BVwG W125 2016996-2

BVwGW125 2016996-212.12.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W125.2016996.2.00

 

Spruch:

W125 2016996-2/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Dr. XXXX , Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.8.2017, Zahl 429735403-140204876, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 Z 2 FPG, § 52 Abs 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, stellte am 24.11.2014 den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.1. Zuvor hatte der Beschwerdeführer am 14.6.2007 bereits von Indien aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem NAG gestellt.

 

Dieser wurde zunächst mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien (Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien) vom 27.11.2008 gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer, indem er unter Verwendung falscher Einkommensbestätigungen als Beweismittel versucht habe, eine Niederlassungsbewilligung erteilt zu bekommen, einen schwerwiegenden Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen begangen habe und daher davon auszugehen sei, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung führte.

 

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 21.4.2010 gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 47 Abs 2 iVm 2 Abs 1 Z 9, 47 Abs 3 Z 3 NAG, 19 Abs 2 iVm 29 Abs 1, 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1, 11 Abs 2 Z 2, 11 Abs 2 Z 3, 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG rechtskräftig abgewiesen. Begründend wurde insbesondere festgehalten, dass der Beschwerdeführer durch seine Absicht, der Behörde eine ausreichende Bonität seines Vaters vorzutäuschen, den Tatbestand des § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG verwirklicht habe, wonach einem Fremden ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden dürfte, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreite. Abgesehen davon bestünden nur scheinbar familiäre Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich, zumal er in der Vergangenheit und gegenwärtig, anders als sein Vater, in seinem Herkunftsstaat gelebt habe und seinen eigenen Angaben zufolge bereits seit etwa 1993 kein Privat- oder Familienleben mit dem seit etwa 1997 in Österreich lebenden Vater geführt worden sei. Es könne insofern nicht von dem Erfordernis der Aufrechterhaltung seines Privat- oder Familienlebens gesprochen werden.

 

1.2. Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 24.11.2014 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST am 26.11.2014 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt vor, dass es im Jahr 2011 einen Grundstücksstreit zwischen seiner Familie und jener seines Onkels gegeben habe. Aufgrund dessen sei der Beschwerdeführer von seinem Onkel zweimal geschlagen worden. Deshalb habe der Beschwerdeführer anschließend in einer anderen Stadt gelebt, in welcher er gemeinsam mit Freunden ein Fitnesszentrum besucht habe. Dort habe es dann einen Streit zwischen den Freunden des Beschwerdeführers und einer Gruppe aus einem anderen Fitnesszentrum gegeben, bei dem ein Freund des Beschwerdeführers "totgeschlagen" worden sei. Da der Beschwerdeführer anschließend auch von dieser Gruppe mit dem Tod bedroht worden sei, habe seine Familie beschlossen, dass er das Land verlassen solle.

 

Zu seinen persönlichen Lebensverhältnissen gab er an, zuletzt im Bezirk XXXX Punjab in Indien gelebt zu haben und dort als Landwirt tätig gewesen zu sein. Im Heimatland befänden sich nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers.

 

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 5.12.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen.

 

Zunächst auf seinen Gesundheitszustand angesprochen, führte der Beschwerdeführer aus, gesund zu sein und derzeit weder in ärztlicher Behandlung zu stehen, noch Medikamente einzunehmen.

 

Der Beschwerdeführer brachte auf entsprechende Nachfrage vor, der Volksgruppe der Kumihar anzugehören und der Religion der Sikh zugehörig zu sein. Er stamme aus dem Bezirk XXXX , sei ledig und habe keine Kinder.

 

In Österreich befinde sich der Beschwerdeführer seit Ende November 2014. Sein indischer Reisepass, der ihm unmittelbar vor seiner Ausreise von der zuständigen Behörde in XXXX ausgestellt worden sei, sei dem Beschwerdeführer in Österreich vom Schlepper abgenommen worden.

 

Im Heimatland habe er von 1998 bis 2009 die Grundschule in XXXX besucht und habe vor seiner Ausreise zuletzt, wie sein Vater, als Tagelöhner gearbeitet. Der Vater des Beschwerdeführers sei Landwirt und besitze eine Landwirtschaft in der Größe von sechs Kila, auf der Getreide und auch Zuckerrohr angebaut werde. Sie würden damit auch den Großmarkt beliefern.

 

Die Mutter des Beschwerdeführers sei Hausfrau und lebe gemeinsam mit seinem Vater in XXXX . Der Beschwerdeführer habe außerdem eine 25-jährige Schwester, die noch ledig sei. Darüber hinaus seien noch mehrere Onkel des Beschwerdeführers und deren Familien im Heimatland aufhältig.

 

Nachgefragt, wann der Beschwerdeführer zum ersten Mal daran gedacht habe, sein Heimatland zu verlassen, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er diesen Gedanken schon vor längerem gehabt habe, weil seine Schwester in einem heiratsfähigen Alter sei und seine Familie Geld gebraucht habe. Tatsächlich habe er sein Heimatland dann im Juni 2014 verlassen. Er sei bis zu seiner Ausreise an seiner Heimatadresse aufhältig gewesen. Auf die Frage, weshalb er nach Österreich gereist sei, führte der Beschwerdeführer aus, zu hoffen, hier Arbeit zu finden.

 

Dazu aufgefordert, chronologisch und lückenlos die Aufenthaltsorte der letzten drei Jahre in seinem Heimatland anzugeben, brachte der Beschwerdeführer vor, immer im Dorf XXXX Bezirk XXXX aufhältig gewesen zu sein.

 

Dazu aufgefordert, die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, dass er hier sei, weil seine Familie Geld brauche, um seine Schwester verheiraten zu können. Damit konfrontiert, dass er im Rahmen der Erstbefragung von einem Grundstücksstreit gesprochen habe, heute jedoch wirtschaftliche Gründe ins Treffen führe, gab der Beschwerdeführer an, damals nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Es habe in der Vergangenheit schon Streitigkeiten gegeben, jedoch hätten diese im Jahr 2011 stattgefunden und hätten in Wahrheit mit dem Beschwerdeführer nichts zu tun.

 

Die Frage, ob es noch andere Gründe gebe, warum er sein Heimatland verlassen habe, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, hier keine Familienangehörigen zu haben. Er besuche keine Kurse, sei nicht in Vereinen tätig und arbeite auch nicht.

 

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.12.2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 24.11.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), diesem gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurden einer Beschwerde gegen die Entscheidung gemäß § 18 Abs 1 Z 4 die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Begründend wurde durch das Bundesamt im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ausschließlich wirtschaftliche Gründe geltend gemacht habe. Im Falle des Beschwerdeführers seien im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Indien in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde. Da sich der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt erst seit wenigen Wochen in Österreich aufhalte, seien zum Entscheidungszeitpunkt auch keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten und dauernden Integration hervorgekommen.

 

4. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des Rechtsvertreters vom 23.12.2014, mit der diese Entscheidung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten wurde.

 

Begründend wurde unter anderem festgehalten, dass die Feststellungen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer in Österreich keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte habe, völlig unrichtig seien. So lebe der leibliche Vater des Beschwerdeführers, ebenso wie dessen Ehefrau, in Österreich, konkret XXXX . Der Vater des Beschwerdeführers habe bereits seit XXXX die österreichische Staatsangehörigkeit und seine Ehefrau verfüge über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung als Familienangehörige.

 

Weiters lebe ein Onkel des Beschwerdeführers in XXXX und sei darüber hinaus ein Bruder des Beschwerdeführers in XXXX aufhältig.

 

Der Beschwerdeführer legte mehrere Urkunden (in Kopie) betreffend seine Familienangehörigen vor.

 

5. Mit Beschluss der seinerzeit zuständigen Gerichtsabteilung W188 des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.1.2015 wurde jener Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde der angefochtene Bescheid betreffend die Spruchpunkte II. und III. gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VWGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

 

5.1. Während das Vorliegen asylrelevanter Fluchtgründe hinsichtlich des bestätigenden Ausspruchs nach Spruchpunkt I verneint wurde, findet sich zu Spruchpunkten II und III begründend insbesondere ausgeführt, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers neben der Prüfung seiner persönlichen Lebensumstände vor allem zu klären gewesen wäre, wo sich seine Familie nun aufhalte. Der belangten Behörde sei vorzuwerfen, dass sich diese nicht in ausreichender Weise mit dem Familienleben des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, obwohl diese über Informationen betreffend die Beantragung eines Aufenthaltstitels durch den Beschwerdeführer im Jahr 2007 Kenntnis gehabt haben müsse.

 

6. Am 4.4.2017 erfolgte im sodann durch die Verwaltungsbehörde fortgesetzten Verfahren eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer brachte eingangs zu seinem Gesundheitszustand befragt vor, gesund zu sein und nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen.

 

Dazu aufgefordert, chronologisch alle Adressen, an denen er bis zu seiner Ausreise aus dem Heimatland aufhältig gewesen sei, anzuführen, brachte der Beschwerdeführer vor, von seiner Geburt bis zum Jahr 2005 in seinem Heimatdorf in XXXX gelebt zu haben. Von 2005 bis 2014 habe er in Batala gelebt und von 2008 bis 2014 in XXXX studiert. Nachgefragt, wie er zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten gewohnt haben könne und zwar von 2008 bis 2014, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Eltern nicht mehr im Dorf wohnen würden, sondern nunmehr in XXXX aufhältig seien. Der Beschwerdeführer habe in Chandigarh gewohnt, sei jedoch manchmal nach Hause nach XXXX gefahren.

 

Befragt, welcher Beschäftigung seine Eltern nachgehen, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater seit 2001 in Österreich lebe. Seine Mutter befände sich seit 2010 im Bundesgebiet. Konkret seien sie an einer im Akt näher bezeichneten Adresse XXXX aufhältig. Der Vater des Beschwerdeführers sei Marktfahrer, seine Mutter sei Hausfrau. Der Beschwerdeführer habe keinen regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern, treffe diese aber ab und zu. Darüber hinaus habe er auch einen Bruder in Österreich. Dieser sei zwischen 12 und 13 Jahren alt und wohne bei seinen Eltern.

 

Über näheres Befragen brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater die österreichische Staatsangehörigkeit habe, seine Mutter verfüge über eine Aufenthaltsbewilligung. Im Heimatland sei die Familie des Beschwerdeführers in der Landwirtschaft tätig gewesen. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er wohne hier in Österreich mit einigen Landsleuten zusammen.

 

In seinem Heimatland habe er den Master in IT im Jahr 2014 abgeschlossen. Seinen Lebensunterhalt habe er bestritten, indem ihm sein Vater Geld geschickt habe. Der Beschwerdeführer habe nach dem Abschluss weiter studieren wollen, jedoch Probleme gehabt, weshalb er im November 2014 Indien schließlich verlassen habe. Gearbeitet habe er im Heimatland nicht. Hier in Österreich sei der Beschwerdeführer in einem Fitness Center. Darüber hinaus habe er einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 abgeschlossen und besuche nunmehr einen A2 Kurs.

 

Nachgefragt, welche Familienangehörige noch in Indien aufhältig seien, brachte der Beschwerdeführer vor, seinen Großvater und einen Onkel, konkret den Bruder seines Vaters, in Indien zu haben. Er habe keinen Kontakt mehr zu diesen Familienangehörigen.

 

In Österreich befände sich darüber hinaus der Bruder seiner Mutter, zu diesem habe der Beschwerdeführer zuletzt vor einem Jahr Kontakt gehabt. Das Verhältnis zu seinen Eltern sei "ganz normal". Dies bedeute, dass sie keinen Streit miteinander hätten, sondern sich unterhalten würden. Teilweise stehe der Beschwerdeführer zu seinen Familienangehörigen auch in telefonischem Kontakt, manchmal einmal pro Woche, manchmal ein bis zwei Mal am Tag.

 

Hier in Österreich habe der Beschwerdeführer keine Arbeit gefunden, sondern werde er von seinem Vater finanziell unterstützt.

 

Auf entsprechende Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, der Volksgruppe der Randhawa anzugehören und der Religion der Sikh zugehörig zu sein.

 

Nachgefragt, ob er im Heimatland jemals politisch tätig gewesen sei, führte der Beschwerdeführer aus, mit einigen Freunden mit der Kongresspartei mitgegangen zu sein, wenn es Versammlungen oder Demonstrationen gegeben habe. Die Frage, ob er Mitglied einer Partei oder sonstigen Organisation gewesen sei, verneinte der Beschwerdeführer; er sei nur Sympathisant der Partei.

 

Nachgefragt, ob der Beschwerdeführer jemals aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion verfolgt worden sei, gab er an, in ein Mädchen verliebt gewesen zu sein, die einer anderen Kaste angehört habe. Aufgrund dessen habe der Beschwerdeführer mit deren Bruder Streit gehabt. Neuerlich dazu befragt, ob er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion Verfolgung zu gewärtigen hatte, gab der Beschwerdeführer an, im September 2014 Streit mit der Shiv Sana, einer Hindupartei, gehabt zu haben.

 

Dazu aufgefordert, alle Fluchtgründe zu nennen, gab der Beschwerdeführer an, dass er im August 2014 das erste Mal in ein Mädchen verliebt gewesen sei. Der Bruder dieses Mädchens habe den Beschwerdeführer drei Mal mit mehreren Leuten attackiert, wodurch sich der Beschwerdeführer das Schlüsselbein gebrochen habe. Der Beschwerdeführer sei darüber hinaus vom Bruder seines Großvaters und dessen Söhnen aufgrund von Grundstückstreitigkeiten attackiert worden. Insgesamt seien dies ungefähr 15 bis 16 Leute gewesen. Dieser Streit habe sich Anfang 2013 zugetragen. Im Oktober 2014 sei eine Gruppe im Fitnesscenter gewesen. Aus diesen drei Gründen habe der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen.

 

Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, ins Fitnesscenter zu gehen und einen Deutschkurs zu besuchen. Freunde habe er keine im Bundesgebiet. In seiner Freizeit koche er außerdem, gehe spazieren und gehe schlafen. Der Beschwerdeführer habe sich auch bereits auf der Uni inskribieren wollen, jedoch sei dies ohne Aufenthaltstitel nicht möglich gewesen.

 

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.8.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen diesen gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

 

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen zur Lage in Indien:

 

"Politische Lage

 

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9 .2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9 .2016a).

 

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA

 

16.8.2016) , der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9 .2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9 .2016a).

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

 

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9 .2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

 

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

 

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9 .2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

 

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

 

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9 .2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9 .2016b).

 

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9 .2016b).

 

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

 

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

erinfos/Indien/Innenpolitik node.html, Zugriff 5.12.2016

 

 

rinfos/Indien/Aussenpolitik node.html, Zugriff 29.12.2016

 

 

 

 

Zugriff 4.1.2017

 

 

mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin

 

24.5.2014) . Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

 

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

 

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche

 

Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

 

Pakistan und Indien

 

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9 .2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

 

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9 .2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte

 

Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9 .2016b).

 

Quellen:

 

 

 

 

rinfos/Indien/Aussenpolitik node.html, Zugriff 5.12.2016

 

 

 

Zugriff 5.12.2016

 

 

 

 

 

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm , Zugriff

 

9.1.2017

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

 

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der Ist Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

 

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

 

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

 

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

 

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

 

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

 

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

 

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

 

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

 

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

 

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur

 

Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des

 

Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" -

 

Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

 

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

 

 

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf , Zugriff 7.12.2016

 

 

http://www.ecoi.net/local link/295494/430526 de.html, Zugriff 21.12.2016

 

 

 

 

7.12.2016

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 16.8.2016). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 6.2016). Ein innerstaatlicher Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter, welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN-Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament nicht verabschiedet (AA 16.8.2016).

 

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 16.8.2016) und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte

 

Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2016). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 13.4.2016). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 16.8.2016).

 

Nach zuverlässigen Angaben des "Asia Pacific Human Rights Network" wird Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung und der Gelderpressung oder der summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016); Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NROs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang (AA 16.8.2016). Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Folter wird aber auch in anderen Landesteilen, vor allem in sozial schwachen und bevölkerungsreichen Staaten wie Uttar Pradesh und Bihar, angewandt. Folter und Misshandlungen in Gefängnissen sind nach belastbaren Erkenntnissen von Amnesty International verbreitet (AA 16.8.2016).

 

Trotz der Trainings für senior police officers, bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2016).

 

Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

 

 

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf , Zugriff 7.12.2016

 

 

 

7.12.2016

 

Korruption

 

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 13.4.2016). Indien scheint im Korruptionsindex 2015 von Transparency International auf Platz 76 (Anmerkung: 2014 Platz 85 von 175) von insgesamt 168 Ländern auf (TI 2016).

 

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 13.4.2016). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2015). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 13.4.2016).

 

Obwohl jedes Jahr Politiker und Beamte bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 13.4.2016).

 

Nationaler und internationaler Druck hat zu gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption geführt. Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 Unterzeichnete Lok Pal und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken, wobei es aber Fragen der Umsetzung gibt. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 45 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 250 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.1.2016).

 

Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich. Einer speziellen Ermittlungsgruppe zufolge haben Beamte der Lokayukta, einem gesetzlichen Organ zur Korruptionsbekämpfung, Bestechungsgelder zum Schutz vor Korruptionsrazzien in Karnataka entgegengenommen. Dabei wurden zehn Personen verhaftet, einschließlich des Sohnes des Gerichtsombudsmannes (Ombudsman Justice Bhaskar) und dem Public Relations Officer von Lokayukta (USDOS 13.4.2016). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.1.2016).

 

Zivilgesellschaftliche Organisationen lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit unter anderem mit öffentlichen Demonstrationen und mittels Websites während des gesamten Jahres 2015 auf das Thema Korruption (USDOS 13.4.2016).

 

Die Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) registrierte im Untersuchungszeitraum [Anm.: Jänner bis November 2015] 583 Korruptionsfälle. Das CBI betreibt ein Webportal und eine gebührenfreie Hotline - um Beschwerden aufzunehmen (USDOS 13.4.2016). Eine neue Helpline, um Menschen im Umgang mit Bestechungsforderung durch Regierungsmitarbeiter in der Hauptstadt Delhi zu unterstützen, erhielt mehr als 4.000 Anrufe in den ersten Stunden ihres Bestehens. Diese Helpline steht 14 Stunden pro Tag zur Verfügung und soll helfen die alltägliche Korruption zu bekämpfen (BBC 9.1.2014).

 

Die Regierung ernannte Hauptüberwachungsbeamte (Chief Vigilance Offifers), um öffentlichen Beschwerden und Missstände im Banken-, Versicherungs- und anderen Sektoren, die durch private, öffentliche und körperschaftliche Gremien bedient werden, nachzugehen. Das Parlament verabschiedete im Dezember 2014 ein Gesetz zu Ombudsmannorganisation, Lok Pal, um Vorwürfe von Regierungskorruption zu untersuchen (USDOS 25.6.2015).

 

Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche

 

Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

http://www.transparency.org/cpi2015/ , Zugriff 12.12.2016

 

 

 

12.12.2016

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Indiens Zivilgesellschaft ist vielstimmig; es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (offizielle Schätzungen gehen von über 3 Millionen aus), darunter viele in- und ausländischer Menschenrechtsorganisationen (AA 16.8.2016), die sich für soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte einsetzen (USDOS

 

13.4.2016) . Diese können grundsätzlich frei (AA 16.8.2016) und in der Regel ohne Einschränkungen durch die Regierung operieren, Fälle von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen (USDOS 13.4.2016). Die Website NGOsIndia.com enthält umfangreiche weiterführende Informationen über die zahlreichen, in den verschiedensten Bereichen und Regionen aktiven Menschenrechtsorganisationen in Indien (NGOsIndia.com o.D.).

 

Es gibt keine systematischen staatliche Behinderungen oder Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger (AA 16.8.2016), in manchen Fällen kommt es aber zu Einschränkungen (USDOS 13.4.2016). NGOs sind nicht selten subtilen Schikanen der Behörden (Verzögerung oder Versagung von Genehmigungen vor allem auch zum Empfang ausländischer Mittel, häufige Rechnungs- und Finanzprüfungen, schleppende Bearbeitung oder Versagung der Visaerteilung für ausländisches Personal, Ausreiseverbote) und auch Drohungen, etwa durch Armee oder Polizei, ausgesetzt (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH

 

27.1.2016) . Einzelne Menschenrechtsverteidiger, vor allem im Bereich sozialer und wirtschaftlicher Rechte, und Journalisten sehen sich durch lokale Behörden/Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt. Vereinzelt werden diese auch Opfer von Gewalt (AA 16.8.2016). Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir konnten Menschenrechtsverletzungen dokumentieren (USDOS 13.4.2016), jedoch kommt es insbesondere im konfliktbetroffenen Bundesstaat Jammu und Kaschmir und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens kommt es immer wieder zu Einschüchterungsversuchen von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern (u.a. Festnahmen, Lizenzentzug), bis hin zu physischen Angriffen. In diesen Gebieten herrscht aufgrund der besonderen gesetzlichen Rahmenbedingungen oftmals Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen (AA 16.8.2016).

 

Obwohl Indien eine starke Zivilgesellschaft und eine akademische Gemeinschaft hat, werden ausländischen Beobachtern, die ins Land reisen wollen, um die Menschenrechte und andere Themen zu untersuchen, manchmal Visa verwehrt. Unter speziellen Umständen erlaubt der "Foreign Contributions Regulation Act" (FCRA) der Bundesregierung, Nichtregierungsorganisationen den Zugang zu ausländischer Finanzierung zu verwehren (FH 27.1.2015). Die Regierung wird bezichtigt, dieses Gesetz für die Bekämpfung der politischen Opposition zu missbrauchen. Im Jahr 2016 annullierten die Behörden die FCRA Lizenzen von etwa 20.000 NGOs wegen Nichteinhaltung von FCRA Bestimmungen, darunter auch wegen nicht genehmigter ausländischer Finanzierung. Damit bleiben 13.000 legale NGOs und es wurden 2000 erstmalige Registrierungsersuchen beim Innenministerium eingebracht (TOI 27.1.2016).

 

Die Regierung traf sich in der Regel mit inländischen NGOs, reagierte auf ihre Anfragen und ergriff als Reaktion auf ihre Berichte und Empfehlungen Maßnahmen. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) arbeitet kooperativ mit zahlreichen NGOs zusammen und mehrere Ausschüsse der NHRC arbeiten mit NGO Vertretern zusammen (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

cancelled/articleshow/56203438.cms, Zugriff 5.1.2017

 

 

12.12.2016

 

Ombudsmann

 

Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) ist ein unabhängiges und unparteiisches Untersuchungs- und Beratungsorgan der Zentralregierung. Sie hat das Mandat sich mit Menschenrechtsverletzungen oder Unterlassungen der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch öffentlichen Angestellten zu befassen, sich in Gerichtsverfahren einzuschalten, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und das öffentliche Bewusstsein für Menschenrechte zu fördern. Die NHRC ist direkt dem Parlament rechenschaftspflichtig. Sie hat die Möglichkeit Zeugen zu laden, Dokumentationen zu erstellen und öffentliche Berichte einzufordern. Sie empfiehlt auch angemessene Entschädigungen in Form von Kompensationen für Familien von Getöteten oder Verletzten. Sie kann aber weder die Umsetzung ihrer Empfehlungen durchsetzen noch Vorwürfen gegen militärisches oder paramilitärisches Personal nachgehen (USDOS 13.4.2016). Die NHRC untersucht Menschenrechtsverletzungen auf Antrag oder von Amts wegen, richtet Empfehlungen an die Regierung oder den Obersten Gerichtshof und kann die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen beantragen. Obwohl sie keine Weisungsbefugnis zur Einleitung von Strafverfahren hat und mangels Ermittlungsbefugnissen auf die Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden und Polizei angewiesen ist, trägt sie zunehmend auch durch in der Öffentlichkeit ausgeübten Druck und durch Zusammenarbeit mit NGOs zur Ahndung und zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen bei (ÖB 12.2016). Der NHRC behandelt rund 8000 Beschwerden pro Jahr. Ihr steht ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofs vor (FH 27.1.2016).

 

23 Bundesstaaten haben eigene Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der NHRC arbeiten. In sieben Bundesstaaten war die Position des Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßen, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Es gibt Vorwürfe von Menschenrechtsgruppen, die die finanzielle Abhängigkeit von der Regierung und die Richtlinie, wonach Fälle, die älter als ein Jahr sind, nicht untersucht werden, beanstanden. Sie kritisieren weiter, dass nicht alle Beschwerden registriert werden, Fälle willkürlich abgewiesen werden, Fälle nicht gründlich untersucht werden und Beschwerden zurück zum angeblichen Verletzer geleitet werden sowie, dass die Beschwerdeführer nicht ausreichend geschützt werden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

http://www.ecoi.net/local link/327703/468368 de.html, Zugriff 13.12.2016

 

 

 

13.12.2016

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA

 

16.8.2016) . Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

 

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

 

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massiveMenschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

 

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

 

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

 

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

 

 

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf , Zugriff 13.12.2016

 

 

 

 

13.12.2016 Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die Verfassung garantiert Rede- und Meinungsfreiheit. Obwohl die Pressefreiheit in der indischen Verfassung nicht dezidiert erwähnt ist, wird auch diese von der Regierung im Allgemeinen in der Praxis respektiert (USDOS 13.4.2016). Indien befindet sich im Pressefreiheits-Index 2016 auf Platz 133 von 180 Ländern und hat sich im Vergleich zu 2015 um drei Plätze verbessert (RwB 2016).

 

Die unabhängigen Medien drücken eine große Bandbreite von Meinungen und Ansichten ohne Einschränkungen aus. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefühle verletzen und Feindschaften zwischen Gruppen provozieren könnten und die Behörden haben sich auf diese Regeln berufen, um Printmedien, Rundfunk und Fernsehen sowie die Veröffentlichung und Verbreitung von Büchern einzuschränken. Der Staat hat auch weiterhin das Monopol auf das AM Radio und beschränkt die Vergabe von Lizenzen an FM Radiostationen auf jene Sender, deren Sendungen Unterhaltungs- und Bildungszwecken dienen. Satellitenfernsehen ist weit verbreitet und stellt für das staatliche Fernsehnetzwerk eine Konkurrenz dar (USDOS

 

13.4.2016) . Menschrechtsverletzungen, Korruption und politische Skandale finden in Berichterstattung breit Niederschlag. Öffentliche Debatten sind wesentlicher Bestandteil indischer Demokratie. Medien, insbesondere die Printmedien, arbeiten frei (AA 16.8.2016).

 

Im Bereich elektronischer Medien übt der Staat Kontrolle aus (Zulassung privater Sender in den Bereichen Radio und Fernsehen). Fälle von staatlicher Einschränkung der Pressefreiheit bzw. Zensur (z.B. Filmverbote, Blockierung von Webseiten im Nachgang von Anschlägen) werden öffentlich diskutiert (AA 16.8.2016). Indien hat mit derzeit ca. 460 Millionen Internetnutzern nach China die zweitgrößte Netzgemeinde der Welt (AA 16.8.2016). Es gibt jedoch einige Beschränkungen des Internetzuganges sowie Berichte, dass die Regierung gelegentlich Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persönliche Kommunikation überwachte. IT Gesetze erlauben es der Regierung, Internetwebsites und Inhalte zu blockieren und das Senden von Nachrichten mit aufrührerischem oder anstößigem Inhalt zu kriminalisieren (FH 27.1.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Sicherheitsbehörden haben weitgehende Überwachungsvollmachten und blockieren vereinzelt in ganzen Regionen den Zugang zum Netz, so z. B. bei den gewalttätigen Patidar-Ausschreitungen in Gujarat im August/September 2015 (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Meinungsfreiheit im Internet wird durch IT-Regeln ("Information Technology Rules") eingeschränkt, nach denen z.B. auch rechtswidrige Äußerungen Einzelner strafrechtlich geahndet werden können. Rechtswidrig sind demnach "blasphemische, rassistische, grob verletzende und obszöne" Äußerungen (AA 24.4.2015). Zwischen 25. und 28.9.2015 kam es zu einer Abschaltung des Internets in Jammu und Kaschmir mit der Begründung, eine Verschärfung der Spannungen zwischen muslimischen und hinduistischen Gemeinschaften zu verhindern. Die Abschaltung von 2G, 3G, GPRS und Breitbandinternet dauerte 82 Stunden (RwB 7.10.2015).

 

Aufgrund ihrer Berichterstattung waren einige Journalisten und Medienschaffende Gewalt und Belästigungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Wer in Indien Gewalt gegen Journalisten verübt, geht in der Regel straffrei aus. Obwohl im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Korruption, Politik, Verbrechen oder andere sensible Bereiche eine alarmierende Zahl von Journalisten getötet wurde, hat die Regierung noch keine Maßnahmen zum Schutz von Medienmitarbeitern getroffen (RwB 20.1.2016).

 

Im Allgemeinen können Einzelpersonen die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, ohne Repressalien fürchten zu müssen. In bestimmten Fällen nutzen lokale Behörden Gesetze gegen Obszönität um Personen festzunehmen, die offenbar politische Reden hielten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

2016,https://rsf.org/en/india , Zugriff 13.12.2016

 

 

 

 

13.12.2016

 

Haftbedingungen

 

Dem Bericht des National Crime Records Bureau (NCRB) aus dem Jahr 2014 zufolge, gab es 1387 Gefängnisse landesweit mit einer genehmigten Kapazität von 356.561 Personen - bei einer Häftlingszahl von 418.536 (USDOS 13.4.2016). Der Anteil der Gefängnisinsassen an der Gesamtbevölkerung liegt mit ca. 0,35% niedrig. Trotzdem sind die Gefängnisse zum Teil massiv überbelegt (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Dem Bericht der NCRB zufolge waren die Gefängnisse in Chhattisgarh mit 261% und in Delhi mit 216,8% ihrer Kapazität ausgelastet. Es gab 17.681 weibliche Häftlinge - etwa 4,2% der Häftlingszahl - und weniger als 1% Jugendliche (USDOS 13.4.2016). Eine Sonderbehandlung für Ausländer ist nicht vorgesehen (AA 16.8.2016). Untersuchungshäftlinge werden häufig zusammen mit bereits verurteilten Häftlingen inhaftiert, Männer und Frauen werden getrennt untergebracht (USDOS 13.4.2016).

 

Der überwiegende Teil der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge (2014: 67,7%), die wegen der sehr starken Überlastung der Gerichte zum Teil jahrelang auf den Beginn ihres Prozesses warten müssen (AA 16.8.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

Die Haftbedingungen können stark variieren. Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (Standard einer indischen Grundversorgung), für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich, ärztliche Basisversorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA

 

16.8.2016) . Die Sanitäreinrichtungen, das Essen, die medizinische Versorgung und Umgebungsbedingungen sind jedoch oft unzureichend. Trinkwasser ist nur manchmal erhältlich (USDOS 13.4.2016). Häftlinge können sich tagsüber im Gefängnishof bewegen und Sport treiben. Jeder Häftling kann die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Es ist ebenfalls üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 16.8.2016).

 

Gefängnisse und Haftanstalten sind auch weiterhin personell unterbesetzt und eine ausreichende Infrastruktur fehlt. Häftlinge werden physisch schlecht behandelt (USDOS 13.4.2016).

 

Langdauernde, willkürliche Inhaftierung bleibt ein bedeutendes Problem als Folge eines überlasteten und nicht entsprechend ausgestatteten Gerichtssystems sowie wegen mangelnder Rechtssicherheit. Die Regierung unternimmt weiterhin Bemühungen mithilfe von sogenannten "Fast Track-Gerichten", um Überbelegung der Gefängnisse sowie Verringerung langdauernder Inhaftierungen zu reduzieren (USDOS 13.4.2016).

 

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen von Häftlingen durch die Polizei. Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen, speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Die NHRC ist gesetzlich befugt, Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften zu verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen, die diese

 

Einheiten betreffen. Es gab Fälle, in den sich Polizeibeamte weigerten, Vergewaltigungen zu registrieren (USDOS 13.4.2016). Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NGOs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 16.8.2016).

 

Nach Angaben der NHRC ist ein großer Teil der Todesfälle in Gefängnissen (2014: 1.702) auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird. Es steht in den Gefängnissen eine medizinische Basisversorgung zur Verfügung, bei Bedarf wird ins (oftmals unzureichend ausgestattete) Krankenhaus eingeliefert (AA 16.8.2016).

 

Der Public Safety Act gilt nur in Jammu und Kashmir und erlaubt staatlichen Behörden das Festnehmen von Personen ohne Anklage oder gerichtlicher Überprüfung für bis zu zwei Jahren. Während dieser Zeit ist es den Familienmitgliedern nicht erlaubt, Zugang zu den Häftlingen zu haben. Häftlingen ist der Zugang zu einem Anwalt während Befragungen erlaubt. In der Praxis vollzieht die Polizei in Jammu und Kaschmir regelmäßig willkürliche Verhaftungen und verweigert Häftlingen, speziell den mittelosen, den Zugang zu Anwälten und medizinischer Betreuung (USDOS 13.4.2016).

 

Gefangene haben auch das Recht ihre religiösen Riten abzuhalten, was auch in der Praxis in den meisten Fällen berücksichtigt wird. Die Regierung erlaubt NGOs innerhalb bestimmter Richtlinien, Gefangenen Unterstützung anzubieten. Gefängnisbeamte führen umfangreiche Aufzeichnungen. Für Haftanstalten gibt es keinen Ombudsmann, aber die Gefangenen dürfen sich mit Beschwerden an die Justizbehörden wenden. Alternative Strafvollzugsmethoden werden nur selten angewandt (USDOS 25.6.2015).

 

Der "Arbeitsgruppe Menschenrechte in Indien" und den Vereinten Nationen zufolge, starben zwischen 2001 und 2010 14.231 Menschen in Polizeigewahrsam und werden jedes Jahr rund 1,8 Millionen Menschen Opfer von Polizeifolter - wobei es sich dabei nur um die bei der NHRC registrierte Fällen handelt und die Dunkelziffer wahrscheinlich höher ist (FH 28.1.2015). Der NHRC zufolge, sind während der letzten 8 Monate des Jahres 2015 111 Personen in Polizeigewahrsam gestorben (FH 27.1.2016).

 

Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

http://www.ecoi.net/local link/296800/433144 de.html, Zugriff 9.1.2017

 

 

http://www.ecoi.net/local link/327703/468368 de.html, Zugriff 13.12.2016

 

 

 

13.12.2016

 

Religionsfreiheit

 

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den

 

Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

 

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen

 

Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai- Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

 

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

 

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

 

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

 

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html , Zugriff 9.1.2017

 

 

http://www.ecoi.net/local link/327703/468368 de.html, Zugriff 21.12.2016

 

 

http://www.ecoi.net/local link/295494/430526 de.html, Zugriff 21.12.2016

 

 

http://www.ecoi.net/local link/318378/457381 de.html, Zugriff 21.12.2016

 

 

 

21.12.2016

 

Ethnische Minderheiten

 

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

 

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS

 

13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum

 

Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

 

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

 

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

 

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

 

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

 

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

 

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

21.12.2016

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS

 

13.4.2016) . Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

 

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

 

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014). Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

 

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der

 

Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB

 

12.2016) .

 

Quellen:

 

 

 

 

 

28.12.2016

 

Meldewesen

 

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9 .2016).

 

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

 

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9 .2016).

 

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9 .2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9 .2016).

 

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015).

 

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9 .2016).

 

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

 

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

 

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

 

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

 

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

 

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

amt.de/sid

8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laende

 

rinfos/Indien/Wirtschaft node.html, Zugriff 23.12.2016

 

 

 

Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-

 

 

DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs indien-

 

dl de.pdf? blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

 

 

Republik Indien,

 

 

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099

 

/18364589/Indien -

 

Country Fact Sheet 2015%2C deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff

 

29.12.2016

 

 

 

 

 

india background 2015 02 04 v2 0.pdf, Zugriff 29.12.2016

 

Medizinische Versorgung

 

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015). Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.8.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

 

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

 

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung. (BAMF 12.2015) und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.8.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.8.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

 

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderen auch stationären Krankenhausaufenthalt. Die Abdeckung variiert je nach Versicherungspolizze (BAMF 8.2014). Die staatliche Krankenversicherung (Universal Health Insurance Scheme) erfasst nur indische Staatsbürger unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. Zudem gibt es viele wohltätige Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 12.2015).

 

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 16.8.2016). Medikamentenläden sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 12.2015). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 16.8.2016). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-

 

 

DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs indien-

 

dl de.pdf? blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

 

 

Republik Indien,

 

 

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099

 

/18364589/Indien -

 

Country Fact Sheet 2015%2C deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff

 

29.12.2016

 

Rückkehr

 

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich -

 

abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz‑) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

Republik Indien,

 

 

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099

 

/18364589/Indien -

 

Country Fact Sheet 2015%2C deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff

 

29.12.2016

 

Dokumente

 

Echtheit der Dokumente

 

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist leicht. Gegen entsprechende Zahlungen sind viele Dokumente zu erhalten. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größeren Aufwand zu ändern. Angesichts der Unzuverlässigkeit des Urkundenwesens werden indische öffentliche

 

Urkunden seit dem Jahr 2000 von den deutschen Auslandsvertretungen nicht mehr legalisiert (AA 16.8.2016).

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts

 

Echte Dokumente unwahren Inhalts sind problemlos (gegen entsprechende Zahlungen oder als Gefälligkeit) erhältlich. Bei Personenstandsurkunden handelt es sich dabei um echte Urkunden falschen Inhalts, bei Gerichtsentscheidungen (z.B. Scheidung, Sorge) um echte Urteile, die jedoch aufgrund erfundener Sachverhalte und ohne Einhaltung grundlegender Verfahrenserfordernisse (rechtliches Gehör, Interessenabwägung, Begründung) ergehen (AA 16.8.2016).

 

Zugang zu gefälschten Dokumenten

 

Der deutschen Botschaft New Delhi werden im Rahmen laufender Asylverfahren nur sehr selten Unterlagen zur Überprüfung vorgelegt. In der Vergangenheit haben sich Dokumente im Zusammenhang mit Strafsachen und Fahndung sowie dazugehörige Eidesstattliche Versicherungen (affidavits) auch als falsch oder gefälscht herausgestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Vorgelegte Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung häufig als gefälscht heraus. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben häufig, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 16.8.2016).

 

Quellen:

 

 

Zu Spruchpunkt I. wurde seitens der Behörde im Bescheid im Wesentlichen festgehalten, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, erwerbsfähigen und arbeitswilligen Mann handle, der in Indien aufgewachsen sei und dort auch nach wie vor über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Es sei daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr möglich sein werde, seine Existenz, wie auch schon vor seiner Ausreise, zu sichern. Darüber hinaus könnte der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation wenden. Insgesamt könnten im Falle des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend glaubhaft gemacht werden, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre.

 

Betreffend Spruchpunkt II. wurde insbesondere ins Treffen geführt, dass der Beschwerdeführer weder mit seinen Eltern noch mit seinem Bruder in einer gemeinsamen Unterkunft wohne und auch kein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis zu seinen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen hätte festgestellt werden können. Die Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern beziehungsweise seinem Bruder würden sich auf gelegentliche Besuche beschränken und bestehe insgesamt kein über das durchschnittliche Maß hinausgehender Kontakt. Zu seinem Privatleben wurde insbesondere festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit 2014 im österreichischen Bundesgebiet aufhalte, jedoch erst einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 besuche. Private Bindungen im Bundesgebiet hätte der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Seine Freizeit in Österreich verbringe er im Wesentlichen im Fitness Center, im Deutschkurs oder zu Hause, er nehme insgesamt nicht am sozialen oder kulturellen Leben in Österreich teil.

 

8. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des Rechtsvertreters vom 4.9.2017 mit der die Entscheidung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten wurde.

 

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerde vom 23.12.2014 darauf verwiesen habe, dass die Erstbehörde es unterlassen habe, die schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers nach Art 8 EMRK zu prüfen, zumal sein leiblicher Vater, sowie dessen Ehefrau in Österreich leben würden.

 

Aktenkundig sei in diesem Zusammenhang, dass die Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien mit Bescheid vom 27.11.2008 den Antrag des Beschwerdeführers vom 14.6.2007 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" abgewiesen habe. Der Bundesminister für Inneres habe mit Berufungsbescheid vom 31.4.2010 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den oben angeführten Bescheid abgewiesen.

 

Trotz der klaren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes in seinem Erkenntnis vom 30.4.2015, habe die belangte Behörde neuerlich gegen die in § 18 Abs 1 AsylG normierte Ermittlungspflicht verstoßen, indem sie auch in der erneuten Einvernahme am 4.4.2017 keine Fragen gestellt bzw in geeigneter Weise darauf hingewirkt habe, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht würden. Die belangte Behörde habe daher weder zur Beurteilung der Frage, inwieweit dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, noch zur Beurteilung der Frage, inwieweit dem Beschwerdeführer aus berücksichtigungswürdigen Gründen ein Aufenthaltstitel zuzuerkennen ist, noch hinsichtlich er Frage, inwiefern eine Rückkehrentscheidung zulässig ist, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt ermittelt.

 

Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Beschwerde eine Inskriptionsvereinbarung für einen Deutschkurs auf dem Niveau A2, datiert mit 23.8.2017, vor.

 

9. Die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 18.9.2017; das Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W125 zugeteilt.

 

10. Am 27.11.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes statt, an welcher der Beschwerdeführer, der Beschwerdeführervertreter sowie ein Dolmetscher für die Sprache Punjabi teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch bereits zuvor schriftlich mitgeteilt, auf eine Verhandlungsteilnahme zu verzichten.

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt (RI: Richter, JM: Juristische Mitarbeiterin (in Anwesenheit des zuständigen Richters), BF: Beschwerdeführer, BFV:

Beschwerdeführervertreter):

 

"( ) RI: Können Sie sich an Ihre im derzeitigen Verfahren getätigten Angaben (Erstbefragung am 26.11.2014, Einvernahmen vor dem BFA am 05.12.2014 und am 04.04.2017), erinnern?

 

BF: Ja.

 

RI: Haben Sie bisher im Verfahren immer die Wahrheit angegeben oder wollen Sie irgendetwas korrigieren oder ergänzen?

 

BF: Ja. Ich habe immer die Wahrheit gesagt.

 

RI: War bei Ihren Befragungen alles in Ordnung, haben Sie den Referenten bzw Dolmetscher stets verstanden und konnten Sie alles frei erzählen?

 

BF: Nein, es gab niemals Schwierigkeiten. Ich konnte immer alles frei erzählen.

 

Zur Identität und zum Familien- und Privatleben:

 

RI: Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?

 

BF: Ich heiße XXXX , geb. 01. XXXX .

 

RI: Welcher Religion und welcher Volksgruppe gehören Sie an? (AS 9:

Punjabi und Sikh; AS 20: Kumihar und Sikh; AS 173: Randhawa und Sikh).

 

BF: Ich bin Sikh. Ich bin Jat.

 

RI: Weshalb haben Sie im Verfahren unterschiedliche Angaben betreffend Ihre Volksgruppe gemacht?

 

BF: Ich habe dem Dolmetscher damals gesagt, ich bin Sikh und Jat. Das war bei allen drei Gelegenheiten der Fall. Auf Vorhalt der Rückübersetzung: Später bin ich dann gar nicht mehr nach der Volksgruppe gefragt worden.

 

RI: Hatten Sie jemals einen Reisepass?

 

BF: Ja. Ich habe ihn verloren, als ich hierhergekommen bin. Der Schlepper, der mich hergebracht hatte, hat ihn mir abgenommen, als er mich hierher gebracht hatte.

 

RI: Mit welcher Begründung hat Ihnen der Schlepper den Pass abgenommen, wenn Sie schon in Österreich waren?

 

BF: Er hat nur gesagt, ich solle hier warten, er würde gleich wieder kommen. Dann kam er nicht mehr zurück.

 

RI: Wo haben Sie sich den Reisepass ausstellen lassen?

 

BF: Im Punjab, Passamt in XXXX , das war 2014. Der Alte war abgelaufen. Wann ich mir einen ausstellen hatte lassen, das weiß ich nicht mehr genau. 7-8 Jahre vorher auch in Jalandhar.

 

RI: Warum hatten Sie sich den ersten Pass ausstellen lassen? Sind Sie auch schon damals, 2007, aus Indien ausgereist? Wofür brauchten Sie damals den Pass?

 

BF: Mein Vater hat damals einen Antrag gestellt, dass ich ein Visum für Österreich bekomme.

 

RI: Hatten Sie bis 2014 Indien schon einmal verlassen gehabt?

 

BF: Nein.

 

RI: Wann haben Sie Indien konkret verlassen?

 

BF: Im November 2014.

 

RI; Verlesen werden Ihre Angaben zum Fluchtweg (As. 12); diese erscheinen vage und unbestimmt; können Sie diese ergänzen?

 

BF: Damals war ich neu hier. Mir hat jemand erzählt, wie ich das sagen soll. So habe ich das auch gesagt. In Wirklichkeit hatte ich ein Schengenvisum, dass die Botschaft von XXXX ausgestellt hat. Mit diesem bin ich hierhergekommen.

 

RI: Wie sind Sie von XXXX gekommen?

 

BF: Von XXXX bin ich XXXX geflogen und zwar über Istanbul und von dort nach XXXX . Der Flug war so. Von XXXX kein direkter Flug möglich, von dort flog ich XXXX und dann direkt nach XXXX .

 

RI: Haben Sie das maltesische Visum selbst besorgt oder hat Ihnen dabei jemand geholfen?

 

BF: Der Schlepper, der alles organisiert hat und mir meinen Reisepass abgenommen und nicht zurückgegeben hat, er hat alles organisiert.

 

RI: Hatten Sie irgendein Problem bei der Einreise XXXX ?

 

BF: Nein.

 

RI: Hatten Sie von Anfang an vor, nach Österreich zu fahren?

 

BF: Ja. Direkt nach Österreich, wegen der Familie.

 

RI: Sie haben zuvor, der eindeutigen Aktenlage nach, schon einmal einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet gestellt und dabei auch bewusst falsches Vorbringen getätigt; nehmen Sie dazu Stellung!

 

BF: Das hat der Vater alles organisiert, alle Dokumente und Papiere. Diesen Antrag habe ich dann bei der Österreichischen Botschaft in Indien eingebracht.

 

RI: Wie ist das näherhin abgelaufen?

 

BF: Er hat mir seine Verpflichtungserklärung geschickt. Das habe ich dann bei der Botschaft eingebracht.

 

RI: Haben Sie dann später Informationen über den Fortgang dieses Verfahrens von der Österreichischen Botschaft erhalten?

 

BF: Als ich neu hergekommen bin, habe ich Angst gehabt, dass mich die Behörde wieder zurückschicken wird. Ich war damals sehr nervös. Deshalb habe ich das nicht zugegeben.

 

RI: Haben Sie 2006/2007 von der Österreichischen Botschaft in XXXX erfahren, wie das Verfahren weitergegangen ist? Nach der Aktenlage haben Sie ja alle zulässigen Rechtsmittel ergriffen!?

 

BF: Ich war damals sehr jung gewesen. Als der Antrag von mir bei der Botschaft eingebracht wurde, sollte ich immer warten. Mein Vater hat hier einen RA beauftragt. Dieser RA hat sich dann um alles gekümmert.

 

RI: Haben Sie dann konkret erfahren, wie das Verfahren ausgegangen ist? Kennen Sie insbesondere die Begründung des Bescheides des BMI?

 

BF: Mein Papa hat mir erzählt, dass mein Antrag abgelehnt wurde, weil die gesamten Dokumente, die man braucht, nicht da sind.

 

RI: Haben Sie sich dann, nachdem der Antrag letztinstanzlich damit abgefunden, dass Sie in Indien bleiben müssen oder haben Sie auf anderem Weg versucht, weiterhin nach Österreich zu gelangen?

 

BF: Ja. Ich habe dann gedacht, ich muss in Indien eine Arbeit finden.

 

RI: Wovon haben Sie von 2012 bis 2014 in Indien gelebt?

 

BF: Ich habe damals in XXXX in einer Universität studiert. Ich habe ein Magisterstudium für Informatik angefangen.

 

RI: Wann haben Sie mit dem Studium begonnen?

 

BF: Nach dem März 2012 habe ich angefangen.

 

RI: Haben Sie schon Prüfungen absolviert?

 

BF: Ich habe ein Semester abgeschlossen.

 

RI: Wann haben Sie das abgeschlossen gehabt?

 

BF: 2013. Die ganzen Prüfungen haben nach einem Jahr stattgefunden.

 

RI: Haben Sie dann bis zur Ausreise weiter studiert?

 

BF: Ich musste mein Studium weglassen. Ich habe dann einfach aufgehört, weil ich die Probleme hatte.

 

RI: Hatten Sie für dieses Studium ein Stipendium? Wie konnten Sie sich dieses Studium finanziell leisten?

 

BF: Mein Vater hat mir Geld geschickt oder mich finanziert.

 

***

 

JM: Wo wohnen Sie derzeit?

 

BF: An der von mir angegebenen Ladungsadresse.

 

JM: Wohnen Sie mit jemandem zusammen, mit wem genau?

 

BF: Ja. Mit meiner Familie, Eltern und Bruder und Schwester. Zwei Jahre wohne ich schon dort.

 

RI: Sie wohnen schon 2 Jahre zusammen mit den genannten Personen zusammen?

 

BF: Ja. Mit den gleichen Leuten. Früher haben wir in der XXXX gelebt.

 

JM: Auch schon mit Ihrer Familie?

 

BF: Ja.

 

JM: Wie lange lebt Ihre Schwester schon in Österreich?

 

BF: Seit zwei Jahren.

 

RI: Wissen Sie, dass Ihre Schwester, dem einliegenden GVS-Auszug zufolge), erst im Juli 2017 einen Asylantrag stellte?

 

BF: Ja.

 

RI: Warum nicht schon vorher? Hatte sie ein Visum?

 

BF: Vorher hat sie einen Antrag gestellt gehabt wegen der Familienzusammenführung. Dieser wurde aber abgelehnt.

 

JM: Wie lange befindet sich Ihr Vater schon im Bundesgebiet?

 

BF: Ca. 24/25 Jahre (BF beantwortet die Fragen teilweise in Deutsch).

 

JM: Am 04.04.2017 haben Sie gesagt, dass Ihr Vater seit 2001 in Österreich lebt? Das sind noch keine 24 Jahre!?

 

BF: Ich war noch zu jung, ich war 2,3 Jahre alt, als mein Vater hergekommen ist. So genau weiß ich es nicht.

 

JM: Wie lange lebt Ihre Mutter schon in Österreich?

 

BF: Seit 2010.

 

JM: Wissen Sie, welchen Aufenthaltsstatus Ihre Mutter hat?

 

BF: Der Vater hat einen Antrag gestellt wegen einer Familienzusammenführung. Sie hat diese Erlaubnis.

 

JM: Wie ist Ihr Bruder nach Österreich gekommen?

 

BF: Er kam auch mit meiner Mutter.

 

JM: Wie bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

 

BF: Ich helfe meiner Mutter und meinem Vater in seiner Arbeit. Ich bin von ihnen abhängig. Die Mutter arbeitet auch als Zeitungszustellerin und ich helfe auch ihr. Mein Vater ist Marktfahrer. Er geht in verschiedene Dörfer, wo es einen Markt gibt.

 

RI: Wenn Sie ihm helfen, müssen Sie konkret irgendwelche Märkte und Dörfer nennen können?

 

BF: In XXXX .

 

RI: Was verkauft Ihr Vater dort?

 

BF: Textilien, Leder, Taschen.

 

JM: Halten sich noch weitere Verwandte im Bundesgebiet auf, außer den genannten Verwandten?

 

BF: 2 Brüder der Mutter. Ein Onkel ist mit seiner ganzen Familie da. Der Zweite ist noch allein da. Er hat Familienzusammenführung beantragt.

 

JM: Wie heißen die Onkel mütterlicherseits?

 

BF: XXXX .

 

JM: Wie lange sind die Onkel schon in Österreich?

 

BF: XXXX , ca. 30 Jahre. Seit 15/16 Jahre XXXX .

 

JM: Sie haben in der Beschwerde nur XXXX erwähnt!?

 

BF: Man hat mich nur danach gefragt, von einem Verwandten hier einen Namen bekannt zu geben.

 

JM: Sie haben im Verfahren zunächst die Frage verneint, ob Sie Familienangehörige in Österreich haben. In der Beschwerde 2014 haben Sie erstmals angegeben, hier familiäre Anknüpfungspunkte zu haben!?

 

BF: Die anderen Leute haben mir hier Angst gemacht, wenn ich meine Verwandten sage, werde ich gleich nach Indien zurückgeschickt. Das war in XXXX , als ich mit anderen Leuten sprach.

 

JM: Wie sieht Ihr Tagesablauf in Österreich aus?

 

BF: In der Früh helfe ich meiner Mutter beim Zeitungszustellen. Dann komme ich nach Hause, mache 2 Stunden Pause. Dann gehe ich in einen Deutschkurs. Dann komme ich nach Hause, mache Pause und ich gehe in den Fitnessclub.

 

JM: Wie oft besuchen Sie in der Woche einen Deutschkurs?

 

BF: 5 Tage in der Woche.

 

JM: Wo und auf welchem Niveau besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs?

 

BF: In XXXX . Ich bin in einem A2-Kurs. Mein Papa zahlt den Deutschkurs.

 

JM: Helfen Sie Ihrem Vater auch regelmäßig?

 

BF: Ich helfe Papa am Samstag und am Sonntag, wenn ich frei habe.

 

JM: Können Sie auf Deutsch antworten: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Österreich? Was machen Sie im Fitnessklub?

 

Der BF spricht mehr oder minder fließend Deutsch über seine Identität und über seine Lebensumstände.

 

JM: Hat es einen bestimmten Grund, warum Sie erst heute über Ihre Schwester mehr gesprochen haben?

 

BF: Bei der 1. Einvernahme hat man mich nicht über meine Schwester gefragt. Der Dolmetscher hat gesagt, ich muss nur das beantworten, was ich gefragt werde.

 

RI hält die seinerzeitige Beschwerde aus Dezember 2014 vor, in der Verwandte, nicht aber zum Beispiel die Schwester aufgezählt wurden.

 

BF: Dort hat man nicht gefragt.

 

JM: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Österreich sonst? Haben Sie außer dem Fitnesscenter noch weitere Hobbies?

 

BF: Mein Hobby ist nur der Fitnessclub.

 

JM: Haben Sie Kontakt zu österreichischen Staatsangehörigen?

 

BF: Ich habe viele österreichische Freunde aus dem Fitnessklub.

 

JM: Nehmen Sie am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teil?

 

BF: Ich gehe ins Rathaus, wenn ein Event stattfindet. Doch überall fragt man mich nach meinem Visum.

 

JM: Was wäre Ihre berufliche Perspektive, wenn Sie in Österreich bleiben könnten?

 

BF: Ich möchte mein Studium abschließen und in einem Job arbeiten gehen. Ich möchte ein Magisterstudium im Informatikstudium machen. Ich bin hier in der XXXX in der XXXX gewesen. Dort haben sie aber eine Aufenthaltserlaubnis verlangt und ich musste alle Zeugnisse aus Indien mitbringen.

 

RI: Haben Sie einen Führerschein hier?

 

BF: Ja.

 

RI: Wie haben Sie den bekommen? Haben Sie aus Indien einen umschreiben lassen oder hier eine Prüfung gemacht?

 

BF: Ich habe keinen österreichischen Führerschein, nur den indischen. Ich fahre nicht.

 

JM: Sind Sie verheiratet; haben Sie Kinder? Führen Sie in Österreich eine Lebensgemeinschaft?

 

BF: Nein. Ich bin ledig.

 

JM: Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihren Onkeln in Österreich?

 

BF: Ein Onkel hat eine Pizzeria. Ich gehe hin und wieder zu ihm, um ihn dort zu besuchen. XXXX zweiter Onkel, entweder er kommt zu uns oder wir gehen ihn besuchen.

 

RI: Was arbeitet XXXX ?

 

BF: Er arbeitet als Koch in einem italienischen Restaurant.

 

RI: Hatten Sie jemals Probleme mit den Verwaltungsbehörden in Österreich, zum Beispiel, weil Sie die Onkel unterstützt haben, bei deren beruflichen Tätigkeiten?

 

BF: Ich habe nie schwarz gearbeitet, und hatte ich keine Probleme mit österreichischen Behörden.

 

JM: Was machen Ihre Geschwister im Bundesgebiet?

 

BF: Meine Schwester ist im B1-Deutschkurs. Mein Bruder geht in die Schule.

 

RI: In welche Schule geht der Bruder?

 

BF: In die Volksschule.

 

RI: Haben Sie jetzt noch Geschwister in Indien?

 

BF: Nein.

 

RI: In Traiskirchen haben Sie im Dezember 2014 u.a angegeben, dass Sie deswegen nach Österreich gekommen sind, um Geld für Ihre Schwester für die Heirat zu beschaffen. Ist das dieselbe Schwester, die jetzt in Österreich ist?

 

BF: Der Dolmetscher in XXXX hat mir so eine Frage gestellt. Damals hat meine Schwester in Indien gelebt. Ich habe Angst gehabt in XXXX ich war sehr nervös.

 

RI: Ihre Schwester hat in Indien nicht geheiratet? Das ist dieselbe Schwester, die jetzt hier ist?

 

BF: Nein. Sie ist nicht verheiratet. Es handelt sich um die erste Schwester.

 

JM: Welche Familienangehörigen wohnen noch in Indien?

 

BF: Der jüngere Bruder meines Vaters mit seiner Frau. Sie haben auch eine Tochter. Ein zweiter jüngerer Bruder meines Vaters, auch mit seiner Familie und der Vater des Vaters.

 

RI: Wo leben diese?

 

BF: XXXX Punjab. Der zweite Onkel ist auch im Bezirk XXXX , aber in einem Dorf.

 

RI: Haben Sie mit diesen regelmäßig Kontakt?

 

BF: Nein.

 

RI: Gar keinen?

 

BF: Wir haben Streit gehabt.

 

RI: Haben Sie mit Freunden oder mit früheren Studienkollegen in Indien Kontakt?

 

BF: Nein, keinen Kontakt. Ich bin geheim aus Indien ausgereist.

 

RI: Was war eigentlich der Grund, warum Ihre in Österreich lebenden Geschwister und Ihre Mutter nach Österreich sind?

 

BF: Wegen einer Familienzusammenführung die Mutter. Der Bruder kam mit der Mutter.

 

RI: Warum ist die Schwester nachgekommen, sie hatte ja noch keinen positiven Entscheid betreffend Familienzusammenführung!?

 

BF: Weil ich nach Österreich gekommen war und die Schwester alleine zu Hause war. Sie bekam dann auch Probleme mit diesen Leuten. Sie kamen nach Hause und randalierten.

 

RI: Als Sie selbst ausgereist sind, haben Sie zunächst Ihre Schwester allein in Indien zurückgelassen, war das kein Problem?

 

BF: Die Schwester hatte bei einem weiter entfernten Verwandten, einem Onkel, gewohnt. Der Sohn des Bruders meines Großvaters. Das war in der Gegend von XXXX .

 

RI: Zu diesem Verwandten hat auch niemand Kontakt?

 

BF: Zurzeit nicht.

 

RI: Haben Sie und Ihre Familie noch Besitz in Indien, Grundstücke, Wohnungen, Wertsachen?

 

BF: Eine familieneigene Landwirtschaft, ein Haus.

 

RI: Jetzt sind alle weg. Wer kümmert sich um diese?

 

BF: Wegen des Grundstücks hatten wir mit dem Onkel einen Streit. Dieses gehört legal noch zu uns.

 

RI: Wer bestellt das Grundstück? Liegt es brach?

 

BF: Ja. Niemand verwendet es.

 

RI: Woher wissen Sie das?

 

BF: Meine Eltern sind in Indien gewesen. Sie haben dort geschaut, was mit dem Grundstück los ist. Sie waren Februar/März 2017 in Indien.

 

RI: Was war der Zweck ihrer Reise?

 

BF: Vom Onkel XXXX seiner Familie gibt es ein Haus dort. Sie haben die Familie des Onkels besucht. Sie sind auch gegangen, um zu schauen, ob unser Haus und die Landwirtschaft noch vorhanden sind.

 

RI: Wie sind sie nach Indien gekommen, per Flugzeug?

 

BF: Ja. Sie sind geflogen.

 

RI: Haben Ihre Eltern, als Sie dieses Jahr in Indien waren, etwas Neues über Ihre Probleme in Erfahrung gebracht?

 

BF: Ja. Es hat ein großer Streit mit dem Onkel und dessen Söhne stattgefunden, als diese nach Hause gekommen sind. Die Burschen, mit denen ich Streit gehabt habe, sind gekommen. Sie haben gefragt, wo ich bin. Meine Eltern haben sich nur 2 Wochen dort aufgehalten, sie sind dann wieder zurückgekommen.

 

RI: Verstehe ich Sie richtig: Als sich Ihre Eltern im Februar/März 2017 in Indien aufgehalten haben, ist es zu einem neuerlichen Streit mit dem Onkel und dessen Söhnen wegen des Grundstückes gekommen?

 

BF: Ja, es ist zu einem neuerlichen Streit gekommen. Sie wollten, dass die Grundstücke auf ihren Namen überschrieben werden.

 

RI: Kam es bei diesem Streit zu Beginn des Jahres zu körperlichen Attacken?

 

BF: Ja. Es wurde körperlich gestritten. Sie haben angefangen zu raufen. Die Leute, die dabei waren, haben sie auseinandergebracht und beruhigt.

 

RI: Wo war der Streit, wenn Leute dabei waren?

 

BF: Im Dorf, wo sich das Grundstück befand. Da waren dann auch Dorfbewohner anwesend.

 

RI: Wie ist der Streit ausgegangen?

 

BF: Mein Papa hat eine Anzeige bei der Polizei gehabt. Die Onkel bestechen die Polizei. Dann führt es zu nichts.

 

RI: Hat Ihr Papa im Februar/März 2017 neuerlich eine Anzeige eingebracht?

 

BF: Ja. Die Polizei hat uns nur getröstet, dass sie etwas unternehmen werden, aber da passiert nichts.

 

RI: Nun haben Sie vorhin auch erwähnt, dass bei dem Aufenthalt Ihrer Eltern, die Burschen, die Sie aus anderen Gründen bedrohten, auch zu Ihren Eltern gekommen sind. Meinen Sie damit die Gandhi-Gruppe, die Sie damals im Fitnessklub geschlagen hat!?

 

BF: Nein, das waren Leute der Shiv Sena .

 

RI: Wie hat sich das abgespielt, dass diese plötzlich zu Ihren Eltern gekommen sind und warum?

 

BF: Sie sind eine ganz große Gruppe. Sie sind nach Hause gekommen. Sie haben von irgendwoher Hinweise bekommen.

 

RI: Wenn Sie kurz nachdenken: Welche Hinweise? Warum haben die Leute etwas gegen Sie?

 

BF: Neben unserem Haus die Burschen, Freunde, die dort wohnen, vielleicht einen Hinweis gegeben, dass die Leute gekommen sind.

 

RI: Welchen Hinweis? Was haben diese Leute der Shiv-Sana gegen Sie?

 

BF: Mit denen habe ich auch einmal Streit gehabt. Es hat eine Rauferei stattgefunden, wo eine Anzeige erstattet worden ist. Ich habe auch ein Mädchen erwähnt. Ihr Bruder ist befreundet mit beiden Gruppierungen, der Gandhi-Gruppe und der Shiv Sena .

 

RI: Was wissen Sie über die Shiv-Sena-Gruppe?

 

BF: Das ist eine sehr große hinduistische Partei, die gegen die Sikhs ist. Deshalb sind sie immer ein bisschen verärgert. Dann kam der Bruder hinter meine Verbindung zu dem Mädchen und es ergaben sich Schwierigkeiten.

 

RI: Die Shiv-Sena-Leute sind also im Februar/März 2017 zu Ihren Eltern!? Was geschah dann?

 

BF: Sie haben bei der Tür stark geklopft und diese kaputtgemacht. Sie wollten, dass meine Familie herauskommt. Sie fragten, wo ich bin. Sie sagte, dass er schon geflüchtet ist. Sie sagten auch, wenn sie mich fänden, würden sie mich töten. Das war im Haus meiner Eltern.

 

RI: Ihre Eltern haben auch noch ein Haus in Indien aktuell?

 

BF: Ja. Das ist zugesperrt.

 

RI: Warum haben Sie im April 2017 diese ganzen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Besuch Ihrer Eltern, nachher im Februar/März 2017 stattfand, nicht erwähnt?

 

BF: Ich habe damals alles erzählt. Auf Vorhalt der Rückübersetzung:

Alles, was der damalige Dolmetscher übersetzt hat, war wahrheitsgemäß richtig.

 

JM: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente ein?

 

BF: Ich bin ganz gesund. Ich nehme auch keine Medikamente.

 

Zum Fluchtgrund:

 

RI: Verlesen werden As. 174 bis 176 (Angaben des BF am 4.4.2017 zu Grundstücksstreitigkeiten im Jahre 2013); ist das zutreffend?

 

BF: Ja, diese Grundstücksstreitigkeiten waren ein Grund für mich, Indien zu verlassen. Der Streit hat angefangen, als die Mutter Indien 2010 verlassen hat. Die Onkel haben angefangen, das Grundstück zu beanspruchen.

 

RI: Warum haben Sie deswegen Indien verlassen? Sie haben doch mit dem Grundstück nicht direkt etwas zu tun gehabt? Sie hatten sogar mit einem Studium begonnen.

 

BF: Zum Beispiel am Sonntag und Samstag hatte ich frei und ich fuhr nach Hause. Ich habe selbst nach der Landwirtschaft geschaut und es kam dann zum Streit. Sie haben probiert, mich umzubringen und ich habe immer noch Narben.

 

RI: Sie wollten das Grundstück nicht hergeben?

 

BF: Nein.

 

RI: Aber am 5.12.2014 ( As. 19) haben Sie eindeutig erklärt, die Angaben über Grundstücksstreitigkeiten seien falsch; Sie hätten damals nicht die Wahrheit gesagt; Sie seien nur hier, weil Ihre Familie Geld brauche, um Ihre Schwester zu verheiraten!? Dies wurde auch im Vorerkenntnis des BVwG so festgestellt!? Haben Sie diesbezüglich allenfalls Beweismittel?

 

BF: Ich habe Ihnen am Anfang schon gesagt, dass in XXXX mir die dortigen Mitbewohner Angst gemacht hatten. Ich antwortete so, wie es die Mitbewohner mir geraten haben. Ich war neu und ängstlich. Damals habe ich das in XXXX behauptet.

 

RI: Selbst wenn das so wäre: Ende Dezember 2014 haben aber Sie gegen die erste negative Entscheidung der Behörde mittels Ihres RA Berufung erhoben. Da haben Sie auch noch nicht alles vorgebracht, obwohl Sie schon rechtlich vertreten waren. Wann haben Sie sich entschlossen, alles zu sagen?

 

BF: Erst später bei der nächsten Einvernahme. Mein Vater hat gesagt, ich soll die ganzen Sachen richtig und wahrheitsgemäß angeben. Auf

Nachfrage: Das war erst dieses Jahr.

 

RI: Verlesen wird nun As. 177 (Angaben des BF am 4.4.2017 zu dem Vorfall im Fitnesscenter); trifft das zu?

 

BF: Ja. Das ist ganz richtig. Dann bin ich von dort geflüchtet. Als mein Freund erschossen worden ist, habe ich mich versteckt gehalten. Meine Gegner haben mich überall viel gesucht. Meinen Freund haben sie immer angerufen und bedroht, "wo seid ihr alle", wollten sie wissen. Sie würden uns töten, wenn sie uns finden würden. Der Freund dieses Mädchens hat zusammen mit diesen Leuten uns überall gesucht. Deshalb haben wir uns in Indien versteckt gehalten und wir sind in das Ausland geflüchtet. Wenn ich dort geblieben wäre, hätte man mich gefunden und getötet. Auf Nachfrage, was mit meinen Freunden geschehen ist: Das weiß ich nicht.

 

RI: Was verstehen Sie genau unter dem Begriff der "Gandhi Group", Ihrer Meinung nach?

 

BF: Das ist eine ganz große Gang in Indien.

 

RI: Erzählen Sie bitte Näheres über diese Gang?

 

BF: Zum Beispiel haben sie eine eigene Partei, da sind viele Leute dabei.

 

RI: Welche Partei meinen Sie jetzt?

 

BF: Die Partei heißt so: Gandhi-Gruppe.

 

RI: Kandidiert sie auch bei Wahlen?

 

BF: Zum Beispiel in den Colleges: Sie wählen eigene Führer. Alle müssen dem zustimmen, was der Führer sagt. Wer dagegen ist, der wird geschlagen.

 

RI: Haben diese etwas mit der Kongress-Partei zu tun zum Beispiel?

 

BF: Früher waren sie von der BJP (BAJPA). Jetzt weiß ich nicht, mit wem sie zusammen sind.

 

RI: Warum hat die Gandhi Gruppe begonnen, Sie und ihre 2 Begleiter zu schlagen?

 

BF: Diese Leute waren auch im Fitnessklub und haben trainiert, so wie wir. Plötzlich ist einer unserer Leute gekommen. Wir sollten von einem bestimmten Gerät weggehen, weil sie dort trainieren wollten. Mein Freund war aber noch nicht fertig auf dem Gerät. Mein Freund ging auch nach mehreren Aufforderungen nicht von dem Gerät weg. Dann begannen sie, weil sie so viele waren, uns zu schlagen.

 

RI: Verlesen werden nun die Ausführungen des BF am 04.04.2017 zu seiner Beziehung mit einem Mädchen, die zu Angriffen von deren Bruder geführt hat// trifft das zu?

 

BF: Ja. Soweit ist es richtig.

 

RI: Hatten Sie nun eine Beziehung oder war das eine lose Verbindung?

 

BF: Wir haben uns verliebt und wir wollten heiraten.

 

RI: Wie lange waren Sie mit ihr zusammen?

 

BF: Ca. drei bis vier Jahre.

 

RI: Sind Sie sich sicher? Bei der Einvernahme im April 2017 haben Sie gesagt, Sie waren zwei Jahre mit ihr zusammen?

 

BF: Ja. Etwa 2-3 Jahre. Vorher waren wir nur Freunde gewesen. Später, als wir uns dann verliebt haben, hat uns der Bruder einmal zusammen sitzen gesehen. Er hat mich gestoßen und die Schwester mitgenommen. Später hat er bei der Gandhi-Gruppe meinen Namen erwähnt.

 

RI: Haben Sie sich eigentlich bei den Eltern Ihrer Freundin, mit der Sie 2-3 Jahre zusammen waren, jemals vorgestellt?

 

BF: Ja. Ich wollte sie heiraten.

 

RI: Wann haben Sie sich vorgestellt?

 

BF: Vor meiner Ausreise 2014, bevor ich nach Österreich gekommen bin. Daran kann ich mich genau nicht mehr erinnern. Ich weiß, dass ich 2014 zu ihnen gegangen bin.

 

RI: Die Eltern hätten kein Problem gehabt, nur Ihr Bruder, nach Ihrem bisherigen Vorbringen?

 

BF: Erst später bin ich dahintergekommen, dass die Eltern gemeint haben, dass sie auch dagegen waren.

 

RI: Warum waren die Eltern und der Bruder so gegen Sie? Was sprach aus deren Sicht gegen die beabsichtigte Heirat?

 

BF: Das weiß ich selbst auch nicht.

 

RI: Sie haben nicht einmal eine Idee? Sie werden doch darüber nachgedacht haben?

 

BF: Der Bruder dieses Mädchens hat mir gesagt, dass es eine große Beleidigung für die Familie ist, wenn ich mich so mit der Schwester herumtreibe.

 

RI: In den ganzen Jahren vorher ist das alles abgelaufen ohne Problem?

 

BF: Wir sind nicht offen nach draußen gegangen. Wenn wir irgendwo zusammen gegangen sind, war es nur möglich, wenn die Familie des Mädchens nicht zu Hause war und unterwegs war.

 

RI: Sie haben heute zunächst angedeutet und jetzt ausdrücklich vorgetragen, dass der Bruder etwas mit der Gandhi-Gruppe zu tun hatte und daher ein Zusammenhang besteht zwischen einer Verfolgung durch die Gandhi-Gruppe und dieses familiären Umstandes. Das haben Sie in der Einvernahme vom 04.04.2017 nie eindeutig so vorgetragen wie heute. Was ist dann seitens der Gandhi-Gruppe, alles gegen Sie passiert, nachdem der Bruder Sie dort "angezeigt hat?

 

BF: Einige Tage nach dem Streit hat die Gandhi Gruppe einen unserer Leute erschossen. Ich bin von dort geflüchtet. Ich habe mich einige Zeit lang versteckt gehalten, bis ich ins Ausland ging.

 

RI: Können Sie mir noch einmal den Zusammenhang mit der Shiv-Sena darlegen? Sie haben vorher angedeutet, dass der Bruder mit ihnen etwas zu tun und die Bedrohungen durch die Shiv-Sana auch etwas mit dem Mädchen zu tun hat?

 

BF: Verwandte des Mädchens (Cousins) waren einflussreich in Shiv-Sena. Deshalb sprach der Bruder mit ihnen. Deshalb sind sie einige Male zu uns nach Hause gekommen (Leute der Shiv-Sena). Sie haben Fensterscheiben kaputt gemacht. Aus Angst bin ich von zu Hause geflüchtet. Sie sagten, sie werden mich unbedingt töten. Die Shiv-Sena-Leute hatten auch illegale Waffen.

 

RI: Verstehe ich Sie nun richtig: Die Gandhi Leute und die Shiv-Sena sind koordiniert gegen Sie vorgegangen? Sie haben sich abgesprochen und Sie waren das gemeinsame Ziel?

 

BF: Ja. Beide zusammen. Der Bruder hat sich an beide Seiten um Hilfe gewandt.

 

RI: Was ist aus dem Mädchen geworden, während Sie sich versteckten und Indien verließen?

 

BF: Sie war zu Hause eingesperrt gewesen. Sie hat abgelehnt, sonst jemanden zu heiraten. Deshalb war die Familie sehr verärgert. Sie hat das Mädchen eingesperrt gehabt.

 

RI: Was war nach 2014?

 

BF: Nachher habe ich keinen Kontakt mehr gehabt.

 

RI: Sie wollten sie ja heiraten. Wäre da nicht anzunehmen, dass Sie z. B. über Ihre Eltern versucht hätten, über ihr aktuelles Schicksal etwas herauszufinden!?

 

BF: Sie sagten, dass es zum Tod des Mädchens oder zu meinem Tod führen würde. Meine Eltern haben gesagt, dass ich dieses Mädchen vergessen soll. Das ist für beide sehr gefährlich.

 

RI: Haben Sie sich damit abgefunden, diese Frau zu vergessen? Wenn Sie wieder in Indien wären, würden Sie mit ihr zusammen sein wollen?

 

BF: Wenn sie dort so fröhlich ist, will ich mich nicht in ihr Leben einmischen und stören.

 

RI: Seit 2014 sind einige Jahre vergangen. Warum sollte die Gandhi-Gruppe, die Shiv-Sena und die Verwandten des Mädchens Sie immer noch töten? Gibt es andere Gründe, abgesehen von der Angelegenheit mit dieser Frau?

 

BF: Ich habe keinen Kontakt mehr nach Indien. Darüber kann ich nichts sagen. Meine Eltern, als sie im Februar/März 2017 zu Hause gewesen sind, sind gefragt worden über meinen Aufenthalt. Deshalb glaube ich, dass sie mich immer noch nicht vergessen haben: Wenn ich nach Indien fahren würde, würden sie kommen, um mich zu töten.

 

RI: Betreffend die Shiv-Sena Gruppe und die Gandhi Gruppe gibt es andere Gründe, warum diese Gruppen Sie töten wollen, außer der Angelegenheit mit dieser Frau?

 

BF: Mit der Gandhi-Gruppe gab es den erwähnten Streit im Fitnessklub. Sie hatten den Ärger deshalb auf mich. Nachdem dieser Vorfall mit dem Mädchen stattgefunden hat, war die Feindschaft noch ärger.

 

RI: Und die andere Gruppe?

 

BF: Der Cousins des Mädchens war eng mit der Shiv-Sana-Gruppe verbunden.

 

Zur Relokationsalternative:

 

RI: Könnten Sie nicht an einen anderen Ort nach Indien begeben, wenn diese Bedrohungen wirklich an diesen Orten stattgefunden haben? Sie haben mit einem Universitätsstudium begonnen, sind jung und gesund. Könnten Sie nicht in eine andere Stadt in den Punjab gehen, nach Mumbai oder Delhi?

 

BF: Beide Gruppierungen, das können Sie auch im Internet nachschauen, sind in ganz Indien vertreten. Es ist gut vorstellbar, dass man mich wirklich überall suchen würde, die würden das einfach weitergeben, dass man meiner habhaft werden möchte und mich einfach töten.

 

RI: Wie verhalten sich da die Sicherheitsbehörden Ihrer Meinung nach?

 

BF: Diese Gruppen haben direkten Kontakt mit der Regierung. Die Polizei ist darüber hinaus bestechlich. Jeder, der Geld gibt, kann von der Polizei das haben, was er braucht.

 

RI: Haben Sie Beweismittel, Schreiben oder Schriftstücke, die für uns von Relevanz wären?

 

BF: Bei der Polizei in XXXX alles angezeigt. Das können Sie nachforschen lassen.

 

( )

 

RI fragt den BF um seine Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Sie können das im Internet schauen, wie korrupt die neue Regierung ist im Gujrat. Allgemein in Indien gibt es nur eine Regierung.

 

RI: Sind Sie mit dem Premierminister Modi einverstanden?

 

BF: Modi selbst ist verwickelt in drei Vergewaltigungen. Er hat die Unruhe im Punjab gestiftet. Er hat gegen die Sikhs Unruhe gestiftet.

 

RI: Gäbe es Ihrer Meinung nach, irgendeine Situation, in der Sie freiwillig nach Indien zurückkehren würden? Ist das völlig ausgeschlossen?

 

BF: Der Tag, an dem die Korruption in Indien beendet ist und junge Leute ohne Bestechung arbeiten können. Keine junge Person wird dann mehr Indien verlassen und ins Ausland gehen. Ich selbst schäme mich, wenn ich über Indien solche Sachen berichten muss.

 

Auf zugelassene Fragen des BFV:

 

BFV: Wie ist die Beziehung zwischen Ihnen und Ihren Geschwistern hier in Österreich?

 

BF: Wir lieben uns alle als Geschwister.

 

BFV: Helfen Sie im Haushalt? Schauen Sie auch auf die Geschwister, insbesondere den kleinen Bruder, wenn die Eltern arbeiten?

 

BF: Ja.

 

BVV: Angenommen Sie müssten nach Indien außerhalb des Punjab zurück, wäre das für Sie ohne Einkommen und einem nicht abgeschlossenen Studium leistbar?

 

BF: Nein.

 

BFV: Wäre es Ihnen möglich, Ihre ehemalige Freundin wiederzusehen, sollten deren Familie nicht mehr gegen die Beziehung sein?

 

BF: Wenn der Bruder mich jetzt noch überall sucht, BFV führt aus:

Präsident Modi, dessen Regierungspartei die BJP ist, dessen Sympathisanten sind die die organisierte "Gandhi-Gruppe".

 

RI: Sie haben davon gesprochen, dass Sie seinerzeit in der Landwirtschat geholfen hätten. Haben Sie früher eine Tätigkeit in der Landwirtschaft, eine Hilfsarbeit verrichtet?

 

BF: Wir hatten dort eine Person, die für uns die Landwirtschaft gemacht hat.

 

RI: Haben Sie zum Beispiel gearbeitet am Feld?

 

BF: Nein.

 

RI: Was war das für eine Landwirtschaft? Größe?

 

BF: Wir haben Reis und Weizen dort angebaut, auch Zuckerrohr und Kartoffel und Zwiebel geerntet. Die Größe war ungefähr zehn Kila.

 

BFV: Keine weiteren Fragen bzw. Beweisanträge oder sonstiges Vorbringen.

 

Schluss des Beweisverfahrens.

 

RI fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

 

( )"

 

11. Am 11.12.2017 langte auf Aufforderung seitens des XXXX , das Protokoll der Erstbefragung der Schwester des Beschwerdeführers in deren Verfahren wegen internationalen Schutz vor der XXXX am XXXX (Tag der Antragstellung ein), ein; sie gab an, Ende Juli 2015 mittels XXXX Visum (das ihr ein in Österreich lebender Onkel mütterlicherseits besorgt hätte) am Luftweg nach Österreich gelangt zu sein, wo ihre Eltern und zwei Brüder (darunter der Beschwerdeführer) lebten. Ihr Anwalt hätte ihr gesagt, sie würde problemlos eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Als Fluchtgrund gab sie an, XXXX ; ein Bezug zum Beschwerdeführer ist nicht ersichtlich; weitere Fluchtgründe wurden nicht genannt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und dessen vorgebrachten Gründen, nicht nach Indien zurückkehren zu können:

 

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Indiens und der Religion der Sikh zugehörig. Seine Volksgruppe und seine präzise Identität stehen nicht fest.

 

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise aus Indien bis 2005 in XXXX danach zeitweise in XXXX und zeitweise in XXXX (allesamt in der Punjab-Region).

 

1.1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 14.6.2007 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem NAG. Dieser wurde mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien vom 27.11.2008 gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 21.4.2010 gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 47 Abs 2 iVm 2 Abs 1 Z 9, 47 Abs 3 Z 3 NAG, 19 Abs 2 iVm 29 Abs 1, 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1, 11 Abs 2 Z 2, 11 Abs 2 Z 3, 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG abgewiesen.

 

Festgestellt wird (dem eben zitierten rechtskräftigem Berufungsbescheid folgend), dass der Beschwerdeführer, indem er in seinem Verfahren betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem NAG unter Verwendung falscher Einkommensbestätigungen als Beweismittel versucht hat, eine Niederlassungsbewilligung erteilt zu bekommen, einen schwerwiegenden Verstoß gegen österreichische öffentlich-rechtliche Normen begangen hat.

 

1.1.3. Der Beschwerdeführer stellte in der Folge am 24.11.2014 den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er Indien legal verlassen hatte und am Luftweg ausgereist war. Der weitere Weg nach Österreich ist nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer konnte im ganzen Verfahren kein Identitätsdokument vorlegen.

 

1.1.4. Mit Vor-Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 (betreffend Asyl) rechtskräftig als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.).

 

1.1.5. Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Indien in einer existenzbedrohenden Art und Weise gefährdet wäre. Die von ihm im gegenständlichen Verfahren vorgetragenen individuellen Gründe konnten dem Verfahren nicht zugrunde gelegt werden. Festgestellt wird, dass aus dem Vorbringen der Schwester in dem Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz unpräjudiziell keine Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich sind, dass dieses Verfahren irgendwelche Auswirkungen auf die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten hätte.

 

1.1.6. Der Beschwerdeführer leidet auch an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Zudem besteht in Indien eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen der Beschwerdeführer hinsichtlich allfälliger psychischer und physischer Leiden ausreichend behandelt werden könnte.

 

1.1.7. In Österreich halten sich die Eltern, der Bruder, die Schwester und zwei Onkel des Beschwerdeführers auf:

 

Der Vater des Beschwerdeführers befindet sich seit dem Jahr 2001 im Bundesgebiet und besitzt die österreichische Staatsangehörigkeit. Die Mutter des Beschwerdeführers ist spätestens seit dem Jahr 2012 in Österreich aufhältig und hat eine Aufenthaltsberechtigung. Der Bruder des Beschwerdeführers reiste spätestens im Jahr 2012 gemeinsam mit der Mutter des Beschwerdeführers ein und verfügt ebenfalls über eine Aufenthaltsberechtigung. Die Schwester des Beschwerdeführers ist seit August 2015 im Bundesgebiet gemeldet und hat am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet eingebracht. Zuvor hatte sie einen Antrag auf "Familienzusammenführung" gestellt, der jedoch negativ entschieden wurde.

 

1.1.8. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er ist seit August 2016 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern an einer gemeinsamen Adresse gemeldet. Außergewöhnliche Abhängigkeitsverhältnisse zu seinen Familienangehörigen waren nicht festzustellen, ebenso wenig eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich; er verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache.

 

1.1.9. In Indien halten sich zwei Onkel väterlicherseits sowie der Großvater des Beschwerdeführers, konkret XXXX , beziehungsweise XXXX im Punjab, auf.

 

Festgestellt wird zudem, dass die Schwester des Beschwerdeführers vor deren Ausreise bei einem weiter entfernten Verwandten, konkret dem Sohn des Bruders des Großvaters des Beschwerdeführers, in der Gegend von Batala gewohnt hat.

 

1.2. Zum Herkunftsstaat Indien:

 

Zur Lage in Indien werden die in der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017 getroffenen Feststellungen sowie das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Quellenmaterial und die daraus resultierenden verwaltungsbehördlichen Feststellungen, wie in der Verfahrenserzählung referiert, zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

 

Die gegenüber jenen im Verwaltungsverfahren getroffenen, in der Beschwerdeverhandlung ergänzten, relevanten Feststellungen lauten wie folgt:

 

Indien ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem und ein Rechtsstaat. Mit über 1,2 Milliarden Menschen ist Indien der bevölkerungsreichste Staat der Welt.

 

Die Sicherheit ist grundsätzlich gewährleistet, die Lage bleibt vor dem Hintergrund zahlreicher schwerer Terroranschläge in den vergangenen Jahren in verschiedenen Landesteilen, insbesondere in den Landesteilen Kaschmir und Jammu, freilich angespannt.

 

Im Bundesstaat Punjab fanden immer wieder terroristische Anschläge und Menschenrechtsverletzungen statt, laut Auskunft der ÖB Delhi war die Situation zuletzt jedoch in Teilbereichen ruhig. Eine bürgerkriegsähnliche Situation liegt im Punjab jedenfalls nicht vor, es gibt auch aktuell im Unterschied zu anderen Bundesstaaten keine spezifischen Sicherheitswarnungen. Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Seit den Wahlen im Februar 2017 ist die Kongresspartei die stärkste politische Kraft im Punjab.

 

Indien verfügt über ein System von Sicherheitskräften, das unter Kontrolle der Regierung steht, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten; die Effektivität der polizeilichen Tätigkeiten ist unterschiedlich.

 

Gegen polizeiliches Fehlverhalten, wie zum Beispiel Folter oder Amtsmissbrauch, stehen Rechtsmittel zur Verfügung, Fehlverhalten wird geahndet.

 

Volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von lokaler Verfolgung. Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch.

 

Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert und wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert. Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Es gibt spezielle staatliche Einrichtungen, die Vorwürfe von Diskriminierung aufgrund der Religion untersuchen. Bei Verstößen gegen die Religionsfreiheit können Haft- und Geldstrafen verhängt werden.

 

Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen, deren Vertreter in einer staatlichen nationalen Minderheitenkommission sitzen. Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet. Obwohl es zu religiös motivierten Zwischenfällen kommt, besteht für Anhänger einer religiösen Minderheit keine reale Gefahr einer systematischen Verfolgung.

 

60% der Bevölkerung in Punjab gehören der Sikh-Religionsgemeinschaft an. Sie leben in ganz Indien und werden wenig bis gar nicht diskriminiert.

 

Grundsätzlich ist in Indien die Grundversorgung gesichert, einschließlich einer solchen medizinischer Natur.

 

Die Rückkehr von abgeschobenen Asylwerbern ist - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz‑) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - problemlos möglich.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen zu den getätigten Feststellungen getroffen:

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Situation in Österreich (ad 1.1.1.,2.,3.,6.,7.,8.,9.):

 

2.1.1. Die genaue Identität des Beschwerdeführers war, auch unter Beachtung der sonstigen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Der Beschwerdeführer konnte im gesamten Verfahren keine Originaldokumente zum Beweis seiner Identität vorlegen.

 

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers gründen sich dagegen auf seine insofern nicht zu bezweifelnde (da kohärente) Aussage.

 

Die Volksgruppe des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden, zumal er im verwaltungsbehördlichen Verfahren diesbezüglich unterschiedliche Angaben (AS 9: Punjabi; AS 20: Kumihar; AS 173:

Randhawa) machte, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung dann behauptete, Jat zu sein und auch auf Vorhalt hin nicht dazu in der Lage war, diese Widersprüchlichkeiten nachvollziehbar aufzuklären, sondern behauptete, auch bei allen drei vorangegangenen Einvernahmen angegeben zu haben, Jat zu sein. Mit der Rückübersetzung konfrontiert, antwortete der Beschwerdeführer schließlich ausweichend, indem er vorbrachte, "später gar nicht mehr nach der Volksgruppe gefragt worden zu sein". Insofern konnte, anders als noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG vom 30.4.2015, W188 2016996-1, die Volksgruppe nicht mehr festgestellt werden. Vollständigkeitshalber ist hier darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer eingangs der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf entsprechende Nachfrage ausführte, dass bei seinen Befragungen stets alles in Ordnung gewesen sei und es keine Schwierigkeiten gegeben habe.

 

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Antragstellungen und zum bisherigen Verfahrensgang beruhen auf dem Akteninhalt. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ist aus einem aktuell eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich ersichtlich.

 

Dass der Beschwerdeführer in seinem Verfahren betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem NAG unter Verwendung falscher Einkommensbestätigungen als Beweismittel versucht hat, eine Niederlassungsbewilligung erteilt zu bekommen und damit einen schwerwiegenden Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen begangen hat, ergibt sich aus den im Gerichtsakt einliegenden Entscheidungen der Magistratsabteilung 35 vom 27.11.2008, MA35-9/2810723-01-7 sowie der Berufungsentscheidung des Bundesministeriums für Inneres vom 21.4.2010, GZ: 153.122/4-III/4/09. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer damit konfrontiert, lediglich ausweichend an, dass sein Vater alle Dokumente und Papiere organisiert habe und er den Antrag bei der österreichischen Botschaft in Indien eingebracht habe. Ferner ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Verfahren zunächst trotz expliziter Nachfrage ("Laut Ekis haben Sie sich im Jahr 2007 an den Magistrat der Stadt Wels gewandt. Sie wollten einen Aufenthaltstitel für Österreich, welcher abgelehnt worden war. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.") bestritten hatte, jemals einen derartigen Antrag gestellt zu haben ("Ich habe nie einen AT beantragt."). Die Ausführungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, wonach er, als er nach Österreich gekommen sei, Angst gehabte, dass ihn die Behörde wieder zurückschicke und er sehr nervös gewesen sei, weshalb er dies nicht zugegeben habe, können nicht als hinreichende Rechtfertigung anerkannt werden.

 

Der Umstand, dass der Reiseweg des Beschwerdeführers nicht näher festgestellt werden konnte, ergibt sich aus seinen diesbezüglich lebensfremden und widersprüchlichen Ausführungen im Verfahren (siehe in diesem Sinne auch schon das Erkenntnis des BVwG vom 30.4.2015, W188 2016996-1): Sprach er in der Erstbefragung vom 26.11.2014 noch davon, über Moskau eingereist zu sein und nicht zu wissen, über welche Länder er schließlich nach Österreich gelangt sei, änderte er seine Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ab, indem er behauptete über Istanbul nach Malta geflogen und dort schließlich von Rom nach Wien gekommen zu sein. Der Beschwerdeführer verstrickte sich darüber hinaus insofern in einen Widerspruch, als er in der Erstbefragung noch angegeben hatte, bereits am 1.9.2014 aus seinem Heimatland per Flugzeug ausgereist zu sein, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung jedoch ausführte, dass er Indien erst im November 2014 verlassen habe.

 

2.1.2. Die Feststellungen zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen ergeben sich aus den eingeholten beziehungsweise vorgelegten Auszügen, insbesondere aus dem ZMR- und aus dem GVS-Register, sowie der Einsicht in das Protokoll der Erstbefragung der Schwester des Beschwerdeführers.

 

Völlig widersprüchlich gestalteten sich jedoch die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen: In der Erstbefragung gab er auf die Frage, welche Familienangehörigen im Herkunftsland aufhältig seien, an, dass seine Eltern und seine Schwester dort leben würden. Seinen im Jahr 2004 geborenen Bruder erwähnte er in keinem Wort, die Frage, ob er in Österreich Familienangehörige habe, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Diese Angaben hielt der Beschwerdeführer auch in seiner Einvernahme vom 5.12.2014 aufrecht, indem er davon sprach, dass seine Eltern und seine Schwester nach wie vor in Gurdaspur leben würden.

 

Erst in der Beschwerde vom 29.12.2014 brachte der Beschwerdeführer auf einmal vor, dass sich die Eltern, der Bruder sowie ein Onkel des Beschwerdeführers in Österreich aufhielten.

 

Soweit der Beschwerdeführer diese groben Divergenzen in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2017 damit abzutun versuchte, dass ihm "die anderen Leute" hier Angst gemacht hätten und ihm gesagt hätten, er würde, wenn er seine Verwandten erwähne, gleich nach Indien zurückgeschickt werden, so ist dieser Erklärungsversuch als bloße Schutzbehauptung zu werten. Selbst wenn man den Ausführungen des Beschwerdeführers Glauben schenken würde, bliebe noch immer unverständlich, weshalb der Beschwerdeführer in der Beschwerde vom 29.12.2014 wiederum unvollständige Angaben machte, indem er seinen zweiten Onkel ( XXXX ), der sich seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung zufolge bereits seit 30 Jahren in Österreich aufhalte, in keinem Wort erwähnte. Auf entsprechende Nachfrage des erkennenden Richters in der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer wenig passend zu Protokoll: "Man hat mich nur danach gefragt, von einem Verwandten hier einen Namen bekannt zu geben." Auch auf Vorhalt der Beschwerde aus Dezember 2014 war der Beschwerdeführer nicht dazu in der Lage, die Unstimmigkeiten aufzuklären, sondern behauptete, dass "man ihn dort nicht gefragt habe".

 

Ebenso auffällig war, dass der Beschwerdeführer in der Befragung vom 4.4.2017 nicht vorbrachte, dass sich mittlerweile auch seine Schwester im Bundesgebiet aufhalte, sondern nur seinen Bruder erwähnte.

 

Festzuhalten ist weiters zentral, dass die Angaben hinsichtlich der Lebensumstände des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht einheitlich zu den Ausführungen in der Einvernahme vom 4.4.2017 blieben: Während der Beschwerdeführer in der Befragung vor dem Bundesamt mehrmals angegeben hatte, gemeinsam mit Landsleuten zu wohnen und seine Eltern "ab und zu (ein- bis zweimal pro Monat)" zu treffen, gab er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, bereits seit zwei Jahren mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester zusammenzuleben:

 

"JM: Wohnen Sie mit jemandem zusammen, mit wem genau?

 

BF: Ja. Mit meiner Familie, Eltern und Bruder und Schwester. Zwei Jahre wohne ich schon dort.

 

RI: Sie wohnen schon 2 Jahre zusammen mit den genannten Personen zusammen?

 

BF: Ja. Mit den gleichen Leuten. Früher haben wir in der XXXX gelebt.

 

JM: Auch schon mit Ihrer Familie?

 

BF: Ja."

 

Die Feststellungen hinsichtlich des Fehlens besonderer Abhängigkeitsverhältnisse zu den Familienangehörigen in Österreich, des Fehlens außergewöhnlicher Integrationsschritte und der Deutschkenntnisse folgen unmittelbar aus dem Verlauf der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017 (vgl auch die Erwägungen dazu unter 3.2.2.):

 

So brachte der Beschwerdeführer lediglich vor, in seiner Freizeit im Wesentlichen ins Fitnesscenter zu gehen und dort auch schon österreichische Staatsangehörige kennen gelernt zu haben. Zu Deutschkenntnissen führte er aus, derzeit einen A2 Kurs zu besuchen (im Akt befindet sich ein ÖSD Zertifikat A1, wonach der Beschwerdeführer am 5.5.2015 die diesbezügliche Prüfung bestanden hat). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung war der Beschwerdeführer auf Nachfrage, ob er auf Deutsch schildern könne, wie er in Österreich seine Freizeit verbringe, zwar dazu in der Lage, in deutscher Sprache über seine Identität und über seine Lebensumstände zu sprechen; Ausführungen zu seinen Freizeitaktivitäten konnte er jedoch nicht in deutscher Sprache schildern.

 

Dass der Beschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige in Indien verfügt und seine Schwester vor ihrer Ausreise bei einem weiter entfernten Verwandten, konkret dem Sohn des Bruders des Großvaters des Beschwerdeführers, in der Gegend von Batala gewohnt hat, hat dieser im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst angegeben.

 

2.2. (Fortdauernde) Rechtskraft der Entscheidung über den Status des Asylberechtigten (ad 1.1.4.):

 

Eingangs ist festzuhalten, dass, wie auch schon festgestellt, der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten mit Spruchpunkt I des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015, W188 2016996-1, als unbegründet abgewiesen wurde und dieser Entscheidungsteil in Rechtskraft erwuchs. Das Fluchtvorbringen in Bezug auf Asyl war in dieser Entscheidung als nicht glaubwürdig beurteilt worden; in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die folgenden Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015 zu verweisen: "Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich einerseits das Vorbringen des BF – soweit in einzelnen Verfahrensstadien Verfolgungsgründe überhaupt ins Treffen geführt wurden – vor allem unter dem Gesichtspunkt der aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüche als unglaubhaft erweist. Unter Einbeziehung seiner Aussagen, er wolle in Österreich arbeiten und das Geld seiner Familie schicken, bzw. er sei deswegen hier, weil seine Familie Geld brauche, damit seine Schwester verheiratet werden könne, ist insgesamt davon auszugehen, dass der BF sein Herkunftsland Indien aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Selbst bei Zutreffen der behaupteten Fluchtgründe bestünde für den BF in Indien eine innerstaatliche Fluchtalternative, welche für ihn erreichbar und ihm auch zumutbar wäre."

 

In der nachfolgenden Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 4.4.2017 sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstattete der Beschwerdeführer ein neues Fluchtvorbringen.

 

Dazu ist einerseits festzuhalten, dass sich dieses, abgesehen davon, dass die Ausführungen keinen klaren Zusammenhang zu einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe aufweisen (dass das Mädchen einer anderen Kaste angehöre, beziehungsweise die ihn sonst verfolgenden Gruppierungen auch ethnische oder politische Motive hätten, wurde nie - auch nur ansatzweise - näher dargelegt), jedenfalls als nicht "substantiiert" im Sinne der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu die Entscheidungen vom 31.8.2017, Ra 2016/21/0367 und vom 5.10.2017, Ra 2017/21/0157, 0158) erwiesen hat und daher ein Vorgehen nach § 51 Abs 2 FPG nicht angezeigt erschien (abgesehen davon, dass gegenständlich im Unterscheid zu den jenen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten, das Verfahren hinsichtlich internationalen Schutzes in der Gestalt subsidiären Schutzes ja noch offen ist); siehe ferner die unter 2.3. getätigten Erwägungen. Eine andere Sichtweise ist auch nicht dadurch indiziert, dass ein Antrag auf internationalen Schutz seitens der Schwester des Beschwerdeführers zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt offen ist, da sich, wie aus Punkt 11 der Verfahrenserzählung offenkundig, kein Hinweis auf einen Zusammenhang deren vorgebrachter Fluchtgründe mit jenen des Beschwerdeführers, ergibt.

 

Abgesehen von all dem wurde zu keinem Zeitpunkt seit 2015 ein diesbezüglicher (weiterer) Antrag des Beschwerdeführers oder Beschwerdeführervertreters auf Asyl gestellt; auch in der gegenständlichen Beschwerde finden sich inhaltlich keine dahin gehend zu deutenden Ausführungen oder sonstigen Anhaltspunkte.

 

Im Übrigen änderte schließlich das nachträgliche Hervorkommen schon vor der Entscheidung bestandener, aber bisher unbekannt gebliebener relevanter Tatsachen (nova reperta), für sich alleine noch nichts an der grundsätzlichen Unabänderlichkeit der Entscheidung und könnten derartige Umstände nur im Wege einer (vom Beschwerdeführer fallgegenständlich nicht beantragten) Wiederaufnahme nach § 69 AVG beseitigt werden, wofür unter anderem aber Voraussetzung wäre, dass "neue Tatsachen oder Beweismittel" hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, was im konkreten Fall aber nicht zuträfe, weil ja der Beschwerdeführer die Vorbringensteile - Ereignisse vor dem erwähntem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015 betreffend - schon in jenem Verfahren erstatten hätte können; bereits in diesem Verfahren war er auch rechtsfreundlich vertreten gewesen.

 

Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr waren also nach wie vor nicht zu treffen.

 

2.3. Zu den nunmehr vorgebrachten Gefahren in Indien im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten (ad 1.1.5.):

 

2.3.1. Die Aussage eines Asylwerbers stellt im Verfahren wegen internationalen Schutzes zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Antragstellers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die entscheidungsbefugte Instanz kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH vom 6.3.1996, Zl 95/20/0650).

 

2.3.2. Im vorliegenden Verfahren hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, seine Fluchtgründe in Bezug auf subsidiären Schutz darzulegen. Der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichtes geht jedoch aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes sowie aufgrund der am 27.11.2017 vor dem erkennenden Gericht abgehaltenen Beschwerdeverhandlung davon aus, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt hinsichtlich einer entsprechenden Gefährdung keine Glaubhaftigkeit aufweist; dies aus folgenden näheren Erwägungen:

 

2.3.2.1. Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz unterschiedlichste Angaben zu seinen Verfolgungsgründen machte:

 

So sprach er im Rahmen der Erstbefragung davon, dass es 2011 einen Grundstücksstreit zwischen seiner Familie und jener seines Onkels gegeben habe, woraufhin er in einer anderen Stadt gelebt habe. Dort sei es dann schließlich zu einem Streit zwischen den Freunden des Beschwerdeführers und einer anderen Gruppe im Fitnesscenter gekommen, wobei ein Freund des Beschwerdeführers getötet worden sei. Weil der Beschwerdeführer danach ebenfalls von dieser Gruppe mit dem Tod bedroht worden sei, habe seine Familie schließlich beschlossen, dass er Indien verlassen solle.

 

In der Befragung vom 5.12.2014 revidierte der Beschwerdeführer schließlich seine Angaben und brachte vor, nur nach Österreich gekommen zu sein, weil seine Familie Geld brauche, um seine Schwester verheiraten zu können (siehe dazu auch schon näher die unter 2.2. wiedergegebenen Erwägungen aus dem Erkenntnis des BVwG vom 30.4.2015, W188 2016996-1).

 

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 27.11.2017 rechtfertigte er sich auf Vorhalt seiner unterschiedlichen Angaben damit, dass er am Anfang so geantwortet habe, "wie es ihm seine Mitbewohner in XXXX geraten hätten" und er erst dieses Jahr auf Aufforderung seines Vaters hin wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe.

 

Selbst wenn man den dahingehenden Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Glauben schenken würde, wäre wiederum nicht verständlich, weshalb der Beschwerdeführer in der vorangegangenen ergänzenden verwaltungsbehördlichen Einvernahme vom 4.4.2017 den diesjährigen Besuch (im Februar / März) seiner Eltern im Heimatland in keinem Wort erwähnte, noch dazu wenn man bedenkt, dass sein diesbezügliches Vorbringen in der mündlichen Verhandlung Bezug auf aktuelle Verfolgungsgründe des Beschwerdeführers nimmt.

 

Darauf angesprochen, erklärte der Beschwerdeführer wenig überzeugend, "damals alles erzählt" zu haben. Auf Vorhalt der Rückübersetzung, deren Richtigkeit er selbst bestätigt hatte, gab der Beschwerdeführer ausweichend an: "Alles, was der damalige Dolmetscher übersetzt hat, war wahrheitsgemäß richtig." Damit konnte er diese Implausibilität in keiner Weise aufklären.

 

Zentral bleibt jedenfalls, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, nachvollziehbar zu begründen, warum er am 5.12.2014 alle (zuvor und später vorgebrachten) Verfolgungsgründe dezidiert in Abrede gestellt hat, wenn diese zuträfen.

 

2.3.2.2. Festzuhalten ist weiters, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers zu den vorgebrachten Verfolgungsgründen generell auf vage Schilderungen beschränkten. Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung vom 27.11.2017 umfassend befragt und war, obwohl ihm mehrmals die Möglichkeit dazu geboten wurde, nicht gewillt oder in der Lage, nähere Angaben zu tätigen.

 

Bezeichnender Weise konnte der Beschwerdeführer nicht einmal verständlich erklären, was er unter dem Begriff der "Gandhi Group" konkret verstehe, obwohl er mehrmals behauptete durch diese Verfolgung zu befürchten:

 

"RI: Was verstehen Sie genau unter dem Begriff der "Gandhi Group", Ihrer Meinung nach?

 

BF: Das ist eine ganz große Gang in Indien.

 

RI: Erzählen Sie bitte Näheres über diese Gang?

 

BF: Zum Beispiel haben sie eine eigene Partei, da sind viele Leute dabei.

 

RI: Welche Partei meinen Sie jetzt?

 

BF: Die Partei heißt so: Gandhi-Gruppe.

 

RI: Kandidiert sie auch bei Wahlen?

 

BF: Zum Beispiel in den Colleges: Sie wählen eigene Führer. Alle müssen dem zustimmen, was der Führer sagt. Wer dagegen ist, der wird geschlagen."

 

Was den behaupteten Vorfall im Fitnesscenter betrifft, so traten im Verfahrensverlauf Widersprüche zu Tage: Führte der Beschwerdeführer anlässlich der Einvernahme vom 4.4.2017, dazu aufgefordert den Vorfall im Fitnesscenter näher zu beschreiben, noch aus, dass im September 2014, als sie aus "dem Gym" gekommen seien, plötzlich 14 bis 15 Leute von der Gandhi Group begonnen hätten, sie zu schlagen und in der Folge davon gelaufen seien, brachte er in der mündlichen Verhandlung dann vor, dass "diese Leute" ebenfalls im Fitnesscenter trainiert hätten und plötzlich gefordert hätten, dass der Beschwerdeführer und seine Freunde von einem bestimmten Gerät weggehen sollen, weil diese dort trainieren hätten wollen. Weil der Freund des Beschwerdeführers noch nicht fertig auf dem Gerät gewesen sei und auch nach mehreren Aufforderungen nicht weggegangen sei, hätten diese dann schließlich begonnen, ihn zu schlagen.

 

Divergierend waren auch die Angaben des Beschwerdeführers zu den Grundstückstreitigkeiten: Sprach der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 4.4.2017 noch davon, dass diese Anfang 2013 begonnen hätten, änderte er seine Ausführungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ab, indem er vorbrachte, dass die Probleme angefangen hätten, als seine Mutter im Jahr 2010 Indien verlassen habe, weil die Onkeln des Beschwerdeführers damals begonnen hätten, das Grundstück zu beanspruchen.

 

In beiden Fällen, unabhängig davon, ob die Grundstücksstreitigkeiten nunmehr 2010 oder 2013 begonnen haben, ist es für den erkennenden Richter in keiner Weise nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer trotz der Behauptung, dass ihn seine Onkel versucht hätten, umzubringen, bis zur zweiten Jahreshälfte 2014 im Heimatland verblieb. Bereits das Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Ausreisezeitpunkt legt daher den Verdacht nahe, dass diese Grundstückstreitigkeiten in der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Form gar nicht bestanden haben, respektive keinen persönlichen Bezug zu ihm hatten, wie er ja selbst in der Einvernahme am 5.12.2014 vorgetragen hatte.

 

Auch das Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch den Bruder des Mädchens, mit dem der Beschwerdeführer eine Beziehung gehabt habe, war nicht geeignet, eine Verfolgung glaubhaft zu machen, zumal der Beschwerdeführer wiederum keine schlüssige oder nachvollziehbare Bedrohungssituation schildern konnte.

 

So erscheint es dem erkennenden Richter unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer über zumindest zwei Jahre eine Beziehung geführt haben soll, ohne, dass irgendjemand etwas davon mitbekommen haben soll. Daran vermag auch der Erklärungsversuch des Beschwerdeführers, wonach sie nur zusammen hinausgegangen seien, wenn die Familie des Mädchens nicht zu Hause und ebenfalls unterwegs gewesen sei, nichts zu ändern.

 

Überdies gestalteten sich seine diesbezüglichen Ausführungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung teilweise widersprüchlich zu seinen vor dem Bundesamt getätigten Angaben: Gab der Beschwerdeführer vor der Verwaltungsbehörde am 4.4.2017 noch an, das Mädchen seit 2012 gekannt zu haben und für zwei Jahre mit ihr zusammen gewesen zu sein, führte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung dann aus, mit dieser drei bis vier Jahre zusammen gewesen zu sein. Damit konfrontiert, änderte der Beschwerdeführer seine Angaben wiederum ab, indem er vorbrache, eine etwa zwei- bis dreijährige Beziehung geführt zu haben.

 

Weiters erscheint in dem Zusammenhang lebensfremd, dass der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise gar keinen Kontakt mehr zu jener Person, die er eigentlich hätte heiraten wollen, gehabt haben soll. Auf Nachfrage des Richters, ob er sich damit abgefunden habe, die Frau zu vergessen (wie von seinen Eltern empfohlen), gab der Beschwerdeführer lapidar zu Protokoll: "Wenn sie dort so fröhlich ist, will ich mich nicht in ihr Leben einmischen und stören."

 

Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer vorzuhalten, dass er im bisherigen Verfahren nie vorgetragen hatte, dass der Bruder des Mädchens etwas mit der Gandhi-Gruppe zu tun habe und daher zwischen der Verfolgung durch die Gandhi-Gruppe und diesem familiären Umstand ein Zusammenhang bestehen soll, sondern er dies erstmals in der mündlichen Beschwerdeverhandlung geltend machte. Auch behauptete er das erste Mal in der mündlichen Verhandlung, dass die Gandhi Gruppe und die Shiv-Sena beide wegen jener privaten Beziehung (quasi koordiniert) gegen ihn vorgegangen seien. Nicht plausibel ist hierbei freilich jedenfalls, warum diese beiden Gruppen nach Jahren und unter Beachtung des Umstandes, dass die Beziehung inzwischen beendet ist und der Beschwerdeführer kein Interesse angab, diese fortzuführen, weiter derart gegen den Beschwerdeführer vorgehen sollten.

 

2.3.2.3. Sofern der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017 (erstmals) vorgetragen hat, dass seine Eltern bei ihrem Aufenthalt in Indien im Februar/März 2017 dieses Jahres wieder in den Grundstücksstreit mit dem Onkel verwickelt worden seien, ergäbe sich selbst daraus (Wahrheitsgehalt hypothetisch angenommen) keine persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers, hatte doch dieser schon am 5.12.2014 erklärt, es gäbe zwar einen Grundstücksstreit, dieser habe aber nichts mit ihm zu tun.

 

Sofern er bei dieser Gelegenheit ferner (ebenso erstmalig) erwähnt hat, anlässlich des Aufenthalts der Eltern seien auch "Leute der Shiv Sena" zum Elternhaus gekommen, hätten ihn (wegen der beendeten Beziehung zu dem Mädchen) gesucht und ihm gedroht, kann auch diesem Vorbringen zum einen keine substantiierte Asylrelevanz entnommen werden (Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf die Frage nach dem Grund einer weiter bestehenden Verfolgungsgefahr durch die Shiv-Sena ausdrücklich angegeben, dass die Cousins des Mädchens eng mit der Shiv-Sena Gruppe verbunden seien, was für eine primär private Motivation spricht). Zum anderen erweist es sich auch nicht als geeignet, die sonstige Beurteilung der fehlenden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu erschüttern. Beweismittel wurden nicht vorgelegt oder konkret angeboten; selbst vom Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017 in den Raum gestellte etwaige polizeiliche Anzeigeprotokolle über Vorfälle könnten nicht den Wahrheitsgehalt solcher Anzeigen belegen; dass die Polizei generell korrupt und dem Beschwerdeführer vib vorneherein nicht helfen würde, ist eine unbelegte Behauptung. Dabei ist auch zu beachten, dass Shiv Sena (siehe nur in das Verfahren eingeführter Wikipedia-Auszug) eine nationalistisch-hinduistische Partei mit Schwerpunkt im indischen Bundesstaat Maharashtra ist, die (trotz teilweise Kooperation mit der BJP) sohin jedenfalls nicht landesweit als so mächtig angesehen werden kann, dass sie etwa allgemein straflos agieren könnte (was in Indien insgesamt ja auf gar keine Gruppierung/Partei zutrifft).

 

Insofern waren hier also keine weiteren Ermittlungen zu treffen, respektive Erwägungen anzustellen.

 

2.3.2.4. Für das erkennende Gericht ist es darüber hinaus nicht nachvollziehbar und widersprüchlich, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angab, zuletzt als Landwirt gearbeitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung jedoch die Frage, ob er in der Landwirtschaft seiner Familie gearbeitet habe, verneinte.

 

In Bezug auf sein Studium im Heimatland reduzierte der Beschwerdeführer seine Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, indem er angab, nur ein Semester seines "Magisterstudiums für Informatik" abgeschlossen zu haben, jedoch nicht mehr, wie in der Befragung vom 4.4.2017 vorbrachte, "den Master in IT abgeschlossen zu haben".

 

Die mehrfach widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Familienangehörigen in Österreich, wie unter 2.1.2. erwogen, fügen sich in dasselbe Bild nicht glaubhafter Darlegungen.

 

2.3.2.5. Mangels Erstattung eines diesbezüglichen Vorbringens, respektive Vorlage medizinischer Befunde, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass beim Beschwerdeführer schwerwiegende Erkrankungen diagnostiziert worden wären. Der Beschwerdeführer gab, so wie auch während des Verfahrens vor dem Bundesamt, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, gesund zu sein, nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen und auch keine Medikamente einzunehmen.

 

2.3.2.6. Angesichts des im Asylverfahrens/Verfahren wegen internationalen Schutzes gültigen Maßstabs für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit, vgl nur EGMR 24.6.2014 Rs 17200/11 S.B. against Finland: "The Court acknowledges that, owing to the special situation in which asylum seekers often find themselves, it is frequently necessary to give them the benefit of the doubt when it comes to assessing the credibility of their statements and the documents submitted in support thereof. However, when information is presented which gives strong reasons to question the veracity of an asylum seeker's submissions, the individual must provide a satisfactory explanation for the alleged discrepancies (see, among other authorities, Collins and Akasiebie v. Sweden (dec.), no 23944/05, 8 March 2007, and Matsiukhina and Matsiukhin v. Sweden (dec.), no 31260/04, 21 June 2005), ist zusammenfassend festzuhalten, dass die dargestellten Umstände die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers so massiv in Zweifel ziehen, dass sein Vorbringen zu den Gründen, nicht nach Indien zurückkehren zu können, den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden konnte.

 

2.3.3. Dem Beschwerdeführer gelang es insgesamt nicht, individuelle und konkrete Verfolgungsgründe glaubhaft zu machen. Die Vorbringensteile wurden zum größten Teil - ohne überzeugende Begründung - spät und uneinheitlich vorgebracht. Bezüge zu asylrelevanten Gefahren erwiesen sich als völlig unsubstantiiert (siehe schon oben unter 2.2.); die Befürchtungen reduzierten sich somit auf private Konflikte (Grundstücksstreitigkeiten; Auseinandersetzung in Fitnesstudio wegen Zugang zu Geräten; dem Ursprung nach familiäre Konflikte wegen der Beziehung zu einer Frau, die inzwischen beendet wurde), wobei das diesbezügliche Vorbringen sich aus den oben genannten Gründen klar als nicht glaubhaft erwies. Das gleiche Bild zeigte sich auch bei dem Vortrag zu den familiären Verhältnissen in Indien und in Österreich.

 

2.4. Zur Lage in Indien (ad 1.2. der Feststellungen)

 

Die Feststellungen zu den entscheidungsrelevanten Aspekten der Situation in Indien, welche diesem Erkenntnis zu Grunde liegen, ergeben sich aus den unter I.8. genannten /in der Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017 verwiesenen Quellen. Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit der entsprechenden (seitens der Verwaltungsbehörde und des Gerichtes getroffenen) Feststellungen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht bestritten, sondern in der mündlichen Verhandlung dazu stellungnehmend lediglich festgehalten, dass man im Internet sehen könne, wie korrupt die neue Regierung im Gujrat sei und es in Indien allgemein nur "eine Regierung" gebe. Auch sonst wurden die verwendeten Quellen und getroffenen Feststellungen von den Parteien zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens substantiiert bestritten.

 

2.5. Relokationsalternative in eventu

 

Im Übrigen stünde es dem Beschwerdeführer – vollständigkeitshalber erwähnt – jedenfalls auch offen, sich der vorgebrachten Gefährdungssituation (Verfolgung durch den Bruder des Mädchens, mit dem er eine Beziehung führte, durch die Gandhi Gruppe und die Shiv-Sena sowie durch Familienangehörige aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten; dies allesamt aus privaten, nicht in der Genfer Flüchtlingskonvention begründeten, Motiven) durch Umzug an einen anderen Ort in Indien, konkret etwa nach Neu Delhi oder Mumbai, zu entziehen. Dabei handelt es sich um Großstädte in Indien, in denen den aktuellen Länderfeststellungen zufolge, zwar vereinzelt Anschläge stattfinden, jedenfalls aber keine bürgerkriegsähnlichen Zustände, herrschen. Der Beschwerdeführer brachte auf die Frage, ob er nicht in eine andere Region in Indien zurückkehren könnte, zwar vor, dass beide Gruppierungen in ganz Indien vertreten seien und es gut vorstellbar sei, dass man ihn überall suchen würde. Diese Angaben blieben jedoch gänzlich unsubstantiiert und finden auch in den in das Verfahren eingeführten Länderberichten keine Deckung. Es ist nicht anzunehmen, dass im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers, bei dem es sich um keine exponierte Persönlichkeit handelt, ein erhebliches Risiko bestünde, dass sein Aufenthalt sofort überregional bekannt würde und er tatsächlich in ganz Indien durch die Gandhi Gruppe oder Shiv-Sena verfolgt würde (selbst wenn letztere ihren Schwerpunkt in jenem Bundesstaat hat, in dem auch Mumbai liegt).

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen und gesunden Menschen, sodass es ihm selbst außerhalb seiner engeren Heimat und ohne unmittelbare familiäre Anknüpfungspunkte möglich wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, seinen Lebensunterhalt in Neu Delhi oder Mumbai zu sichern.

 

Zusammenfassend folgert der Schluss des Verweises auf eine Schutzalternative in eventu aus den Bezug habenden länderkundlichen Quellen, wonach volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet ist, es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem gibt und davon auszugehen ist, dass Betroffene sich durch Umzug in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten Probleme entziehen können.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Verfahrensbestimmungen

 

3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

3.1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg cit ). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gemäß §§ 16 Abs 6, 18 Abs 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

3.1.3. Prüfungsumfang

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

 

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Gegenständlich lagen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor; der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist mit der Durchführung der Beschwerdeverhandlung am 27.11.2017 vollständig erhoben worden.

 

3.2. Zu Spruchteil A)

 

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Abs 3 leg cit).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl VwGH 99/20/0573, 19.2.2004).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl VwGH 26.6.1997, Zl 95/18/1293 und 17.7.1997, Zl 97/18/0336).

 

Gemäß Art 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt.

 

Gemäß Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Für die Gewährung von Abschiebeschutz ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht.

 

3.2.1.1. Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers noch aus den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH vom 21.8.2001, Zl 2000/01/0443).

 

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer ihn selbst betreffenden Gefahr, welche ihn bei einer Rückkehr nach Indien träfe, zur Gänze unglaubwürdig, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG als innerstaatlicher Umsetzung der Statusrichtlinie (in diesem Sinn Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K8 zu § 8) erkannt werden kann.

 

3.2.1.2. Für den Fall des (teilweisen) Zutreffens der Angaben des Beschwerdeführers entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist in eventu darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls eine Relokationsalternative in andere Landesteile zur Verfügung steht (siehe dazu im Speziellen die beweiswürdigenden Erwägungen unter 2.5. mit konkreter Benennung dieser Alternative und entsprechender hypothetischer Wahrunterstellung). Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist nach den Angaben des Beschwerdeführers nicht davon auszugehen, dass er landesweit gesucht wird, zumal sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht ergibt, dass er selbst eine exponierte Persönlichkeit wäre, die von staatlichen Stellen oder nicht-staatlichen Gruppierungen etwa landesweit gesucht würde. Wirtschaftliche Schwierigkeiten in existenzbedrohender Schwere, sich in einer indischen Großstadt als Sikh eine neue Existenz aufzubauen, sind nicht ersichtlich.

 

3.2.1.3. Aus der allgemeinen Situation in Indien allein ergeben sich aber auch keine sonstigen ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG (Art 3 EMRK/Art 4 GRC) bedroht wäre; es herrscht keine allgemeine Bürgerkriegssituation oder dergleichen.

 

3.2.1.4. Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in Indien aufgewachsen, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete.

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen Mann im Alter von XXXX Jahren ohne erkennbare Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Er gab zuletzt an, vor seiner Ausreise in seinem Heimatland zunächst von 1997 bis 2008 die Grundschule XXXX besucht zu haben und ab März 2012 Informatik studiert zu haben, wobei er das erste Semester abgeschlossen habe. Dem Beschwerdeführer kann es nach dem Dafürhalten des erkennenden Gerichtes im Falle einer Rückkehr zugemutet werden, das zum Überleben Notwendige durch eigene Arbeit zu bestreiten, so beispielsweise in der Landwirtschaftsbranche, wo er seinen Angaben in der Erstbefragung zufolge, bereits vor der Ausreise arbeitete. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es dem jungen Beschwerdeführer nicht zumutbar sein sollte, im Falle einer Rückkehr, allenfalls (zunächst) durch Gelegenheitsarbeiten, für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

 

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge nach wie vor über Familienangehörige in Indien verfügt. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer ausführte, zu seinen Onkeln aufgrund von Streitigkeiten keinen Kontakt mehr zu haben; abgesehen davon, dass die Grundstücksstreitigkeiten als nicht glaubwürdig erkannt wurden, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch darlegte, dass seine Schwester vor ihrer Ausreise bei einem weiter entfernten Verwandten, konkret dem Sohn des Bruders des Großvaters des Beschwerdeführers, in der Gegend von Batala unterkommen konnte, sodass davon auszugehen ist, dass auch der Beschwerdeführer (zumindest anfänglich) Unterstützung durch diesen erhalten könnte.

 

Abgesehen davon besitzt die Familie des Beschwerdeführers ein Haus und eine Landwirtschaft, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer, der seinen Angaben in der Erstbefragung zufolge zuletzt als Landwirt arbeitete, bei einer Rückkehr durch Bewirtschaftung der familieneigenen Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt bestreiten und im Haus der Familie leben könnte. Auch ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht, wie auch schon vor seiner Ausreise, weiterhin durch seinen in Österreich lebenden Vater finanziell unterstützt werden könnte. Auf den Umstand, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Schwester finanziell in der Lage waren, am Luftweg von Indien nach Österreich zu reisen, ebenso wie die Eltern des Beschwerdeführers in der Lage waren, 2017 eine Besuchsreise nach Indien zu machen, wird nur vollständigkeitshalber verwiesen.

 

3.2.1.5. Eine völlige Perspektivenlosigkeit für den Beschwerdeführer kann somit nicht erkannt werden. Ziel des subsidiären Schutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor exzeptionellen Bedrohungen zu geben.

 

Die Beschwerde war somit aus den dargelegten Gründen gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.2.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015, W188 2016996-1, hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und wird mit dem gegenständlichen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

 

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2014 durchgehend im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet und wurde der Beschwerdeführer auch nicht Opfer von strafbaren Handlungen oder von Gewalt.

 

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 2 FPG unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird (Z 1), dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2), ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt (Z 3) oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 4) und kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl VfSlg. 18.224/2007, 18.135/2007; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

 

3.2.2.1. Vom Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl etwa VwGH 26.1.2006, 2002/20/0423; 8.6.2006, 2003/01/0600; 26.1.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

 

Eine familiäre Beziehung unter erwachsenen Geschwistern fällt dann unter den Schutz des ("Familienlebens" iSd) Art 8 Abs 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl insb das Erkenntnis des VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0149).

 

Wie nunmehr (auch im Lichte des hiergerichtlichen Vorerkenntnisses) hinreichend festgestellt, befinden sich neben den Eltern und der Schwester sowie des Bruders des Beschwerdeführers auch zwei Onkeln im Bundesgebiet.

 

Der Beschwerdeführer brachte anlässlich der Einvernahme vom 4.4.2017 vor, zu seinen Eltern ein "ganz normales" Verhältnis zu haben und diese etwa ein- bis zweimal im Monat zu treffen. Auch wenn der Beschwerdeführer mittlerweile mit seiner Familie in einem gemeinsamen Haushalt wohnen mag (vgl zu den diesbezüglich widersprüchlichen Angaben die beweiswürdigenden Erwägungen unter

2.1.2.) so konnte dennoch, insbesondere auf Basis des Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 27.11.2017, kein spezielles Nahe,- beziehungsweise Abhängigkeitsverhältnis erkannt werden.

 

Diesbezüglich ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass sich der Vater des Beschwerdeführers seit dem Jahr 2001 in Österreich aufhält und auch seine Mutter spätestens im Jahr 2012 in das Bundesgebiet einreiste, sodass der Beschwerdeführer zweifellos mehrere Jahre im Heimatland auch ohne seine Kernfamilie zurechtkam.

 

Es wird weiters nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer im Verfahren mehrfach vorbrachte, auch schon vor seiner Einreise nach Österreich von seinem Vater finanziell unterstützt worden zu sein, jedoch kann auch aus diesem Umstand kein spezielles Nahebeziehungsweise Abhängigkeitsverhältnis, welches im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine ausreichende Beziehungsintensität begründen würde und im konkreten Einzelfall höher zu bewerten wäre, als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen, erkannt werden (vgl dazu auch VwGH vom 19.2.2014, 2013/22/0037).

 

Aus welchem Grund eine finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers durch seinen Vater nach dessen Rückkehr ins Heimatland nicht mehr möglich sein sollte, wurde nicht dargelegt. Auch können die sozialen Kontakte durch Telefonate und gegenseitige Besuche gepflogen werden, brachte der Beschwerdeführer doch selbst vor, dass seine Eltern erst Anfang des Jahres 2017 in Indien gewesen seien.

 

Nur der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass auch zu den beiden in Österreich aufhältigen Onkeln kein exzeptionelles Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden konnte; der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, diese "hin und wieder" zu sehen.

 

3.2.2.2. Es bleibt zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung ein Eingriff in sein Privatleben einhergeht.

 

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl Thym, EuGRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354; 27.3.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/10/0479, davon ausgeht, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist im Fall des Beschwerdeführers, der sich seit November 2014 – sohin seit drei Jahren und einem Monat – in Österreich aufhält, anzunehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz ist, um ein schützenswertes Privatleben zu begründen (vgl auch VwGH vom 15.3.2016, Ra 2016/21/0040, VwGH vom 30.6.2016, Ra 2016/21/0192 und VwGH vom 23.2.2017, Ra 2016/21/0235).

 

Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer sein gesamtes bisheriges Leben bis zum Verlassen des Herkunftsstaates vor etwas mehr als drei Jahren in Indien verbracht. Er spricht Punjabi, hat im Heimatland elf Jahre lang die Schule und anschließend die Universität besucht. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer, der auch nach wie vor über Familienangehörige im Heimatland verfügt, nach erst etwas über drei Jahren Abwesenheit von seinem Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird.

 

Im Gegensatz dazu ist der Beschwerdeführer in Österreich nur schwach integriert und verfügt auch nicht über weit fortgeschrittene Deutschkenntnisse (siehe näher die beweiswürdigenden Erwägungen unter 2.1.2.).

 

Der Beschwerdeführer durfte sich bislang nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.2.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.4.2012, 2011/18/0253).

 

Den Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.1.2001, 2000/18/0251). Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher – trotz des Aufenthalts der Familienangehörigen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet – derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet (vgl dazu VfSlg 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479). Diese öffentlichen Interessen sind im Fall des Beschwerdeführers aus Sicht des erkennenden Richters besonders ausgeprägt, als das gegenständliche Verfahren auch als Versuch gewertet werden kann, nach negativem Abschluss eines Verfahrens nach dem NAG, dennoch – unberechtigt – auf anderem Wege einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erlangen.

 

3.2.2.3. § 52 Abs 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Ein solches kommt dem Beschwerdeführer nicht zu, ein entsprechender Antrag (vor der Antragstellung auf internationalen Schutz gestellt) wurde rechtskräftig abgewiesen, wie in der Verfahrenserzählung erörtert.

 

3.2.2.4. Dem Bundesamt ist daher beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der angefochtene Bescheid einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

 

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung ist daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.2.2.5. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

 

Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 51 Abs 1 FPG auf Antrag des Fremden zu entscheiden, ob die Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig ist. Bezieht sich ein Antrag gemäß § 51 Abs 1 FPG auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag gemäß § 51 Abs 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist nach den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs 1 AsylG 2005.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien ist gegeben, da nach den die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.4.2015, W188 2016996-1 sowie der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Die Abschiebung wäre schließlich nach § 50 Abs 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Indien aber nicht.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien ist daher zulässig.

 

3.2.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Solches wurde nicht dargetan und liegen keine Anhaltspunkte vor, die in concreto für eine längere Frist sprächen.

 

Die Beschwerde war daher auch abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides richtet.

 

3.3. Zu Spruchteil B)

 

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EGMR stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung.

 

Im konkreten Fall ging das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und ist diese auch nicht uneinheitlich. Die Revision ist im konkreten Fall zudem deshalb nicht zulässig, weil der Kern dieser Entscheidung (zu subsidiärem Schutz und zum Teil auch zur Rückkehrentscheidung) die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers betraf und daher in wesentlichen Punkten Tatfragen im Vordergrund standen; die Frage des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative in eventu und die Rückkehrentscheidung (vgl dazu insb VwGH vom 17.5.2017, Ra 2017/22/0059, vom 30.6.2016, Ra 2016/21/0076, vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0183 sowie vom 7.9.2016, Ra 2016/19/0168) warfen ebenso keine neuen Rechtsfragen auf. Auch hinsichtlich der Frage, ob aufgrund der nunmehrigen Angaben des Beschwerdeführers ein Vorgehen nach § 51 Abs 2 FPG angezeigt erscheint, konnte sich das erkennende Gericht auf rezente Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen (vgl dazu die Entscheidungen vom 31.8.2017, Ra 2016/21/0367 und vom 5.10.2017, Ra 2017/21/0157, 0158).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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