Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - in den Schuldsprüchen I und II und somit im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph W***** - nur in Bezug auf 1000 Ecstasy-Tabletten nicht anklagekonform (ON 14; vgl US 8, 13) - des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teilweise in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB (I), des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teilweise in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB (II), der Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG in Form der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB (III) und der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider
I) ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge
(§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, aus- und eingeführt sowie dazu beigetragen, und zwar
1) im Zeitraum Sommer 2003 bis Anfang 2004 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Mario G***** im Zuge von zumindest sechs Fahrten mindestens 10 kg Marihuana, minimal beinhaltend 800 Gramm reines THC, und 150 bis 200 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 75 Gramm reine Kokainbase, von der Schweiz (Zürich) nach Liechtenstein (Schaanwald) geschmuggelt;
2) im Zeitraum Sommer 2003 bis Februar 2004 gemeinsam mit der abgesondert verfolgten Zdenka S***** im Zuge wiederholter Fahrten insgesamt ca 250 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 120 Gramm reine Kokainbase, von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt;
3) durch die in Punkt I) 1) angeführte Tat zum Schmuggel dieser Suchtgifte durch die abgesondert verfolgte Angelika R***** von Liechtenstein nach Vorarlberg beigetragen, indem er gemeinsam mit dem abgeondert verfolgten Mario G***** das Suchtgift im Kofferraum der Angelika R***** zum anschließenden Schmuggel nach Vorarlberg verstaute;
II) ein Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, in Verkehr gesetzt sowie dazu beigetragen, und zwar
1) im Zeitraum November/Dezember 2003 zum Verkauf von zumindest 100 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 30 Gramm reine Kokainbase, durch die abgesondert verfolgte Zdenka S***** in Innsbruck an einen Drogenabnehmer beigetragen, indem er Zdenka S***** mit dem Kokain von Frastanz nach Innsbruck zum Drogenabnehmer chauffierte;
2) durch die in Punkt I) 1) und 3) angeführte Tat diese Suchtgifte mit dem abgesondert verfolgten Mario G***** an die abgesondert verfolgte Angelika R***** in Liechtenstein übergeben, indem sie das Suchtgift gemeinsam im Kofferraum der Angelika R***** für den anschließenden Schmuggel nach Vorarlberg verstauten;
III) durch nachangeführte Tathandlungen dazu beigetragen, dass nachstehende Personen den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) mit dem Vorsatz besitzen konnten, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar
1) im Zeitraum 2003 bis Jänner 2004 die abgesondert verfolgte Zdenka S***** in Frastanz insgesamt ca 150 Gramm Kokain, minimal beinhaltend 75 Gramm reine Kokainbase, indem er seine Wohnung für die Depothaltung und Portionierung des Kokains zur Verfügung stellte;
2) im Zeitraum November/Dezember 2003 der abgesondert verfolgte Roman T***** in Zürich insgesamt ca 10 kg Marihuana, minimal beinhaltend 800 Gramm reines THC, indem er Roman T***** mit dem PKW zu seinem Suchtgiftdepot und anschließend mit dem Marihuana in die Wohnung chauffierte;
IV) im Zeitraum August 2002 bis 13. Juni 2004 in Frastanz und in Zürich ein Suchtgift erworben und besessen, und zwar für die Konsumation einer unerhobenen Menge Kokain.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Schuldsprüche I - III aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 StPO vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise berechtigt. In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer zu beiden hier in Rede stehenden Suchtgiften (Marihuana und Kokain) eine unzureichende Begründung der ihren Reinheitsgehalt betreffenden Feststellungen geltend. Unbeachtlich ist dieses Vorbringen in Bezug auf die (auch in den Urteilssprüchen I bis II wiedergegebenen) Feststellungen über die im Kokain enthaltene Menge an reiner Kokainbase, weil er eine Begründung seiner (bezüglich Kokain daher unsubstantiierten) Behauptung, die Suchtgiftkonzentration sei völlig willkürlich und viel zu hoch angenommen worden, unterlässt.
Zutreffend moniert die Beschwerde indes eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellung des durchschnittlichen THC-Gehaltes des tatverfangenen Marihuanas und somit der Schuldsprüche I und II betreffend das Erreichen der übergroßen Menge iSd § 28 Abs 4 Z 3 iVm Abs 6 SMG.
Marihuana (= Cannabiskraut) hat nach bisherigen Erfahrungen einen THC-Gehalt zwischen 0,25 und 8 % (Foregger/Litzka/Matzka SMG VII S 528; 14 Os 8/96, 11 Os 124/02, 15 Os 134/03, 11 Os 2/04 ua). Wiewohl nach der Judikatur der durchschnittliche Reinheitsgehalt seit Jahrzehnten bekannter Drogen als gerichtsnotorisch anzusehen ist (so jüngst etwa bei Haschisch mit 4 % - 12 Os 49/04), hätte die Annahme, das verfahrensgegenständliche „gute Outdoor-Gras" hätte „eine Mindestkonzentration von jedenfalls 8 %" gehabt, „was einer eher unterdurchschnittlichen Qualität entspricht, zumal in den letzten Jahren Marihuanaqualitäten sichergestellt werden konnten, welche weit höher lagen" (US 12), eingehender Begründung bedurft. Wenn auch die Staatsanwaltschaft in ihrer auf die Tatverfangenheit einer übergroßen Menge nach § 28 Abs 4 Z 3 iVm Abs 6 SMG abzielenden Anklageschrift (ON 14) ersichtlich von einem höheren als durchschnittlichen THC-Gehalt des Marihuana ausging und der Angeklagte somit nicht - unter Verletzung seines Rechtes auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) - davon überrascht werden konnte (neuerlich 12 Os 49/04 und Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463; Mayerhofer StPO5 § 258 E 167; 11 Os 142/01), hätte die Feststellung dieser hohen THC-Konzentration (gemessen an den bisherigen Wahrnehmungen des Obersten Gerichtshofes, der die Wertungsfragen, was als notorisch, gerichtsnotorisch oder bloß richterliches Einzelwissen anzusehen ist, im Einzelfall zu lösen hat) entsprechender Beweiserhebung bedurft. Ohne eine solche darf ein erkennendes Gericht nämlich dienstliches Wissen einzelner Berufsrichter über Inhalt und Ergebnisse anderer Verfahren nicht verwerten und zur Grundlage von Feststellungen machen (§ 258 Abs 1 StPO). Das Erstgericht wäre daher verpflichtet gewesen, seine im Urteil angesprochenen Erkenntnisse prozessordnungsgemäß (zB durch Verlesung der Ergebnisse aus anderen Verfahren) in das gegenständliche Verfahren einzubringen (11 Os 55/04). Denn nur ein THC-Gehalt von zumindest 2,4 % (bei der Faktengruppe I) respektive von zumindest 4,6 % (bei der Faktengruppe II) hätte - zusammen mit den jeweiligen Quanten an Kokainbase (13fache Grenzmenge [von 15 Gramm] in der Faktengruppe I, 2fache Grenzmenge bei der Faktengruppe II) - insgesamt (RIS-Justiz RS0087874) [unter Zugrundelegung einer Grenzmenge bei THC von 20 Gramm] die übergroße Menge Suchtgift im Sinne von § 28 Abs 4 Z 3 iVm Abs 6 SMG herbeigeführt. Wieweit allenfalls die Qualitätseinschätzungen durch Mario G***** (S 59/II „Outdoor-Gras guter Qualität") im Zusammenhang mit der Gerichtskundigkeit substanzbezogener Durchschnittswerte entsprechende Konzentrationsfeststellungen zu tragen vermögen, kann derzeit abschließend nicht beurteilt werden.
In diesem Zusammenhang sei terminologisch daran erinnert, dass nur notorische sowie (bloß) gerichtskundige Tatsachen keiner Beweisaufnahme bedürfen (Platzgummer8 19; EvBl 1996/30). Erstere sind solche, deren Kenntnis bei jedermann mit durchschnittlichem Interesse am menschlichen Wissensschatz vorausgesetzt werden kann, letztere hingegen solche, die nur bei - allerdings jedenfalls sämtlichen erkennenden (vgl Fabrizy StPO9 § 118 Rz 1) - Richtern (gewonnen aus amtlicher Tätigkeit) vorliegen (neuerlich 11 Os 55/04). Da sich die Schuldsprüche I und II in einem entscheidenden Punkt auf Umstände stützen, die in den verwertbaren Verfahrensergebnissen keine Deckung finden, waren diese - ohne dass es eines Eingehens auf die sie betreffende Subsumtionsrüge (Z 10) bedurft hätte - als unzureichend begründet aufzuheben und Verfahrenserneuerung im bereits angesprochenen Sinn anzuordnen (§ 285e StPO).
Zutreffend betont die Generalprokuratur in diesem Zusammenhang, dass von den Feststellungen über den Reinheitsgehalt des Wirkstoffes THC im geschmuggelten bzw in Verkehr gesetzten Suchtgift Marihuana nicht nur die - durch die mehrfachen großen Mengen an reiner Kokainbase allein nicht gegebene - Qualifikation nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG, sondern überdies die Anzahl der (in Real- oder Idealkonkurrenz zusätzlich zu den durch Schmuggel bzw Inverkehrsetzen von Kokain verwirklichten) Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall SMG einerseits (I) bzw § 28 Abs 2 vierter Fall SMG andererseits (II) abhängt (vgl 13 Os 10/03 = EvBl 2003/133 = JBl 2004, 398, 14 Os 147/04, 12 Os 88/04, 11 Os 55/04 ua). Der Oberste Gerichtshof findet - in diesem Punkt anders als das Croquis - bei der vorliegenden Konstellation mangels Trennbarkeit nur eine Kassation beider Schuldsprüche sachgerecht, um im zweiten Rechtsgang eine tatsächlich und rechtlich umfassende Prüfung zu ermöglichen (§ 289 StPO; vom Sachverhalt anders 14 Os 120/04 [1. Rechtsgang] und 14 Os 41/05v [2. Rechtsgang], aber auch die von der Generalprokuratur zitierten Erkenntnisse 15 Os 138/01, 12 Os 3/03, 15 Os 82/03, 15 Os 134/03 und 12 Os 105/04).
Keine Berechtigung kommt der Rüge hingegen in Ansehung des Schuldspruches III zu, ist doch unzweifelhaft erkennbar, dass die Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO): Die (von der Quantität her unstrittigen) zu III 2 aktuellen (mit den von I und II erfassten Suchtgiften nicht identen) 10 kg Marihuana enthielten - selbst unter der Annahme des gerichtsnotorisch geringstmöglichen Konzentrationsgrades von 0,25 % - mehr als die durch die Suchtgift-Grenzmengenverordnung in Bezug auf THC festgesetzte große Menge dieses Stoffes (§ 28 Abs 6 SMG). Dem (mangels prozessordnungsgemäßer Anfechtung) unberührt bleibenden Punkt 1 dieses Schuldspruches wiederum liegt der vorschriftswidrige Besitz mehrerer großer Mengen des Suchtgiftes Kokain zu Grunde. Die angenommene Mehrheit von Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG ist somit jedenfalls infolge des realkonkurrierenden Zusammentreffens der Fakten III 1 und 2 begründet. In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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