OGH 2Ob147/01h

OGH2Ob147/01h21.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan P*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Kolarz & Donnerbauer, Rechtsanwälte in Stockerau, gegen die beklagten Parteien 1. Harald J*****, und 2. I***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Christoph Brenner und Dr. Alexander Riel, Rechtsanwälte KEG in Krems, wegen (restlich) S 71.348,34 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems als Berufungsgericht vom 16. März 2001, GZ 2 R 201/00x-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram vom 4. August 2000, GZ C 157/00 b-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 25. 9. 1999 gegen 15.00 Uhr ereignete sich im Gemeindegebiet von Kirchberg am Wagram auf der Landesstraße LH 14 im Freilandgebiet ein Verkehrsunfall zwischen einem vom Kläger gelenkten und gehaltenen PKW sowie einem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden; beide Lenker wurden verletzt. Beide Fahrzeuglenker waren auf der Landesstraße Richtung Kirchberg unterwegs. Der Erstbeklagte hatte zunächst im Rahmen eines Feldweges eine Wendemanöver gesetzt, um nach Zurücklegen einer kurzen Strecke wiederum von der Landesstraße in einen anderen Feldweg nach links einzubiegen. Auf dem kurzen Streckenabschnitt zwischen diesen Feldwegen hielt er zunächst eine Fahrlinie im Bereich der Mitte seiner Fahrbahnhälfte ein und beschleunigte auf (maximal) 30 bis 35 km/h. Ob er in Vorbereitung seines beabsichtigten Abbiegemanövers den linken Blinker setzte und sich (wenn ja wann) vom Nichtvorhandensein eines allenfalls zum Überholen ansetzenden Fahrzeuges überzeugte, konnte das Erstgericht nicht feststellen; ebenso traf es auch nur eine Negativfeststellung dazu, ob und über welche Strecke er sich (unmittelbar) vor dem Überfahren der Mittelleitlinie überhaupt zur Fahrbahnmitte hin einordnete.

Zur gleichen Zeit näherte sich der Kläger mit seinem PKW samt eingeschaltetem Abblendlicht von rückwärts. Als er das in langsamer Geradeausfahrt befindliche Beklagtenfahrzeug vor sich sah, entschloss er sich zufolge Gegenverkehrsfreiheit zum Überholmanöver, wozu er den linken Blinker betätigte und sich auch vergewisserte, dass er nicht einerseits überholt werde. Zum Zeitpunkt des beginnenden Linksschrägzuges über die Fahrbahnmitte mit einer Geschwindigkeit von rund 89 km/h war der Kläger bereits im Blickfeld des Rückspiegels des Erstbeklagten. Trotzdem bog der Erstbeklagte nach links ab, nachdem er jedenfalls vor dem eigentlichen Beginn seines Linksabbiegemanövers keinen letzten Blick in den Rückspiegel gemacht hatte.

Die Kollisionsgeschwindigkeit des Klägers betrug rund 46 km/h, der Anstosswinkel zwischen beiden Fahrzeugen rund 30 Grad; das Beklagtenfahrzeug hatte sich im Moment der Kollision ca 8 m fahrend mit dem linken Vorderrad bereits über der linken, kaum sichtbaren weißen Randlinie bzw Asphaltgrenze befunden. Hätte der Kläger ein akustisches Warnzeichen (zum Aufmerksammachen über sein Überholmanöver) gesetzt, hätte der Erstbeklagte rechtzeitig durch Rechtsauslenken und Abstandnahme vom weiteren beabsichtigten Linksabbiegemanöver die Kollision vermeiden können.

Mit der am 24. 2. 2000 eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Ersatz seines mit insgesamt S 127.751 samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2000 bezifferten Schadens (Schmerzengeld, diverse Sachschäden, Spesen etc), später eingeschränkt auf restlich S 124.201 sA, aus dem Alleinverschulden des Erstbeklagten, der plötzlich, unerwartet und ohne Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers nach links in den Feldweg abgebogen sei.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren, da das Alleinverschulden am Unfall den Kläger selbst treffe, der trotz ordnungsgemäßer Blinkerbetätigung und Einordnung des Beklagtenfahrzeuges dieses zu überholen versucht habe. Die eigenen Schäden von insgesamt S 114.820 wurden als Gegenforderung kompensando eingewendet.

Das Erstgericht sprach mit mehrgliedrigem Urteil aus, dass die Klagsforderung mit S 72.800,66 und die Gegenforderung mit S 41.940 zu Recht bestehe und verpflichtete demgemäß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 30.860,66 samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2000; das Mehrbegehren von S 93.340,34 sA wurde abgewiesen. Das Erstgericht beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Negativfeststellungen zum Blinken, Vergewissern vom Nachfolgeverkehr und Einordnen zur Fahrbahnmitte vor dem Linksabbiegen des Erstbeklagten zu Lasten beider beklagten Parteien gingen; dem Erstbeklagten seien sohin mehrfache Verletzungen der §§ 11 und 12 StVO anzulasten, dem Kläger hingegen bloß die Abstandnahme eines den Unfall verhindernden Warnsignals mittels Hupe oder auch nur Lichthupe. Eine Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten der beklagten Parteien sei daher angemessen. Eine Wiedergabe der Feststellungen zur Höhe der einzelnen Ansprüche (samt rechtlicher Beurteilung derselben) ist dabei gemäß § 510 Abs 3 ZPO entbehrlich, weil diese auch nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.

Das lediglich vom Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angerufene Berufungsgericht (eine Teilabweisung von S 15.000 blieb unbekämpft) gab dessen Berufung teilweise Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung dahin ab, dass die Klagsforderung als mit S 79.792,66 und die Gegenforderung als mit S 41.940 zu Recht bestehend erkannt und die beklagten Parteien demgemäß zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 37.852,66 samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2000 verurteilt wurden; das Mehrbegehren von S 86.348,34 sA wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht schloss sich zwar der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zum Ausschlagen der getroffenen Negativfeststellungen zum Nachteil der beklagten Parteien sowie zu den vom Erstgericht beiden Parteien angelasteten beiderseitigen Verschuldensvorwürfen an und übernahm auch die Verschuldensteilung 2 : 1 zu Lasten der beklagten Parteien, kam jedoch dennoch zu einem geringfügig höheren Zuspruchsbetrag, weil es auf das dem Kläger zukommende Quotenvorrecht im Zusammenhang mit einer von seiner Kaskoversicherung geleisteten Teilzahlung Rücksicht nahm.

Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, und zwar

"1. zur Klärung der Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich von negativen Tatbestandsmerkmalen speziell im Bereich des Verkehrsunfalles; sowie

2. zur Klärung der Frage, inwieweit ein wesentlicher Geschwindigkeitsunterschied zwischen überholtem und überholendem Fahrzeug es gebietet, vor Beginn des Überholmanövers ein Warnzeichen im Sinne des § 15 Abs 3 StVO abzugeben."

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne eines Zuspruches von insgesamt S 109.201 sA abzuändern, in eventu diese aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher das Vorliegen des geltend gemachten Revisionsgrundes bestritten und (lediglich) beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Zur ersten als erheblich bezeichneten Rechtsfrage:

Diese erweist sich schon deshalb als für die rechtliche Beurteilung unpräjudiziell (RIS-Justiz RS0088931, 0102059), weil sich bezüglich sämtlicher in Frage kommender Negativfeststellungen (zum Fahrverhalten vor dem Linksabbiegen in den abzweigenden Feldweg) samt daraus abgeleiteter Beweislastverteilung nur die beklagten Parteien, aber nicht der Kläger beschwert erachten könnten. Demgemäß enthält auch das Rechtsmittel (konsequenterweise) ausschließlich Ausführungen zum eigenen vorgeworfenen Fehlverhalten (Nichtabgabe eines Warnzeichens), sodass sich die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Beurteilung zu diesem Fragenkreis - etwa im Lichte der Grundsatzentscheidung 2 Ob 181/97z (ZVR 1999/99) samt Folgejudikaten (RIS-Justiz RS0112234) - einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzieht. Die beklagten Parteien haben im Übrigen die aus diesen Negativfeststellungen zu ihren Lasten abgeleitete Verschuldensteilung bereits im Berufungsverfahren unbekämpft gelassen.

Zur zweiten (Rechts-)Frage:

Nach § 15 Abs 3 StVO hat der Lenker des überholenden Fahrzeuges seinen bevorstehenden Überholvorgang nach § 11 StVO über den Wechsel des Fahrstreifens und auch nach § 22 StVO über die Abgabe von Warnzeichen rechtzeitig anzuzeigen; dies soll insbesondere dazu dienen, damit der Überholte gemäß § 7 Abs 2 StVO am rechten Fahrbahnrand verbleibt (RIS-Justiz RS0074260) und auch nicht seine Geschwindigkeit während des ihm angezeigten Überholvorganges erhöht (§ 15 Abs 4 StVO; Messiner, StVO10 Rz 12 zu § 15). Die Anzeigepflicht mittels Abgabe von Warnzeichen ist nach der Rechtsprechung allerdings keine unbedingte und ausnahmslose, sondern vor allem dann einzuhalten, wenn dies aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig ist, etwa bei einer unklaren Verkehrssituation (RIS-Justiz RS0073921; 2 Ob 53/93).

Wenn das Berufungsgericht - unter Bedachtnahme auf die Tatsache, dass der (eben erst nach einem Wendemanöver aus einem Feldweg gekommene) Erstbeklagte bei Annäherung des von hinten kommenden Klägers zunächst ("vorerst": AS 75) eine Fahrlinie im Bereich der Mitte seiner Fahrbahnhälfte sowie trotz Freilandstraße ohne Geschwindigkeitsbeschränkung nur eine Geschwindigkeit von (maximal) 30 bis 35 km/h einhielt, worauf der Kläger bei sohin jedenfalls nicht eindeutig klarer Verkehrssituation zum Überholen mit einer rund dreifachen Ausgangsgeschwindigkeit ansetzte - diesem einen Verstoß nach § 15 Abs 3 zweiter Fall StVO anlastete und deswegen eine Verschuldensteilung von 2 : 1 (zu Lasten des Linksabbiegers) für angemessen erachtete, entspricht dies der Rechtsprechung bei vergleichbaren Unfallsituationen (8 Ob 73/76). Ob eine bestimmte Verschuldensteilung durch die Vorinstanzen angemessen ist, ist darüber hinaus eine bloße Ermessensentscheidung, bei welcher im Allgemeinen - von einer gravierenden Fehlbeurteilung und damit krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist (RIS-Justiz RS0087606; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 502; Danzl EKHG7 E 18a zu § 7).

Die Revision des Klägers ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Da die beklagten Parteien auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht hingewiesen und dementsprechend auch nicht deren Zurückweisung beantragt haben, haben sie die Kosten der nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979, 0035962).

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