OGH 14Os120/04

OGH14Os120/0416.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Diewok als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Vladimir V***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Stefan F***** und Veronika F***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 30. Juni 2004, GZ 611 Hv 12/04w-87, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Angeklagten Stefan F***** und Veronika F***** sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO ebenso hinsichtlich des Angeklagten Vladimir V***** in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen (auch) unter § 28 Abs 4 Z 3 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch - jedoch unter Aufrechterhaltung des Einziehungserkenntnisses - aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit den Berufungen werden die Angeklagten Stefan F***** und Veronika F***** sowie die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Den Angeklagten F***** und F***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Vladimir V*****, Stefan F***** und Veronika F***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen:) zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt. Danach haben sie in Schwechat den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, nämlich Kokain, das sie in Form von kokaingetränkten Kleidern in Koffern und Taschen transportierten, nach Österreich eingeführt, und zwar

1. Vladimir V***** am 12. März 2004 Kokain mit einer Reinsubstanz von mindestens 3.900 Gramm,

2. Stefan F***** und Veronika F***** am 9. April 2004 Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 6.300 Gramm.

Während Vladimir V***** das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpfen dieses Stefan F***** mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO, Veronika F***** aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigt sind die Subsumtionsrügen (Z 10) beider Angeklagter und die Rechtsrüge (Z 9 lit a - der Sache nach ebenso Z 10) der Angeklagten Veronika F*****, soweit sie einen Rechtsfehler infolge fehlender Feststellungen über das Vorliegen ihres Vorsatzes zum Transport einer übergroßen Menge Kokain aufzeigen.

Tatsächlich hat das Schöffengericht lediglich konstatiert, dass der Vorsatz der Angeklagten darauf gerichtet war, eine "große Menge" (US 13) bzw eine "sehr große Menge" (US 6 und 11) von Ecuador aus-, durch andere Länder durch- und nach Österreich einzuführen. Dass die subjektive Tatseite auch das Überschreiten der Grenzmenge um das 25-fache umfasste, wurde nicht festgestellt.

Da aber auch die Aus- und Einfuhr einer "übergroßen Menge" zumindest vom bedingten Vorsatz umfasst sein muss (Mayerhofer Nebengesetze4 § 28 SMG E 100 f), ist das Urteil mit einer Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet. Diese betrifft auch den Mitangeklagten Vladimir V***** (vgl US 8 zweiter Absatz: ... Suchtgift in größeren Mengen ...), der kein Rechtsmittel ergriffen hat.

Da sich sohin eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, war das angefochtene Urteil in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Stefan F***** und Veronika F*****, gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Angeklagten Vladimir V***** in der Annahme der Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG, demnach auch im Strafausspruch (allerdings mit Ausnahme des Einziehungserkenntnisses) bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Im Übrigen kommt den Nichtigkeitsbeschwerden jedoch keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan F*****:

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft zu Unrecht die Feststellung, der Angeklagte habe schon vor der Abreise nach Südamerika gewusst, dass er eine große Menge Suchtgift transportieren werde müssen, als unzureichend begründet. Da der Vorsatz, entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift aus- und einzuführen, nur im Tatzeitpunkt vorliegen muss, betrifft die Tatsache, ob dem Beschwerdeführer bereits mehrere Tage vorher "bewusst war" (US 6), dass er Suchtgift nach Österreich schmuggeln sollte, keine für die Schuldfrage relevante Tatsache.

Im Übrigen greift das Rechtsmittel lediglich einzelne Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere den Transport des Suchtgiftes in damit getränkter Kleidung, heraus und unterzieht sie einer gesonderten Würdigung. Es lässt dabei aber die von den Erkenntnisrichtern dem Gesetz entsprechend vorgenommene Gesamtwürdigung aller wesentlichen Beweisergebnisse außer Betracht und bekämpft damit nur unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, zeigt aber keinen Begründungsmangel auf.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen die Argumente der Mängelrüge und stützt sich neuerlich nur auf einzelne aus dem Zusammenhang gelöste Beweisergebnisse. Damit vermag sie jedoch keine sich aus den Akten ergebenden Umstände aufzuzeigen, welche erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erzeugen könnten. Soweit die (weitere) Subsumtionsrüge (Z 10) unter Hinweis auf einzelne Beweisergebnisse das Vorliegen eines Vorsatzes zur widerrechtlichen Ein- und Ausfuhr einer großen Menge Suchtgiftes bestreitet, nimmt sie nicht den vom Gesetz geforderten Vergleich zwischen dem festgestellten Sachverhalt und dem darauf zur Anwendung gebrachten materiellen Recht vor (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Zudem übergeht sie die ausdrücklichen Feststellungen, wonach der Angeklagte Stefan F***** wusste, dass er eine "sehr große Menge" (US 6) bzw eine "große Menge" (US 13) nach Österreich schmuggelte. Damit ist dieser materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund aber nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Veronika F*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf "Einvernahme bzw Stellungnahme des Bundeskriminalamtes unter der Vorlage der gegenständlichen in Drogen getränkten Kleidungsstücke" zum Beweis dafür, "dass die gegenständlichen in Drogen getränkten Kleider weder für einen Laien, als auch für einen sehr aufmerksamen Reisenden nicht als solche erkennbar waren" (S 392/II).

Abgesehen davon, dass für die Schuldfrage nicht erheblich ist, ob ein "Laie" oder ein "sehr aufmerksamer Reisender" erkennt, dass Kleidung in einer Suchtgiftlösung getränkt wurde, lässt sich der Zustand der konkreten Kleidungsstücke für den Zeitpunkt, als sie die Angeklagte sah, wegen der zwischenzeitigen Untersuchung und des eingetretenen Trocknungsvorganges nicht mehr rekonstruieren. Folglich kann der Beweisantrag den - allerdings erst in der Rechtsmittelschrift und damit verspätet geltend gemachten - Nachweis, es sei für die Angeklagte nicht erkennbar gewesen, dass sie Suchtgift transportiere, nicht (mehr) erbringen.

Durch die Abweisung des Antrages wurden somit keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet bloß, die von den Erkenntnisrichtern aus den im Einzelnen angeführten Beweisergebnissen gezogenen Schlüsse auf die subjektive Tatseite seien unzulässig, stellten teilweise eine Vermutung zu Lasten der Angeklagten dar und würden den Denkgesetzen sowie der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen. Sie zeigt allerdings weder logische Widersprüche tatsächlich auf, noch legt sie andere Gründe für ihre Behauptungen dar. Allein die Tatsache, dass aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch andere, allenfalls für die Angeklagte günstigere Schlüsse möglich wären, vermag den Nichtigkeitsgrund nicht herzustellen (WK-StPO § 281 Rz 428). Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist lediglich auf die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin und ihres mitangeklagten Gatten Stefan F*****. Sie lässt jedoch alle anderen vom Erstgericht zur Begründung des Schuldspruches herangezogenen Argumente (kostenlose Reise für 2 Personen nach Ecuador, kostenloser Urlaubsaufenthalt, Transport nasser Kleidungsstücke, zugegebene Angst der Angeklagten vor Entdeckung und anderes) außer Acht und weckt daher auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

Soweit die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10) behaupten, die subjektive Tatseite zur Ein- und Ausfuhr von Suchtgift entgegen den bestehenden Vorschriften überhaupt und insbesondere betreffend eine große Menge sei nicht vorgelegen, gehen sie nicht von den Feststellungen des Schöffengerichtes aus, wonach die Angeklagte Veronika F***** wusste, dass sie eine sehr große Menge (US 6) bzw große Menge (US 13) von Suchtgift nach Österreich schmuggeln sollte und sie sich mit diesem Vorhaben abgefunden hat.

Wenn das Rechtsmittel hiezu wieder auf die leugnende Verantwortung verweist, bekämpft sie nur neuerlich unzulässig die Beweiswürdigung des Kollegialgerichtes.

Die materiell rechtlichen Nichtigkeitsgründe sind somit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

In diesem Umfang waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen einer von der Angeklagten F***** dazu erstatteten Äußerung - teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit den Berufungen waren die Angeklagten Stefan F***** und Veronika F***** sowie die Staatsanwaltschaft auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO. Im nachfolgenden Verfahren wird das Erstgericht die subjektive Tatseite bezüglich der Aus- und Einfuhr einer die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG um mehr als das 25-fache übersteigenden Menge Kokain zu klären, tragfähige und mängelfrei begründende Feststellungen zu treffen und sodann dazu eine neue rechtliche Beurteilung vorzunehmen haben.

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