OGH 13Os13/17m

OGH13Os13/17m28.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plesser als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Hans O***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** sowie der Staatsanwaltschaft und die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 26. Juli 2016, GZ 12 Hv 137/15s‑71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, und der Finanzstrafbehörde, Mag. Kienesberger, der Angeklagten Hans O*****, Gottfried W***** und Dominik K***** sowie deren Verteidiger Dr. Heitzinger und Dr. Birek zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00013.17M.0628.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** sowie der Finanzstrafbehörde werden verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil, in der Subsumtion der Hans O***** angelasteten Taten nach § 38 Abs 1 FinStrG sowie demzufolge auch in den Strafaussprüchen aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** sowie die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Strafaussprüche verwiesen.

Den Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans O***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (I/1 und I/4), nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (I/2) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 FinStrG (I/3/1/3 bis I/3/2/9) sowie mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (I/3/1/1 und I/3/1/2), Gottfried W***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 33 Abs 2 lit a und 33 Abs 2 lit b FinStrG als Beitragstäter iSd § 11 dritter Fall FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach haben im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts G***** vorsätzlich

(I) Hans O***** als Geschäftsführer – mit Ausnahme der Schuldsprüche I/3/1/1 und I/3/1/2 gewerbsmäßig –

1) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen für die E***** GmbH (im Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliederte) Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2010 um insgesamt 444.000 Euro bewirkt (I/1/1 bis I/1/5),

2) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, nämlich,

2/1) hinsichtlich der E***** GmbH für die Monate Jänner 2011 bis September 2011 (im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen aufgegliedert) um 90.000 Euro (I/2/1/1 bis I/2/1/9) und

2/2) hinsichtlich der EO ***** GmbH für die Monate Oktober 2011 bis Mai 2012 (im Urteil nach Voranmeldungszeiträumen aufgegliedert) um 76.200 Euro (I/2/2/1 bis I/2/2/8),

3) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen an Lohnsteuer und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, nämlich

3/1) hinsichtlich der E***** GmbH für die Monate November 2006 bis September 2011 (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen und Abgabenart aufgegliedert) um 542.403,29 Euro an Lohnsteuer und um 73.964,09 Euro an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (I/3/1/1 bis I/3/1/59) sowie

3/2) hinsichtlich der EO ***** GmbH für die Monate Oktober 2011 bis Juni 2012 (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen und Abgabenart aufgegliedert) um 86.130 Euro an Lohnsteuer und um 11.745 Euro an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (I/3/2/1 bis I/3/2/9) sowie

4) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch die Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen hinsichtlich der E***** GmbH für die Jahre 2006 bis 2010 (im Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliederte) Verkürzungen an Körperschaftssteuer um 72.117,01 Euro bewirkt,

(II) Gottfried W***** zu den unter I/1, I/2/1/1 bis I/2/1/8, I/3/1/1 bis I/3/1/58 und I/4 beschriebenen Finanzvergehen dadurch beigetragen, dass er unrichtige Abrechnungen erstellte, darin nicht aufscheinende Bargeldbeträge kassierte und diese an Hans O***** zur Auszahlung sogenannter Schwarzlöhne (I/3/1) übergab.

Unter einem ergingen Freisprüche von den Vorwürfen, es hätten in den Jahren 2006 bis 2012 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts G***** vorsätzlich

(I/5) Hans O***** als Geschäftsführer gewerbsmäßig unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch Unterlassen der Anmeldung und der Abfuhr Verkürzungen an Kapitalertragsteuer bewirkt, nämlich

I/5/1) für den Zeitraum vom November 2006 bis zum September 2011 hinsichtlich der E***** GmbH um 392.939,41 Euro und

I/5/2) für den Zeitraum vom Oktober 2011 bis zum Juli 2012 hinsichtlich der EO ***** GmbH um 70.000 Euro,

(II) Gottfried W***** zu den unter I/5/1 beschriebenen Finanzvergehen dadurch beigetragen, dass er hinsichtlich der E***** GmbH als sogenannter Strohmann des Hans O***** fungierte und diesen zum Geschäftsführer bestellte, unrichtige Abrechnungen erstellte, darin nicht aufscheinende Bargeldbeträge kassierte und diese an Hans O***** übergab, sowie

(III) Dominik K***** zu den unter I/2/1/5 bis I/2/1/9, I/2/2/1 bis I/2/2/8, I/3/1/55 bis I/3/1/59, I/3/2/1 bis I/3/2/9 und I/5/2 beschriebenen Finanzvergehen dadurch beigetragen, dass er hinsichtlich der E***** GmbH sowie der EO ***** GmbH als sogenannter Strohmann des Hans O***** fungierte und diesen zum Geschäftsführer der letztgenannten Gesellschaft bestellte.

Die gegen ihren jeweiligen Schuld‑ und Strafausspruch gerichteten, von Hans O***** und Gottfried W***** auf Z 3, 5, 9 (gemeint) lit a und 11, von Letzterem überdies auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden dieser Angeklagten gehen fehl.

Die Finanzstrafbehörde führte ihre rechtzeitig angemeldete (ON 75) Nichtigkeitsbeschwerde nicht aus.

Die gegen die Freisprüche aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zum Nachteil des Angeklagten Hans O***** das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

 

Rechtliche Beurteilung

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hans O ***** und Gottfried W*****:

Da die Beschwerden großteils nahezu wortgleich sind, werden sie zunächst gemeinsam behandelt. Sodann wird auf die Zusatzargumente des Angeklagten Gottfried W***** gesondert eingegangen.

Die Behauptung der Verfahrensrüge (Z 3, nominell verfehlt auch Z 5), im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) seien die einzelnen Finanzvergehen nicht mittels Aufgliederung nach Abgabenarten und jeweils relevanten Zeiträumen determiniert worden (hiezu Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 9 f), trifft nicht zu (US 2 bis 7).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. Kopetzky nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung sehr wohl in dieser vorgekommen (ON 54 S 82, ON 70 S 51). Der aus der Nichtverlesung dieses Gutachtens entwickelte Einwand offenbar unzureichender Urteilsbegründung (Z 5 vierter Fall) hat daher auf sich zu beruhen.

Die vermisste Begründung der Feststellungen zu den Verkürzungsbeträgen (Z 5 vierter Fall, sofern damit nicht die Trennlinie zwischen gerichtlicher und finanzstrafbehördlicher Zuständigkeit [§ 53 FinStrG] angesprochen wird iVm Z 11 erster Fall [zur angesprochenen Differenzierung Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 21]) findet sich auf den US 30 f.

Die den Überlegungen zu den einzelnen Steuerarten vorangestellten Rechtsausführungen sowie jene zur Lohnsteuer und zu den Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen lassen keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Soweit die Beschwerde fehlende Erörterung von Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) zur Umsatzsteuer und zur Körperschaftssteuer einwendet, entzieht sie sich einer meritorischen Erledigung, weil sie nicht darlegt, welchen Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen diese Verfahrensergebnisse aus ihrer Sicht konkret entgegenstehen sollen.

Indem die Rechtsrüge („Z 9“) das Fehlen von Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite behauptet, ohne auf der Basis der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 20 bis 23) zu argumentieren, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0099810).

Hinsichtlich der Ausführungen zur Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG (der Sache nach Z 10) wird auf die amtswegige Maßnahme verwiesen.

Mit der Sanktionsrüge (Z 11, nominell verfehlt auch „Z 9“) werden die Beschwerdeführer auf die Aufhebung der Strafaussprüche verwiesen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gottfried W *****:

Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), die „vom Schöffensenat herangezogene Schätzungsmethode“ sei unschlüssig, entzieht sich mangels Konkretisierung einer inhaltlichen Erwiderung. Das Erstgericht stützt die damit angesprochenen Feststellungen zum strafbestimmenden Wertbetrag auf die Ergebnisse des abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahrens, mehrere Zeugenaussagen und ein Sachverständigengutachten (US 30 f). Inwieweit dabei ein Begründungsfehler unterlaufen sein soll, wird nicht klar.

Die Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit (der Sache nach Z 10) sind unverständlich, weil ein Schuldspruch des Beschwerdeführers nach der Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG gar nicht erfolgt ist (US 7).

Der mehrfach vorgetragene Einwand, das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass „das Verhältnis öffentliche Baustellen und Privatbaustellen 80/20 betragen“ habe, stützt sich nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) und bringt solcherart den herangezogenen Nichtigkeitsgrund (Z 5 zweiter Fall) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (13 Os 74/07t, SSt 2007/74; RIS‑Justiz RS0118316 [T5]).

Die weitwendigen Überlegungen zur Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG) lassen keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Der Vorwurf fehlender Feststellungen zum Verkürzungsvorsatz (der Sache nach Z 9 lit a) übergeht die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 22 f) und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf den US 32 f.

Die Tatsachenrüge (Z 5a), die Fehler in der Sachverhaltsermittlung nicht behauptet, entwickelt ihre Argumentation nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) und ist aus diesem Grund einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Indem die Rechtsrüge („Z 9“) Feststellungen zur steuerlichen Vertretung der „GmbHs“ sowie „zum Verhältnis öffentliche Baustellen und Privatbaustellen“ verlangt, ohne darzulegen, weshalb derartige Konstatierungen hier schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen, unterlässt sie die aus dem Blickwinkel materieller Nichtigkeit gebotene Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Der Sinngehalt des Beschwerdepostulats nach Urteilsausführungen dazu, ob „der Erstangeklagte und Zweitangeklagte hinsichtlich der Umsatzsteuer-Jahreserklärung ein aktiver oder passiver Täter gewesen“ sei, bleibt im Dunkeln.

Mit den Überlegungen zur Beitragstäterschaft entfernt sich die Beschwerde einmal mehr vom diesbezüglichen Urteilssachverhalt (US 12, 22 f).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde:

Da die Finanzstrafbehörde ihre Beschwerde nicht ausführte und auch bei deren Anmeldung die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnete (ON 75), war auf diese Beschwerde vom Obersten Gerichtshof keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** sowie der Finanzstrafbehörde waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach allein der Umstand, dass der exakte Zeitpunkt eines Kapitalzuflusses nicht feststellbar ist, eine Verurteilung wegen diesbezüglicher Hinterziehung von Kapitalertragsteuer ausschließt, verfehlt ist. Die Tatrichter müssen in solchen Fällen auf der Feststellungsebene den Tatzeitraum eingrenzen und sodann ihrem Urteil jenen Tatzeitpunkt zugrundelegen, der für den Angeklagten in concreto am günstigsten ist (§ 14 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG [13 Os 87/15s, ZWF 2016/14, 82]).

Da die Beschwerde insoweit – mittels Verweises auf die auf den US 32 f genannten Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) – prozessordnungskonform einen Feststellungsmangel geltend macht, war der Freispruch des Angeklagten Hans O***** vom Vorwurf der Hinterziehung von Kapitalertragsteuer (I/5 der Anklageschrift ON 38) aufzuheben.

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage zeigt die Mängelrüge (Z 5) zutreffend auf, dass die Negativfeststellung zur Beitragstäterschaft des Angeklagten Gottfried W***** (US 24 f) offenbar unzureichend begründet ist (Z 5 vierter Fall), weil sich das Erstgericht diesbezüglich bloß auf den Umstand stützt, dass der Tatzeitraum nicht exakt festgestellt werden kann (US 35).

Durch die Bezugnahme auf die auf den US 32 f angeführten Verfahrensergebnisse wird auch hinsichtlich Gottfried W***** prozessordnungsgemäß ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend gemacht.

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Negativfeststellungen zur Beitragstäterschaft des Angeklagten Dominik K***** (US 25) trifft ebenfalls zu, weil das Erstgericht insoweit – wie im Übrigen auch zum Angeklagten Gottfried W***** – zirkulär argumentiert (US 35). Sollte die diesbezügliche Urteilspassage dahin zu verstehen sein, dass das Halten von Geschäftsanteilen als sogenannter Strohmann des unmittelbaren Täters sowie dessen Bestellung zum Geschäftsführer in abstracto ungeeignet seien, einen sonstigen Beitrag iSd § 11 dritter Fall FinStrG darzustellen, genügt der Hinweis, dass – wie in der Beschwerde zutreffend dargelegt – als Beitragshandlung auch im Finanzstrafrecht jede Verhaltensweise in Betracht kommt, welche die Ausführung der Tat durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert ( Lässig in WK² FinStrG § 11 Rz 5, eingehend Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 87 bis 92).

Ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) wird anhand des Hinweises auf die auf den US 32 f genannten Verfahrensergebnisse sowie die – in der Hauptverhandlung vorgekommene (ON 70 S 51) – Verantwortung des Angeklagten Dominik K***** im Ermittlungsverfahren (ON 36) prozessförmig zur Darstellung gebracht.

Die angefochtene Entscheidung war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in ihrem freisprechenden Teil aufzuheben. Die von der Generalprokuratur angeregte Entscheidung in der Sache selbst hinsichtlich des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Kapitalertragsteuer durch Hans O***** konnte nicht eintreten, weil die diesbezüglichen „Feststellungen“ zur subjektiven Tatseite (US 23 f) keinen Bezug zu auf der objektiven Seite hinreichend konkretisierten Taten aufweisen (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

 

Zur amtswegigen Maßnahme:

Bei dem nach § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich ging das Erstgericht davon aus, dass die laut dem AbgÄG 2015 BGBl I 2015/163 geltende Fassung des § 38 FinStrG für den Angeklagten Hans O***** günstiger sei als die vor dem In‑Kraft‑Treten dieser Novelle geltende Fassung, und gelangte solcherart zur Anwendung des Urteilszeitrechts. Dass es dabei hinsichtlich der Grundtatbestände (§ 33 Abs 1, § 33 Abs 2 lit a und § 33 Abs 2 lit b FinStrG) von der Fassung BGBl I 2010/104 ausging, ändert hieran nichts, weil diese Grundtatbestände durch das AbgÄG 2015 nicht novelliert wurden.

Hinsichtlich der von § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 verlangten Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens einen (nicht bloß geringfügigen) fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen, fehlt der angefochtenen Entscheidung aber der unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unerlässliche Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0107402 [T6] und RS0119090):

Dem Angeklagten Hans O***** liegen zum Schuldspruch I als Geschäftsführer einer GmbH bewirkte Verkürzungen an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie Körperschaftssteuer zur Last. Da § 38 FinStrG nach wie vor die Absicht verlangt, sich einen Vorteil zu verschaffen, wird durch die Absicht, (bloß) einem Dritten – also beispielsweise dem vom Täter vertretenen Unternehmen – den vom Gesetz verlangten Vorteil zu verschaffen, der Qualifikationstatbestand des § 38 FinStrG auch idF BGBl I 2015/163 nicht erfüllt (vgl 13 Os 34/01, EvBl 2002/39, 155; RIS‑Justiz RS0092444 [T2]; Lässig in WK² FinStrG § 38 Rz 2). Anders als nach früherer Rechtslage (vgl RIS‑Justiz RS0086571, RS0086573 und RS0086909) scheidet aber nunmehr die Absicht, sich mittelbar über die Beteiligung an dem von der Abgabenverkürzung profitierenden Unternehmen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, als qualifikationsbegründend im Sinn des § 38 FinStrG aus, weil diese Norm in der Fassung BGBl I 2015/163 die Absicht verlangt, sich einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen (vgl auch Fellner , FinStrG § 38 Rz 14).

Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war der Schuldspruch des Hans O***** in der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

 

Die Aufhebung der Freisprüche sowie der Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG hatte jene der Strafaussprüche der Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** zur Folge.

 

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass bei wertbetragsabhängigen zusammentreffenden Strafdrohungen für die einheitliche Geldstrafe die Summe dieser Strafdrohungen maßgebend ist (§ 21 Abs 2 dritter Satz FinStrG). Treffen (wie hier im ersten Rechtsgang bei Hans O*****) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung mit solchen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung zusammen, ist daher die Geldstrafdrohung des § 38 Abs 1 FinStrG (bis zum Dreifachen des strafbestimmenden Wertbetrags) nur hinsichtlich jener Finanzvergehen zu veranschlagen, auf welche die Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG angewendet wird (vgl demgegenüber US 35).

In diesem Zusammenhang sei hinzugefügt, dass das Erstgericht insoweit den Begriff „solche Taten“ zutreffend beurteilte. Anders als § 70 StGB stellt nämlich § 38 FinStrG eine Verknüpfung zwischen konkreten strafbaren Handlungen (§ 38 Abs 1 FinStrG) und diesem Begriff (§ 38 Abs 2 Z 3 FinStrG) her. Da das Gesetz dabei zwar zwischen den Tatbeständen der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG), des Schmuggels (§ 35 Abs 1 FinStrG), der Hinterziehung von Eingangs‑ oder Ausgangsabgaben (§ 35 Abs 2 und 3 FinStrG) sowie der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 FinStrG, nicht jedoch innerhalb der Tatbestände der Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs 1, Abs 2 lit a, Abs 2 lit b und Abs 4 FinStrG) differenziert, wird klar, dass im Regelungsbereich des § 33 FinStrG jede Tat eine „solche“ iSd § 38 Abs 2 Z 3 FinStrG ist, die (irgend‑)einen der Tatbestände des § 33 FinStrG verwirklicht (auch im Normenbereich des § 70 StGB für eine weite Auslegung des Begriffs „solche Taten“ Schwaighofer , Fragen zur neuen Gewerbsmäßigkeit – was sind „solche“ Taten? JSt 2016, 323 [328 ff]).

Hingewiesen wird darauf, dass die Anwendung des § 38 FinStrG – anders als jene des § 39 FinStrG (hiezu Lässig in WK² FinStrG § 39 Rz 3) – nicht zur Zusammenfassung mehrerer Finanzvergehen in einer Subsumtionseinheit führt.

 

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Hans O***** und Gottfried W***** sowie die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Strafaussprüche zu verweisen.

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12) beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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