BVwG W175 2179461-1

BVwGW175 2179461-130.4.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2179461.1.00

 

Spruch:

W175 2179461-1/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , somalischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zahl:

1092098506/151610543, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005,

 

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (BF) brachte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl idgF (AsylG) ein.

 

2. Am 23.10.2015 fand die niederschriftliche Erstbefragung statt, in der der BF angab, volljährig zu sein, Identitätsdokumente könne er keine vorlegen.

 

Er sei in Kismayo geboren, habe dort vier Jahre die Volksschule besucht und sei bisher nicht berufstätig gewesen. Er sei verheiratet und habe einen eineinhalbjährigen Sohn. Seine Eltern, seine Ehefrau, sein Sohn und seine acht Geschwister würden in Somalia leben.

 

Der BF habe Somalia im März 2015 schlepperunterstützt verlassen und sei über Somalia, Äthiopien, den Sudan und Libyen nach Italien und dann weiter nach Österreich gelangt. Bezahlt hätten die Reise sein Vater und Angehörige seiner Volksgruppe, die Kosten hätten USD 2.000,- betragen.

 

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er fürchte um sein Leben, da er von einer anderen Volksgruppe (Al Shabaab) bedroht werde.

 

3. In der Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.10.2017 gab der BF an, keine gesundheitlichen Probleme zu habe und keine Medikamente zu nehmen.

 

Seine Eltern und seine Geschwister würden nach wie vor in Kismayo leben, ebenso mehrere Onkel und Tanten. Er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, da er "keine Nummer von seiner Familie mehr habe".

 

Sein Vater sei Koranlehrer gewesen und habe die Familie ernährt, sie hätten auch ein Haus und Tiere besessen und ein normales Leben geführt. Der BF habe nie gearbeitet. Er gehöre dem Clan der Sheikhal an und sei sunnitischer Moslem. Er sei verheiratet, seine Frau sei 20 Jahre alt, sein Sohn im April 2014 geboren. Der Name des Sohnes, den der BF anführte, entsprach nicht dem in der Erstbefragung angegebene Namen.

 

Der Vater des BF habe seine Ausreise organisiert.

 

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF in freier Rede an, dass er in Somalia diskriminiert worden sei. Dies präzisierte er, indem er weiter ausführte, dass seine Frau dem Stamm der Ogaden angehöre. Ihre Familie sei mit der Heirat nicht einverstanden gewesen, weshalb sie in einen anderen Stadtteil zu einem Onkel väterlicherseits gezogen seien. Eines Tages, als der BF nicht zu Hause gewesen sei, sei die Frau von ihrer Familie mitgenommen worden. Der Onkel habe ihm geraten zu einer Tante zu ziehen, wo der BF dann sieben Monate verbracht habe. Eines Tages sei die Al Shabaab gekommen. Der BF sei nicht zu Hause gewesen. Er habe nur die Autos gesehen und sich versteckt, da er angenommen habe, es handle sich um Familienangehörige seiner Frau. Die Al Shabaab habe seinen Onkel und dessen Sohn festgenommen. Die Tante habe gemeint, dass es nicht sicher sei, weshalb er zurück nach Kismayo gegangen sei. Er habe dem Vater die Geschichte erzählt, dieser habe gemeint, es sei nicht sicher für ihn und habe seine Ausreise organisiert.

 

Der BF wurde vom BFA darauf hingewiesen, dass diese Angaben vage und unkonkret seien und wurde aufgefordert, diese zu konkretisieren.

 

Dazu gab der BF an, dass er keine Probleme gehabt hätte, wenn er diese Frau nicht geheiratet hätte. Aus diesem Grund habe er die Stadt verlassen und sei dann bei seiner Tante gewesen, wo "das Problem mit der Al Shabaab" dazugekommen sei.

 

Auf neuerliche Aufforderung, seine Angaben zu konkretisieren, meinte der BF, er habe bereits konkrete Angaben gemacht.

 

Daraufhin wurde der BF gefragt, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion verfolgt worden sei, was er bejahte. Auf die Frage, wie diese Bedrohung ausgesehen habe, meinte der BF: "Die Familie meiner Frau". Neuerlich um Konkretisierung ersucht, gab der BF an, er sei zur Familie seiner Frau gegangen und habe sie um ihre Einwilligung gefragt, diese habe gemeint, wenn er die Frau heiraten würde, werde man ihn töten. Neuerlich befragt, von wem er aufgrund der Volksgruppe bedroht worden sei, führte der BF die Familie der Frau an, die gegen die Heirat gewesen sei. Dies sei im Jahr 2013 gewesen.

 

Zu den Besonderheiten seines eigenen Clans befragt gab der BF an:

"religiös" und dass er das Hauptsiedlungsgebiet nicht kenne. In seinem Dorf sei Ogaden der Hauptclan. Auf die Frage, mit welchem Clan sein Clan verbunden sei, gab er Ogaden an. Er wisse nicht, was seinen Clan zu einem Minderheitenclan mache.

 

Der BF gab auf Nachfrage an, nie persönlich von der Al Shabaab bedroht oder verfolgt worden zu sein. Er habe keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Auf Aufforderung, die Männer der Al Shabaab zu beschreiben, gab er an; "verschleiert". Die Sicherheitsbehörden habe er nicht kontaktiert, da diese auch dem Stamm der Ogaden angehören würden. Er wisse nicht, seit wann die Al Shabaab in ihrem Heimatort tätig seien.

 

Befragt, was er bei einer Rückkehr befürchte, gab er an, er habe Angst um seine Frau.

 

Zu seiner Integration in Österreich befragt gab der BF an, er spiele Fußball und Tennis und legte Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und eine Unterstützungserklärung der Volks-hilfe vor. Er würde gerne Sozialarbeit studieren.

 

4. Das BFA wies mit dem gegenständlichen Bescheid vom 27.10.2017, zugestellt durch Hinterlegung am 04.11.2017, den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2

 

Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

 

Ausgeführt wurde, dass die Identität des BF nicht feststehe. Die Zugehörigkeit zur vorgebrachten Volksgruppe wurde als glaubhaft angesehen. Der BF hab sein Fluchtvorbringen gegenüber der Erstbefragung gesteigert, das Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch Angehörige seiner Frau wurde als unglaubhaft bewertet, da der BF auch auf mehrfache Nachfragen lediglich vage und unkonkrete Angaben machte. Eine konkrete Verfolgung aufgrund der Volksgruppe oder Religion sei nicht vorgebracht worden.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

 

Moniert wurde, dass das BFA nicht von Amts wegen darauf hingewirkt habe, dass der BF die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt habe, ohne dies näher auszuführen. Das BFA hätte konkretere Fragen stellen sollen.

 

Der BF sei zum Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses erst 17 Jahre alt gewesen. Mangelnde Detailliertheit oder geringfügige Widersprüche seien ihm daher nicht anzulasten. Dass der BF in der Erstbefragung nicht alle Fluchtgründe angeführt habe, sei letztlich der Überlastung der Polizei zuzuschreiben.

 

Die Länderfeststellungen seien mangelhaft, sie enthielten keine Hinweise auf den vom BF geschilderten Clankonflikt beziehungsweise zu clanübergreifenden Heiraten. Angeführt wurden mehrere Berichte, die sich mit Clankonflikten und Clanehen befassen. Aus diesen gehe die Sheikhal betreffend hervor, dass diese einen speziellen religiösen Status hätten aufgrund dessen sie respektiert würden. Sie hätten politischen Einfluss und würden eine wichtige Rolle in der Ökonomie und Bildung spielen. Sie seien großteils mit den Hawiye assoziiert und würden von diesen geschützt. Zu den Mischehen wurden Probleme im Zusammenhang mit Angehörigen diverser Clans (vor allem Berufsclans, die Sheikhal finden keine Erwähnung) angeführt.

 

Das "Aufsuchen des BF im Haus der Tante stellt jedenfalls eine Verfolgung dar, auch wenn diese nicht persönlich erfolgt sei".

 

6. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 13.12.2017 vorgelegt.

 

7. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 13.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine gewillkürte Vertreterin persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Der BF wurde in Somalisch befragt.

 

Zu seiner Person befragt widerholte der BF die bisher im Verfahren gemachten Angaben, Identitätsdokumente könne er nach wie vor nicht vorlegen.

 

Seine Familie habe in Kismayo gelebt, als er Somalia verlassen habe. Seither habe er keinen Kontakt mehr zu ihnen. Er habe versucht, Kontakt herzustellen, habe aber ihre Telefonnummer auf dem Weg nach Europa verloren. Er habe diese auf einen Zettel geschrieben, ein Handy habe er nicht. Er habe nicht weiter versucht, Kontakt aufzunehmen, da er in Somalia niemand kenne, der noch in Somalia sei und seinen Vater kenne. Seine Ehefrau sei zuletzt auch in Kismayo gewesen. Er habe sie im Juli 2013 geheiratet, als sie etwa 16 Jahre alt gewesen sei.

 

Nach seine Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass in Somalia Bürgerkrieg herrsche. Er gehöre dem Minderheitenclan der Sheikhal an. Sie würden von größeren Stämmen ständig verfolgt. Er sei auch aufgrund seiner Clanzugehörigkeit aus der Grundschule geworfen worden.

 

Er habe ein Mädchen kennengelernt, eine Angehörige des Stammes der Ogaden, sie hätten eine Beziehung gehabt und dann beschlossen zu heiraten. Eines Tages seien sie zur Familie des Mädchens gegangen. Der Vater habe seine Stammeszugehörigkeit genannt, woraufhin die Familie die Heirat abgelehnt habe. Die Familie des BF sei schockiert gewesen. Ein Onkel der Frau habe gemeint, er werde den BF töten, wenn er wieder Kontakt zu dem Mädchen habe. Der Vater des BF habe ihm auf dem Heimweg gesagt, er solle keinen Kontakt mehr haben. Der BF sei einverstanden gewesen.

 

Nach zwei Wochen habe ein Freund des BF ihm mitgeteilt, dass das Mädchen in der Nähe des Hauses auf ihn warte. Sie habe dem BF gesagt, dass sie mit der Entscheidung ihrer Eltern nicht einverstanden sei und ihn heiraten wolle. Der BF habe dies dem Vater erzählt, der ihn und das Mädchen zu einem Onkel außerhalb Kismayos gebracht habe, wo sie sieben Monate gelebt hätten. Dann sei die Familie des Mädchens in das Haus des Onkels gekommen, habe den Onkel geschlagen und die Tochter zurückgeholt. Es seien etwa 10 bewaffnete Personen gewesen. Einer habe dem Onkel gesagt, dass sie wiederkommen würden. Wenn sie den BF sähen, würden sie ihn auf der Stelle töten. Der Onkel habe das dem BF am Abend erzählt und ihn dann zu einer Tante gebracht, die "weit weg von dem Onkel" gewohnt habe.

 

Nach sieben Monaten seien eines Abends Mitglieder der Al Shabaab gekommen. Der BF sei im Stall gewesen und habe sich versteckt, da er dachte, es seien Familienmitglieder seiner Frau. Die Al Shabaab habe den Mann und den Sohn der Tante mitgenommen. Die Tante habe gemeint, es sei für den BF zu gefährlich zu bleiben, er solle wieder nach Kismayo. Befragt was die Al Shabaab gewollt hätte, gab der BF an, die Tante habe ihm erzählt, die Al Shabaab habe viele Leute verloren und habe Kämpfer gebraucht.

 

In der Früh sei er zu seinem Vater gegangen, dieser habe ihn noch am Vormittag zu einem Schlepper gebracht. Zuvor habe er ihm noch erzählt, dass seine Frau einen Sohn zur Welt gebracht habe. Dies sei im April 2014 gewesen. Der BF habe Somalia im März 2015 verlassen.

 

Zum Clan der Sheikhal befragt gab der BF an, dies sei ein Minderheitenstamm und nicht bewaffnet. Sie würden von größeren Stämmen diskriminiert und verfolgt. Mehr wisse er nicht. Es sei ein arabischer Name und komme vermutlich von dem Wort Scheich.

 

Der Vater habe als Koranlehrer gearbeitet, die ganze Familie habe davon leben können. Sie hätten ein Haus mit einem Grundstück.

 

Im Moment habe er niemanden in Somalia. Er wisse nicht, ob seine Familie noch dort aufhältig sei. Die Sicherheitslage sei auch nicht so gut. Außerdem seien die Angehörigen seiner Frau in Kismayo an der Macht. Es könne sein, dass sie ihn töteten.

 

Von der Vertreterin befragt gab der BF an, dass der Präsident der Regierung in Kismayo auch ein Ogaden sei. Die Mehrheit der Bevölkerung sei Ogaden. Die Sheikhal würden von keinem Clan in Somalia unterstützt. Von der Vertreterin befragt ob er wisse, was eine Interclanehe sei, gab der BF an, er dürfe als Angehöriger eines Minderheitenclans keine Frau eines anderen Stammes heiraten. Wenn die Familie seiner Frau das erlauben würde, würde sie von anderen Stammesangehörigen beschimpft. Er habe die Aufenthaltsdauer bei seinem Onkel nur geschätzt, seine Frau sei sieben Monate schwanger gewesen, als ihre Familie sie mitgenommen habe.

 

Er könne außerhalb Kismayos nicht Fuß fassen, er habe dort nur seine Tante und seinen Onkel.

 

Die aktuellen Länderfeststellungen des BFA (Stand 12.01.2018) seien der Vertretung bekannt. Eine innerhalb eines Monates angekündigte Stellungnahme, ist bis dato nicht erstattet worden.

 

Zu seiner Integration gab der BF an, er habe einen Deutschkurs gemacht und den Schulabschluss. Der BF konnte sich auf Deutsch verständlich machen. Er spiele Fußball als Hobby. Vorgelegt wurde eine Antrittsbestätigung zum Lehrgang zur "Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss" (Februar 2018 bis Februar 2019) und eine Unterstützungserklärung.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Beweisaufnahme:

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

 

 

 

 

Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 13.06.2018.

 

Seitens des BF wurden im Verfahren vor dem BVwG keine Beweismittel oder sonstige Belege zu seiner Identität vorgelegt.

 

2. Feststellungen (Sachverhalt):

 

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

 

a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

 

1.. Der BF ist somalischer Staatsangehöriger und stammt aus Kismayo, Lower Juba, Somalia, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan oder einer bestimmten Volksgruppe konnte nicht festgestellt werden. Der BF gab an zum Clan der Sheikhal zu gehören und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Somalisch.

 

2. Der BF ist in der Stadt Kismayo geboren und aufgewachsen und hat vier Jahre lang die Schule besucht. Seine Eltern, seine Ehefrau, sein Sohn und seine acht Geschwister leben nach wie vor in Kismayo, ebenso leben mehrere Tanten und Onkel in und um Kismayo. Die Familie besitzt ein Haus und Grund, der Vater arbeitet nach Angaben des BF als Koranlehrer und ist in der Lage der Familie durch seine Einkommen finanziell ein normales Leben zu ermöglichen. Der BF selber hat nicht gearbeitet.

 

3. Der BF verließ Somalia im März 2015 schlepperunterstützt und reiste zu einem nicht bekannten Zeitpunkt unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, wo er am 22.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

4. Der BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Österreich keine familiären Beziehungen. Er besuchte eine einjährige "Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss" und kann sich auf Deutsch verständlich machen (Kursbesuchsbestätigung A 2.2.). Er geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und pflegt nicht näher ausgeführte freundschaftliche Kontakte.

 

5. Er ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und war nie inhaftiert oder hatte sonstige Probleme mit ansässigen Behörden. Er war nicht politisch aktiv und hatte keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in seinem Herkunftsstaat.

 

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein wird.

 

Gründe, die eine Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Somalia aus asylrelevanten Gründen maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, hat der BF nicht glaubhaft gemacht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia eine Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

 

6. Bei einer Rückkehr nach Somalia in seine Heimatstadt Kismayo droht dem BF kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er läuft nicht Gefahr, in Kismayo grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF ist in Kismayo aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und war in einen Familienverband eingebunden, der ihm ermöglichte, nicht berufstätig sein zu müssen. Die Kernfamilie des BF und mehrere Onkel und Tanten halten sich in und um Kismayo auf. Der Vater geht einer von der Land- und Viehwirtschaft unabhängigen Tätigkeit nach. Dass der Kontakt abgebrochen sei, konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der BF nicht wieder von seiner Familie aufgenommen werden sollte.

 

Der BF kann somit bei einer Rückkehr mit finanzieller und sonstiger Unterstützung seitens seiner Familie rechnen. Er hat auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe zu erhalten. Als gesunder leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der BF auch sonst nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF leidet an keinen Erkrankungen.

 

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

 

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia (Stand 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 17.9.2018).

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage

 

Nach den überdurchschnittlichen Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

 

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

 

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

 

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Politische Lage

 

Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM Report_Somalia Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

 

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

 

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel.

 

Süd-/Zentralsomalia

 

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

 

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

 

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

 

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

 

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

 

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

 

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

 

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

 

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

 

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

 

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

 

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

 

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a). (UNHRC 10.12.2017b)

 

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

 

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten: Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

 

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

 

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

 

Die Grafik zeigt, dass der Trend hinsichtlich der Anzahl an gewalttätigen Vorfällen gegen Zivilisten nach unten zeigt, während sich die Anzahl an Todesopfern pro Vorfall erhöht hat (SEMG 8.11.2017).

 

Die Anzahl an Sprengstoffanschlägen hat zugenommen, ihre Letalität ist hingegen kaum gestiegen (SEMG 8.11.2017).

 

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bundesstaat Jubaland (JIA; Gedo, Lower Juba, Middle Juba)

 

Nominell gehören zum Machtbereich der Jubaland Interim Administration (JIA) die Regionen Lower und Middle Juba sowie Gedo. Tatsächlich wird der Großteil von Jubaland aber von der al Shabaab verwaltet. Die JIA verfügt nicht über die entsprechenden Kapazitäten, ganz Jubaland zu kontrollieren. Sie kooperiert mit den AMISOM-Truppen aus Kenia und Äthiopien. AMISOM wiederum kooperiert auf lokaler Ebene mit lokalen Milizen. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017). In Lower Juba haben sich die Clan-Konflikte beruhigt (DIS 3.2017).

 

In der Region Gedo verfügt die nominell für die Region zuständige JIA nur über schwachen Einfluss. Die in Gedo befindlichen Teile der somalischen Armee - teils aus ehemaligen Kämpfern der ASWJ bzw. von Marehan-Milizen rekrutiert - kooperieren aber zunehmend mit der JIA. Luuq und Garbahaarey werden als stabil beschrieben, auch Doolow floriert. Neben Kismayo werden insbesondere Dhobley und Doolow als sicher bezeichnet (BFA 8.2017). Der District Commissioner von Doolow sorgt in der Stadt für ein hohes Maß an Sicherheit. Äthiopische Sicherheits- und Militärvertreter arbeiten eng mit seiner Verwaltung zusammen (SEMG 8.11.2017).

 

Der Stadt Kismayo und damit der JIA wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der JIA ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017), die Sicherheitslage hat sich seit der Eroberung wesentlich verbessert. Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Hinsichtlich der Clan-Dimension gilt die Stadt als kosmopolitisch (BFA 8.2017).

 

Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften. Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017).

 

Der Kontrollbereich der JIA für Kismayo endet wenige Kilometer außerhalb der Stadt. Neben Kismayo, wo ca. 1.700 Soldaten der AMISOM stationiert sind, befinden sich in der Region Lower Juba auch Afmadow und Bilis Qoqani unter Kontrolle der JIA. In Dhobley befindet sich ein Stützpunkt der kenianischen Armee, die Stadt gilt als sichere Stelle für einen Grenzübertritt. Weitere Garnisonen oder Stützpunkte befinden sich in Dif, Tabta, Bilis

 

Qooqaani, Hoosingow, Didir Lafcad, Academia und Luglaaw sowie in Badhaade und Abdale Birole. Der Bezirk Jamaame ist vollständig unter Kontrolle der al Shabaab. Dies gilt auch für weite Teile des ländlichen Raumes der anderen Bezirke in der Region (BFA 8.2017).

 

Die gesamte Region Middle Juba wird von al Shabaab kontrolliert, sie gilt als Bastion der Gruppe (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017). Auch weite Teile der Region Gedo befinden sich im Bereich der al Shabaab. Garnisonen von AMISOM oder anderen anti-al-Shabaab-Kräften finden sich in Bakhtiti, Buusaar, Faan Weyn, Buulo Garas, Baardheere, Dhamaso, Faafax Dhuun, Ceel Waaq, Garbahaarey, Buurdhuubo, Doolow und Luuq (BFA 8.2017). Badhaade wechselte mehrfach die Hand, im August 2017 befand sich in der Stadt ein Stützpunkt der JIA (EASO 12.2017). Die Grenzstädte Dhobley und Doolow sowie Luuq und das direkte Grenzgebiet zu Äthiopien sind relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017).

 

In den Regionen Lower Juba, Middle Juba und Gedo lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,36 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 37 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 21 dieser 37 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 41 derartige Vorfälle (davon 24 mit je einem Toten).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Al Shabaab (AS):

 

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017).

 

Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 7.2017). Die al Shabaab stellt aber weiterhin eine potente Bedrohung dar (UNSC 9.5.2017). Die Stärke der al Shabaab wird im Schnitt mit ungefähr 7.000 Mann beziffert (BFA 8.2017; vgl. LI 20.12.2017). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017). Die Gruppe hat sich bei Rückschlägen in der Vergangenheit als resilient und anpassungsfähig erwiesen. Der innere Kern blieb allzeit geeint, auch wenn es bei al Shabaab zu Streitigkeiten und Fraktionierung gekommen ist. Die taktische Entwicklung der Gruppe; ihre wachsenden Fähigkeiten; und die Ausführung komplexer Angriffe auf städtische und ländliche Ziele hat dies jedenfalls bewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Vergangenheit hat die Gruppe auch eine konventionell-militärische Bedrohung dargestellt, etwa beim Angriff auf einen kenianischen Stützpunkt bei Kulbiyow im Jänner 2017. Beim Überrennen von AMISOM-Stützpunkten ist al Shabaab auch an schwere Waffen gelangt (SEMG 8.11.2017).

 

Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al Shabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Shabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA 8.2017). Eine andere Quelle nennt ebenfalls die o.g. Städte als unter Kontrolle der al Shabaab befindlich, fügt aber die Stadt Xaradheere (Mudug) hinzu und zieht Diinsoor ab (LI 20.12.2017).

 

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vgl. BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).

 

Die al Shabaab übt auch über manche Orte, die eigentlich der Jurisdiktion der Regierung angehören, ein Maß an Kontrolle aus:

Humanitäre Organisationen und Empfänger humanitärer Hilfe werden besteuert oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (SEMG 8.11.2017). Es gelingt der al Shabaab selbst nominell sichere Teile Mogadischus zu infiltrieren (BFA 8.2017). Außerdem verfügt die Gruppe in vielen Teilen Somalias über Verbindungen in alle Gesellschaftsebenen und -Bereiche (SEMG 8.11.2017). Generell variiert die Präsenz der al Shabaab konstant (BFA 8.2017).

 

Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.1.2017). Staatlicher Schutz ist in den Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 7.2017).

 

Die Fähigkeit der al Shabaab, in den von ihr beherrschten Gebieten eine effektive Verwaltung zu betreiben, ist ungebrochen. Zusätzlich verfügt die Gruppe über Kapazitäten, um in neu eroberten Gebieten unmittelbar Verwaltungen zu installieren (BFA 8.2017). Die Gebiete der al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrscht Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (UNSOM 18.9.2017). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt die al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung der al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017).

 

Die al Shabaab finanziert sich über unterschiedliche Steuern. Allein aus Abgaben auf den (illegalen) Holzkohlehandel lukriert die Gruppe pro Jahr - nach konservativen Schätzungen - 10 Millionen US-Dollar.

Auch von anderen Wirtschaftstreibenden werden Steuern eingehoben: In Mogadischu reicht die Spannweite von zehn US-Dollar monatlich für einfache Markthändler bis zu 70.000 US-Dollar für große Firmen. Im ländlichen Raum werden auch Viehmärkte besteuert. Außerdem verlangt al Shabaab entlang von Hauptverbindungsstraßen Gebühren und hebt den Zakat ein (SEMG 8.11.2017). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017).

 

Einerseits zwingt al Shabaab mancherorts Kinder zum Besuch der eigenen Madrassen; andererseits konnte z.B. in einem ländlichen Ort in Middle Juba eine neue Schule eröffnet werden, die sogar Englisch im Lehrplan hat. Dafür musste die Gemeinde aber eine Sonderabgabe leisten (SEMG 8.11.2017).

 

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

 

Die al Shabaab hat im Juni 2017 für die Bundesstaaten Galmudug, Puntland und Hirshabelle ein Verbot der Verwendung des Somali Shilling ausgerufen. Wirtschaftstreibende weichen daher teilweise auf den US-Dollar und den Äthiopischen Birr aus (UNSC 5.9.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Zwangs‑)Rekrutierungen und Kindersoldaten

 

Im Jahr 2016 gab es immer wieder Berichte über den Einsatz von Kindersoldaten durch die Armee, alliierte Milizen, Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) und die al Shabaab. Die UN haben diesbezüglich folgende Zahlen dokumentiert: Insgesamt wurden 1.744 rekrutierte und eingesetzte Kinder im Jahr 2016 verzeichnet (1.679 Buben, 65 Mädchen); davon 1.091 bei al Shabaab, 169 bei der somalischen Armee, 415 bei Clanmilizen. Entführt wurden 1.381 Kinder (1.306 Buben, 75 Mädchen), davon 857 von der al Shabaab, 373 von der somalischen Armee, 125 von Clanmilizen, 12 von ASWJ (USDOS 3.3.2017). Nach Angaben von UNICEF gibt es in ganz Somalia bis zu 5.000 Kindersoldaten, die meisten davon bei al Shabaab und Clan-Milizen (AI 22.2.2017). Doch auch in anderen bewaffneten Gruppen und Strukturen lassen sich Kinder finden (ÖB 9.2016). Insgesamt werden Kinder jedenfalls häufiger in die Verbände der al Shabaab, teils auch in Clanmilizen rekrutiert, seltener aber in Verbände der Regierung (AA 1.1.2017). Während die al Shabaab Kindersoldaten (systematisch) einsetzt (ÖB 9.2016; vgl. DIS 3.2017), gibt es bei der somalischen Armee und bei regionalen Sicherheitskräften nur wenige Kinderrekruten, am ehesten noch bei Clanmilizen und bei der ASWJ (SEMG 8.11.2017).

 

Die Fraktion des IS in Puntland zieht vor allem von der al Shabaab entfremdete Kämpfer aus dem Süden an, und dies unabhängig von deren Clanzugehörigkeit. Finanzielle Aspekte spielen dabei wohl kaum eine Rolle, da unverheiratete Kämpfer keinen Sold erhalten, während Verheiratete mit 50 US-Dollar pro Monat vorlieb nehmen müssen (SEMG 8.11.2017).

 

Während die Zahl der Vorfälle von Kinderrekrutierung im letzten Quartal 2016 um 50% zurückgegangen war, eskalierten Rekrutierungsmaßnahmen seitens der al Shabaab ab Juni 2017. Betroffen waren vor allem Galgaduud, Hiiraan und Mudug. Im Zuge dieser Rekrutierungswelle kam es auch zur Entführung von Ältesten und Lehrern und zur Flucht ganzer Familien und dazu, dass Familien ihre Kinder in sichere Gebiete geschickt haben. So berichtete etwa der Bezirksvorsteher von Cadale im August 2017, dass in der Stadt 500 Kinder eingetroffen sind, die vor eine Rekrutierung durch al Shabaab geflüchtet waren (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2017 sind in Galmudug über 200 Kinder von der al Shabaab zwangsrekrutiert worden (UNSC 5.9.2017), die Gruppe entführt auch weiterhin Kinder zum Zwecke der Rekrutierung (UNSC 9.5.2017). In der Region Middle Juba wurden im Jahr 2017 vorwiegend Rekruten aus anderen Ländern Ostafrikas ausgebildet. Mitte 2017 änderte sich das Bild. Im Juni kam es in Hiiraan, Galgaduud und Mudug zu einer neuen Welle aggressiven Rekrutierens (vor allem von Kindern) seitens der al Shabaab (SEMG 8.11.2017). Die al Shabaab rekrutiert Kinder und zwingt diese, an Kampfhandlungen teilzunehmen (USDOS 3.3.2017).

 

Rekrutiert wird vorwiegend in den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab (DIS 3.2017).

 

Insgesamt gibt es fünf Hauptarten der Rekrutierungsbestrebungen durch die al Shabaab:

 

a) direkte Rekrutierung von Frauen, arbeitslosen Jugendlichen und vulnerablen Bevölkerungsteilen; v.a. über soziale und ökonomische Anreize;

 

b) Zwangsrekrutierung durch Entführung, Bedrohung oder den Befehl z. B. an Eltern, einen Sohn abzugeben;

 

c) Rekrutierung über Dritte - über Freund und Verwandte (peer pressure);

 

d) Medienarbeit: Propaganda, Soziale Medien, Radio und Internet;

 

e) religiöse Überzeugung: Predigten und Radikalisierung in Madrassen (UNSOM 18.9.2017; vgl. DIS 3.2017)

 

Somalische Bürger identifizierten die Gruppe der 10-15jährigen als primäres Ziel der al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung. Das junge Alter garantiert, dass die Rekruten noch nicht so sehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können (UNSOM 18.9.2017).

 

Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen (ÖB 9.2016). Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; in Saakow gibt es sechs Madrassen mit ähnlichen Besuchszahlen, wobei dort auch viele unter-15jährige den Unterricht besuchen (SEMG 8.11.2017). Auch in Galmudug zwingt al Shabaab Kinder in ihre Madrassen. Dort wurden bei mehreren Vorfällen Älteste, Imame und Lehrer, welche die Übergabe von Kindern verweigerten, entführt (UNSC 5.9.2017). Die Madrassen dienen auch dazu, Mädchen als mögliche Bräute für eigene Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017).

 

Außerdem werden Frauen rekrutiert, da diese schwerer als Mitglieder der al Shabaab zu identifizieren sind und daher leichter als Selbstmordattentäter eingesetzt werden können. Außerdem benutzt man weibliche Mitglieder, um neue - männliche - Rekruten zu ködern (UNSOM 18.9.2017).

 

Außerdem setzt al Shabaab auf ökonomische Anreize. Viele der Kämpfer sind der al Shabaab nur aus finanziellen Gründen beigetreten (BFA 8.2017). Dabei stellen die Dürre und die Delogierung von IDPs einen Nährboden für neue Rekruten dar, da viele ihrer Lebensgrundlage beraubt worden sind (BFA 8.2017; vgl. SEMG 8.11.2017). Eltern wandten sich mit ihren Kindern an al Shabaab um Hilfe. Al Shabaab verspricht Kindern Nahrung, Kleidung und Ausbildung sowie medizinische Dienste. Älteren Buben wird die Zahlung des Brautgelds versprochen. Manchen Kindern wird gesagt, dass sie gar nicht kämpfen werden müssen (SEMG 8.11.2017). Generell wendet sich die Gruppe an ungebildete, arbeitslose Jugendliche. In Aussicht gestellt werden eine gute Bezahlung; eine kostenlose islamische Ausbildung; und eine Heirat (UNSOM 18.9.2017). Viele Jugendliche lassen sich aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit von al Shabaab rekrutieren (UNSOM 18.9.2017; vgl. DIS 3.2017). Rekruten werden durch den Sold, durch sozialen Status und manchmal durch eine versprochene Braut von der al Shabaab angelockt (DIS 3.2017). Ein Steuereintreiber der al Shabaab verdient 100 US-Dollar pro Monat, Soldaten zwischen 20 und 150, ein Agent des Amniyad 500 US-Dollar (SEMG 8.11.2017). Außerdem verwendet die Gruppe religiöse Rhetorik, um neue Rekruten anzulocken - etwa mit der Aussicht auf das Paradies oder mit der Darstellung des Feindes als Ketzer oder Ungläubige. Derartige Vorträge - etwa im Rahmen von douras - sind ebenso eine Rekrutierungstaktik wie auch das Anwenden von peer pressure unter Freunden und Verwandten. Auch über islamische Schulen (Madrassen) wird rekrutiert. Eine große Rolle spielen auch soziale Medien. Al Shabaab benutzt Facebook, Twitter, YouTube und spezielle Websites wie etwa alfurqan.net oder somalimemo.net sowie den Radiosender Andalus (UNSOM 18.9.2017).

 

Manche Burschen - auch Buben - die in von der al Shabaab kontrollierten Gebieten leben, können unter Druck geraten, um der al Shabaab beizutreten (UKHO 7.2017). Auch einige Männer und Buben, die aus kenianischen Flüchtlingslagern in von der al Shabaab kontrollierte Gebiete zurückgekehrt waren - z.B. Buale und Saakow - waren solchem Druck ausgesetzt (HRW 12.1.2017).

 

Immer wieder werden Fälle von Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab bekannt (BFA 8.2017; vgl. UNSOM 18.9.2017). Es kommt zu Razzien der al Shabaab auf Schulen, Madrassen und Moscheen; das Ziel ist es, Kinder zu rekrutieren (USDOS 3.3.2017). Dabei gibt es lokale Unterschiede. Aus dem Bereich Xaradheere wurden etwa sowohl in den Jahren 2016 als auch 2017 Zwangsrekrutierungen gemeldet. Im ersten Halbjahr 2017 gab es kaum Meldungen zu Zwangsrekrutierungen (BFA 8.2017).

 

Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch die al Shabaab (DIS 3.2017; vgl. BFA 8.2017, UKUT 3.10.2014, UKUT 5.11.2015). Es gibt auch keine rezenten Meldungen, wonach al Shabaab entlang von Straßen Reisende zwangsrekrutiert (BFA 8.2017). Normalerweise wird nur unter Zwang rekrutiert, wenn al Shabaab entstandene Verluste rasch auffüllen muss, oder wenn für einen besonderen Einsatz zusätzliche Kräfte benötigt werden (DIS 3.2017; vgl. BFA 8.2017, NLMBZ 11.2017). Insgesamt ist schwer einschätzbar, wie systematisch und weitverbreitet Zwangsrekrutierungen stattfinden. Die UN führt jegliche Rekrutierung von Kindern als Zwangsrekrutierung (LI 10.9.2015).

 

Die al Shabaab brachte kollektive Zwangsmaßnahmen zur Anwendung (SEMG 8.11.2017). Üblicherweise richtet die al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt (BFA 8.2017). In Rama Cadeey, Bulo Fulay und Bush Madina - Orte im Kernland der al Shabaab - wurden zum Höhepunkt der Dürre Versammlungen einberufen. Dort wurden Familien aufgefordert, ihre Kinder in die Madrassen zu schicken. Verweigerer wurden mit Geldstrafen belegt und die Kinder schließlich in die Madrassen gezwungen. Ältesten wird die Verantwortung übertragen, dass Familien - je nach Größe - zwischen ein bis drei Kinder an die al Shabaab abführen (SEMG 8.11.2017; vgl. DIS 3.2017). Allerdings können manchmal auch Ersatzleistungen erbracht werden, z.B. die Überlassung von Waffen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017).

 

Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer (BFA 8.2017). Die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit die al Shabaab akzeptiert, dass sich eine Person der Rekrutierung widersetzt, muss eine Form der Kompensation getätigt werden; entfällt diese, könnte es auch zur Exekution des Verweigerers kommen (DIS 3.2017). Dieses System geht hinsichtlich der Steuererhebung auch in die umgekehrte Richtung:

Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit, einer Rekrutierung durch die Zahlung von Steuern zu entgehen. Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus der al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten. Insgesamt finden sich keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BFA 8.2017).

 

In den Ausbildungslagern der al Shabaab werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination (USDOS 3.3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Sowohl in der Verfassung von Somalia als auch in jener von Puntland ist der Schutz der Menschenrechte in der Verfassung ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 1.1.2017).

 

Bei staatlichen somalischen Sicherheitskräften stellen extralegale Tötungen kein strukturelles Problem dar. Im Falle einer solchen Tötung ist jedoch aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 1.1.2017). Es kommt zu extralegalen Tötungen durch von mit der Regierung alliierten Milizen (AI 22.2.2017). Es liegen keine Berichte über Verschwindenlassen vor (AA 1.1.2017).

 

Bei Kämpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zu zivilen Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). [Anm.: Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage.]

 

Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Sub-Clans, meist im Streit um Wasser und andere Ressourcen; im Jahr 2016 waren davon v. a. Merka, Galkacyo und die Region Hiiraan betroffen (USDOS 3.3.2017).

 

Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, die in manchen Fällen auch als Kriegsverbrechen bezeichnet werden können (AI 22.2.2017). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte und unbekannte Angreifer; Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen und FGM (USDOS 3.3.2017). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt (AA 1.1.2017).

 

Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; die Einschränkung von Meinungs-, Presse-, Bewegungsfreiheit; Delogierung von IDPs; Korruption; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans. Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).

 

Al Shabaab begeht Morde, entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Al Shabaab rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017, BS 2016). Da auf dem Gebiet der al Shabaab eine strikte Interpretation der Scharia zur Anwendung gebracht wird, kommt es dort zu Folter und körperlichen Strafen, wenn die Interpretation nicht eingehalten wird (EASO 2.2016; vgl. AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vgl. AI 22.2.2017). Moralgesetze verbieten das Rauchen, das öffentliche Einnehmen von Khat, weltliche Musik und das Tanzen (BS 2016), Filme, und Sport (EASO 2.2016); Verschleierung und Männerhaarschnitte werden vorgeschrieben (BS 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Die somalische Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam (AA 1.1.2017). Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Bevölkerung Anhänger der Sufi-Tradition (EASO 8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

Minderheiten und Clans

 

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten

"4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).

 

Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017).

Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017).

 

Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).

 

Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4 .2017a). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

 

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können ihre Abstammung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen Söhne Samaale und Saab zurückverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten können eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017).

 

Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung. Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden:

 

? Die Darod sind gegliedert in die drei Hauptgruppen Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während die Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Jubba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

 

? Die Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

 

? Die Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Djibouti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind die Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

 

? Die Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

 

? Die Rahanweyn bzw. Digil/Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen. Sie gelten als Nachfahren von Saab, dem Bruder von Samaale (SEM 31.5.2017; vgl. AA 4 .2017a).

 

Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4 .2017a).

 

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).

 

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung;

Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben;

sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit

 

Auch Angehörige "starker" Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der "Minderheiten"-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als "Gast" in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die "Gastgeber". In diesem System von "hosts and guests" sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017). Dabei sind IDPs, die einem Minderheitenclan angehören, doppelt benachteiligt. Da sie oftmals nicht auf verwertbare Clanverbindungen oder auf den Schutz eines Clans zurückgreifen können sind sie Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 3.3.2017).

 

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 3.3.2017). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Subclan-Zugehörigkeit auszugehen. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.1.2017), beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 3.3.2017). Angehörige eines (Sub‑)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub‑)Clan dominiert werden, darüber hinaus auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.1.2017).

 

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014).

 

Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

 

Generell stellen in erster Linie AMISOM und nationale sowie regionale Behördenvertreter Ziele für Angriffe der al Shabaab dar (SEMG 8.11.2017). Neben AMISOM und Sicherheitskräften (BFA 8.2017) wird al Shabaab auch weiterhin Zivilisten gezielt angreifen, darunter: die somalische Regierung, Parlamentarier und Offizielle (UKHO 7.2017); Regierungsbedienstete, mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten; Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, UKHO 7.2017); Wirtschaftstreibende; Älteste (BFA 8.2017; vgl. UKHO 7.2017) und deren Angehörige; diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten und Gemeindeführer (USDOS 3.3.2017); Journalisten (UKHO 7.2017; vgl. HRW 12.1.2017); mutmaßliche Kollaborateure und Spione (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017, UKHO 7.2017); Deserteure (UKHO 7.2017) sowie Personen, die am letzten Wahlprozess mitgewirkt haben; Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie keine Steuern an al Shabaab abführen (BFA 8.2017).

 

Es kommt also z.B. in Mogadischu regelmäßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 12.1.2017). Im Durchschnitt werden der al Shabaab in Mogadischu pro Monat ca. 20 Morde zugerechnet. Allerdings wird oft nur angegeben, dass al Shabaab für ein Attentat die Verantwortung trägt, obwohl dies gar nicht klar ist (BFA 8.2017).

 

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).

 

Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017).

 

Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen:

a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017).

 

Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Händler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. für Ministerien tätig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017).

 

Im zweiten Trimester 2017 wurden insgesamt 12 Teilnehmer am Wahlprozess gezielt ermordet. Allerdings hat die al Shabaab nur für vier dieser Morde die Verantwortung übernommen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Bereits im ersten Trimester 2017 waren 14 Teilnehmer getötet worden, die al Shabaab übernahm die Verantwortung für drei Morde (UNSC 9.5.2017). Eine andere Quelle spricht alleine im ersten Quartal 2017 von 90 in Zusammenhang mit der Wahl getöteten Personen, wobei die al Shabaab allerdings nur für acht Morde die Verantwortung übernommen hat. Vor allem in Mogadischu (SEMG 8.11.2017) stellt der Schutz der am Wahlprozess beteiligten Personen eine neue Herausforderung dar (UNHRC 6.9.2017).

 

Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken, ist die Gruppe bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017). Auch wenn al Shabaab einige Menschen in Somalia als "legitime Ziele" erachtet, so gilt dies für die meisten Zivilisten nicht. Dass normale Zivilisten in von der Regierung und AMISOM kontrollierten Gebieten zum Ziel der al Shabaab werden, ist unwahrscheinlich. Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab, sie werden nicht generell angegriffen. Andererseits können high profile Personen, die etwa die Regierung oder die internationale Gemeinschaft repräsentieren, einem hohen Risiko ausgesetzt sein. Auch Personen, die als Unterstützer der somalischen Regierung wahrgenommen werden, können - je nach persönlichen Umständen - einem Risiko ausgesetzt sein. Dies gilt auch für Journalisten oder Mitarbeiter von NGOs, je nachdem, wie sehr sich ihre Aktivitäten gegen al Shabaab wenden (UKHO 7.2017).

 

Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, stellen für al Shabaab kein legitimes Ziel dar (DIS 3.2017). Dies gilt auch für Rückkehrer aus der Diaspora (UKUT 3.10.2014). Es gibt keine Berichte, wonach al Shabaab normale Zivilisten - oder auch Rückkehrer aus dem Westen - systematisch angreifen würde. Natürlich besteht aber für Zivilisten immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Rückkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015).

 

Aufgrund der überregionalen Aktivitäten und der Vernetzung des Amniyad sind - vor allem prominente - Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefährdet (BFA 8.2017).

 

Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BFA 8.2017). Es gibt so gut wie keine bekannten Fälle, wo sich al Shabaab gegen Angehörige von Deserteuren gerichtet hätte (DIS 3.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf , Zugriff 15.12.2017

 

 

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit und Relokation

 

Die Übergangsverfassung schützt das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 3.3.2017). Reisefreiheit ist im Prinzip gegeben, wobei sich Einschränkungen durch die jeweiligen Machthaber - al Shabaab, Kriegsherren, lokale Administrationen - sowie durch Kampfhandlungen in bestimmten Gebieten ergeben können. IDPs in den Flüchtlingslagern in und um Mogadischu sind oft strikten Beschränkungen bzgl. ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen. Davon abgesehen sind der Botschaft keine Einschränkungen für bestimmte Gruppen bekannt (ÖB 9.2016).

 

In vielen Gebieten kommt es zu Problemen im Straßenverkehr, werden illegale Wegzölle erhoben und Reisende misshandelt (UNSC 5.9.2017). Al Shabaab kontrolliert wichtige Hauptversorgungsrouten (HRW 12.1.2017) ganz oder teilweise (DIS 3.2017). Gegen einige Städte, die von AMISOM und somalischer Regierung kontrolliert werden, führt die al Shabaab eine Blockade durch. Die Lieferung von Gütern und Unterstützung wird dadurch behindert (HRW 12.1.2017). Betroffen sind insbesondere Diinsoor, Waajid und Xudur (UNSC 5.9.2017).

 

Solange man den von al Shabaab (einmalig) geforderten Wegzoll entrichtet, sind Reisen in Gebiete unter Kontrolle der Gruppe kein Problem. Generell gestaltet sich die "Einreise" in solche Gebiete einfacher, als die "Ausreise" (BFA 3./4.2017). Eine Überlandreise wird als riskant und teuer wahrgenommen (DIS 3.2017). Die meisten Orte in Südsomalia können dennoch erreicht werden (LI 4.4.2016). Die Bevölkerung reist trotz zu erwartender Risiken auf der Straße, wiewohl diese Risiken mit der Notwendigkeit einer Reise abgewogen werden (EASO 2.2016). Normale Bürger werden von al Shabaab nicht daran gehindert, Gebiete unter Kontrolle der Regierung zu erreichen. Es kann aber Ausnahmen geben, z.B. bestimmte Clan-Älteste (LI 20.12.2017). Täglich verlassen mit Passagieren beladene Minibusse Mogadischu in alle Richtungen, auch in Gebiete der al Shabaab. Die Preise variieren von einem US-Dollar von Mogadischu nach Afgooye bis zu z.B. 80 US-Dollar von Mogadischu nach Afmadow (LI 4.4.2016).

 

Naturereignisse und Kampfhandlungen können unterschiedliche Gebiete vorübergehend unzugänglich machen. Busfahrer und Reisende holen vor einer Fahrt Erkundigungen über die Lage entlang der geplanten Route ein, um das Risiko zu minimieren. Ein Risiko ergibt sich primär aus den zu erwartenden Straßensperren. Die Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre der Regierungskräfte oder der al Shabaab zu stoßen, ist immer noch hoch (LI 4.4.2016). Dies gilt für ganz Süd-/Zentralsomalia (DIS 3.2017). An Straßensperren kann es zu Gewalt, Bedrohung und Plünderung kommen (USDOS 3.3.2017). Straßensperren werden durch somalische Sicherheitskräfte, Clan-Milizen, al Shabaab und Banditen betrieben (LI 4.4.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Diese Straßensperren behindern in Süd-/Zentralsomalia Bewegungen und die Lieferung von Hilfsgütern (USDOS 3.3.2017). Jene, die es sich leisten können, versuchen mit dem Flugzeug so nah wie möglich an die Zieldestination zu gelangen. Von Mogadischu gibt es Flüge nach Baidoa, Belet Weyne und Kismayo (LI 4.4.2016). An den Hauptrouten in Süd/Zentralsomalia wurden im August 2017 82 Gebühren-einhebende Straßensperren identifiziert. Davon wurden 20 von der al Shabaab betrieben, der große Rest war von der somalischen Armee, in geringerem Ausmaß auch von regionalen Sicherheitskräften besetzt (SEMG 8.11.2017).

 

Das Hauptrisiko an Straßensperren der Regierungskräfte und der al Shabaab ist es, als zum Feind gehörig verdächtigt zu werden (DIS 3.2017; vgl. LI 4.4.2016). Gebietsfremde oder Personen ohne Familie im Zielgebiet werden eher unter Verdacht geraten, als ortsansässige Personen (LI 20.12.2017). Kontrollpunkte der al Shabaab können entlang der meisten Routen spontan eingerichtet werden, es gibt auch permanente Kontrollpunkte (LI 4.4.2016; vgl. EASO 2.2016). Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor. Zu befürchten haben an Straßensperren der al Shabaab jene Personen etwas, die mit der Regierung in Verbindung gebracht werden. Diese Personengruppe riskiert, getötet zu werden. Aufgrund der eingeschränkten Ressourcen von al Shabaab sind hier höherrangige ("high profile") Personen eher gefährdet. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab - etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) - als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit, umgehend getötet zu werden, ist dort höher, wo al Shabaab keine volle Kontrolle hat. In den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge (LI 4.4.2016).

 

Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somalia in die Nachbarländer findet nicht statt. Die "grüne Grenze" sowie die Seegrenze sind weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Mogadischu, Garoowe und Bossaso durchgeführt (AA 1.1.2017)

 

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 9.2016). Generell sind relativ sichere Zufluchtsgebiete aber schwierig zu bestimmen, da man je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias dann von anderen Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts bedroht ist. Grundsätzlich herrscht aber in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) mehr (Bewegungs‑)Freiheit (AA 1.1.2017). Es sind keine Berichte bekannt, wonach aus Somaliland oder Puntland IDPs aus Süd-/Zentralsomalia deportiert worden wären (NLMBZ 11.2017).

 

Für jene Personen, die in Mogadischu oder anderen Städten einem Risiko seitens der al Shabaab ausgesetzt sind, ist das Vorhandensein einer internen Relokationsmöglichkeit in Süd-/Zentralsomalia unwahrscheinlich, da diese Personengruppe meist ein high profile aufweist. Al Shabaab könnte immer noch in der Lage sein, sie aufzuspüren. Jene Personen, die nicht höherrangig sind; oder die nicht mit der Regierung oder einer internationalen Organisation in Verbindung stehen; oder deren Risiko lokal begrenzt ist; sollten in der Lage sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Dies muss von Fall zu Fall abgewogen werden. Jene Personen, die nicht höherrangig (high profile) sind, und in ländlichen Gegenden unter dem Einfluss der al Shabaab leben, können in Städten, wo al Shabaab keinen Einfluss hat, eine interne Relokation wahrnehmen (UKHO 7.2017).

 

Keiner der neueren Berichte zur Sicherheitslage in Somalia nennt Probleme bei der Bewegungsfreiheit in Mogadischu (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017, EASO 12.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Generell hätte Somalia großes wirtschaftliches Potential, sei es im Agro-Business, in der Viehzucht, der Fischerei oder im Handel, bei erneuerbaren oder anderen Energiequellen. Außerdem verfügt Somalia über sehr unternehmerische Staatsbürger, sowohl im Land als auch in der Diaspora. Dieses Potential wäre vorhanden (UNSOM 13.9.2017). Die Diaspora investiert auch seit mehreren Jahren auf unterschiedliche Art in ganz Somalia (SHU 16.6.2016). Laut Schätzungen überweist die Diaspora pro Jahr mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar in die Heimat. Damit ist die somalische Wirtschaft aber gleichzeitig eine der am meisten von Remissen abhängigen Ökonomien der Welt (SHU 16.6.2017).

 

Doch noch gehört Somalia zu den ärmsten Ländern der Erde. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung kann sich nicht ausreichend mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgen (AA 4 .2017b). Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia seit Jahrzehnten zum Land mit dem größten Bedarf an internationaler Nothilfe (AA 1.1.2017; vgl. AA 4 .2017b). Das Land ist also in hohem Grade von Hilfe abhängig (UNSOM 13.9.2017). 43% der somalischen Bevölkerung leben in extremer Armut von weniger als einem US-Dollar pro Tag (UNHRC 6.9.2017).

 

Fehlende Daten machen es schwierig, die makro-ökonomische Situation Somalias ausreichend beschreiben zu können. Schätzungen zufolge ist das BIP im Jahr 2015 um 5% gestiegen, im Jahr 2016 um 6%. Die Prognose für 2017 lautet auf ein Wachstum von 2,5%. Dabei ist dieses Wachstum vor allem im urbanen Raum entstanden und von Konsum, Remissen und Gebergeldern abhängig (WB 18.7.2017).

 

Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016). Das gegebene Wachstum des BIP ist in Somalia ein urbanes Phänomen, getrieben vom Konsum, von Hilfen aus dem Ausland und von Überweisungen aus der Diaspora. Dabei wirkt sich das von al Shabaab im Juni 2017 in drei Bundesstaaten ausgesprochene Verbot der Verwendung des Somali Shilling negativ aus, der Kurs der Währung ist gefallen (UNSC 5.9.2017; vgl. SEMG 8.11.2017). Mit ein Grund für das Verbot der al Shabaab war sicherlich das nicht regulierte und nicht genehmigte Nachdrucken von Banknoten durch die State Bank of Puntland (SEMG 8.11.2017).

 

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Somalia ist. Am Human Development Index 2012 wurde die allgemeine Arbeitslosigkeit mit 54% angegeben, für Jugendliche (14-29jährige) mit 67% (ÖB 9.2016; vgl. SHU 16.6.2017). UNDP gab die Zahl im Jahr 2012 mit 67% an. Bei der aktuellen Studie aus dem Jahr 2016 gaben aber nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat; c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016). Außerdem sind nach anderen Angaben viele Männer aufgrund ihres Khat-Konsums mehr oder weniger berufsunfähig - ein Grund, warum oft Frauen als Familienerhalterinnen einspringen müssen (SZ 13.2.2017).

 

All dies bedeutet jedenfalls, dass man die Arbeitslosigkeit in Somalia und in Mogadischu nicht beziffern kann (LI 1.4.2016). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016). Außerdem haben sich bisherige Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016).

 

Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose jedenfalls keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016). In einer Studie von IOM gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016). Insgesamt ist das traditionelle Recht (xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.:

in etwa die unterste Ebene des Clansystems] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017).

 

2015 wurde ein Wirtschaftsaufschwung am Hafen Mogadischus registriert. Dank der reduzierten Bedrohung durch Piraterie und die dadurch verbesserte Sicherheitslage interessieren sich immer mehr Investoren für Mogadischu. Die somalische Wirtschaft ist jedoch im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach wie vor von der Tierhaltung und Fischerei abhängig und damit externen und Umwelt-Einflüsse besonders ausgesetzt (ÖB 9.2016).

 

Es kann angenommen werden, dass es in Mogadischu viel mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt, als an anderen Orten Somalias. Der ökonomische Wiederaufbau verlangt sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung (LI 1.4.2016). In der Stadt gibt es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Früher hatten die nicht-Ausgebildeten größere Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Mit der steigenden Kaufkraft der Bevölkerung steigt aber auch die Nachfrage nach Dienstleistungen, z.B. nach Reinigungskräften oder anderer Hausarbeit. Mit der zunehmenden Sicherheit in Mogadischu sind auch aus anderen Teilen des Landes unausgebildete Arbeitskräfte auf der Suche nach Arbeit in die Hauptstadt gekommen (IOM 2.2016; vgl. LI 1.4.2016). Dementsprechend sind unqualifizierte Arbeitskräfte, bei denen es nur um physische Kraft geht (Bauwirtschaft, Hafenarbeiter etc.) in Mogadischu zahlreich verfügbar. Junge Kandidaten werden bevorzugt (IOM 2.2016).

 

Einen großen Bedarf gibt es an folgenden ausgebildeten Kräften und Fähigkeiten - bzw. womöglich auch an Ausbildungswilligen: Handwerker (Tischler, Maurer, Schweißer etc.); im Gastgewerbe (Köche, Kellner etc.); Schneider; Ingenieure; medizinisches Personal;

fortgeschrittene IT- und Computerkenntnisse; Agrarfachwissen;

Lehrkräfte auf allen Ebenen. Einen Bedarf gibt es auch an folgenden Arbeitskräften und Fähigkeiten: Mechaniker, Elektriker, Installateure, Fahrer von Spezialfahrzeugen; Betriebswirte und Buchhalter; Verkauf und Marketing; Englisch-Sprechern; IT- und Computerkenntnisse (IOM 2.2016). Der Mangel an Fachkräften ist so groß, dass in manchen Bereichen auf Gastarbeiter zurückgegriffen wird (z.B. im Gastgewerbe auf Kenianer und Somaliländer; oder im Baugewerbe auf Handwerker aus Bangladesch) (LI 1.4.2016; vgl. IOM 2.2016).

 

Fast alle in der Studie von IOM befragten Arbeitgeber haben angegeben, dass sie mittelfristig mehr Personal einstellen wollen (IOM 2.2016). Weil freie Arbeitsplätze oft nicht breit beworben werden und die Arbeitgeber den Clan und die Verwandtschaft eher berücksichtigen als erworbene Fähigkeiten, haben Bewerber ohne richtige Verbindungen oder aus Minderheiten sowie Frauen (IOM 2.2016; vgl. DIS 9.2015), Witwen und Migranten ohne Familien schlechtere Chancen (DIS 9.2015). Arbeitssuchende greifen also auf ihre privaten Netzwerke zurück. Größere Firmen platzieren Jobangebote auch an Hauswänden oder in lokalen Medien. Öffentliche Stellen greifen auch auf Onlinemedien zurück (z.B. baidoanews.net oder somalijobs.net). Männliche Hilfsarbeiter stellen ihre Arbeitskraft frühmorgens an bestimmten Plätzen zur Verfügung (Mogadischu: Bakara; Baidoa: Kilo 7; Kismayo: Golol Place) (IOM 2.2016).

 

Der militärische Erfolg gegen al Shabaab in Mogadischu hat dazu geführt, dass viele Somali aus der Diaspora zurückgekehrt sind (BS 2016; vgl. LI 1.4.2016). Die Rückkehrer haben investiert und gleichzeitig eine wachsende Nachfrage geschaffen (LI 1.4.2016). Außerdem traten neue Investoren in den Vordergrund, z.B. die Türkei (BS 2016; vgl. LI 1.4.2016), China und die Golf-Staaten (LI 1.4.2016). Die Wirtschaft von Mogadischu hat begonnen zu wachsen. Dies wird angesichts des Baubooms am offensichtlichsten (BS 2016). Heute ist Mogadischu vom Wiederaufbau, ökonomischer Wiedererholung und Optimismus gekennzeichnet (LI 1.4.2016). Supermärkte, Restaurants und Hotels wurden neu geöffnet. Auch in anderen, der al Shabaab abgerungenen Städten steigt die Zahl wirtschaftlicher Aktivitäten (BS 2016).

 

Viele UN-Agenturen (bspw. UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016). Die UNO betreibt in Somalia gegenwärtig 18 auf Jugendliche zugeschnittene Programme und hat dort 28 Mio. US-Dollar investiert. Sieben dieser Programme unterstützen die (Berufs‑)Ausbildung um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken (UNSC 5.9.2017). Der Somalia Stability Fund betreibt Infrastrukturprojekte in Hobyo, Xudur und Berdale - dadurch wurden Arbeitsplätze geschaffen. UNDP und UNIDO unterstützen Jugendliche in Jubaland, um deren Arbeitschancen zu erhöhen - etwa durch Ausbildung, Mikrokredite. In Afmadow wurde mit Unterstützung von USAID ein neuer Markt eröffnet. USAID unterstützt auch den Wiederaufbau auf Gemeindeebene, u.a. in den Bezirken Kismayo, Baardheere und Diinsoor (UNSC 5.9.2017).

 

Das meiste Einkommen lukriert Somalia mit Viehexport, Häuten, Fisch, Holzkohle und Bananen. Ein Schlüsselelement der Wirtschaft ist der Telekommunikationsbereich. Außerdem sind seit dem Rückzug der al Shabaab aus Mogadischu einige Bereiche stark gewachsen: Die öffentliche Verwaltung; internationale Organisationen; Botschaften; der Bausektor; und der Dienstleistungsbereich (Hotels, Restaurants, Transportsektor, Schulen, Spitäler etc.) (LI 1.4.2016). Viele Bereiche liegen in den Händen privater Anbieter (LI 1.4.2016; vgl. BS 2016). Neben Schulen und Spitälern wird beispielsweise auch die Steuer von einer Privatfirma eingehoben. Berechnungen zufolge ist die somalische Wirtschaft ständig gewachsen; für 2014 schätzt der IWF das Wachstum auf 3,7% (LI 1.4.2016). Ein potentieller Wachstumssektor wäre auch die Fischindustrie. Die somalischen Hoheitsgewässer beherbergen einige der reichsten Fischgründe der Welt. Es mangelt aber noch an Ausbildung für Fischer, an Ausrüstung und Regulierungen. OXFAM und die EU unterstützen den diesbezüglichen Ausbau der Kapazitäten (OXFAM 30.9.2015).

 

Aufgrund der Tatsache, dass bereits eine Anzahl von somalischen Flüchtlingen bereit ist, freiwillig zurückzukehren, besteht eine berechtigte Hoffnung das Land als zunehmend sicherer und bewohnbarer zu qualifizieren (ÖB 9.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehrspezifische Grundversorgung

 

Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände (DW 27.9.2017). Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer (UNHCR 30.11.2017b).

 

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichteten Personen, die aus Kenia nach Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt waren, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 3.3.2017). Allerdings wird - z.B. seitens des UNHCR - versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Ein ohne Bedingungen ausgegebenes, sogenanntes Rückkehrpaket enthält: ein aus Sachgütern bestehendes Paket (etwa: Decken, Seife, Planen, Kanister etc.); eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von 200 US-Dollar pro Person; eine auf sechs Monate begrenzte Reintegrationshilfe von 200 US-Dollar pro Haushalt; eine zusätzliche, auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen; eine Bildungsunterstützung, auf neun Monate begrenzt, von 25 US-Dollar pro Kind und Monat (zusätzlich: Schuluniformen, Schulmaterial); und - bei Auswahl - bis zu 1.000 US-Dollar für eine Unterkunft; sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte (UNHCR 30.11.2017a). In Programmen aufgenommenen Rückkehrern gewährt UNHCR einmalige Wiedereingliederungshilfen und für sechs Monate Reintegrationshilfe. Im November 2017 wurden derartige Gelder an knapp 27.000 Rückkehrer ausbezahlt (rd. 6.000 Haushalte). Andere profitierten von sog. cash-for-work Programmen oder erhielten eine Ausbildung (UNHCR 30.11.2017b). Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017).

 

Außerdem hat der UNHCR im Zeitraum 1.-11.2017 1.306 Unterkünfte und 409 Latrinen für Rückkehrer gebaut (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017). In sog. community empowerment activities werden Rückkehrer in die Rehabilitation von wichtiger öffentlicher Infrastruktur eingebunden. Derartige Projekte laufen etwa in Galkacyo, Baidoa, Kismayo, Afmadow, Luuq und Mogadischu. In anderen Projekten werden Rückkehrer in Berufen ausgebildet. So etwa in Hargeysa (Elektriker, Maler, Installateure, Köche, Schneider), Kismayo (Geflügelzucht), Baidoa (Tischler). Zusätzliche Programme richten sich an Kleinhändler, z.B. in Garoowe, Bossaso, Kismayo, Hargeysa, Luuq und Mogadischu (UNHCR 30.11.2017a). In den Straßen Kismayos sind kleine Geschäfte zu sehen, die von zurückgekehrten ehemaligen Flüchtlingen betrieben werden (UNHCR 18.12.2017). Auch die EU-Agentur ECHO unterstützt mit Programmen und dem Social Safety Net Project 5.000 vulnerable Haushalte (ca. 30.000 Personen) (ACTED 6.12.2017).

 

Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015).

 

Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht. Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 5.11.2015) noch auf Remissen zurückgreifen kann (UKUT 5.11.2015). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 11.2017).

 

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016). Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

 

Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Bereits in einer Studie aus dem Jahr 2016, bei welcher 130 Somali der Diaspora in London, Minneapolis, Toronto, Bern, Malmö, Amsterdam und Helsinki befragt wurden, gaben viele an, bereits nach Somalia zu reisen (UNHCR 1.2016). Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Es gibt keine Statistiken, doch alleine die vollen Flüge nach Mogadischu und die sichtbaren Investments der Diaspora scheinen die Entwicklung zu bestätigen (EASO 12.2017). Auch weiterhin bleibt die steigende Rückkehr von somalischen Flüchtlingen nach Somalia eine Tatsache. Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr (DW 27.9.2017; vgl. ÖB 9.2016). Die Gründe dafür sind: intensivierte Bemühungen Kenias, somalische Flüchtlinge nach Somalia zu repatriieren; der Krieg im Jemen, der somalische Flüchtlinge zur Rückkehr bewegte; Anstrengungen anderer Staaten, die aufgrund der voranschreitenden territorialen Befreiung von der al Shabaab Druck auf somalische Flüchtlinge ausüben (ÖB 9.2016); die herrschende Aufbruchstimmung z. B. in Mogadischu (DW 27.9.2017). Auch der Rückkehrtrend somalischer Flüchtlinge aus dem Jemen kann als Zeichen dafür gedeutet werden, dass mehr und mehr Familien eine Zukunft in Somalia als annehmbare Alternative sehen (ÖB 9.2016). Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft (BFA 3./4.2017).

 

Der UNHCR und andere internationale Partner unterstützen seit 2015 die freiwillige Rückkehr von Somaliern aus Kenia (AA 1.1.2017). Dabei haben die drei Parteien die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und des Non-Refoulement zugesichert (UNHRC 28.10.2015; vgl. LI 1.4.2016). Im Zeitraum 2014-2017 zählte der UNHCR in Somalia 110.913 freiwillige Rückkehrer aus der Region (UNHCR 31.12.2017). 74.606 davon kehrten aus Kenia zurück und weitere 34.077 aus dem Jemen. Alleine im November 2017 kehrten 663 Somalia aus Kenia und 156 aus dem Jemen in ihre Heimat zurück (UNHCR 30.11.0217b), im Dezember 2017 waren es 1.596 (UNHCR 31.12.2017). Mindestens 19.000 rückkehrwillige Somali warten in Kenia auf ihren Transport (UNHCR 20.12.2017).

 

Seit Beginn der Krise im Jemen im März 2015 kamen von dort 34.085 Somali zurück nach Somalia; davon 33.667 spontan und 418 mit Unterstützung. Im Jahr 2017 waren es 4.610, davon 4.192 spontan (UNHCR 30.11.0217b). Im Jemen warten weitere rückkehrwillige Somali auf Hilfe, um nach Hause zurückzukommen. UNHCR kann weiteren 10.000 bei der Rückkehr behilflich sein. Die meisten der Rückkehrer wollen nach Mogadischu (UNNS 19.5.2017; vgl. RMMS 7.2016). Nur rund 15-20% bleiben in Somaliland oder Puntland (BFA 3./4.2017). IOM unterstützte zahlreiche Rückkehrer aus dem Jemen mit Weitertransport - v.a. nach Mogadischu (USDOS 3.3.2017).

 

Insgesamt erfolgte die Rückkehr teils auf dem Landweg (etwa über Dhobley), teils auf dem Luftweg (etwa nach Kismayo) und teils auf dem Seeweg (vor allem aus dem Jemen) (UNHCR 30.11.2017a; vgl. UNHCR 30.11.2017b). Auch nach Mogadischu gab es Flüge mit Rückkehrern (BFA 3./4.2017). Eines der maßgeblichen Zielgebiete der Rückkehrer ist Kismayo und das südliche Jubbaland. Deutschland unterstützt dort ein Vorhaben, das der Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinden für freiwillige Rückkehrer dient (AA 1.1.2017).

 

Soweit bekannt blockieren die somalischen Behörden Rückführungen nach Süd-/Zentralsomalia nicht. Es ist auch nicht bekannt, dass die somalischen Behörden Rückkehrer überwacht oder misshandelt haben (NLMBZ 11.2017). Laut einer anderen Quelle liegen hinsichtlich der Behandlung rückgeführter somalischer Staatsangehöriger keine belastbaren Erkenntnisse vor, da insbesondere westliche Staaten Rückführungen nur in sehr begrenztem Ausmaß durchgeführt haben. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge dieser Personengruppe, sondern das gelegentlich unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte, die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe der al Shabaab (AA 1.1.2017). Trotz aller Erfolge von somalischer Armee und AMISOM ist die Sicherheitslage in vielen Teilen Somalias nicht stabil genug, um die Aufnahme von Rückkehrern zu gewährleisten (UNHRC 28.10.2015). Andererseits sind nach Somalia Rückgeführte nicht per se einem höheren Risiko ausgesetzt. Diese Feststellung wird durch fehlende negative Meldungen bezüglich der zahlreichen aus Saudi-Arabien deportierten Personen unterstützt (UKUT 3.10.2014). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskräften; zu Behörden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) nach einer längeren Abwesenheit bei einer Rückkehr nach Mogadischu aufgrund der Tatsache, dass er in einem europäischen Land gelebt hat, keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gemäß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen würde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015).

 

Menschenrechtsorganisationen mahnen die prekäre Situation der Rückkehrer in Somalia an (AA 1.1.2017). Obwohl der UNHCR bei der Rückführung aus Kenia eine große Rolle spielt, mahnt die gleiche Organisation angesichts der von ihr bewerteten Sicherheitslage davor, Personen in Gebiete in Süd-/Zentralsomalia zurückzuschicken.

Genannt werden: eine nicht-existente Infrastruktur; mangelnde Einrichtungen für somalische Rückkehrer; die weiterhin schwierige Sicherheitslage; die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen und Kinder; sowie die Spannungen mit der lokalen Bevölkerung im Kontext eines allgemeinen Ressourcenmangel, die eine Massenrückkehr aus den Nachbarländern auslösen kann. Somalia scheint auf eine Rückkehr von Flüchtlingen in größerem Ausmaß nicht vorbereitet zu sein (ÖB 9.2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (AA 1.1.2017). Es kann aber insgesamt davon ausgegangen werden, dass sich ein erheblicher Teil der Rückkehrer als IDPs wiederfinden wird bzw. andere Flucht-/Migrationsrouten aufgesucht werden. Es kommt auch zur Re-Migration von Rückkehrern nach Kenia (ÖB 9.2016). Abschiebungen nach Somalia sollten laut UN ausschließlich nach Konsultierung der Bundesregierung und nach Abwägung der in Somalia vorhandenen Ressourcen stattfinden (UNHRC 6.9.2017). Das Rückkehrprogramm (Kenia) nach Kismayo musste Mitte 2016 für mehrere Monate ausgesetzt werden, da Jubaland nicht in der Lage war, zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen (DIS 3.2017). In manchen Regionen könnte die großflächige Ansiedlung von Rückkehrern zu Spannungen führen - etwa hinsichtlich von Landbesitz, Rechten und Demographie. Dies gilt insbesondere jetzt, wo viele ländliche Herkunftsgebiete von Rückkehrern noch von al Shabaab kontrolliert werden und die Rückkehrer daher auf urbane Ballungszentren ausweichen (DDG 24.10.2017).

 

Allein die Tatsache, dass eine Person nach Somalia zurückkehrt, macht diese nicht zum Ziel - auch nicht für die al Shabaab (NLMBZ 11.2017). Rückkehrern in Gebiete der al Shabaab könnte vorgeworfen werden, als Spione zu dienen (BFA 8.2017). Rückkehrer aus Kenia werden von al Shabaab normalerweise nicht angegriffen (BFA 3./4.2017). Ob ein Rückkehrer zum Ziel der al Shabaab wird, hängt maßgeblich von seinem eigenen Verhalten ab. Die al Shabaab wird ihr bekannte Rückkehrer genauer beobachten. Ein Neuankömmling läuft auch eher Gefahr, an einem Checkpoint angehalten und verhört zu werden. Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017). Andererseits kann es auch vorkommen, dass Rückkehrer von Regierungskräften verdächtigt werden, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen von im Westen radikalisierten Somali der Diaspora gekommen ist. Auch Rückkehrer aus dem Jemen werden in Mogadischu teilweise als "high-risk" angesehen (BFA 3./4.2017).

 

Aus Europa führen folgende Länder Abschiebungen durch:

Großbritannien grundsätzlich; die Niederlande, Dänemark und Norwegen unterstützen freiwillige Rückkehrer; die Niederlande und Dänemark nur nach Somaliland, Norwegen auch in andere Landesteile; Finnland kann in Ausnahmefällen verurteilte Straftäter nach Somaliland zurückführen, Schweden nach Somaliland und Puntland (AA 1.1.2017). Auch aus den Vereinigten Staaten werden Somali abgeschoben (UNHRC 6.9.2017). Im Zeitraum 10.2015-10.2016 sollen es ca. 200 Personen gewesen sein, im Zeitraum 10.2016-6.2017 bereits knapp 520 (ST 4.6.2017). Aus Österreich sind bisher nur Operationen zur freiwilligen Rückkehr (nach Somaliland) bekannt (BFA 3./4.2017). Seit 2015 betreut IOM ein Programm für freiwillige Rückkehrer aus den Niederlanden nach Mogadischu, Baidoa und Kismayo. Die meisten Rückkehrer gehen nach Mogadischu, wo die meisten Hilfsorganisationen beheimatet sind, wo der Wiederaufbau für Arbeitsplätze sorgt, wo der Lebensstandard besser und die Clan-Diversität größer ist (NLMBZ 11.2017).

 

Ein westeuropäisches Land erklärt, über ein Sonderabkommen mit der somalischen Bundesregierung zu Verfügen. Rückzuführende Personen werden mit einem Laissez-Passer ausgestattet und nach Mogadischu geflogen. Dies gilt auch für jene Personen, die aus Somaliland stammen - diesen wird ein Weiterflug nach Hargeysa finanziert (BFA 3./4.2017).

 

Seit dem Jahr 2013 kommt es auch zu massiven Deportationen aus Saudi-Arabien. Seit damals sind ca. 85.000 Menschen nach Somalia zurückgebracht worden. Viele dieser zwangsweise Rückgeschobenen wurden bei ihrer Rückkehr zu IDPs, da sie nicht in ihre eigentliche Heimat zurückkehren konnten (USDOS 3.3.2017).

 

Einen geordneten Direktflugverkehr nach Mogadischu aus Europa gibt es bislang nur aus Istanbul mit Turkish Airlines. Darüber hinaus fliegen nur regionale Fluglinien, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und private Chartermaschinen Mogadischu aus Nairobi regelmäßig an. Die Abfertigung der Flüge von Turkish Airlines findet in der zentralen Abfertigungshalle des Flughafens statt. Der Aufenthalt oder die Passage durch diese Abfertigungshalle wird aus Sicherheitsgründen dem gesamten in Mogadischu tätigen oder dorthin reisenden Personal von UN, EU und infolgedessen auch den meisten Botschaftsvertretern untersagt. Das muss im Hinblick auf eine etwaige Rückführung begleitende Beamte in Betracht gezogen werden (AA 1.1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Zum Verfahrensgang

 

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

 

3.2. Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

 

1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

 

2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und zur Religionszugehörigkeit, der Herkunft des BF und seiner Familie, den Aufenthaltsorten seiner Familienmitglieder und zu den Lebensumständen des BF und seiner Familie stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren vor dem BFA sowie seinen Sprachkenntnissen.

 

Die Feststellung, dass die Kernfamilie des BF nach wie vor in Kismayo lebt, beruht zunächst auf den Angaben des BF. Die Familie habe in guten finanziellen Verhältnissen bis zu seiner Ausreise in Kismayo gelebt. Da das Fluchtvorbringen des BF unglaubhaft war und die Familie auch trotz der angeblichen Bedrohung des BF nie Probleme gehabt habe, ist kein Grund erkennbar, weshalb die Familie ihre Heimat verlassen haben sollte. Einen solchen führt der BF auch nicht explizit an. Dass er nicht wisse, ob die Familie nach wie vor dort lebe, ist rein spekulativ. Der BF gab an, er habe die Nummer seiner Familie auf einen Zettel geschrieben, den er bei der Reise nach Europa verloren habe. Dass er versucht habe, Kontakt herzustellen, wurde vom BF nicht näher präzisiert oder belegt (etwa durch eine Anfrage an das Rote Kreuz oder ähnliches). Überdies hat der BF laut eigene Angaben noch weitere Verwandte in und um Kismayo.

 

Die Feststellungen zur Schulausbildung und - nicht erforderlichen - Erwerbstätigkeit des BF stützen sich seine eigenen unbestrittenen Angaben. Dass der BF aufgrund seiner Clanzugehörigkeit frühzeitig aus der Schule geworfen worden sei, ist nicht anzunehmen, da bereits die Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal unglaubhaft war und aus den Länderfeststellungen nicht erkennbar ist, das Sheikhal in Südsomalia diskriminiert würden.

 

Der BF gab in der Beschwerdeverhandlung an, gesund zu sein.

 

Die Feststellung zu seiner Ausreise stützen sich auf die Angaben des BF im Verfahren.

 

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen und den Integrationsbemühungen sowie zur seiner persönlichen Situation im Bundesgebiet stützen sich auf die im Verfahren vorgelegten Bestätigungen und auf die Angaben des BF.

 

3. Das Vorbringen des BF zur drohenden Verfolgung in Somalia, das sich aus seinen Angaben im Verfahren ergibt, wurde aus folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft erachtet:

 

Der BF brachte im Rahmen der Erstbefragung zum Grund seiner Ausreise (Fluchtgrund) vor, von einer anderen Volksgruppe (Al Shabaab) bedroht zu werden. Erst in der Befragung vor dem BFA fügt der BF hinzu, dass er von der Familie seiner Frau verfolgt werde, da diese aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Stamm der Sheikhal mit einer Heirat nicht einverstanden gewesen seien. Die Familie der Frau gehöre zum Stamm der Ogaden, der in Kismayo an der Macht sei. Tatsächlich ist der BF nicht in der Lage, nähere Angaben zum Stamm der Sheikhal zu machen, außer, dass dies ein unbewaffneter Minderheitenstamm sei. Auch auf Nachfragen seiner Vertretung konnte der BF nicht einmal den die Sheikhal unterstützenden Clan nennen. Sollte er tatsächlich als Zugehöriger zu einem Minderheitenstamm jemals Verfolgung oder massiver Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sein, wäre zu erwarten, dass er seinen Stamm und die Abgrenzung zu anderen Stämmen zumindest grob definieren kann, insbesondere, da der BF nicht ungebildet ist und aus einer relativ wohlhabenden Familie kommt, was letztlich ebenfalls gegen eine Diskriminierung in größerem Ausmaß spricht. Da der BF somit weder glaubhaft darlegen konnte, was ihn zu einem Angehörigen einer diskriminierten Minderheit macht noch welche Auswirkungen dies im Konkreten auf sein Leben hatte, ist nicht von einer Zugehörigkeit des BF zu einem Minderheitenstamm auszugehen.

 

In Folge kann daher auch nicht von einer Verfolgung des BF aufgrund einer Interclanehe ausgegangen werden. Dazu kommt, dass der BF letztlich euch keine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft machen kann. Die Familie der Frau habe diese durch zehn bewaffnete Männer nach einem halben Jahr "zurückgeholt", obwohl sie bei einem Onkel außerhalb Kismayos gelebt hätten und somit nicht allzu schwer zu finden gewesen sein dürften, und gedroht, man werde ihn töten, wenn man ihn sehe. Da er zu dieser Zeit lediglich "zufällig draußen gewesen sei" und kein Versuch unternommen wurde, seiner habhaft zu werden, ist eine besonders intensive Verfolgung nicht zu erkennen.

 

Eine konkrete Verfolgung der Person des BF durch die Al Shabaab ist ebenso wenig erkennbar. Diese hätten nach seiner Schilderung seinen Onkel und dessen Sohn mitgenommen, da sie Kämpfer gebraucht hätten. Den BF, der wieder zufällig nicht im Haus, sondern im Stall gewesen sei, hätten sie nicht mitgenommen. Eine gezielte Verfolgung des BF ist somit nicht gegeben, die Al Shabaab hat - Glaubhaftigkeit vorausgesetzt - offensichtlich nicht einmal nach ihm gesucht. Auch würde der BF keine high profile Person darstellen, sodass zu befürchten wäre, er könne nachträglich aufgrund seiner Lebensumstände in das Visier der Al Shabaab geraten.

 

Vor dem Hintergrund der dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten des vagen Vorbringen des BF ist festzuhalten, dass das Fluchtvorbringen des BF vom erkennenden Gericht für nicht glaubhaft erachtet wird. Insbesondere hat es sich als nicht glaubhaft erwiesen, dass der BF einer wie immer gearteten individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder einer solchen im Falle seiner Rückkehr nach Somalia ausgesetzt wäre. Diese Beurteilung entspricht dem vom BF in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlich unglaubwürdigen Eindruck. Dass der BF bei seiner Flucht nach eigenen Angaben erst 17 Jahre alt gewesen sei, sollte ihn nach objektiven Maßstäben nicht daran hindern, einen recht einfachen Sachverhalt zumindest aus seiner persönlichen Sicht detailliert zu schildern, insbesondere, da ihn dieses Geschehen zu einer Flucht aus seinem Heimatland bewegt haben soll und - sollte es real sein - auch geeignet wäre, einen tiefen Eindruck bei einer betroffenen Person zu hinterlassen. Im Übrigen wäre der BF kein Kind mehr gewesen, sondern stand kurz vor seiner Volljährigkeit.

 

Eine Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit führte der BF nicht an. Ebenso wenig führte er eine allgemeine Verfolgung aufgrund seiner angeblichen Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal an. Eine solche wäre (Glaubhaftigkeit vorausgesetzt) aus den Länderfeststellungen auch nicht zu entnehmen. So werden die Sheikhal traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Herkunftsstadt des BF wird hinsichtlich der Clan-Dimension als kosmopolitisch bezeichnet (BFA 8.2017).

 

4. Zur Rückkehrsituation:

 

Die Feststellung, dass der BF gesund und arbeitsfähig ist, konnte aufgrund der Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung getroffen werden. Zweifel an der grundsätzlichen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des BF sind im Übrigen während des gesamten Verfahrens nicht aufgetaucht.

 

Der BF ist in Kismayo aufgewachsen, hat dort die Schule besucht. Aufgrund der Arbeit seines Vaters und der angeblich guten finanziellen Lage der Familie war er nicht genötigt, selbst zu arbeiten. Seine Eltern und Geschwister, seine Ehefrau, sein Sohn sowie Tanten und Onkel halten sich um und in Kismayo auf. Seine Familie besitzt ein eigenes Haus und Vieh. Wie bereits festgehalten besteht kein Grund zur Annahme, dass sich seine Familie nicht mehr an ihrer Heimatadresse aufhält. Ebenso wenig besteht ein Grund für die Annahme, dass ihn die Familie, die ihn und seine eigene Familie bisher versorgt hat, nicht wieder versorgen würde, bis der BF in der Lage oder willens ist, selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, hat sich die Versorgungslage in Südsomalia drastische gebessert, die Familie des BF war nach seinen Angaben ohnehin nicht von der Land- oder Viehwirtschaft abhängig.

 

Der Stadt Kismayo und damit der JIA wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der JIA ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017), die Sicherheitslage hat sich seit der Eroberung wesentlich verbessert. Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Hinsichtlich der Clan-Dimension gilt die Stadt als kosmopolitisch (BFA 8.2017). Neben Kismayo sind ca. 1.700 Soldaten der AMISOM stationiert. Von Mogadischu gibt es Flüge nach Baidoa, Belet Weyne und Kismayo (LI 4.4.2016). Auch Überlandreisen sind möglich, wenn auch nicht ganz ungefährlich. Solange man den von al Shabaab (einmalig) geforderten Wegzoll entrichtet, sind Reisen in Gebiete unter Kontrolle der Gruppe kein Problem. Generell gestaltet sich die "Einreise" in solche Gebiete einfacher, als die "Ausreise" (BFA 3./4.2017). Die meisten Orte in Südsomalia können dennoch erreicht werden (LI 4.4.2016). Alleine die Tatsache, dass eine Person aus dem Westen zurückgekehrt ist, spielt bei einer Rückkehr in das Gebiet der al Shabaab keine Rolle. Viel wichtiger sind die Zugehörigkeit zu Familie und Clan und die Beziehungen dieser beiden Entitäten zur al Shabaab (DIS 3.2017).

 

Für eine existenzielle Gefährdung des BF bestehen sohin Hinweise. Der BF verfügt über eine Schulbildung und familiären Rückhalt. Folglich kann der erwerbsfähige BF auch nach Rückkehr nach Somalia eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso er in seiner Heimatstadt nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz zu sichern und Unterkunft zu finden.

 

Es ist zudem notorisch, dass der BF bei freiwilliger Rückkehr nach negativem Verfahrensausgang Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann.

 

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des BF nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Somalia in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

 

5. Zu den Länderfeststellungen:

 

Die Feststellungen zur Lage in Somalia ergeben sich aus den zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität dieser Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Das den getroffenen Feststellungen zugrundeliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt.

 

Der BF hat zu den in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ins Verfahren eingeführten Länderberichten keine Stellungnahme abgegeben. Es haben sich seit der Verhandlung vor dem BVwG - mit Ausnahme der Verbesserung der Versorgungslage - keine fallrelevanten Änderungen ergeben. Da der BF aus einer gut situierten Familie kommt und zu dieser zurückkehren kann, sind auch diese nur von begrenzter Bedeutung.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (Art. 2 FNG) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 (in der Folge: BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

 

2. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

3. Da der Bescheid des BFA am 04.11.2017 erlassen wurde und die Beschwerde am 30.11.2017 beim BFA eingebracht wurde, ist diese jedenfalls rechtzeitig.

 

Zu Spruchteil A)

 

III.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

 

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

2. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass eine Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen landesweit verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

 

3.1. Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

 

3.2. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom BF nicht glaubhaft gemacht und auch sonst nicht festgestellt werden. Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380). Wie in der Beweiswürdigung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubhaftigkeit des BF in Bezug auf seine Fluchtgründe aus einer Gesamtschau seiner Angaben im Verfahren.

 

Eine Verfolgungsgefahr ist zudem nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132). Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der BF in Zusammenhang mit dem Verschwinden seines Vaters oder aufgrund individueller Merkmale Verfolgung droht, hat sich nicht ergeben.

 

3.3. Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

 

Die allgemeine Lage in Somalia ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste und wurde Derartiges seitens der BF auch nicht behauptet.

 

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Somalia lässt sich für den BF eine Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614).

 

4. Da es dem BF nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

III.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

 

1. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 21.02.2017, Ro 2017/18/005). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). - 117 -

 

2. Aus den Feststellungen zur Person des BFs in Zusammenschau mit den aktuellen spezifischen Länderfeststellungen zu Somalia ergeben sich keine konkreten Hindernisse betreffend die sofortige Rückverbringung des BFs in seinem Herkunftsstaat:

 

Im Falle einer Rückkehr in seine Heimatstadt Kismayo bestünden für den BF familiäre Anknüpfungspunkte. Vor dem Hintergrund der Clanzugehörigkeit des BF (so war nicht davon auszugehen, dass der BF einem Minderheitenclan angehört) und der verbesserten Versorgungs- und Sicherheitslage im gesamten Land, wird sich der BF - ein junger, gesunder, arbeitsfähige Mann, der die Schule besuchte und die Sprache spricht - in die Gesellschaft jedenfalls wiedereingliedern.

 

Wie beweiswürdigend ausführlich erläutert wäre der BF in der Lage, in Somalia das Auslangen zu finden, zumal er für den Fall einer Rückkehr nicht auf sich alleine gestellt wäre, sondern auch auf familiären Rückhalt zurückgreifen können wird. So lebte er auch vor seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern finanziell abgesichert und verfügt über jenes soziale Netz, das notwendig wäre, einem Rückkehrer nach einigen Jahren Abwesenheit den erforderlichen Rückhalt beim Aufbau einer Existenzgrundlage zu gewähren.

 

Es kann unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen nicht festgestellt werden, dass in Somalia eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage beziehungsweise eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat als unrechtmäßig erscheinen ließe. Es ist daher auf Grund der Länderfeststellungen und entgegen der Behauptung in der Beschwerde nicht davon auszugehen, dass dem gesunden BF im Falle einer Rückkehr eine extrem schlechte wirtschaftliche Lage und "exzeptionelle Umstände" wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen würden.

 

Es kann im Hinblick auf die allgemeine Situation in Somalia und in Zusammenschau mit den persönlichen Verhältnissen des BF jedenfalls ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Dem BF war nach der aktuellen Gesetzeslage der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu gewähren.

 

3. Auch hatte der EuGH in seinem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien, C-542/13 , klargestellt, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht automatisch zur Gewährung des Status von subsidiärem Schutz nach Art 15 der Status-Richtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) führt. Konkret führt er in Rz 40 aus: "Der Umstand, dass ein an einer schweren Krankheit leidender Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in absoluten Ausnahmefällen nicht in ein Land abgeschoben werden kann, in dem keine angemessene Behandlung vorhanden ist, bedeutet deswegen aber nicht, dass es ihm erlaubt werden muss, sich auf der Grundlage des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten." Subsidiärer Schutz nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten verursacht werden muss und nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist. Zugleich hielt der EuGH in dieser Entscheidung auch fest, dass es unionsrechtlich unzulässig sei, den in der Statusrichtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen.

 

Die in dem Urteil vom 18.12.2014, M¿Bodj/Belgien vom EuGH entwickelten Grundsätze wurden im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 aufgenommen und festgestellt, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH umgesetzt habe.

 

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspräche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

 

Zur Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts hat der EuGH zuletzt in der Rechtssache C-384/17 vom 04.10.2018 (Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic M&N gegen Budapest Rendorfokapitanya) festgelegt, dass von Gerichten alles zu tun sei, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wobei dies seine Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen finde und nicht als Grundlage einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen dürfe. Wenn eine konforme Auslegung nicht möglich sei, sei das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es notfalls jede Bestimmung unangewendet lasse, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führe.

 

Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist daher auch nach den Kriterien des Art. 15 der Statusrichtlinie zu prüfen.

 

Artikel 15 der Statusrichtlinie, der die Voraussetzung für die Vergabe des Status eines subsidiär Schutzberechtigten festlegt, lautet:

 

Als ernsthafter Schaden gilt

 

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

 

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

 

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

 

Im gegenständlichen Fall ist der BF weder durch die Todesstrafe noch durch einen bewaffneten Konflikt bedroht. In Somalia herrscht - abgesehen von der angespannten Sicherheitslage - kein Bürgerkrieg und keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit des BFs infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes. Art 15 lit. a bzw. c der Statusrichtlinie sind nicht erfüllt.

 

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH, der für die Auslegung des Unionsrechts zuständig ist, ist es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie erforderlich, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht wird. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzungen von Art. 3 EMRK.

 

Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status der Asylberechtigten festgestellt wurde, ist nicht glaubhaft, dass der BF von Akteuren (konkret: Al-Shabaab, Familienangehörige) bedroht wäre beziehungsweise ihm, wie den Länderberichten zu entnehmen ist, staatlicher Schutz vorsätzlich vorenthalten wäre. Eine Gefahr einer Art. 3 EMRK Verletzung durch das konkrete Handeln (auch im Sinne von Unterlassungshandlungen) dritter Personen kann daher gegenständlich nicht festgestellt werden.

 

Folglich war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

IV. Zur Rückkehrentscheidung

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der BF befindet sich seit Oktober 2015 Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist als Staatsangehörige von Somalia kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Der BF hat keine Verwandten oder sonstigen Angehörigen im Bundesgebiet. Mangels familienbezuges zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich bildet die Ausweisung somit keinen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Schutz des Familienlebens.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Die Dauer des Aufenthaltes des BF seit seiner Einreise in das Bundesgebiet im Oktober 2015 ist als nicht überdurchschnittlich lang zu bezeichnen und wird weiters dadurch relativiert, dass die Einreise illegal und der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem BF, obzwar er sich seit nunmehr dreieinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhält, jedenfalls bewusst gewesen sein.

 

Zu Gunsten des BFs war zu bewerten, dass er sich Deutschkenntnisse angeeignet hat und sich auf einem ausbaufähigem Deutsch verständigen kann. Auch besuchte er einen Vorbereitungskurs auf den Pflichtschulabschluss, legte danach aber keine weiteren Unterlagen vor. Jedoch lebt er von Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sonstige ausgeprägte private oder persönliche Interessen hat der BF im Verfahren auch nicht dargetan.

 

Die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens in Österreich ist insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der BF seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben.

 

Schließlich ist im Hinblick auf den Umstand, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, der BF die Schule in Somalia besuchte und gemeinsam mit seiner Familie finanziell abgesichert lebte, davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal davon auszugehen ist, dass seine Familie (inklusive seiner Frau und seinem Sohn) noch dort ist, zu denen er - wie beweiswürdigend ausgeführt - den Kontakt jedenfalls wiederherstellen kann. Auch leben andere weitschichtige Verwandte in Somalia in der Nähe der Heimatstadt des BF. Schließlich beherrscht der BF seine Muttersprache Somalisch in Wort und Schrift.

 

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Darüber hinaus würde dies dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete beziehungsweise rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit beziehungsweise Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen, beziehungsweise nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

 

Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt auch keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des BFs an einem Verbleib im Bundesgebiet nur wenig Gewicht haben und daher gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.

 

Zur Zulässigkeit der Abschiebung des BF:

 

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz (FPG) festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Somalia zulässig sei.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH, 24.05.2016, Ra 2016/21/0101 oder 04.08.2016, Ra 2016/21/0209), wonach die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in der Regel zu unterbleiben hat, auf die frühere Rechtslage (vor der Änderung des § 52 Abs. 9 FPG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017) bezog.

 

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

§ 50 FPG lautet:

 

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hatte in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062). Diese Judikatur kann aber wohl nur in Zusammenhang mit der bisherigen (am Wortlaut des Gesetzes orientierten) Auslegung des § 8 Abs. 1 AsylG aufrechterhalten werden, wonach der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde (wodurch derselbe Prüfumfang wie bei der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 50 FPG festgelegt war). Wie oben dargelegt wurde, wurde aber vom EuGH klargestellt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger aufgrund des Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, eben nicht automatisch bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Aus Sicht der erkennenden Richterin ist daher eine unterschiedliche Beurteilung der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG und der Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz entgegen der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes möglich bzw. notwendig geworden.

 

Das BvWG geht daher davon aus, dass Umstände, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, aber für eine Zuerkennung von subsidiären Schutz nicht in Betracht kommen (zu dieser Unterscheidung siehe VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106), im Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zu berücksichtigen sind.

 

Gegenständlich war daher zu klären, ob ein Fall des § 50 Abs. 1 FPG gegeben ist - ob also im Falle der Rückführung des BFs nach Somalia Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würden bzw. eine reale Gefahr einer solchen Verletzung besteht oder die Rückführung für den BF als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Wie bereits ausgeführt wurde, ist der BF weder durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts, noch durch die Todesstrafe bedroht.

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Der EGMR geht allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

So hat der EGMR im Fall Paposhvili v. Belgium (no. 41738/10) vom 20.04.2015 weitere grundsätzliche Ausführungen zu diesem Thema getätigt:

 

"(183) Die "anderen sehr außergewöhnlichen Fälle" im Sinne des Urteils N./GB, die eine Angelegenheit unter Art. 3 EMRK aufwerfen können, sollten nach Ansicht des GH so verstanden werden, dass sie sich auf die Ausweisung einer schwer kranken Person betreffende Situationen beziehen, in denen stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass sie, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder des fehlenden Zugangs zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Der GH betont, dass diese Situationen einer hohen Schwelle für die Anwendung von Art. 3 EMRK in Fällen entsprechen, welche die Ausweisung von an einer schweren Erkrankung leidenden Fremden betreffen. Gemäß Art. 1 EMRK liegt die primäre Verantwortung für die Umsetzung der garantierten Rechte und Freiheiten bei den nationalen Behörden, die daher vom Standpunkt des Art. 3 EMRK die Ängste der Bf. beurteilen und die Risiken einschätzen müssen, denen diese im Fall der Abschiebung in den Empfangsstaat ausgesetzt wären."

 

Ergänzend wurde vom EuGH im Urteil vom 24. 04. 2018, in der Rs C-353/16 , MP festgehalten, dass Art. 4 und Art. 19 Abs. 2 GRC der Ausweisung entgegenstehen würden, wenn diese Ausweisung dazu führen würde, dass sich die psychischen Störungen, an denen der Drittstaatsangehörige im damaligen Ausgangsfall litt, erheblich und unumkehrbar verschlimmern. Dies gelte in besonderem Maße, wenn die Verschlimmerung sogar sein Überleben gefährden würde, so der EuGH. In solchen Ausnahmefällen würde die Ausweisung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind, gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Art. 3 EMRK könnte daher einer Rückkehr entgegenstehen.

 

Im gegenständlich Fall liegen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat eine Verletzung der Rechte des BF gemäß Art. 3 EMRK darstellen würde. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass der junge, gesunde und arbeitsfähige BF, der auch vor seiner Ausreise abgesichert lebte und überdies auch über Familienangehörige in Somalia verfügt, auch in der Lage sein wird, für die Sicherung seiner grundlegendsten Bedürfnisse (Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung) zu sorgen. Auch genoss der BF eine Bildung indem er mehrere Jahre die Schule besuchte und er beherrscht seine Muttersprache Somalisch in Wort und Schrift. Er lebte auch vor seiner Ausreise finanziell abgesichert im Familienverband. Somit ist anzunehmen, dass der BF sowohl über die erforderlichen in seiner Person gelegenen Eigenschaften, als auch über jenes soziale Netz in Somalia verfügt, die insgesamt notwendig wären, einem Rückkehrer nach einigen Jahren Abwesenheit die erforderlichen Voraussetzungen und den erforderlichen Rückhalt beim Aufbau einer Existenzgrundlage zu gewähren.

 

Dem gesunden BF drohen im Falle einer Rückkehr somit keine extrem schlechte wirtschaftliche Lage und "exzeptionelle Umstände", wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens. Es ist somit nicht zu erwarten, dass seine Versorgungssituation derart beeinträchtigt wäre, dass eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte eintreffen würde.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liegt für Somalia nicht vor, weshalb die Abschiebung des BF nach Somalia zulässig ist.

 

Zur Frist für die freiwillige Ausreise:

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich das BVwG auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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