OGH 13Os17/17z

OGH13Os17/17z17.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel, und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Ibo K***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. November 2016, GZ 171 Hv 17/16m‑59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00017.17Z.0517.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Angeklagten angelasteten Finanzvergehen nach § 38 FinStrG sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ibo K***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (I) und nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (II) schuldig erkannt.

Nach dem Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG) hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts O***** vorsätzlich und „in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenhinterziehungen einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil“ zu verschaffen, durch rechtswidriges Geltendmachen von Vorsteuerbeträgen Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkt, nämlich

(I) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten mittels Erstattung unrichtiger Abgabenerklärungen

a) als Einzelunternehmer für das Jahr 2012 um 57.210,47 Euro sowie

b) als Geschäftsführer der K***** Bau GmbH für das Jahr 2011 um 7.960 Euro und für das Jahr 2012 um 28.563,10 Euro,

wobei es hinsichtlich des Veranlagungsjahres 2012 beim Versuch (§ 13 FinStrG) geblieben ist, und

(II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen

a) als Einzelunternehmer für Februar 2013 um 4.400 Euro sowie

b) als Geschäftsführer der K***** Bau GmbH für Februar 2013 um 27.000 Euro und für Dezember 2014 um 25.945,40 Euro,

wobei er das Bewirken dieser Verkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Der angefochtenen Entscheidung ist nicht zu entnehmen, ob das Erstgericht das zur Zeit der Taten oder das zur Zeit seiner Entscheidung geltende Recht angewendet hat (§ 4 Abs 2 FinStrG).

Hinsichtlich der Qualifikationsnorm des § 38 FinStrG sind Tatzeit‑Recht die Fassungen BGBl I 2010/104 (in Bezug auf die Jahresabgabenerklärung 2011) und BGBl I 2012/112 (bezüglich der übrigen Finanzvergehen), Urteilszeit‑Recht die Fassung BGBl I 2015/163, wobei die erstgenannten Gesetzesfassungen keine hier subsumtionsrelevanten Unterschiede aufweisen.

Das in allen in Rede stehenden Fassungen des § 38 FinStrG enthaltene Tatbestandsmerkmal der „fortlaufenden“ Einnahme (nach BGBl I 2015/163 des „fortlaufenden“ abgabenrechtlichen Vorteils) meint weder eine dauernde noch eine regelmäßige, sondern bloß eine solche, die über einen längeren Zeitraum fließen soll (RIS‑Justiz RS0083584), wobei die Rechtsprechung insoweit keine fixen Grenzen nennt, vielmehr jeweils den Einzelfall betrachtet (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 7, Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 2). Unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion folgt daraus, dass stets ein konkreter Sachverhaltsbezug hinsichtlich der Länge des Zeitraums, für den der Angeklagte beabsichtigte, sich einen finanziellen Vorteil im Sinn des § 38 FinStrG zu verschaffen, herzustellen ist (RIS‑Justiz RS0107402 [T2 und T6], vgl auch RS0119090). Diesem Erfordernis entspricht die angefochtene Entscheidung mit der Formulierung, wonach der Angeklagte in der Absicht handelte, sich „durch die wiederkehrende Hinterziehung, an Umsatzsteuer, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, das heißt, die Abgabenhinterziehung gewerbsmäßig zu begehen“ (US 6), nicht.

Aufgrund des dargestellten, dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehlers war das bekämpfte Urteil in der Subsumtion nach § 38 FinStrG schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf die Staatsanwaltschaft mit ihrer Sanktionsrüge und ihrer Berufung zu verweisen war.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass § 4 Abs 2 FinStrG – anders als § 61 StGB – im Fall gleicher Günstigkeit des zur Tatzeit und des im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz geltenden Rechts die Anwendung des Tatzeit‑Rechts anordnet (Lässig in WK2 FinStrG § 4 Rz 4). Der dabei anzustellende Günstigkeitsvergleich hat nicht abstrakt, sondern streng fallbezogen zu erfolgen (SSt 31/57; 14 Os 135/04, SSt 2004/87; RIS‑Justiz RS0119085 [T1]), weil nach dem Gesetz das „für den Täter“ günstigere Recht anzuwenden ist (Lässig in WK2 FinStrG § 4 Rz 5). Demzufolge wird auch durch Feststellungen zu klären sein, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 – einschließlich der Absicht, sich selbst einen abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen – verwirklicht worden sind.

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