OGH 1Ob160/98f

OGH1Ob160/98f29.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas B***** , vertreten durch Dr. Berthold Martin Breitwieser, Rechtsanwalt in Bad Schallerbach, wider die beklagte Partei O***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, wegen 44.000 S sA und Feststellung (Streitwert 10.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Februar 1998, GZ 2 R 226/97m-44, womit infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Wels vom 19. August 1997, GZ 1 Cg 144/95m-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.871,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 811,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Sommer 1994 kam es durch Blitzschlag zu einer Abschmelzung eines Metallteils in einer Trafostation der beklagten Kraftwerksgesellschaft und als dessen Folge zu einem Stromfluß über das Erdungssystem ins Freie, was trotz Überprüfungsmaßnahmen und Umbauarbeiten an der Trafostation durch Bedienstete der beklagten Partei unbemerkt blieb. Als der Kläger (vormals Zweitkläger) und seine Ehegattin (vormals Erstklägerin) am 11. Dezember 1994 mit ihren Freizeitpferden in die die Trafostation umgebende Wiese einritten, kamen beide Tiere infolge des ins Freie austretenden Stroms zu Sturz. Der Kläger und seine Ehegattin wurden verletzt; deren Pferd wurde getötet, wogegen die 14jährige Warmblutstute des Klägers mit einem Verkehrswert von 30.000 S (im folgenden nur Stute) unheilbar verletzt wurde; infolge ihrer hochgradigen Erregbarkeit als Verletzungsfolge ist die Stute nicht mehr als Reitpferd geeignet, ihr Zeitwert nach dem Unfall ist mit dem Schlachtwert gleichzusetzen. Die Stute war von April 1993 bis Mai 1995 im Privatstall des Klägers neben fünf weiteren Pferden eingestellt. Als dort ab Mai 1995 kein Platz mehr war, brachte der Kläger seine Stute in einer etwa eine Autostunde von seinem Bauernhof entfernten Pferdepension unter und bezahlt seit Juni 1995 Einstellkosten ("Pensionskosten") für Fütterung, Weidegang und Pflege von monatlich 2.000 S.

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur mehr die Klageteilbegehren auf Zahlung von 44.000 S sA als Ersatz der Einstellkosten für die verletzte Stute von Juni 1995 bis April 1997 sowie auf Feststellung, daß die beklagte Partei dem Kläger für die monatlich weiter anfallenden Einstellkosten seiner Stute hafte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im hier relevanten Ausmaß statt. Die beklagte Partei habe dem Kläger mit dem Ersatz des Zeitwerts der verletzten Stute von 30.000 S zwar in die Lage versetzt, sich ein gleichwertiges Tier anzuschaffen, er sei aber dadurch noch nicht so gestellt worden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Er habe zwar wiederum den "Gebrauchswert eines gleichwertigen Tiers", trage aber auch (frustriert) weitere Kosten für die verletzte Stute. § 1332a ABGB biete die entsprechende Grundlage dafür, daß der Kläger sein Pferd am Leben lassen dürfe. Diese Bestimmung sei aber nur dann "von Sinn", wenn der Tierhalter sein verletztes Tier nach dessen Heilung nicht, um seiner Schadensminderungspflicht zu entsprechen, einschläfern lassen müsse.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren ua in diesem Umfang abwies. § 1332a ABGB könne nicht entnommen werden, daß die beklagte Partei für frustrierte Einstellkosten hafte. Der Schädiger habe nur die über die normale Haltung hinausgehenden besonderen Heilungskosten zu ersetzen, sofern ein verständiger Tierhalter solche in der Lage des Geschädigten ebenfalls aufwenden würde. Auch solle das Risiko eines allenfalls erfolglosen Heilungsversuchs in gewissen Grenzen dem Geschädigten abgenommen und auf den Schädiger überwälzt werden. Keinesfalls könne daraus aber der Schluß gezogen werden, daß nach erfolglosen Heilungsversuchen der mit der Haltung des nur mehr eingeschränkt nutzbaren Tiers verbundene Aufwand vom Schädiger zu ersetzen sei. Ein verständiger Tierhalter ohne Regreßmöglichkeit würde überdies keinesfalls ein zum Reiten nicht mehr taugliches Pferd in einen rund eine Autostunde vom Wohnort entfernt gelegenen Stall in Fremdpflege geben, wenn es bis zum Unfall am eigenen Hof eingestellt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 285a ABGB idFd Gesetzes "über die Rechtsstellung von Tieren" (BGBl 1988/179) sind Tiere keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen. Die Frage, ob die 1988 auf Grund eines Initiativantrags von Abgeordneten in die Rechtsordnung eingegangen Bestimmungen "über die Rechtsstellung von Tieren" (vgl für den deutschen Rechtsbereich seit 1990 § 251 Abs 2 zweiter Satz BGB) nur dazu dienen sollte, ohne echte Verbesserung des Tierschutzes durch oberflächliche "Wortkosmetik" emotionalisierte Vertreter des Tierschutzes zu beschwichtigen (so aber Gimpel-Hinteregger, Das Tier als Sache und Ersatz der Heilungskosten für ein verletztes Tier in ÖJZ 1989, 65, 66; ähnlich P. Bydlinski, Das Tier, [k]eine Sache ? in RdW 1988, 157), kann auf sich beruhen. Unbestritten ist, daß auch nach der Neuregelung die sachen- und nicht die personenrechtlichen Vorschriften auf Tiere anzuwenden sind. Grund und Höhe des Schadenersatzanspruchs bei Verletzung eines Tiers bestimmen sich somit weiterhin nach den Regelungen des ABGB über die Sachbeschädigung (SZ 68/9 mwN, SZ 69/264; Reischauer in Rummel2, § 1332a ABGB Rz 1). Lediglich für die der Heilung des verletzten Tiers gilt die Sonderbestimmung des § 1332a ABGB, die die schadenersatzrechtliche Sonderstellung der Tiere hervorheben sollte. Danach gebühren die tatsächlich aufgewendeten Kosten der Heilung oder der versuchten Heilung auch dann, wenn sie den Wert des Tiers übersteigen, soweit auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten diese Kosten aufgewendet hätte. Wiederherstellung (Naturalrestitution) iSd § 1323 ABGB bedeutet somit bei einem Tier Veranlassung der erforderlichen Maßnahmen zur erfolgreichen oder versuchten Heilung des verletzten Tiers auf Kosten des ersatzpflichtigen Schädigers (Harrer in Schwimann2, § 1332a ABGB Rz 2).

Unter Heilungskosten sind bei Menschen Aufwendungen zu verstehen, die durch die Körperverletzung veranlaßt wurden und gegenüber den ohne den Unfall erforderlich gewesenen gewöhnlichen Aufwendungen in der Absicht gemacht wurden, die gesundheitlichen Folgen des Unfalls zu beseitigen oder doch zu bessern oder die der Abwendung der Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands dienen (ZVR 1983/281; VersR 1992, 259; RIS-Justiz RS0030591). Daß der Gesetzgeber unter dem Begriff "Heilungskosten" bei Tieren etwas anderes verstanden hätte als bei Menschen, ist den Materialien (Bericht des Justizausschusses, 497 BlgNR 17.GP) nicht zu entnehmen. Die hier zu beurteilenden Einstellkosten sind somit aber keine "Heilungskosten", weil die Unterbringung der beim Unfall verletzten Stute des Klägers in einer "Pferdepension" deren Heilung weder dient noch dienen kann, sodaß diese Kosten auch nicht dem Begriff einer versuchten Heilung des verletzten Tiers unterstellt werden können.

Der Ersatz nutzloser Aufwendungen stellt als Ausgleich für die Vereitelung des Gebrauchs eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ideeller Interessen dar. Ein solcher Ersatz widerspricht dem Willen des Gesetzes, selbst bei Sachschäden nur in Ausnahmsfällen und nur bei außergewöhnlichen Gefühlsbeziehungen zu einer Sache einen Ausgleich ideeller Schäden zuzulassen (RZ 1978/122 = ZVR 1978/264; SZ 60/102 = ZVR 1988/83 mwN). Anspruch auf den Wert der besonderen Vorliebe, den "Gefühlsschaden" (Affektionsinteresse), besteht nach § 1331 ABGB nur ausnahmsweise, nämlich bei strafgesetzwidriger Schadenszufügung oder bei Schädigung aus Mutwillen "und" Schadenfreude, was im vorliegenden Fall auszuschließen ist. Auf § 1331 ABGB als Anspruchsgrundlage für den Ersatz der Einstellungskosten der Stute wegen strafgesetzwidriger Schadenszufügung ("vermittelst einer durch ein Strafgesetz verbotenen Handlung") kommt der Kläger aber zu Recht in der Revisionsschrift nicht mehr zurück: Zwar bleibt § 1331 ABGB neben § 1332a ABGB anwendbar (Bericht des Justizausschusses aaO 1; Reischauer aaO § 1332a ABGB Rz 5), strafrechtlich verbotenes Verhalten iSd § 1331 ABGB liegt aber nur vor, wenn die Vermögensschädigung als solche strafrechtlich sanktioniert ist (Reischauer aaO § 1331 ABGB Rz 3; ebenso Harrer aaO § 1331 ABGB Rz 7; anders noch JBl 1959, 453). Die fahrlässige Verletzung der Stute des Klägers ist keine strafbare Handlung. Die Bestimmungen, in denen das Strafrecht ausnahmsweise fahrlässige Sachbeschädigungen sanktioniert (Gefährdung von fremden Haustieren oder fremdem Jagd- oder Fischereirecht unterliegenden Tieren in großem Ausmaß nach §§ 181, 183 StGB) sind hier nicht anwendbar.

Wurde ein Tier ohne Aussicht auf Heilung verletzt und hat es daher den Nutzen, dessentwegen es vom Tierhalter angeschafft wurde, nicht mehr, so hindert den Tierhalter nichts daran, das invalide Tier angesichts seiner oder der emotionalen Bindung eines Dritten am Leben zu lassen, doch sind daraus resultierende, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1331 ABGB nicht ersatzfähige Kosten (hier: Einstellkosten) keine tatsächlich aufgewendeten Kosten einer auch nur versuchten Heilung nach § 1332a ABGB.

Demnach kann der Revision kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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