AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W110.1423882.1.00
Spruch:
W110 1423882-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2.1.2012, FZ. 11 13.605 - BAT, zu Recht erkannt:
A.
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 10.2.2015 erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG iVm § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.
B. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 11.11.2011 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den vor-liegenden Antrag auf internationalen Schutz.
1. Im Rahmen seiner Erstbefragung am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer u.a. an, Afghanistan als Kleinkind gemeinsam mit seiner Familie verlassen und im Iran gelebt zu haben. Den Iran habe er im XXXX verlassen und sei über die Türkei auf dem Landweg nach Österreich gelangt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, seine Familie lebe seit etwa zehn Jahren im Iran. Er habe acht Jahre lang die Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet. Im Iran würden noch seine Eltern sowie seine vier Geschwister leben. Zu den Gründen für seine Flucht sagte der Beschwerdeführer aus, er wisse nicht, aus welchen Gründen seine Familie damals Afghanistan verlassen habe, und er vermute, dass dies wegen des Krieges und der Unsicherheiten geschehen sei. Er selbst habe nun den Iran verlassen, da er eine Beziehung mit einer verheirateten Frau begonnen und der Ehemann ihn mit dem Tod bedroht sowie bei der Polizei angezeigt habe.
Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde am 16.11.2011 durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte an den Beschwerdeführer in Österreich zugelassen.
2. In seiner Einvernahme am 5.12.2011 in Anwesenheit eines Rechtsberaters als sein gesetzlicher Vertreter führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er im Iran geboren worden sei und seine Familie - als er zwei Jahre alt gewesen sei - mit ihm nach Afghanistan zurückgekehrt sei, wo sie einige Jahre gelebt hätten. Danach seien sie wieder in den Iran zurückgekehrt, wo er sich bis zu seiner Ausreise nach Österreich aufgehalten habe. An seinen Aufenthalt in Afghanistan habe er keine Erinnerung. Seine Familie sei damals wegen des Krieges geflohen. Hinsichtlich der Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes betonte der Beschwerdeführer, im Iran Probleme gehabt zu haben, nicht jedoch in Afghanistan. Er habe mit einer iranischen Frau eine sexuelle Beziehung begonnen, ohne zu wissen, dass diese verheiratet gewesen sei. Der Ehemann der Frau und ihr Bruder hätten davon erfahren und den Beschwerdeführer mehrmals telefonisch mit dem Tod bedroht. Im XXXX sei der Beschwerdeführer mit der Frau in einer öffentlichen Toilettenanlage ertappt und in der Folge festgenommen worden. Da der Ehemann ihn auch angezeigt habe, fürchte er, zum Tode verurteilt zu werden.
3. Mit Bescheid vom 2.1.2012 wies das Bundesasylamt den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005), ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). Nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan und stellte die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers sowie ferner fest, dass der Beschwerdeführer seit seiner Geburt (bis auf einen kurzen Aufenthalt im Kleinkindalter) durchwegs im Iran gelebt habe und sich seine Fluchtgründe auf den Iran beziehen würden. Zu seiner Heimatstadt und zum Wohnort seiner Verwandten traf das Bundesasylamt keinerlei Feststellungen. Beweiswürdigend wertete das Bundesasylamt die Angaben des Beschwerdeführers über seine Ausreisegründe als unglaubwürdig: Es hätten sich verschiedenste Widersprüche, wie etwa über den Beginn und der Dauer der behaupteten Beziehung ergeben, und der Beschwerdeführer habe keine konkreten Angaben zu seiner angeblichen Geliebten und ihrem Ehemann machen können.
Rechtlich folgerte das Bundesasylamt daraus, dass der Beschwerdeführer eine Furcht vor Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können und dass er auch keinerlei persönliche Merkmale aufweise, die eine Verfolgungsgefahr annehmen ließen. Der Beschwerdeführer habe lediglich eine Verfolgung in einem Drittstaat vorgebracht. Hinsichtlich Spruchpunkt II. berief sich das Bundesasylamt darauf, dass im Falle des Beschwerdeführers von einer Glaubhaftmachung der Gefährdungslage nicht gesprochen werden könne und der Beschwerdeführer sich in Kabul niederlassen und dort einer Arbeit nachgehen könne. Darüber hinaus könne er die Unterstützung seines in einem anderen, näher bezeichneten Landesteil wohnhaften Onkels oder seiner im Iran aufhältigen Familie in Anspruch nehmen. Seine Ausweisungsentscheidung begründete es mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2
EMRK.
Mit Verfahrensanordnung vom 2.1.2012 gab das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer einen Rechtsberater bei.
4. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes in Folge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. U.a. führte der Beschwerdeführer aus, dass er wegen der Probleme aufgrund seiner Liebesbeziehung nicht in den Iran zurückkehren könne, da er dort von der Familie der Frau bedroht werde und auch die Todesstrafe wegen Ehebruchs zu erwarten habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan werde er "sicher" von Taliban-Kämpfern verfolgt oder getötet werden, da dort bekanntermaßen die Sicherheitslage "äußerst volatil" sei. Eine Rückkehr würde gegen Art. 3 EMRK verstoßen.
Mit Schriftsatz vom 4.10.2013 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über seine Aufnahme in einen Hauptschulabschlusskurs vor und führte in Ergänzung seiner Beschwerde unter Zitierung zahlreicher Entscheidungen des Asylgerichtshofs aus, in Afghanistan über kein soziales Netzwerk zu verfügen, da er im Iran geboren worden und dort (mit einer kurzen Unterbrechung im Kleinkindalter) aufgewachsen sei. Zudem sei seine Ausweisung rechtswidrig, da er bereits "nach bestem Wissen und Gewissen integriert" sei. Ferner wendete er sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die er als nicht nachvollziehbar und unlogisch bezeichnete.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2013 legte der Beschwerdeführer eine Sprachkursbestätigung und ein Empfehlungsschreiben zum Nachweis seiner Integration in Österreich vor.
Beweis wurde erhoben, indem die Akten des Verfahrens und die vom Beschwerdeführer übermittelten Beweismittel eingesehen wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer in einer Einvernahme die Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In der Beschwerde wurde weder die Verfahrensrüge näher begründet, noch vermag das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einen Verfahrensfehler zu erkennen.
1.2 Da die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, von einander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht eingedenk des vorliegenden Falles und unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen für das Bundesverwaltungsgericht (auch angesichts der gerichtsbekannten gegenwärtigen Situation in Afghanistan [vgl. etwa den Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013 und die UNHCR-Richtlinien vom 6.8.2013]) kein Anlass, an der grundsätzlichen Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde zu zweifeln; soweit sie für den vorliegenden Fall entscheidungsrelevant sind, sind sie auch als nach wie vor aktuell anzusehen. Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegen getreten.
1.3 In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts ihrer diesbezüglichen Beweiswürdigung hat das Bundesverwaltungsgericht - unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen - auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan keine gezielte konkrete Verfolgung (etwa durch die Taliban) droht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre.
2. Wie bereits die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung hervorgehoben hat, hat der Beschwerdeführer überhaupt nicht vorgebracht, in Afghanistan bedroht worden zu sein. Er gab lediglich an, im Iran wegen einer verbotenen Liebschaft vom Ehemann der Frau und von den Behörden (wegen Ehebruchs) gesucht zu werden, wobei er sich diesbezüglich ausschließlich auf Berichte zur Situation im Iran berief. Was die Frage der Unglaubwürdigkeit der Schilderungen des Beschwerdeführers über eine Beziehung zu einer iranischen Frau und seiner Verfolgung durch ihren Ehemann anbelangt, erscheint die Beweiswürdigung der belangten Behörde unbedenklich, da sich der Beschwerdeführer nicht nur in Widersprüche hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Beziehung verwickelte, sondern auch lediglich vage und allgemeine Angaben zur Person seiner Freundin und deren Ehemann machen konnte. Soweit der Beschwerdeführer erklärte, vom weiteren Schicksal seiner Freundin, die er bei seiner Flucht vor den heran eilenden Bassij-Milizionären alleine zurückgelassen haben will, "keine Ahnung" zu haben (AS 71), so erscheint dies alles andere als lebensnahe und plausibel.
Selbst wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorliegens einer solchen Liebesbeziehung Glauben schenken würde, wäre eine Verfolgung durch den Ehemann oder dessen Familie in Afghanistan in höchstem Maße unwahrscheinlich, da seinen eigenen Angaben zu Folge die Frau iranische Staatsangehörige ist (AS 69; über den Ehemann konnte der Beschwerdeführer keine näheren Angaben machen, es ist aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer darüber wohl in Kenntnis wäre, wenn der Ehemann afghanischer Nationalität gewesen wäre). Die Möglichkeit einer Verfolgung durch den Ehemann in Afghanistan hat der Beschwerdeführer nie vorgebracht, sondern vielmehr eine Verfolgung in Afghanistan ausdrücklich verneint (vgl. AS 67 sowie 163). Es kann somit dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer im Iran ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte und deswegen von deren Ehemann bzw. von den iranischen Behörden wegen Ehebruchs verfolgt wurde.
2.3 Was eine etwaige Gefährdung in Afghanistan anbelangt, stellte der Beschwerdeführer eine solche im Verfahren vor dem Bundesasylamt lediglich unsubstantiiert in den Raum: Er berief sich auf wirtschaftliche Probleme und zu erwartende Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche (AS 73, 75) sowie den angeblichen zwangsweisen Einsatz junger Personen bei der Minenentschärfung, von dem ihm nicht näher bezeichnete Freunde im Iran erzählt hätten (AS 75). Eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung verneinte er auf Nachfrage ausdrücklich (vgl. AS 73: "BAA: Gab es jemals gegen konkret ihre Person gerichtete Verfolgungshandlungen in Afghanistan? - BF: Nein. Aber in Afghanistan gibt es wirtschaftliche Probleme"). Weder in der Beschwerdeschrift noch in der Beschwerdeergänzung machte er nähere Angaben zu potentiellen Verfolgern oder zu deren möglichen Beweggründen. Er stützte sich vielmehr ausschließlich auf nicht näher konkretisierte Behauptungen (vgl. AS 163: "BF: Wäre ich in meinen Heimatstaat gereist, wäre ich sicher von den Taliban-Kämpfern verfolgt oder sogar getötet worden.") und allgemeine Berichte über die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan (AS 165). Die Gründe für die Verfolgungsfurcht des Beschwerdeführers beruhen daher hinsichtlich der angeblichen Verfolgung durch die Taliban oder andere Gruppen in Afghanistan ausschließlich auf nicht näher substantiierten Aussagen unbekannter Dritter sowie auf Mutmaßungen, die aufgrund ihrer Allgemeinheit und Unbestimmtheit nicht geeignet sind, eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in Afghanistan festzustellen.
3. Rechtlich ergibt sich daraus:
3.1 Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF BGBl. I 68/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.
Nach § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 ist das AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Gemäß § 17 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG insbesondere die Bestimmungen des AVG und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in jenem Verfahren, das dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 144/2013).
Zu A.)
3.2 Zu Spruchpunkt I:
3.2.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 23.7.1999, 99/20/0208; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN). Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539; 17.3.2009, 2007/19/0459).
3.2.2 Auch die Annahme einer asylrelevanten Verfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Ethnie der Hazara scheidet angesichts der gegenwärtigen Berichtslage nach ständiger Spruchpraxis des Asylgerichtshofes aus (vgl. AsylGH 4.8.2010, C2 413686-1/2010; 8.8.2011, C5 314794-1/2008; 18.8.2011, C13 420219-1/2011; 29.9.2011, C10 401601-1/2008; 27.10.2011, 416073-1/2010; 19.1.2012, C4 422208-1/2010; 15.2.2012, C1 414903-1/2010; 27.9.2013, C15 411876-1/2010).
3.2.3 Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre (dies gilt gleicher Maßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich als der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).
3.6 Eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus in der GFK genannten Gründen ist somit nicht ersichtlich. Da der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hat, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor. Die Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.
3.3 Zu Spruchpunkt II:
3.3.1 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).
3.3.2 Die in § 8 AsylG 2005 normierte Beschränkung des Prüfungsrahmens auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird (auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören), der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131; vgl. dazu überdies EuGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-00921, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Art. 15 lit. c der RL 2004/83/EG des Rates auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).
3.3.3 Zur Frage, ob auf Grund der allgemeinen Sicherheits- bzw. Versorgungslage in Afghanistan eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 zur EMRK nach sich ziehen würde, war Folgendes zu bedenken:
Wie sich anhand der Länderfeststellungen der belangten Behörde erkennen lässt, hat sich die aktuelle Situation in Afghanistan in den letzten Jahren nicht wesentlich verbessert. Die allgemeine Sicherheitslage ist - wenn auch nicht im gesamten Staatsgebiet im gleichen Ausmaß - auf Grund der instabilen politischen Situation und der weitgehenden Schutzunfähigkeit staatlicher Institutionen nach wie vor prekär und sehr fragil. Auch die allgemeinen Lebensbedingungen und die Versorgungslage (Nahrung, Wohnraum und medizinische Versorgung) gestalten sich sehr schwierig.
In Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen afghanischer Beschwerdeführer zu beurteilen war, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ansicht vertreten, dass in Afghanistan - ungeachtet schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen - nicht eine solche Situation vorherrscht, die Anlass zur Annahme gibt, dass jedermann, der sich in diesem Land aufhält, ein reales Risiko trifft, eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK zu erleiden (vgl. EGMR 20.7.2010, 23505/09, N. gegen Schweden; 20.12.2011, 48839/09, J. H. gegen Vereinigtes Königreich). Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zufolge ist in jedem konkreten Einzelfall anhand der persönlichen Umstände des jeweils von einer Rückführung Betroffenen zu prüfen, inwieweit eine Abschiebung nach Afghanistan Art. 3 EMRK widersprechen würde.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Rückführung eines Beschwerdeführers nach Afghanistan insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage der jeweiligen Heimatprovinz des Beschwerdeführers oder - wenn eine Niederlassung in der Heimatregion wegen deren praktischer Unzugänglichkeit nicht möglich sein sollte - eines anderen für eine Niederlassung in Betracht kommenden Ortes innerhalb Afghanistans sowie die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers (die Verfügbarkeit eines familiären bzw. sozialen Netzes miteingeschlossen) vor dem Hintergrund der Notwendigkeit des Aufbaues einer Existenzgrundlage maßgeblich.
3.3.4 Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Familie des Beschwerdeführers aus der Provinz Uruzgan stammt, wo sich Ende 2010 - wie sich den Länderfeststellungen entnehmen lässt - das Gros der militärischen Operationen der ISAF konzentrierte (gemäß UNHCR ist der Süden des Landes, wo sich die Provinz Uruzgan befindet, die Region mit der höchsten Zahl an gewalttätigen Vorfällen [Richtlinien vom 6.8.2013]). Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer zuletzt vor rund 14 Jahren, mithin vor langer Zeit (und überdies in sehr jungen Jahren), in seiner Heimat aufgehalten hat. Seine Eltern sowie seine Geschwister leben überdies nach wie vor im Iran. Hinweise, dass der Beschwerdeführer zu seinem einzigen Verwandten in Afghanistan, nämlich dem in Uruzgan lebenden Onkel Kontakt aufnehmen könnte, sind im asylbehördlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Es kann auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die vage Möglichkeit der Kontaktnahme mit einem Onkel jenes soziale Netz darstellt, das notwendig wäre, einem Heimkehrer nach sehr langer Abwesenheit den erforderlichen Rückhalt beim Aufbau einer Existenzgrundlage zu gewähren. Eine Wiederansiedlung in Uruzgan scheidet daher - abgesehen von der fraglichen Erreichbarkeit der Provinz - aus diesen Erwägungen aus (siehe z.B. VwGH 12.12.2007, 2006/19/0239).
Im gegenständlichen Fall wäre der Beschwerdeführer, der im Iran geboren wurde und sich lediglich im Kleinkindalter einige Jahre lang in Afghanistan aufgehalten hat, bei einer Rückkehr nach Afghanistan daher gezwungen, nach einem sicheren Aufenthaltsort bzw. auch einen Wohnraum zu suchen, ohne - zumindest sofort - familiären Rückhalt in Anspruch nehmen zu können. Insofern mangels Niederlassungsmöglichkeit in der Heimatprovinz eine Ansiedlung in Kabul in Frage käme, ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer sich zuvor niemals in Kabul aufgehalten hatte und es ihm daher auch auch diesem Grunde schwerer als anderen fallen würde, sich in der Hauptstadt und mit deren erschwerten Gegebenheiten in Bezug auf die Existenzsicherung zu Recht zu finden. Als erschwerend erweist sich in diesem Zusammenhang auch der sehr lange Zeitraum der Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Heimat. Gleichzeitig haben sich die allgemeinen Lebensbedingungen in den letzten Jahren nicht verbessert. Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass auch die Versorgung der Menschen mit Wohnraum und Nahrungsmitteln in Afghanistan, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt, nur unzureichend ist. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.
Eine den Garantien der EMRK entsprechende Rückführung käme nur dann in Betracht, wenn der betreffende afghanische Asylwerber in der Lage ist, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder auf Grund eines bestehenden Familienanschlusses an einem hinreichend sicheren Ort ein sicheres Rückzugsgebiet vor allem für die Nacht zu schaffen (vgl. AsylGH 23.1.2012, C1 408601-2/2010; 14.2.2012, C10 303021-1/2008). Mangels familiären Netzwerks in Kabul kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer - auch infolge der Kriminalität - in eine hoffnungslose Lage gerät. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer durch seine Ausreise im Kleinkindalter sowie durch seine lange Abwesenheit von Afghanistan besonders vulnerabel erscheint (zur Problematik der Resozialisierung bei längerer Abwesenheit siehe ausführlich AsylGH 11.5.2012, C18 406949-1/2009; vgl. idS ebenso z.B. AsylGH 14.2.2012, C10 303021-1/2008; 1.3.2012, C9 405336-3/2010; 11.6.2012, C18 413629-1/2010). Die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erscheint daher unter den dargelegten (und von der belangten Behörde gänzlich außer Acht gelassenen) Umständen als unzumutbar.
Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des konkreten Falles kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK unterworfen zu werden. Eine Rückführung des Beschwerdeführers würde diesen daher in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK verletzen.
Folglich war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.
3.4 Zu Spruchpunkt III:
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009, ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
3.5 Zu Spruchpunkt IV:
Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
3.6 Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VerfahrensG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 68/2013, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 der Grundrechte-Charta der EU nicht entgegenstehen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten unrichtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, 2003/20/0317 mwH).
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden). In Anlehnung an diese Judikatur ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes auch die Bedeutung und Notwendigkeit einer Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie für die Lösung von Rechtsfragen maßgeblich, weshalb eine mündliche Verhandlung im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren auch regelmäßig unterbleiben kann, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (VfGH 14.3.2012, U 466/11 ua).
Sowohl gemäß der oben erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben:
Der Beschwerdeführer hatte im Rahmen seiner Einvernahmen Gelegenheit zur Darlegung und Konkretisierung seiner Fluchtgründe. Die belangte Behörde hat - hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die Beschwerde bringt keine neuen wesentlichen Aspekte im Hinblick auf die Fluchtgründe - was die Entscheidung über die Beschwerde bezüglich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides anbelangt - vor. Der Beschwerde ist es nicht gelungen, eine Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens in überzeugender Weise aufzuzeigen. Auch anhand der Beschwerde ergab sich kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Die Entscheidung hinsichtlich Spruchpunkt II. konnte in der vorliegenden Fallkonstellation auf der Basis der im asylbehördlichen Verfahren gewonnenen Beweisergebnisse erfolgen.
Zu B.)
Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die zu 3.2 angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
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