European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00115.17M.0509.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef S***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz‑Stadt als Geschäftsführer der S***** GmbH gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich um
(1) 25.000 Euro an Umsatzsteuer für das Jahr 2008,
(2) 12.000 Euro an Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 und
(3) 217.333,33 Euro an Kapitalertragsteuer für den Zeitraum vom Jänner 2011 bis zum Dezember 2012.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.
Mit Blick auf das der Beschwerde vorangestellte Vorbringen wird festgehalten, dass für die Überprüfung einer Entscheidung nur deren Urschrift maßgebend ist (12 Os 67/04, SSt 2004/62; RIS‑Justiz RS0119273; Danek , WK‑StPO § 270 Rz 53). Weicht – wie hier (ON 1 S 15, ON 34) – die dem Verteidiger zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde zugestellte Urteilsausfertigung von der Urteilsurschrift ab, ist dem Verteidiger daher zunächst eine der Urschrift entsprechende Ausfertigung zuzustellen (vgl Danek , WK‑StPO § 270 Rz 56 f). Erst diese Zustellung löst sodann die in § 285 Abs 1 erster Satz StPO normierte 4‑wöchige Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde aus (15 Os 91/10m, SSt 2011/1; RIS‑Justiz RS0098953 [insbesondere T6]; Ratz , WK‑StPO § 285 Rz 1). Fallbezogen wurde dem Verteidiger eine der Urteilsurschrift (ON 28) entsprechende Urteilsausfertigung am 7. August 2017 zugestellt (ON 28 S 21). Die Überprüfung des mit der gegenständlichen, rechtzeitig ausgeführten (ON 35 S 1) Nichtigkeitsbeschwerde bekämpften Urteils durch den Obersten Gerichtshof erfolgt – wie dargelegt – anhand der (nunmehr mittels Zustellung einer entsprechenden Ausfertigung auch dem Verteidiger prozessordnungskonform zugegangenen) Urteilsurschrift.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht den Antrag auf „Beischaffung aller Telefonaufzeichnungen und in die Schrift zu übertragenden Telefonprotokolle zwischen Andreas T***** und der Person des Josef S***** einerseits aber auch zwischen Andreas T***** und seiner Lebensgefährtin sowie auch seinem Geschäftspartner und Abspielung all dieser Telefonprotokolle zur Verlesung der betreffenden Telefonprotokolle in der Hauptverhandlung“ (richtig: ON 27 S 3) schon deswegen zu Recht ab (ON 27 S 5), weil er das Beweismittel (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO) nicht deutlich und bestimmt bezeichnete.
Hinzu kommt, dass der Beweisantrag (zusammengefasst) auf den Nachweis, dass der Beschwerdeführer Andreas T***** nicht „betrogen“ habe, und solcherart weder auf schuld‑ noch auf subsumtionsrelevante Umstände gerichtet war (siehe aber § 55 Abs 2 Z 1 und 2 StPO).
Die weiteren in der Beschwerde genannten Beweisanträge werden nicht durch konkreten Hinweis auf die Aktenlage bezeichnet, womit das diesbezügliche Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich ist (vgl RIS‑Justiz RS0124172).
Hinzugefügt sei, dass der von der Rüge angesprochene Ermittlungsakt AZ 7 St 39/13f der Staatsanwaltschaft Graz den Gerichtsakten ohnedies in Kopie angeschlossen und auch in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (ON 27 S 9) und nicht klar wird, welche zusätzlichen entscheidungsrelevanten Erkenntnisse aus der Beischaffung der Originalakten resultieren sollten.
Zum Begehren, ein Gutachten eines Buch‑Sachverständigen einzuholen, wird darauf hingewiesen, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens nach ständiger Rechtsprechung die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im jeweiligen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt, aus welchem Grund es insoweit nur dann der Beiziehung eines Sachverständigen bedarf, wenn im Beweisverfahren unausgeräumt gebliebene Mängel aus konkreten Details der diesbezüglichen Tatsachengrundlagen schlüssig abgeleitet werden (14 Os 127/90, EvBl 1992/26 [verst Senat]; RIS‑Justiz RS0087030). Anhaltspunkte für die Annahme des Erfordernisses einer solchen Überprüfung sind hier nicht ersichtlich.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) blieb die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer vor seiner Eintragung als unternehmensrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch bereits faktischer Geschäftsführer der S***** GmbH war (US 2), keineswegs unbegründet. Die Tatrichter stützten sich insoweit vielmehr – aktenkonform (ON 21 S 3) – auf die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers zu dem vom Schuldspruch 1 umfassten Finanzvergehen (US 2 f), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.
Mit der Behauptung, das Erstgericht habe die Aussage des Zeugen Manfred Sp***** „völlig missverstanden und falsch interpretiert“, sowie den hiezu angestellten Überlegungen wendet sich die Beschwerde nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) nennt keine konkreten Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO), die aus ihrer Sicht Urteilsfeststellungen über entscheidende Tatsachen erheblich bedenklich erscheinen lassen, und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 1 die Feststellung bestreitet, nach welcher der Beschwerdeführer im diesbezüglichen Tatzeitraum Geschäftsführer der S***** GmbH gewesen ist (US 2), verfehlt sie den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Das Vorbringen, der Schuldspruch wegen der Verkürzung von Körperschaftsteuer für das Veranlagungsjahr 2011 (2) hätte „in den“ – wegen Verkürzung von Kapitalertragsteuer ergangenen – „Schuldspruch zu Punkt 3 des Urteils aufgenommen“ werden müssen, ist unverständlich.
Die Behauptung, das Erstgericht habe „auf Seite 2 oben im Urteil“ einen strafbestimmenden Wertbetrag von 541.328,60 Euro konstatiert, entfernt sich von der Aktenlage, womit die aus dieser Prämisse entwickelten Überlegungen auf sich zu beruhen haben.
Auch der Einwand fehlender Kapitalertragsteuerpflicht argumentiert nicht auf der Basis der Urteilsfeststellungen, wonach die (zum Schuldspruch 3) in Rede stehenden Beträge – als verdeckte Gewinnausschüttung – an den Beschwerdeführer, der an der S***** GmbH als Gesellschafter beteiligt war, geflossen sind (US 4).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Bei dem nach § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich ging das Erstgericht davon aus, dass die nach dem AbgÄG 2015 BGBl I 2015/163 geltende Fassung des § 38 FinStrG für den Angeklagten nicht günstiger sei als die vor dieser Novelle geltende Fassung, und gelangte solcherart zur Anwendung des Tatzeitrechts.
Da aber gemäß § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 die Absicht des Täters darauf gerichtet sein muss, sich durch die wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens einen (nicht bloß geringfügigen) fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen, und die angefochtene Entscheidung diesbezüglich keine Konstatierungen enthält, fehlt dem Günstigkeitsvergleich und damit auch der Subsumtion nach § 38 FinStrG die Feststellungsbasis.
Zumal dem Angeklagten fallbezogen als Geschäftsführer einer GmbH bewirkte Abgabenverkürzungen zur Last liegen, sei darauf hingewiesen, dass § 38 FinStrG nach wie vor die Absicht verlangt, sich einen Vorteil zu verschaffen. Somit wird durch die Absicht, (bloß) einem Dritten – also beispielsweise dem vom Täter vertretenen Unternehmen – den vom Gesetz verlangten Vorteil zu verschaffen, der Qualifikationstatbestand des § 38 FinStrG auch in der Fassung BGBl I 2015/163 nicht erfüllt (vgl 13 Os 34/01, EvBl 2002/39, 155; RIS‑Justiz RS0092444 [T2]; Lässig in WK 2 FinStrG § 38 Rz 2). Anders als nach früherer Rechtslage (vgl RIS‑Justiz RS0086571, RS0086573 und RS0086909) scheidet aber nunmehr die Absicht, sich mittelbar über die Beteiligung an dem von der Abgabenverkürzung profitierenden Unternehmen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, als qualifikationsbe-gründend im Sinn des § 38 FinStrG aus, weil diese Norm in der Fassung BGBl I 2015/163 die Absicht verlangt, sich einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (13 Os 13/17m, ZWF 2017, 234; RIS‑Justiz RS0131593; vgl auch 13 Os 17/17z und Fellner , FinStrG § 38 Rz 14).
Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war die angefochtene Entscheidung – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde in der Subsumtion nach § 38 FinStrG sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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