OGH 13Os115/23w

OGH13Os115/23w22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Loibl LL.M. (WU) in der Finanzstrafsache gegen M* S* wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und des Amts für Betrugsbekämpfung sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamts Österreich gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. Juli 2023, GZ 50 Hv 45/21a‑1109, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 25. Oktober 2023, GZ 50 Hv 45/21a‑1142, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00115.23W.0522.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Finanzstrafsachen, Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

‑ im Schuldspruch I A 1 b und c wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF,

‑ im Schuldspruch I A 2 1 bis 6 wegen mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG,

‑ im Schuldspruch I A 2 7 bis 37 wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF),

‑ im Schuldspruch I B wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF) sowie

‑ im Schuldspruch II wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 (iVm § 161 Abs 1) StGB,

‑ demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem FinStrG (einschließlich des Ausspruchs der Strafe des Wertersatzes sowie der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen) und nach dem StGB sowie im Adhäsionserkenntnis

aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird, soweit sie sich gegen den aufgehobenen Schuldspruch sowie die Strafaussprüche wendet, auf diese Entscheidung verwiesen. Im Übrigen wird sie, ebenso wie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Amts für Betrugsbekämpfung, zurückgewiesen.

Der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Österreich werden mit ihren Berufungen auf die Aufhebung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, die nicht durch die Rechtsmittel des Amts für Betrugsbekämpfung verursacht worden sind.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M* S* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – mehrerer Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I A 1 a und I A 2 1 bis 6), je eines Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b, Abs 3 lit b FinStrG idgF (I A 1 b und c), nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF, I A 2 7 bis 37) und nach §§ 13, 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit a und b FinStrG (iVm der Strafdrohung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF, I B) sowie des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 StGB (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(I) im Zuständigkeitsbereich des (ehemaligen) Zollamts St. Pölten Krems Wr. Neustadt (A 1) sowie des (ehemaligen) Finanzamts Neunkirchen Wr. Neustadt (A 2 und B) als steuerlich verantwortlicher Geschäftsführer (US 2 iVm US 14) der AN* GmbH vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Abgaben

A) bewirkt, und zwar

1) an Mineralölsteuer durch Unterlassen von deren Anmeldung, Selbstberechnung und Selbstabfuhr zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen (a und b) sowie durch Erwirken der Erstattung der Steuer nach § 46 Abs 1 lit a MinStG mittels wahrheitswidriger Vorgabe des Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen (c), nämlich

a) für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2010 bis November 2010um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 3.914.535,92 Euro,

b) für den Februar 2011 um 428,83 Euro und

c) für jeden einzelnen der Kalendermonate September 2012 bis Juni 2013 um (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) insgesamt 6.152.335,97 Euro sowie

2) an Kapitalertragsteuer, indem er die ihm zugeflossenen Ausschüttungen und die sich daraus ergebende selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragsteuer nicht einbehalten und nicht binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge abgeführt hat, und zwar für jeden einzelnen der Kalendermonate Juli 2010 bis Dezember 2010 um (im Ersturteil nach Monaten aufgegliedert) insgesamt 5.789,86 Euro (1 bis 6) und für jeden einzelnen der Kalendermonate Jänner 2011 bis Juli 2013 um (im Ersturteil nach Monaten aufgegliedert) insgesamt 143.885,47 Euro (7 bis 37), sowie

B) an Körperschaftsteuer zu bewirken versucht, nämlichdurch Abgabe von zufolge Nichterfassens von Gewinnen „aufgrund verdeckter Ausschüttungen“ unrichtigen Jahressteuererklärungen

a) für das Jahr 2010 um 38.599 Euro,

b) für das Jahr 2011 um 197.137,64 Euro und

c) für das Jahr 2013 um 167.003,79 Euro,

wobei er falsche Urkunden und Beweismittel sowie Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen (§ 23 BAO) verwendete, und zwar betreffend Zolltarif, Abladeort, Versender und Empfänger inhaltlich unrichtige CMR‑Frachtbriefe, fingierte Geschäfte und Rechnungen sowie gefälschte Zollstempel, und „zu I A 1 b und c“ einen Abgabenbetrug mit einem 500.000 Euro übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag beging, weiters

(II) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit den abgesondert verfolgten K* S*, Ing. * R* und H* S* in W* und B* Bestandteile des Vermögens der AN* GmbH beiseite geschafft oder deren Vermögen sonst verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft oder wenigstens eines von ihnen, nämlich der Republik Österreich, vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Tat einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

A) vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2013 durch unangemessen hohe und nicht fremdübliche Mietzinszahlungen von zumindest 988.680 Euro netto an die N* LDA,

B) vom 1. September 2010 bis zum 30. Juni 2013 durch unangemessen hohe und nicht fremdübliche Mietzinszahlungen von zumindest 1.050.328 Euro netto an die M* LDA,

C) vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Mai 2013 durch Zahlung von insgesamt 181.893,54 Euro für fingierte Analysen an die A* GmbH,

D) vom 25. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2013 durch Zahlung von insgesamt 257.437,80 Euro an Abwicklungsprovisionen, denen keine oder keine adäquate Leistung gegenüberstand, an die G* GmbH,

E) vom 25. Jänner 2012 bis zum 30. Juni 2012, indem sie für den Ankauf von 23 Stahltanks zu Gunsten der G* GmbH (US 27) einen tatsächlich nicht erforderlichen Mehraufwand von 411.204,25 Euro generierten, wobei es teilweise beim Versuch blieb,

F) im Mai 2012 durch Vorspiegelung der Gewährung eines Darlehens über 1.000.000 Euro seitens der AN* GmbH an die Q* FZE sowie

G) vom 31. Jänner 2012 bis zum 30. Juni 2013 durch Zahlungen für fingierte Werbung in der Gesamthöhe von 388.500 Euro an die G* GmbH (US 27).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie die bloß angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde des Amts für Betrugsbekämpfung.

[4] Weiters bekämpft der Angeklagte mit Beschwerde den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffensenats vom 25. Oktober 2023 (ON 1142), mit dem sein Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (ON 1141) teils ab-, teils zurückgewiesen worden ist.

[5] In Ansehung des Protokolls über die Hauptverhandlung am 23. Jänner 2023 (ON 940) kritisiert der Beschwerdeführer, dass ihm am 3. März 2023 eine nur 70 Seiten umfassende Ausfertigung zugestellt worden sei und er erst am 8. März 2023 eine 103 Seiten umfassende Ausfertigung erhalten habe, ohne dass ihm mitgeteilt worden sei, welche der beiden nun „verfahrensgegenständlich“ sei.

[6] Betreffend das Protokoll über die Hauptverhandlung am 28. März 2023 (ON 994) vermisst er die Anführung der Namen der Angeklagten, deren Vertreter sowie der Mitglieder des Schöffengerichts, betreffend das Protokoll über die Hauptverhandlung am 25. Mai 2023 (ON 1064) die Anführung der G* GmbH als belangten Verband.

[7] Zum Protokoll über die Hauptverhandlung am 22. Mai 2023 (ON 1060) macht der Beschwerdeführer die fehlende und fehlerhafte Anführung des Namens zweier Kunden in der Aussage der Angeklagten K* S* geltend.

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – mehrfach nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

I) Zum Schuldspruch nach dem FinStrG:

[9] Hinsichtlich der Verkürzung von Kapitalertragsteuer (I A 2) sieht das Erstgericht verdeckte Gewinnausschüttung als Grundlage der Abgabepflicht an (vgl US 20). Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16 § 27 Rz 39 f). Verdeckte Gewinnausschüttungen setzen definitionsgemäß eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraus. Anmeldungs- und abgabepflichtig in Bezug auf die Kapitalertragsteuer ist hier der Schuldner der Kapitalerträge (§ 96 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 3 erster Satz EStG iVm § 95 Abs 2 Z 1 lit a EStG), also die GmbH. Unmittelbarer Täter im Sinn des § 33 Abs 1 FinStrG ist insoweit daher die zu deren Vertretung berufene Person (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 32).

[10] Den Urteilsfeststellungen ist jedoch zu keinem der vom Erstgericht als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilten Geldflüsse eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung an einen Anteilsinhaber zu entnehmen. Vielmehr flossen die Gelder nach den Konstatierungen an (Kapital‑)G esellschaften, nämlich die N* LDA (US 22 ff), die M* LDA (US 24 f), die A* GmbH (US 26), die G* GmbH (US 26 ff) und die Q* FZE (US 28). Gegebenenfalls subsumtionsrelevante (RIS‑Justiz RS0130507) Anhaltspunkte für die rechtliche Annahme einer in der Anteilsinhaberschaft wurzelnden Zuwendung an Dritte aufgrund ihres Naheverhältnisses zu einem Anteilsinhaber lassen die Feststellungen nicht hinreichend deutlich erkennen.

[11] Ausgehend von der – wie dargelegt nicht feststellungsbasierten – tatrichterlichen Annahme verdeckter Gewinnausschüttung bleibt im Übrigen unklar, weshalb das Erstgericht in Ansehung der inkriminierten Zahlungen zur Schlussfolgerung gelangte, dass der Angeklagte als Geschäftsführer der AN* GmbH Kapitalertragsteuer (bloß) entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft in der Höhe von 25 % hinterzogen habe (US 20).

[12] Schon der dargestellte Rechtsfehler führte zur Aufhebung des von ihm betroffenen Schuldspruchs I A 2 bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[13] § 39 FinStrG normiert eine besondere Art des Zusammenrechnungsgrundsatzes. Im Fall des Zusammentreffens mehrerer (in § 39 Abs 1 oder 2 FinStrG genannter) Finanzvergehen ist daher bei Vorliegen qualifizierender Tatmodalitäten eine Subsumtionseinheit sui generis zu bilden, wobei die einzelnen Straftaten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten. Teil dieser Subsumtionseinheit können aber ausschließlich solche Finanzvergehen sein, die unter Einsatz einer qualifizierenden Tatmodalität begangen worden sind (dazu im gegebenen Zusammenhang Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 2 f). Dabei sind immer gleichartige Finanzvergehen – zu einem Verbrechen (§ 39 Abs 3 lit a oder b FinStrG idgF) des Abgabenbetrugs – zusammenzufassen (RIS‑Justiz RS0130035).

[14] Mehrere Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG sind im Verhältnis zueinander gleichartig, wobei die Art der verkürzten Abgaben (hier teils Mineralölsteuer [I A 1 b und c], teils Kapitalertragsteuer [I A 2 7 bis 37] und teils Körperschaftsteuer [I B]) insoweit keine Rolle spielt (vgl RIS‑Justiz RS0130035 [insbesondere T2] sowie 13 Os 44/22b [Rz 50 f]).

[15] Die Bildung mehrerer Subsumtionseinheiten nach §§ 33 Abs 1, 39 FinStrG – hier jeweils zu I A 1 b und c, zu I A 2 7 bis 37 und zu I B – ist daher rechtlich verfehlt (Z 10). Um dem Erstgericht im zweiten Rechtsgang rechtsrichtige Subsumtion zu ermöglichen, war deshalb auch der Schuldspruch I A 1 b und c und I B schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 289 StPO).

[16] Aus der Kassation des Schuldspruchs im dargestellten Umfang folgte die Aufhebung des Strafausspruchs nach dem FinStrG (einschließlich der Vorhaftanrechnung, des Ausspruchs der Strafe des Wertersatzes und der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen).

 

II) Zum Schuldspruch nach dem StGB:

[17] Betrügerische Krida nach § 156 Abs 1 StGB begeht, wer – durch demonstrativ aufgezählte Tathandlungen oder sonst (vgl RIS-Justiz RS0094886, Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 6) – sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines seiner Gläubiger vereitelt oder schmälert.

[18] Geschützt ist das Gläubigerinteresse an der Befriedigung von im Tatzeitpunkt bereits bestehenden Forderungen. Ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der (vollendeten) betrügerischen Krida erfordert demnach Konstatierungen dazu, dass (vom Vorsatz umfasst) die Befriedigung zumindest eines der (mehreren) im Tatzeitpunkt bereits vorhandenen Gläubiger vereitelt oder geschmälert wurde (RIS‑Justiz RS0133786). Soweit es trotz Gelingens einer Vermögensverringerung nicht zur Gläubigerschädigung kommt, kann strafbarer Versuch vorliegen (RIS‑Justiz RS0115184 [T1, T5 und T8]).

[19] Den Feststellungen ist jedoch insoweit lediglich zu entnehmen, dass die inkriminierten Handlungen zum Schuldspruch II A, B und F zu einem Entzug des jeweiligen Betrags aus dem Befriedigungsfonds der Gläubiger führten (A [US 24], B [US 25] und F [US 28]) und jene zum Schuldspruch II E das Vermögen der Gesellschaft verringerten (US 28). Nicht konstatiert ist hingegen ein tatsächlicher Befriedigungsausfall auch nur eines – bereits im Zeitpunkt der Tathandlung vorhandenen – Gläubigers. Dass die Befriedigung der Republik Österreich als Gläubigerin vereitelt oder geschmälert wurde, findet sich allein im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO [US 6]), das die Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS‑Justiz RS0114639).

[20] Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte mit dem Wissen und Wollen handelte, Bestandteile des Vermögens der AN* GmbH beiseite zu schaffen und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger zu vereiteln und einen weit über 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeizuführen (US 22), erschöpfen sich in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia und bleiben solcherart ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).

[21] Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des Urteils im Schuldspruch II (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO) und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) nach dem StGB und im Adhäsionserkenntnis (Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7).

 

[22] Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

[23] Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die von Amts wegen aufgehobenen Schuldsprüche und die Strafaussprüche richtet, war sie auf die Kassation zu verweisen.

[24] Im Übrigen kommt ihr keine Berechtigung zu.

[25] Der Behandlung der Besetzungsrüge (Z 1) ist voranzustellen:

[26] Soweit hier (noch) von Bedeutung wurde dem Beschwerdeführer und weiteren Personen, darunter K* S*, H* S* und Mag. * P* mit Anklageschrift vom 16. August 2021 (ON 789) als mehrere Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG beurteiltes Verhalten zur Last gelegt, wobei die Staatsanwaltschaft beim Beschwerdeführer von unmittelbarer Täterschaft (§ 11 erster Fall FinStrG), bei den übrigen Genannten jeweils von Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG) ausging.

[27] Nach der Trennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer von jenen gegen diese (ursprünglich) Mitangeklagten (ON 944 S 39 und ON 1064 S 24) sprach das selbe Schöffengericht, das in der Folge – nach Abweisung des betreffenden Ablehnungsantrags (ON 1100 S 11) – im (nunmehr) gesondert geführten Verfahren in unveränderter Besetzung das hier angefochtene Urteil über den Beschwerdeführer fällte,

‑ mit Urteil vom 27. Jänner 2023 (ON 944a) Mag. * P* von den wider sie erhobenen Vorwürfen frei und

‑ mit Urteil vom 25. Mai 2023 (ON 1065) K* S* und H* S* jeweils mehrerer, als Beitragstäter (§ 11 dritter Fall FinStrG) begangener Vergehen der Abgabenhinterziehung schuldig.

[28] Die Besetzungsrüge behauptet Ausgeschlossenheit des gesamten Schöffensenats nach „§ 43 Abs 1 Z 3 StPO in Verbindung mit § 44 Abs 3 StPO in Verbindung mit Art 6 Abs 1 Z 3 EMRK“, weil dieser schon mitseinen oben dargestellten Urteilen vom 27. Jänner 2023 und vom 25. Mai 2023 eine Vorverurteilung des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebracht habe.

[29] Nach der Generalklausel des § 43 Abs 1 Z 3 StPO – soweit es die Schöffen betrifft iVm § 46 erster Satz StPO – ist ein Richter oder Schöffe vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn „andere“ Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (siehe dazu eingehend Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 9 ff).

[30] Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (jüngst eingehend 13 Os 91/21p mwN), welche sich diesbezüglich mit jener des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, Rn 47 mwN) deckt, ist die Erledigung eines – wie hier – gegen Beteiligte anhängig gewesenen Strafverfahrens per se nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters in Zweifel zu setzen. Zieht doch nicht schon der Umstand Ausschließung nach sich, dass sich Berufs‑ oder Laienrichter vor der Entscheidung eine Meinung über den Fall gebildet haben, sondern erst die begründet erscheinende Annahme, dass sie auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt seien, von dieser Meinung abzugehen (RIS‑Justiz RS0096733).

[31] Eine solche Annahme könnte im Fall der wie hier vorangegangenen Aburteilung von Beteiligten freilich dann begründet erscheinen, wenn in jenen früheren Urteilen mit Bezug auf die – den nunmehrigen Verfahrensgegenstand bildenden – Taten des Angeklagten dessen Schuld in einer Vorverurteilung gleichkommender Weise bewertet wurde.

[32] Eine Vorverurteilung sieht die Beschwerde insbesondere durch die nachstehenden Feststellungen: „Die dazugehörigen Frachtpapiere und Rechnungen stimmten mit dem tatsächlichen Produkt nicht überein. Der abgesondert verfolgte M* S* hat für die A* für die Monate Oktober und November 2010 eine Leermeldung abgegeben und für den Monat September 2010 eine selbstberechnete, zu niedrige Mineralölsteuer abgeführt. Es wurde daher für 370 Lieferungen mit einer Gesamtmenge von 10.438.762,50 Liter keine Mineralölsteuer erklärt oder abgeführt, in den Monaten September, Oktober und November 2010 rechtskräftig die Mineralölsteuer in Höhe von EUR 3.914.535,92 festgesetzt“ (ON 1065 S 20).

[33] Diese Urteilspassage enthält jedoch keine den Beschwerdeführer betreffende Schuldfeststellung, vielmehr beschreibt sie äußere Umstände, ohne eine Aussage zu einem (allfälligen) Vorsatz des Beschwerdeführers zu treffen. Solcherart haben die Tatrichter zum Beschwerdeführer gerade nicht sämtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen als erfüllt angesehen. Zudem wird im angefochtenen Urteil nicht auf Feststellungen in den gegen die Beteiligten ergangenen Urteilen (ON 944a und 1065) abgestellt, sondern auf der Grundlage der im Verfahren gegen den Beschwerdeführer gewonnenen Beweisergebnisse eine eigenständige tatsächliche und rechtliche Würdigung vorgenommen. Die in der Rechtsmittelschrift angeführten, auf den Beschwerdeführer bezogenen Urteilsaussagen im vorangegangenen Urteil vom 25. Mai 2023 (ON 1065) über Beteiligte bilden somit keinen Grund, der geeignet wäre, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Vorsitzenden, der beisitzenden Richterin und der Schöffen in Zweifel zu ziehen.

[34] Gleiches gilt in Ansehung der Vorsitzenden des Schöffensenats, soweit diese am 11. Mai 2023 die Festnahme des Beschwerdeführers aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 170 Abs 1 Z 2 StPO) anordnete (ON 1020; siehe dazu auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 12. Juni 2023 [ON 1084], mit der der Beschwerde des M* S* gegen die Anordnung der Festnahme Folge gegeben wurde; vgl 14 Ns 10/94) und soweit sie im Beschluss vom 12. Mai 2023 (ON 1034), mit dem die Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer aus dem Haftgrund des § 173 Abs 2 Z 1 StPO verhängt wurde, die Kaution (§ 180 Abs 1 und 2 StPO) – betragsmäßig über die Anregung der Staatsanwaltschaft (ON 1030 S 18) hinausgehend – mit 30.000 Euro festsetzte. Anhaltspunkte dafür, dass die in gesetzeskonformer Erfüllung ihrer Dienstpflicht handelnde Vorsitzende angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt gewesen wäre, von ihrer (vorläufigen) Meinung abzugehen, oder für unsachliches Vorgehen (vgl RIS‑Justiz RS0096914 [insbesondere T19]; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 12) zeigt die Rüge nicht auf.

[35] In den von der Beschwerde angeführten Passagen des Urteils vom 27. Jänner 2023 (ON 944a S 9 f) wird gar kein Bezug zum Beschwerdeführer hergestellt.

[36] Weshalb das Beschwerdevorbringen zu vorgeblich unsachlich motiviertem Verhalten der Vorsitzenden des Schöffensenats gegenüber K* S* hier von Bedeutung sein sollte, bleibt offen.

 

Zur Verfahrensrüge (Z 4):

[37] Die von der Rüge relevierten, in der Hauptverhandlung am 25. Mai 2023 (ON 1064) gestellten Anträge wurden zwar von der Person des Verteidigers des Beschwerdeführers – der auch als Verteidiger weiterer Mitangeklagter tätig war (vgl ON 1064 S 1) – gestellt, dies allerdings zu einem Zeitpunkt (ON 1064 S 4 ff), als das Verfahren gegen den Beschwerdeführer ausgeschieden war (siehe ON 1060 S 80 und ON 1064 S 10). Insoweit stützt sich die Rüge somit nicht auf Anträge des Beschwerdeführers in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und geht schon solcherart ins Leere (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 306).

[38] Soweit die Beschwerde kritisiert, das Erstgericht habe nicht über die in der Hauptverhandlung am 5. Dezember 2022 (ON 904a) gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des * W* und der * B* (ON 904a S 62) entschieden, übergeht sie, dass die genannten Anträge vom Beschwerdeführer zurückgezogen wurden (ON 936 S 23 und ON 937 S 6). Auch insoweit fehlt der Rüge aus Z 4 demnach der gesetzliche Bezugspunkt.

[39] Der erneute Antrag auf Vernehmung des * W* als Zeugen in der Hauptverhandlung am 22. Mai 2023 (ON 1060) zum Beweis dafür, „ob das eine Raffinerie war oder nur bloß zwei Tankwagen“ (ON 1060 S 5 f), wurde entgegen der Beschwerde schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil er weder die Lösung der Schuld- noch jene der Subsumtionsfrage betraf (RIS‑Justiz RS0118319 [insbesondere T1]; vgl im Übrigen ON 1060 S 80).

 

Zur Mängelrüge (Z 5):

[40] Bezugspunkt der Mängelrüge ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden nicht angesprochen) – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268), wobei überdies zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS‑Justiz RS0130729).

[41] Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

[42] Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).

[43] Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

[44] Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).

[45] Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

[46] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).

[47] In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).

[48] Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen (vgl RIS‑Justiz RS0124172).

[49] Den dargelegten Anfechtungskriterien wird die nominell Unvollständigkeit, offenbar unzureichende Begründung und Aktenwidrigkeit behauptende Mängelrüge (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall) nicht im Ansatz gerecht, indem sie ohne jegliche Bezugnahme auf konkret bezeichnete Feststellungen entscheidender Tatsachen im Urteil und die mehr als tausend Ordnungsnummern umfassenden Akten

‑ kritisiert, das Erstgericht habe sich mit einer Vielzahl von in der Beschwerde weitwendig dargestellten und eigenständig gewürdigten Umständen „nicht auseinandergesetzt“,

‑ umfassende Rechtsausführungen machtund Rechtsprechung des EuGH sowie Fachliteratur anführt und moniert, das Erstgericht habe darauf keine Rücksicht genommen, und

‑ Feststellungen dazu vermisst, „wann die Behörde erstmals befähigt gewesen wäre, wann die Bewilligung hätte widerrufen werden können“ (der Sache nach – ebenfalls nicht an der Prozessordnung orientiert [RIS‑Justiz RS0116565] – Z 9 lit a).

[50] Die Aussage des Zeugen L*, wonach die Bewilligung für das Steuerlager nur deshalb entzogen worden sei, weil die AN* GmbH die Sicherheit nicht mehr erhöht habe (ON 940 S 97 f), steht entgegen der Beschwerdeauffassung nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite.

[51] Die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers haben die Tatrichter nicht übergangen, sondern mit eingehender Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 34 f). Zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit Details seiner Aussage waren sie unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (vgl RIS‑Justiz RS0106642).

[52] Soweit die Mängelrüge „in eventu“ als Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhoben wird, entspricht sie nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).

 

[53] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[54] Damit ist auch dessen Beschwerde gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 25. Oktober 2023 (ON 1142) auf Abweisung und Zurückweisung des Protokollberichtigungsantrags (ON 1141) schon deshalb erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstände bezog (vgl RIS‑Justiz RS0126057 [T2 und T5]).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde und zur Berufung des Amts für Betrugsbekämpfung:

[55] Da das Amt für Betrugsbekämpfung binnen vier Wochen nach der Zustellung einer Urteilsabschrift keine Ausführung seiner Beschwerdegründe überreichte (§ 285 Abs 1 StPO) und auch bei der rechtzeitigen Anmeldung (ON 1108 S 40) keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnete, war die Nichtigkeitsbeschwerde – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungsnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO).

[56] Gleiches gilt für die Berufung, weil das Amt für Betrugsbekämpfung weder bei deren Anmeldung noch in einer rechtzeitig überreichten Berufungsschrift (§ 294 Abs 2 zweiter Satz StPO) erklärt hat, ob es den Strafausspruch nach dem FinStrG oder den Ausspruch der Strafe des Wertersatzes bekämpft (§ 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0100395 und RS0100042; Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 296 Rz 5).

 

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO und den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

[57] (I) Gemäß § 4 Abs 2 FinStrG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre (zur Beschränkung des solcherart anzustellenden Günstigkeitsvergleichs auf finanzstrafgesetzliche Vorschriften siehe RIS‑Justiz RS0086016, RS0086020 [T1] und RS0132285).

[58] A) Davon ausgehend hat das Erstgericht über die schon aufgezeigte verfehlte Bildung mehrerer Subsumtionseinheiten nach §§ 33 Abs 1, 39 FinStrG zu I A 1 b und c, I A 2 7 bis 37 und I B (isoliert betrachtet) zudem verfehlt das Urteilszeitrecht angewendet:

[59] § 39 Abs 3 lit a FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vor BGBl I 2019/62 sah für das Finanzvergehen des Abgabenbetrugs eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor, neben der fakultativ (vgl Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 25) eine Geldstrafe bis zu einer Million Euro verhängt werden konnte. Die vom Erstgericht zum Schuldspruch I A 2 7 bis 37 und I B zur Anwendung gebrachte Urteilszeitfassung des § 39 Abs 3 lit a FinStrG idgF sieht hingegen für das Verbrechen des Abgabenbetrugs eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und – neben einer vier Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe – eine fakultative Geldstrafe bis zu 1,5 Millionen Euro vor.

[60] Bei einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von über 500.000 Euro bedrohen sowohl § 39 Abs 3 lit c FinStrG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vor BGBl I 2019/62 als auch der vom Erstgericht zum Schuldspruch I A 1 b und c angewendete § 39 Abs 3 lit b FinStrG in der Urteilszeitfassung BGBl I 2019/62 das Verbrechen des Abgabenbetrugs mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, neben Freiheitsstrafen von höchstens acht Jahren mit fakultativen Geldstrafen bis zu 2,5 Millionen Euro.

[61] Das Urteilszeitrecht ist also jeweils in seiner Gesamtauswirkung für den Angeklagten nicht günstiger als das Tatzeitrecht, weshalb auf Basis der Feststellungen Letzteres anzuwenden gewesen wäre.

[62] B) Auch die Strafdrohung des § 33 Abs 5 FinStrG (US 8) wäre auf der Grundlage der Feststellungen nicht in der Urteils-, sondern in der Tatzeitfassung anzuwenden gewesen:

[63] Voranzustellen ist, dass der Tatbestand des § 33 Abs 1 FinStrG (in der weiterhin geltenden Fassung BGBl 1975/335) – ungeachtet wiederholter Änderungen des gesetzlichen Umfelds dieser Bestimmung – von den jeweiligen Tatzeitpunkten bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz unverändert blieb. Urteilszeitrecht und Tatzeitrecht sind daher hier unter dem Aspekt der Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO, vgl dazu RIS‑Justiz RS0087102 und 13 Os 129/18x) ident (jüngst 13 Os 119/22g).

[64] § 33 Abs 5 FinStrG bedrohte in der seit 13. Jänner 1999 geltenden Fassung BGBl I 1999/28 die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe (§ 16 FinStrG) bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags (§ 53 Abs 1 FinStrG, vgl Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 47). Daneben war nach Maßgabe des § 15 FinStrG auf eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu erkennen.

[65] Der strafbestimmende Wertbetrag umfasst seit der mit 1. Jänner 2011 in Kraft getretenen FinStrG‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104 nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht. Nach den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite hat diese Novellierung keinen Einfluss auf die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags.

[66] Mit Inkrafttreten des Art 4 des EU‑Finanz-Anpassungsgesetzes 2019 BGBl I 2019/62 am 23. Juli 2019 wurde – neben der unverändert gebliebenen Geldstrafdrohung bis zum Zweifachen des strafbestimmenden Wertbetrags – die in § 33 Abs 5 FinStrG (weiterhin nach Maßgabe des § 15 FinStrG) vorgesehene Freiheitsstrafe auf bis zu vier Jahre erhöht.

[67] Auf der Basis der Urteilsfeststellungen ist daher das Urteilszeitrecht auch insoweit in seiner Gesamtauswirkung nicht günstiger für den Angeklagten als das Tatzeitrecht.

[68] (II) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG werden im Bereich der Mineralölsteuer – soweit hier für den Schuldspruch I A 1 a und b sowie den Freispruch I von Bedeutung (vgl §§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 Z 1, Abs 8 MinStG) – durch Unterlassen der Abfuhr der Mineralölsteuer unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflichten (vgl dazu § 21 Abs 1 Z 1 erster Halbsatz und Z 5, Abs 4 Z 1 und 4 MinStG) begangen. Nach § 33 Abs 3 lit b FinStrG ist die Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, (ganz oder teilweise) nicht abgeführt wurden, wobei sich die jeweilige Leistungsfrist aus den Abgabenvorschriften ergibt. Entsteht die Steuerschuld nach § 21 Abs 1 Z 1 oder Z 5 MinStG, hat der Unternehmer die Steuerschuld bis zum 25. eines jeden Kalendermonats (im Dezember bis zum 20.) für den Vormonat beim Zollamt Österreich (bis 31. Dezember 2021 bei dem Zollamt, in dessen Bereich sich der Betrieb des Steuerschuldners befand), anzumelden und zu entrichten (§ 23 Abs 1 und 5 MinStG, siehe zur Verpflichtung der getrennten Ausweisung der angemeldeten Mineralöl-, Kraftstoff- und Heizstoffmengen nach Arten § 23 Abs 3 MinStG). Eine selbständige Tat im materiellen Sinn bildet hier demgemäß das Unterlassen der Abfuhr der Mineralölsteuer unter Verletzung der korrespondierenden Anmeldungspflichten bezogen auf den jeweiligen Monat (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff eingehend Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 7 ff). Der Freispruch I ii in Ansehung der Hinterziehung von Mineralölsteuer für den Monat Februar 2011 durch Unterlassen von deren Anmeldung, Selbstberechnung und Selbstabfuhr zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen (US 10) ist daher, weil zeitlich deckungsgleich mit dem Schuldspruch I A 1 b, wenn auch prozessual unbeachtlich (vgl RIS‑Justiz RS0115553 [insbesondere T5 und T11]), rechtlich verfehlt (zum Gegenstand eines Freispruchs hinsichtlich einer selbständigen Tat im Finanzstrafverfahren grundlegend Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 13).

[69] (III) Freispruch oder Schuldspruch ergehen stets in Hinsicht auf eine Tat, also auf ein unter Anklage gestelltes historisches Geschehen, nicht auf dessen rechtliche Beurteilung. Daher erweist sich der Freispruch in Betreff der rechtlichen Nichtannahme der mit dem Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 und § 15 StGB (Schuldspruch II) idealkonkurrierenden strafbaren Handlung der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB (IV B [US 13], sogenannter Subsumtionsfreispruch) als verfehlt (RIS‑Justiz RS0115553).

[70] (IV) Nach § 19 Abs 3 FinStrG ist der Wertersatz mit dem Betrag festzulegen, der dem gemeinen Wert der dem Verfall unterliegenden Gegenstände entspricht. Dieser entspricht im Sinn des § 10 Abs 2 BewG (RIS‑Justiz RS0052939, RS0052947, RS0086277, RS0086284 und RS0086317) dem inländischen Detailverkaufspreis, der seinerseits aus dem Einstandspreis, den rechtmäßig zu entrichtenden Abgaben, den Frachtkosten und sonstigen Spesen sowie den Gewinnspannen besteht (RIS‑Justiz RS0086284). Kann dieser Wert nicht ermittelt werden, so ist auf Zahlung eines dem vermutlichen Wert (nicht hingegen der hinterzogenen Steuer [vgl US 53]) entsprechenden Wertbetrags zu erkennen (§ 19 Abs 3 zweiter Satz FinStrG), wobei das Gericht die Grundlagen seiner diesbezüglichen Überlegungen nachvollziehbar darzulegen hat (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 8).

 

[71] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Österreich auf die Aufhebung zu verweisen.

 

[72] Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0101558), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 2).

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