OGH 15Os134/03

OGH15Os134/0330.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Oktober 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtswärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alojz H***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG, teils in der Entwicklungstufe des Versuchs nach § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. Mai 2003, GZ 8 Hv 113/02k-45, sowie dessen (zum Teil implizierte, § 498 Abs 3 StPO) Beschwerde gegen die unter einem gefassten Beschlüsse gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I/1 sowie demgemäß im Strafausspruch und die Beschlüsse auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO und auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Alojz H***** wurde der Verbrechen (I/1a und b) nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) und Abs 3 (erster Fall) SMG, teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, und (II) des schweren gewerbsmäßig und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB sowie der Vergehen (I/2 und 3) nach § 27 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG schuldig erkannt.

Danach hat er

I) von Anfang 2002 bis 14. April 2002 in Graz, Frohnleiten, Wildon sowie weiteren Orten des Bundesgebietes den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

1) in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in der Absicht, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem rechtskräftig verurteilten Robert S***** in Verkehr gesetzt und in Verkehr zu setzen versucht, indem er, jeweils in Begleitung des Robert S***** "sowie einer weiteren nicht näher bekannte Person von einem vermutlich bosnischen LKW-Lenker", der das Suchtgift zuvor nach Österreich in seinem LKW-Zug geschmuggelt hatte,

a) Mitte Februar 2002 beim Autobahnparkplatz Frohnleiten ca 8 kg Marihuana,

b) am 14. März 2002 beim Autobahnparkplatz Wildon ca 8 kg Marihuana

übernahm und das Suchtgift an Robert S***** (und über diesen an Wolfgang P*****) sowie weitere, nicht näher bekannte Abnehmer ("D*****", "M*****, "W*****", ua) mit Gewinnaufschlag (teilweise auch auf Kommission) verkaufte und davon ca 5 kg Marihuana zu verkaufen versuchte,

2) erworben und besessen, indem er eine nicht näher bekannte Menge Kokain im Tausch gegen Marihuana von "M*****" erhielt sowie

3) erworben und besessen, indem er im Zeitraum von November 2001 bis 14. April 2002 insgesamt ca 50 Gramm Kokain in zahlreichen Angriffen von einer bislang unbekannten Person mit dem Vornamen "M*****" kaufte und in der Folge konsumierte,

II) in der Nacht vom 6. auf den 7. April 2003 in Graz im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem rechtskräftig verurteilten Laszlo K***** Verantwortlichen der Firma P***** Vertriebs GmbH, N***** GmbH fremde bewegliche Sachen in einem 40.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich zahlreiche Gegenstände und Bekleidungsstücke wie eine Fotokamera Marke Pentax MZ 5, einen Laptop Marke HP Onmi Boll XB3, eine Digitalkamera Marke Sony Cybershot DSC-P5, ein Fahrrad der Marke Trek, Zelte samt Zubehör, Rucksäcke samt Zubehör, Optik- und Technikgeräte, Campinggegenstände und Zubehör, Schitourenzubehör, Accessoires, Seiden- und Thermowäsche, Goretexbekleidung, Freizeitbekleidung, Trekking- und Outdoorbekleidung, Exthermbekleidung, Fliesbekleidung sowie Wanderschuhe und Bargeld in Höhe von 705 Euro mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in ein Gebäude sowie teils durch Aufbrechen eines Behältnisses weggenommen, wobei er in der Absicht handelte, sich durch wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen und von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich teilweise, nämlich hinsichtlich Faktum I/1, als berechtigt.

Im Ergebnis zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) auf, dass das Urteil mit Mängeln an Feststellungen zur großen Menge der vom Schuldspruch I/1 erfassten Suchtgifte im Sinn des § 28 Abs 6 SMG behaftet ist.

Der Schöffensenat hat zum Reinsubstanzgehalt der vom Angeklagten in Verkehr gesetzten Suchtmittelmenge lediglich festgestellt: "Wenngleich auch von einer eingeschränkten Qualität auszugehen war, erübrigt sich ein weiteres Ausführen diesbezüglich in Hinblick auf die dennoch zweifelsfrei erreichte große Menge im Sinne der Bestimmung des § 28 Abs 6 SMG" (US 17). Zur rechtlichen Beurteilung wird angeführt, dass auch "unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vom Angeklagten ... in Verkehr gesetzte Suchtgift von schlechter Qualität war", die Tathandlungen bei weiten diese Grenzmenge überschreiten (US 20). Dabei hielt es ausdrücklich fest, dass die große Menge in Bezug auf Marihuana ab rund 1.000 g vorliegt, wenn man von einer durchschnittlichen Qualität dieses Suchtgiftes von zwei Prozent des Wirkstoffes THC ausgeht (nochmals US 20).

Die bloße Nennung der Menge zu den Fakten I/1 im Urteilsspruch unter Hinzufügen der Bezeichnung als "große Menge" im Zusammenhalt mit der Konstatierung deren eingeschränkter bzw schlechten Qualität (im Gegensatz zur davor getroffenen Annahme einer darüber liegenden - hier nicht angenommenen - durchschnittlichen Qualität von zwei Prozent THC) vermag die Feststellung des konkreten, auf der Basis der Reinsubstanz zu bestimmenden Suchtgiftquantums nicht zu ersetzen, welches einer Beurteilung als große Menge im Sinn des § 28 Abs 6 SMG iVm der Suchtgiftmengenverordnung zugrunde zu legen wäre (vgl zuletzt 12 Os 3/03, 14 Os 22/03, 15 Os 82/03). Bei Vorliegen des geringsten THC-Gehaltes wäre zwar bei der insgesamt angenommenen Menge zu I/1 von 16 kg in Verkehr gesetzten Suchtgiftes (einschließlich des Versuches) bei einem möglichen THC-Gehalt von 0,25 % (bis 8 % - vgl Foregger/Litzka/Matzka, SMG VII Terminologie, 528) die Grenzmenge jedenfalls überschritten (ca 40 g Reinsubstanz).

Da der vorliegend in Rede stehende vierte Fall des § 28 Abs 2 SMG - bei entsprechendem Vorsatz in Bezug auf die Reinsubstanz des Wirkstoffs - stets, aber nicht nur dann erfüllt ist, wenn eine die jeweilige Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) erreichende Suchtgiftquantität durch einen Einzelakt in Verkehr gesetzt wird, sondern auch bei sukzessivem Inverkehrsetzen mehrerer, für sich allein die Grenzmenge nicht erreichender Suchtgiftquanten, sind diese nur dann zu jeweils großen Mengen zusammenzurechnen, wenn der Wille (§ 5 StGB) des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst. Auf diese Weise kann das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandverwirklichung begangen werden (EvBl 1999/216, 2000/136, 2001/54; JBl 2001, 802, 13 Os 74/02, 13 Os 10/03). Da eine diesbezügliche Konstatierung dem Urteil erster Instanz nicht zu entnehmen ist (im Übrigen ebenso wenig wie eine Feststellung über die maximale - allenfalls per se schon 20 g Reinsubstanz erreichende - Quantität einer der in Verkehr gesetzten Teilmengen), mangelt es an der Feststellung entscheidender Tatsachen als mögliche Grundlage für eine Zusammenrechnung der Suchtgiftmengen zu I/1.

Damit fehlt es aber an den Voraussetzungen für die Subsumtion der Taten unter § 28 Abs 2 SMG, wodurch auch der Anwendung des § 28 Abs 3 erster Fall SMG die Grundlage entzogen ist (vgl 13 Os 169/01, 13 Os 10/03, 15 Os 82/03). Abgesehen davon ließe sich aber auch anhand der (sonstigen) Urteilsannahmen des Erstgerichtes nicht beurteilen, ob der Angeklagte gewerbsmäßig im Sinn des § 28 Abs 3 erster Fall SMG, also in der Absicht handelte, sich durch das wiederkehrende (hier aktuelle) Inverkehrsetzen jeweils großer Suchtgiftmengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (zuletzt 15 Os 82/03 und 15 Os 114/03).

Die Kassation des gesamten Schuldspruchs zu I/1 war deshalb erforderlich, weil nach Aufhebung eines Schuldspruchs nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG bei Fraglichkeit der Beurteilung einer in Verkehr gesetzten Menge als groß (§ 28 Abs 6 SMG) auch jene Annahmen, die einen (insoweit nicht erfolgten) Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 3 SMG allenfalls zu tragen vermögen, für sich allein nicht bestehen bleiben (15 Os 138/01, 12 Os 3/03, 15 Os 82/03).

Das Urteil war daher im dargestellten Umfang und im Strafausspruch, demzufolge auch den Entscheidungen betreffend Widerruf bzw Absehen vom Widerruf aufzuheben und die Sache diesbezüglich zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im neu durchzuführenden Verfahren wird das erkennende Gericht auch die sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. März 2003, 13 Os 10/03, ergebende Rechtslage zu berücksichtigen haben.

Als nicht zielführend erweist sich jedoch die zum Schuldspruch zu den Fakten I/2, 3 und II erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Faktum II:

Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf "Anfrage beim GPK Spielfeld, ob allenfalls im Zeitraum 6. 4. 2002 bis 14. 4. 2002 im Zug des allenfalls beabsichtigten Grenzübertrittes einer Person, namentlich des Angeklagten, im Zuge der Durchsuchung ein Rad und ein Computer beschlagnahmt wurde. Sollte das Ergebnis negativ lauten, wird auch beantragt, sämtliche Grenzüberwachungsposten zu überprüfen, ob derartige Gegenstände sichergestellt worden sind. Durch die Aufnahme dieses Beweises kann die Unglaubwürdigkeit in den Angaben des Zeugen K***** dargelegt werden".

Wie das Erstgericht in seinem abschlägigen Zwischenerkenntnis - zwar unter Missachtung des Begründungsgebotes des § 238 Abs 2 StPO, im Ergebnis jedoch zutreffend (vgl US 19) - ausführt, konnte die Beweisaufnahme ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterblieben, weil der Antrag nicht darlegt, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse. Im Übrigen läuft eine Beweisführung mit dem Ziel, abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten sei, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Das dazu erstattete weitergehende Beschwerdevorbringen ist verspätet und demnach unbeachtlich (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40 und 41).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen K***** in Frage zu stellen, in dem sie eigenständige, zum Teil aktenfremde Erwägungen anstellt und auf deren vermeintlichen Widerspruch zur "Lebenserfahrung" hinweist sowie Spekulationen über die Hintergründe einer allfälligen Falschaussage dieses Zeugen anstellt, verkennt dabei aber, dass keine erheblichen Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes dargetan werden, indem aktenkundige Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache, sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson ins Treffen geführt werden (Ratz aaO § 281 Rz 492), und vermag insgesamt mit dem Vorbringen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) legt nicht dar, welches (andere) Strafgesetz auf das im Urteil konstatierte Verhalten des Angeklagten anzuwenden wäre und verfehlt damit ebenso die gesetzeskonforme Ausführung wie mit der nicht näher substantiierten Argumentation, es seien "keine entsprechenden nachvollziehbaren Beweisergebnisse verwertet insbesondere diesbezügliche Feststellungen getroffen, inwieweit sich ein allfälliger Vorsatz des Angeklagten auf die Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB bezogen habe". Denn zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder 10 gerügten Fehlers ist klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (Ratz aaO Rz 584).

Zu den Fakten I/2 und 3:

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde darüber hinaus auch formal erklärt, den Schuldspruch "in seinem gesamten Umfang" anzufechten, und weiters die Aufhebung des (gesamten) angefochtenen Urteils begehrt, war sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung einer Urteilsnichtigkeit bewirkenden Umstandes zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholenden Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - gemäß § 285d Abs 1 iVm § 285a Abs 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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