichen der Geländekante auf dem Schidoo „aufstehen“ müssen, um bessere Sicht zu erlangen, belastet gleichfalls nur die beklagten Parteien. Sie ist überdies für die Verschuldensabwägung ohne entscheidende Relevanz.
2. Die Vorinstanzen haben ein Verschulden des Zweitbeklagten am Zustandekommen des Unfalls (und zwar, wie noch darzulegen sein wird, zutreffend) bejaht. Im Revisionsverfahren ist auch nicht mehr strittig, dass die erstbeklagte Partei für ein Fehlverhalten des Zweitbeklagten nach vertraglichen Grundsätzen einzustehen hat. Der von der Klägerin relevierten Frage nach der Anwendbarkeit des EKHG auf Schidoos auf Pisten mangelt es unter diesen Umständen an der für die Zulässigkeit einer Revision erforderlichen Präjudizialität (Zechner aaO § 502 ZPO Rz 60).
3. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass das Gebot des Fahrens auf Sicht auch für Schifahrer gilt (RIS-Justiz RS0023345). Jeder Schifahrer muss kontrolliert fahren, das vor ihm liegende Gelände genau beobachten und seine Geschwindigkeit auf die Geländeverhältnisse einrichten (RIS‑Justiz RS0023429).
Die Klägerin lässt in ihrem Rechtsmittel die Rechtsansicht des Berufungsgerichts unwidersprochen, wonach sie außerhalb der regulären Liftbetriebszeiten mit bergwärtsfahrenden Schidoos auf der Piste rechnen musste. Sie hatte daher ihr Fahrverhalten besonders an unübersichtlichen Stellen auch an die Möglichkeit eines entgegenkommenden Schidoos anzupassen. Dem Berufungsgericht ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es die Ansicht vertrat, die Klägerin habe sich der Geländekante für die gegebenen Sichtverhältnisse mit einer zu hohen Geschwindigkeit (30 bis 40 km/h) angenähert, um auf eine solche Gefahr noch adäquat reagieren zu können. Dass der Zweitbeklagte vor der Geländekante nicht angehalten hat, begründet sein Verschulden (dazu sogleich), ändert aber nichts am Fehlverhalten der Klägerin.
Das Überhören eines akustischen Warnsignals wurde der Klägerin im zweitinstanzlichen Urteil ohnedies nicht zum Vorwurf gemacht. Das Berufungsgericht ist auch nicht davon ausgegangen, dass die Klägerin wegen des Übersehens der Warnflagge eine Reaktionsverzögerung zu verantworten hat. Die diesbezüglichen Revisionsausführungen können demnach auf sich beruhen.
4. Die Verschuldensabwägung richtet sich stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und betrifft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0087606, RS0042405). Die Gewichtung des Mitverschuldensanteils der Klägerin mit einem Viertel lässt keine Fehlbeurteilung erkennen, die vom Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden müsste.
5. Auch die Höhe des Schmerzengelds ist eine Frage des Einzelfalls und begründet, abgesehen von einer eklatanten Fehlbemessung, keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0031075, RS0042887). Eine derartige Fehlbemessung wird mit der Ansicht, dass das der Klägerin zuerkannte Teilschmerzengeld von 45.000 EUR auf 50.000 EUR zu erhöhen sei, nicht aufgezeigt.
6. Mangels Vorliegens einer präjudiziellen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.
II. Zur Revision der beklagten Parteien:
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Die beklagten Parteien stehen auf dem Standpunkt, dass dem Zweitbeklagten zusätzlich zur Reaktionszeit von einer Sekunde eine weitere Zeitspanne von 0,7 Sekunden als Gefahrenerkennungszeit („Auffälligkeitswert“) zugebilligt werden müsse. Demnach habe er auf das Auftauchen der Klägerin unverzüglich reagiert. Eine Pflicht, auf dem Schidoo aufzustehen, bestehe nicht. Die zweitinstanzliche Verschuldensteilung erweise sich somit als krass falsch. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts über die Ersatzfähigkeit der Stornokosten weiche von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab.
Hiezu wurde erwogen:
1. Zum Unfallgeschehen:
1.1 Für Fahrten auf Pisten mit Pistengeräten während des Liftbetriebs wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass nach Möglichkeit eine Fahrlinie zu wählen ist, bei deren Einhaltung das Gerät für einen entgegenkommenden Schifahrer stets sichtbar bleibt. Kann das Gerät infolge der örtlichen Verhältnisse längere Zeit hindurch nicht wahrgenommen werden, dann ist für den Lenker äußerste Vorsicht geboten (ZVR 1988/7; vgl auch 4 Ob 2372/96v = ZVR 1997/65 [Gschöpf] und 9 Ob 80/04m; RIS-Justiz RS0023786). In der Entscheidung 2 Ob 212/06z wurden die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch auf die Benützung eines Motorschlittens (Schidoos) angewandt. Welche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, richtet sich dabei nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls (9 Ob 80/04m).
1.2 In der jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 49/09h beurteilte der erkennende Senat das Verhalten des Lenkers eines Raupenquads, der ohne behördliche Genehmigung während der Zeiten des Liftbetriebs inmitten einer von Schifahrern frequentierten Piste mit für die gegebenen Verhältnisse überhöhter Geschwindigkeit bergwärts gefahren war, als besonders gefahrenträchtig und rücksichtslos. Angesichts der ihm auf der (dort) nur 8 m breiten Piste entgegenkommenden Schifahrer wäre er zu besonderer Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen und hätte im Zweifel sofort anzuhalten gehabt (vgl auch 7 Ob 76/07p).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Bergfahrt noch vor dem Beginn des regulären Liftbetriebs. Aufgrund der Vereinbarung zwischen der Schischule und der Betriebsleitung der erstbeklagten Partei musste aber schon zu dieser Zeit mit einer Trainingsfahrt der Schilehrer gerechnet werden. Diese waren an ihrer auffälligen, einheitlichen Bekleidung als solche auch leicht zu erkennen. Ähnlich wie in dem zu 2 Ob 49/09h beurteilten Sachverhalt setzte auch der Zweitbeklagte seine Fahrt ungeachtet der ihm auf relativ enger Piste entgegenkommenden Schifahrer mit unverminderter Geschwindigkeit fort. Dabei hielt er zwar eine Fahrlinie nahe dem rechten Pistenrand ein. Infolge der sichtbehindernden Geländekante musste er aber davon ausgehen, von den nachfolgenden Schifahrern nicht gesehen zu werden. Um dem in dieser Situation von ihm zu beachtenden Gebot der „äußersten Vorsicht“ angemessen Rechnung zu tragen, hätte er den Schidoo daher im Zweifel in ausreichendem Abstand zu der Geländekante anhalten und das Vorbeifahren der Gruppe abwarten müssen, bis bei realistischer Einschätzung mit weiteren Schifahrern nicht mehr zu rechnen war. Sein hauptsächliches Verschulden liegt darin, dass er diese gebotene Vorsichtsmaßnahme unterließ. Die Frage, ob er auf dem Schidoo aufstehen hätte müssen, stellt sich dabei nicht.
1.3 Der (um etwa eine Sekunde) verspäteten Reaktion auf das Auftauchen der Klägerin kommt nur untergeordnete Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hat die einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs richtig wiedergegeben. Danach ist unter der sogenannten „Reaktionszeit“ die Zeitspanne zwischen dem Erfassen der Verkehrslage und der Ausführung der entsprechenden Maßnahmen durch die Betätigung der in Betracht kommenden Einrichtungen zu verstehen (ZVR 1980/279; RIS-Justiz RS0074853, RS0074859). Mit dem „Erfassen der Verkehrslage“ ist bereits die Gefahrenerkennung, also die objektive Reaktionsaufforderung gemeint. Es mag zutreffen, dass in bestimmten Situationen (vorwiegend des Straßenverkehrs) die Gefährlichkeit eines Verhaltens erst nach einer gewissen Zeit der Beobachtung erkannt werden kann. Ob dies im Einzelfall anzunehmen ist, betrifft den Tatsachenbereich und ist keine Frage der rechtlichen Beurteilung. Hier ist für derartige Überlegungen schon deshalb kein Raum, weil ihnen die ausdrückliche Feststellung des Erstgerichts, wonach sowohl die Klägerin als auch der Zweitbeklagte „für eine Reaktion auf das Auftauchen des Widerparts jeweils eine Sekunde benötigten“, entgegensteht. Die in der Revision angestellten Berechnungen gehen nicht von dieser Feststellung aus und sind daher unbeachtlich. Der in diesem Zusammenhang gerügte sekundäre Verfahrensmangel liegt nicht vor.
1.4 Die Gewichtung des Verschuldensanteils des Zweitbeklagten mit drei Viertel ist angesichts der besonderen Gefahrenträchtigkeit seines Verhaltens unbedenklich. Insgesamt trägt somit die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Lasten des Zweitbeklagten der Schwere des beiderseitigen Fehlverhaltens angemessen Rechnung (vgl 7 Ob 76/07p; 2 Ob 49/09h). Aus der Entscheidung 2 Ob 212/06z ist nichts Gegenteiliges ableitbar, zumal dort der Kläger den ihm angelasteten Verschuldensanteil von 50 % nicht bekämpft hatte.
2. Zu den Stornokosten:
2.1 Als „frustrierte Aufwendungen“ werden im Allgemeinen Aufwendungen bezeichnet, die durch das Schadensereignis zwar nicht selbst verursacht wurden, durch dieses aber nutzlos geworden sind (Karner in KBB2 § 1293 Rz 13; Reischauer in Rummel, ABGB3 II/2a § 1293 Rz 11; Koziol/Welser 13 II 306; Schobel, Kausalität contra Begrifflichkeit, RdW 1999, 325 [327]; vgl Ch. Huber, Fragen der Schadensberechnung [1995] 195). Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Ersatzfähigkeit frustrierter Aufwendungen im deliktischen Schadenersatzrecht ist restriktiv:
Bei Sachschäden wird sie nur für den Fall bejaht, dass die Aufwendungen für den beschädigten Gegenstand selbst gemacht wurden, um ihn später wieder gebrauchen zu können. In diesem Sinne wurden etwa dem Halter eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Kraftfahrzeugs die während der Reparaturzeit weiterlaufenden „Generalunkosten“, wie Steuer, Haftpflichtversicherung etc zuerkannt (ZVR 1965/114; vgl ferner ZVR 1978/264; 8 Ob 27/87 = SZ 60/102; RIS-Justiz RS0022533, RS0030541; differenzierend Beck-Mannagetta, Sind die frustrierten Aufwendungen des Kraftfahrzeugbesitzers ein ersatzfähiger Schaden?, ZVR 1969, 281 [286]). In einer jüngeren Entscheidung wurde die Abgeltung (sonstiger) „weiterlaufender Aufwendungen“ abgelehnt (2 Ob 75/07d).
Im Zusammenhang mit Personenschäden hat der Oberste Gerichtshof den Ersatz nutzlos gewordener Aufwendungen bisher stets abgelehnt (2 Ob 279/77 = ZVR 1978/264 [aufgewendete Fahrschulkosten]; 8 Ob 27/87 = ZVR 1988/83 = SZ 60/102 [Stornogebühr für Campingbus]; 8 Ob 650/88 [frustrierter Urlaubsaufwand]; 2 Ob 72/94 [frustrierte Reisekosten]; vgl auch 1 Ob 160/98f = SZ 71/156 [Einstellkosten für ein verletztes Reitpferd; zu deren Behandlung als „Frustrationsschaden“ kritisch Reischauer aaO Rz 11 und Schobel aaO 328]).
In der eingehend begründeten Entscheidung 8 Ob 27/87 vertrat der Oberste Gerichtshof dazu die Ansicht, in Wahrheit stelle der Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen einen Ausgleich für die Beeinträchtigung ideeller Interessen, nämlich des Entgangs des Gebrauchs des gemieteten Campingbusses, dar. Ein Ersatz frustrierter Aufwendungen müsse auf bestimmte, eng umgrenzte Fälle eingeschränkt werden, um nicht die Wertungen des Gesetzes, nach denen ideelle Schäden nur in geringerem Maße zu ersetzen seien, als Vermögensschäden, zu hintergehen und zu einer untragbaren Ausweitung des Ersatzes zu gelangen. So würde es etwa zu einer untragbaren Ausuferung der Schadenersatzpflicht führen, wenn bei Verletzung einer Person dieser alle frustrierten Aufwendungen zu ersetzen wären. Der Schädiger hätte dann etwa auch für die auf diesen Zeitraum entfallenden Aufwendungen für Gebrauchsgegenstände, für ein Wochenendhaus, für die Konzert- und Theaterabonnements usw des Verletzten zu haften. Seien aber die Aufwendungen für die Miete des Campingfahrzeugs als ideeller Schaden nicht zu ersetzen, müsse dasselbe für die Stornogebühr gelten, die zur Vermeidung weiterer nutzloser Aufwendungen entrichtet worden sei.
2.2 Die Lehre Koziols (in Haftpflichtrecht3 I Rz 2/121 ff; nunmehr auch in Grundfragen des Schadenersatzrechts [2010] Rz 5/23 ff) stimmt mit diesen Ausführungen im Wesentlichen überein, wobei sich sein Versuch, zwecks Vermeidung unabsehbarer Ausweitungen eine Grenze zwischen ersatzfähigen und nicht zu ersetzenden frustrierten Aufwendungen zu finden, auf Sachschadensfälle beschränkt.
Auch Harrer (in Schwimann ABGB3 VI § 1293 Rz 25) äußert die Befürchtung einer Ausweitung der Haftung, „der jede Begrenzung fehlt“. Dies werde insbesondere in den Fällen deutlich, in denen nicht eine Sache zerstört oder entzogen, sondern der Eigentümer durch Verletzung am Gebrauch seiner Güter verhindert wird. Die Möglichkeit, nicht alle mit Geld erworbenen Güter jederzeit nutzen zu können, gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko. Für generelle, zeitweilig leer laufende Lebenshaltungskosten sei grundsätzlich kein Ersatz zu leisten (mit diesen Argumenten bereits Honsell/Harrer, Schaden und Schadensberechnung, JuS 1991, 441 [448]; dort treten diese Autoren allerdings für die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen, die für einen „konkreten, einmaligen Zweck gemacht worden sind, zB eine Reise, die bereits bezahlt ist und nicht storniert werden kann“, ein).
Nach Auffassung von Welser (in Koziol/Welser aaO) ist die Herbeiführung der Nutzlosigkeit von Aufwendungen Verursachung eines (materiellen) Schadens oder einer solchen zumindest gleichzuhalten. Er stimmt der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur bedingt, nämlich hinsichtlich der Zuerkennung von frustrierten Aufwendungen auf die beschädigte Sache zu, hält sie im Übrigen aber für „inkonsequenterweise sehr restriktiv“.
Reischauer (aaO Rz 11) lehnt die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit der Begründung ab, dass der frustrierte Aufwand selbst nie immaterieller Schaden, sondern vermögensrechtlicher Natur sei. Es werde(n) mit seinem Ersatz keine ideellen Interessen abgegolten, sondern nur getätigter Aufwand beseitigt. Es sei ferner nicht einzusehen, wieso die Aufwandsverursachung und Aufwandsfrustrierung bei Sach- und Personenschäden unterschiedlich behandelt werden sollten. Auch adäquate frustrierte Aufwendungen infolge einer Körperverletzung seien daher dem Geschädigten als Folgeschäden zu ersetzen.
2.3 Auch im deutschen Schrifttum wird die Ersatzfähigkeit nutzlos gewordener Aufwendungen kontroversiell diskutiert (zum aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre vgl etwa Schiemann in Staudinger, BGB [2005] § 249 Rn 123 ff; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs4 [2007] § 3 Rn 216; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden10 [2010] Rn 218 ff). Einigkeit besteht jedoch darin, dass der Frustrationsschaden grundsätzlich nicht zu ersetzen ist (vgl neben den soeben genannten Belegstellen auch Kürschner in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht15 [2002] Kap 30 Rn 7; Pardey, Berechnung von Personenschäden3 [2005] Rn 201; Knerr in Geigel, Der Haftpflichtprozess25 [2008] Kap 3 Rn 103; sämtliche mN aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Nach einem Teil der Lehre soll unter gewissen Voraussetzungen aber ein Ausgleich für Nachteile verlangt werden können, die infolge des Schadensereignisses nicht wieder erwirtschaftet werden konnten. Solchen Aufwendungen komme eine widerlegbare Rentabilitätsvermutung zu. Der Verlust der Kompensationsmöglichkeit stelle dann den ersatzfähigen Schaden dar. Dies gelte allerdings nur, soweit dieser Verlust der Kompensationsmöglichkeit materieller Natur, also „kommerzialisiert“ sei. Aufwendungen zu ideellen Zwecken stellten, wenn sie durch ein Delikt nutzlos werden, keinen ersatzfähigen Vermögensschaden dar (so Knerr aaO Rn 104; ähnlich Wussow aaO Rn 7 [„geldwerte Genussmöglichkeit“]; Greger aaO Rn 216 [„erkaufte und infolge des Unfalls verlorene Äquivalente“]; aA Schiemann aaO Rn 125, der bezweifelt, dass eine Beschränkung der Frustrationslehre auf einen erträglichen Anwendungsbereich möglich ist).
Vor diesem Hintergrund sollen laut Knerr Aufwendungen für eine vom Geschädigten geplante Reise, die dieser wegen einer unfallbedingten Körperverletzung nicht antreten kann, keinen durch die Schädigung ausgelösten (ersatzfähigen) Vermögensschaden begründen. Die von ihm dazu zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (NZV 1989, 308 [Nichtantritt einer Reise wegen Unfalltods des Kindes] und NJW 1983, 1107 [kein Ersatz für vergeudete Urlaubstage]) stellen jedoch keine tauglichen Belegstellen für diese Ansicht dar. Soweit ersichtlich nimmt die deutsche Rechtsprechung zu dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalten vielmehr einen gegenteiligen Standpunkt ein (vgl die Nachweise bei Wussow aaO Rn 7; Pardey aaO Rn 207 FN 247; derselbe in Geigel aaO Kap 4 Rn 36 aE [Stornokosten]; Schiemann aaO Rn 124; Greger aaO § 29 Rn 194 [Stornokosten]; Küppersbusch aaO Rn 220).
2.4 Schobel, dessen Ausführungen Karner (aaO § 1293 Rz 13) für überzeugend hält, hat sich mit der Problematik umfassend auseinandergesetzt (Der Ersatz frustrierter Aufwendungen [2003]). Er entwickelt ein komplexes „bewegliches System“, das die Unterscheidung der ersatzfähigen von den nicht ersatzfähigen immateriellen Frustrationsschäden ermöglichen soll. Die auf Schobel gegründeten Ausführungen des Berufungsgerichts überzeugen jedoch nicht. Soweit es (nur) auf die „unterschiedlichen Stärkegrade des Rechtswidrigkeitszusammenhangs“ abstellt, übersieht es, dass die Intensität des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der verletzten Verhaltensnorm und dem eingetretenen Frustrationsschaden selbst nach den Wertungen Schobels (vgl dessen Beispiele aaO 261) nur gering sein kann. Es bedürfte (laut Schobel aaO 292) „zur Kompensation“ daher eines zusätzlichen stärkeren Haftungselements, nämlich grober Fahrlässigkeit, um zu einer Ersatzfähigkeit zu gelangen. Ließe sich (auch) auf diesem Weg eine Ersatzpflicht des Schädigers nicht begründen, so wären jedoch die zweitinstanzlichen Erwägungen zur Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten auch nach dem Haftungsmodell Schobels obsolet.
2.5 Der Ersatzanspruch der Klägerin für die von ihr aufgewendete Stornogebühr ist nach Auffassung des erkennenden Senats aus den folgenden Gründen zu bejahen:
Die Klägerin hatte vor dem Unfall durch den Abschluss des Reisevertrags mit dem Reiseveranstalter diesem gegenüber den Anspruch auf Vertragserfüllung erlangt. Dabei handelt es sich um eine vermögenswerte, übertragbare und verwertbare Rechtsposition (vgl auch § 31c Abs 3 KSchG). Die Aufwendungen der Klägerin, nämlich die Zahlung der Reisekosten bzw das Eingehen einer diesbezüglichen Verbindlichkeit, dienten demnach (auch) dem Erwerb eines vermögenswerten Guts. Sie fallen nicht unter die allgemeinen - zeitweilig leer laufenden - Lebenshaltungskosten (vgl Harrer aaO § 1293 Rz 25), sondern sind als Aufwand für die zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition anzusehen (Honsell/Harrer aaO 448). Infolge ihrer unfallbedingten Verletzung wurde die Klägerin daran gehindert, von ihrem Anspruch gegenüber dem Reiseveranstalter Gebrauch zu machen. Der Verlust ihrer Fähigkeit, den vertraglichen Anspruch auszunutzen, ist aber wirtschaftlich der Vernichtung des Anspruchs gleichzuhalten und begründet daher bei lebensnaher Betrachtung einen ersatzfähigen Vermögensnachteil (in diesem Sinne auch Oetker in Münch Komm BGB5 § 249 Rn 93).
Dieses Ergebnis stimmt auch mit jenen Meinungen überein, nach denen etwa der durch einen Unfall am Besuch einer bestimmten Veranstaltung Gehinderte den Eintritt zu der Veranstaltung beanspruchen kann (Greger aaO § 29 Rn 194 mwN; vgl auch Honsell/Harrer aaO 448 FN 124; Wussow aaO Rn 7). Ist demnach aber - abweichend von 8 Ob 27/87 - die Ersatzpflicht des Schädigers für die frustrierten Reisekosten zu bejahen, so gilt dies auch für die unter den dargelegten Umständen als Aufwendung zur Schadensminderung anzusehende Stornogebühr (Schobel aaO 264 f).
Die Gefahr eines unabsehbaren Ausuferns von Schadenersatzansprüchen besteht im Hinblick auf die oben vorgenommene Einschränkung nicht.
3. Ergebnis:
Der Revision der beklagten Parteien ist aus den dargelegten Gründen ein Erfolg zu versagen.
III. Kosten:
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen, weshalb ihnen die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind. Da auch der Klägerin Kostenersatz für ihre Revisionsbeantwortung gebührt, sind die beiderseitigen Ansprüche zu saldieren. Die von den beklagten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung verzeichnete Pauschalgebühr war nicht zu entrichten und ist daher nicht zuzusprechen.
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