AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L525.2141616.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, Zl. 1060485506-150361570/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 10.4.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 11.4.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe seine Heimat aufgrund der Taliban verlassen. Die Taliban hätten den Anschluss und seine Mitwirkung im Kampf verlangt. Er hätte in ihrem Namen einen Bombenanschlag verüben sollen. Er sei von den Taliban sogar für die Jahre entführt und von ihnen misshandelt worden. Er trage noch immer Verletzungen davon. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer und die ganze Familie mit dem Tod bedroht. Da sein Leben in Gefahr sei, sei er gezwungen gewesen die Flucht zu ergreifen.
Der Beschwerdeführer wurde nach Konsultationen mit Ungarn am 26.11.2015 zum Verfahren zugelassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 8.3.2016 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte zunächst aus, er sei seit Anfang April in Österreich und lebe von der Grundversorgung. Er besuche einen Deutschkurs. Er absolviere sonst keine Schulausbildung. Seine Eltern, seine Brüder und Schwestern würden noch in Pakistan leben, sie würden nach wie vor in seinem Dorf " XXXX " leben, das liege ca. 1h von Parachinar entfernt. Von dort habe er auch seine Reisetätigkeit begonnen. Er hätte keine Verwandte oder Angehörige in einer der Großstädte in Pakistan. Er stehe aber in regelmäßigem Kontakt mit seinen Eltern. Die Sicherheitslage sei sehr schlecht, seine Familie hätte Angst. Die kriminellen Personen würden nicht nach ihm fragen. Er habe als Fahrer gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, das Leben in Parachniar sei gefährlich und müsse man mit dem Tod rechnen, wenn man das Haus verlasse. Es sei schwer unter solchen Umständen zu arbeiten. Er sei von den Taliban mitgenommen worden, gemeinsam mit zwei weiterern Personen. Der eine sei aufgrund er Lösegeldzahlung freigelassen worden, der Beschwerdeführer und eine weitere Person hätten bleiben müssen. Der Beschwerdeführer habe sehr wenig zu essen bekommen und habe er zwar im Zuge der Erstbefragung ausgesagt, er sei drei Jahre gefangen gewesen, jedoch seien es nur drei Monate gewesen, die ihm vorgekommen wären wie drei Jahre. Die Entführer hätten Lösegeld von der Familie wollen und hätten Kontakt mit der Familie aufgenommen. Da seine Familie sehr arm sei, hätten sie die Entführer vertröstet bis sie das Geld gesammelt hätten. Sie seien in einem dunklen Zimmer eingesperrt gewesen und er hätte nicht gewusst wie viele Personen es seien. Nur eine Person aus Parachinar habe er an der Stimme erkannt. Eines Tages hätte die Polizei diese Ortschaft angegriffen und hätte er im Zuge der Kampfhandlungen auch fliehen können. Sein Freund und der Beschwerdeführer seien in die Berge geflohen und hätten dort zwei Tage auf einem Berg verbracht. Somit sei es auch zu keiner Lösegeldzahlung gekommen. Nach diesen Tagen hätten sie dann eine Straße erreicht, dann sei ein weißes Auto gekommen und sie hätten das Auto angehalten. So seien sie dann nach Pershawar gelangt und seien sie von dort weiter nach Hause. Er sei drei, vier Monate im Bett gelegen, da er schwer krank gewesen sei. Befragt, wann er denn von den Taliban festgehalten worden sie, führte der Beschwerdeführer aus, dies müsse entweder im Jahr 2011 oder 2012 gewesen sein. Es sei im Sommer gewesen. Er könne nicht mehr angeben, wo er festgehalten worden sei, auch nicht wohin sie geflüchtet seien. Er wisse nur mehr, dass sie durch einen Wald auf einen Berg gegangen seien. Zwischen der Entführung und der Ausreise sei die Familie noch angerufen worden. Ihnen sei gesagt, worden, dass sie eine Chance bekommen hätten, zu flüchten. Sie sollten sich aber nicht zu sicher sein, sie (gemeint wohl: die Taliban) könnten sie jederzeit wieder erwischen. Wann dieser Anruf bei der Familie gewesen sei, könne er nicht angeben. Es sei kurz nach seiner gelungenen Flucht gewesen. Er selbst sei von den Taliban geschlagen und gefoltert worden, aber das sei lange her und sei alles verheilt. Er damals nicht gesehen, wer den Angriff ausgeführt habe und könne auch nicht angeben, wann denn nun seine Familie angerufen worden sei, es müsse aber kurz nach seiner Flucht aus dem Lager gewesen sein. Danach sei er nicht mehr von den Taliban oder anderen Kriminellen kontaktiert geworden. Er habe Parachinar nicht verlassen und sei sehr vorsichtig bei der Arbeit gewesen. Er habe immer zu Hause gelebt. Befragt, wie man sich denn nun sein Festhalten vorstellen könne, führte der Beschwerdeführer aus, es sei ein dunkler Raum gewesen, in welchem sie zu zweit gewesen seien und er sei nicht gefesselt gewesen. Er wisse nicht mehr, ob die Stimmen, welche er gehört habe, von den Entführern gewesen seien oder von anderen Personen. Beim Angriff seien die Bomben gefallen und dabei sei die Tür kaputtgegangen. Als sie dann rausgekommen seien, dann sei es sehr hell gewesen, aber er könne nicht mehr sagen, wie spät es eigentlich gewesen sei. Er habe ca. eine halbe Stunde nichts gesehen. Er habe die halbe Stunde gewartet, da die Gefechte sehr hart gewesen seien. Sein Vater habe mit den Taliban telefoniert. Er habe beobachten können, dass die Polizei und das Militär sehr oft in Parachinar patrouilliert hätten, aber es gäbe trotzdem keine Sicherheit. Über Vorhalt, er habe angegeben, die Entführung sei im Jahr 2011 oder 2012 gewesen, aber er sei erst 2015 ausgereist, gab der Beschwerdeführer an, er habe dort leben müssen und habe das Geld für die Ausreise erst sparen müssen. Er habe sich nicht an die Polizei gewandt. Es habe Vorfälle gegeben, da seien Menschen getötet worden und die Polizei habe nichts unternommen. Er habe nie Probleme mit den Behörden gehabt. Er könne auch aus finanziellen Gründen nicht zurück. In einer anderen Stadt würde er erkannt werden und auch aus finanziellen Gründen könne er nicht in einer anderen Stadt leben. Im Iran habe er "schwarz" gearbeitet.
Mit Bescheid des BFA vom 21.11.2016 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte zunächst fest, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Er sei gesund und arbeitsfähig, leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, er sei illegal in das Bundesgebiet eingereist und verfüge über keine Verwandten in Österreich. Er sei unbescholten. Seine gesamte Verwandtschaft lebe in Parachinar. Eine asylrelevante Verfolgung habe nicht festgestellt werden können. Es seien auch keine Gründe hervorgekommen, die die Gewährung von subsidiärem Schutz in Frage kommen lassen würden, eine maßgebliche Integration habe ebenso nicht festgestellt werden können. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in keiner Weise glaubhaft darlegen können, dass er einer asylrelevanten Verfolgung in Pakistan ausgesetzt sei.
Mit Schriftsatz vom 30.11.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des bisherigen Vorbringens im Wesentlich aus, die belangte Behörde würde sich zunächst auf mangelhafte Länderfeststellungen stützen und führte insbesondere eine Auflistung an Anschlägen im Jahr 2016 an und sei die Lage von Schiiten kritisch in Pakistan. Ebenso sei die Lage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers kritisch. Die belangte Behörde habe es aber auch unterlassen die für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen zur Nationalität und zur Religion festzuhalten. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Kamphandlungen zwischen den Taliban und der Polizei fliehen können. Er habe - nachdem die Tür kaputtgegangen sei - noch eine halbe Stunde gewartet, dann seien er und sein Mitgefangener geflohen. Der Widerspruch, er habe zunächst angegeben, er habe die Flucht ergriffen und danach angegeben, er habe zugewartet, sei ein scheinbarer, da die Kämpfe länger als eine halbe Stunde gedauert hätten. Auch sei der Beschwerdeführer nach seiner Flucht sehr vorsichtig gewesen und habe er sich hauptsächlich in seinem Dorf aufgehalten. Es stimme auch nicht, dass die Taliban nicht mehr versucht hätten, den Beschwerdeführer zu holen, jedoch sei dieser sehr vorsichtig gewesen und habe es daher keinen neuerlichen Kontakt mit den Taliban gegeben. Die Sicherheitskräfte seien darüber hinaus auch nicht schutzfähig. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht offenstehen. Der Beschwerdeführer lerne Deutsch und habe einen Werte- und Orientierungskurs absolviert. Der Beschwerdeführer sei unbescholten und stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerde angeschlossen war eine Bestätigung über die die Absolvierung eines Werte- und Orientierungskurses am 1.9.2016 und eine Bestätigung einer Frau OStR Mag. XXXX darüber, dass der Beschwerdeführer regelmäßig an einem von ihr organisierten Deutschsprachunterricht teilgenommen habe.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom 8.10.2018 die Länderfeststellungen (LIB, Stand: 21.6.2018; FATA Security Report 2017 und 1st Quarter 2018) zu Pakistan und räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, binnen einer Woche zu diesen Stellungnahme zu beziehen und Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben.
Mit Schreiben vom 15.10.2018 legte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, nämlich zwei Unterstützungsschreiben, ein Zeugnis des Internationalen Kulturinstitutes über den Besuch eines Deutschkurses vom 8.1. bis zum 2.2.2018, welchen der Beschwerdeführer mit sehr gut abgeschlossen habe, die Anmeldebestätigung zum gerade genannten Kurs, ein A1 Zertifikat, welches er mit "gut" bestanden habe, eine Bestätigung des ASV Nickelsdorf vom 8.8.2017 über gemeinnützige Arbeiten des Beschwerdeführers im Zuge von Ausbesserungsarbeiten auf dem Spielfeld, eine Teilnahmebestätigung der VHS Burgendland vom 7.12.2017, wonach der Beschwerdeführer den Kurs "Deutsch als Fremdsprache A1" besucht habe, eine Teilnahmebestätigung der VHS Burgendland vom 17.7.2017, wonach der Beschwerdeführer den Kurs "Deutsch als Fremdsprache A1" besucht habe, eine Teilnahmebestätigung der VHS Burgendland vom 27.4.2017, wonach der Beschwerdeführer den Kurs "Deutsch als Fremdsprache A1" besucht habe, eine Teilnahmebestätigung der Integrationswerkstatt/factor happiness - Training und Beratung GmbH vom 31.3.2017, wonach der Beschwerdeführer den Workshop "Leben und Arbeit in Österreich" besucht habe, eine Bestätigung der Großgemeinde Nickelsdorf vom 28.3.2017, wonach der Beschwerdeführer m 25.3.2017 bei Flurreinigungsarbeiten teilgenommen hätte, eine Teilnahmebestätigung der VHS Burgenland vom 21.3.2017, wonach der Beschwerdeführer am Kurs "Initiative Deutsch in der Grundversorgung JE2 Alphabetisierung" teilgenommen habe, eine undatierte Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds, wonach der Beschwerdeführer am 1.9.2016 am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen habe, sowie eine Bestätigung des Bürgermeisters der Großgemeinde Nickelsdorf vom 12.10.2018, wonach der Beschwerdeführer seit dem 23.2.2017 in Nickelsdorf ansässig sei, sich in seiner Unterkunft engagiere und bei Gemeindeveranstaltungen vorbildlich helfe, sofern es seine Deutschkurse erlauben würden. Er suche den Kontakt zur Bevölkerung und zu Vereinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stammt aus der Kurram Agency in der FATA-Region. Der Beschwerdeführer hat in Pakistan bereits gearbeitet und hat Pakistan familiäre Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer bekennt sich zur Volksgruppe der Paschtunen und zum schiitischen Islam. Der Beschwerdeführer hat als Taxilenker gearbeitet. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht in Kontakt mit seiner Familie.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit April 2015 in Österreich. Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht, ein A1 Zertifikat erworben und einen Werte- und Orientierungskurs abgeschlossen. Der Beschwerdeführer ist unbescholten und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit anderen Österreichern und hat einmal bei Flurarbeiten in der Gemeinde und bei der Ausbesserung des Fußballplatzes in seiner Gemeinde geholfen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.
1.2 Länderfeststellungen:
Sicherheitslage
Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch
Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische
Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber
Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore
und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen
Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der
Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt
konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10 .2017a).
Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen,
wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle
Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer
Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen
Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).
Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über
Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative
Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die
Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene
Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen
dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis
Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered
Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden
war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit
Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär
wieder vertrieben wurden (AA 10 .2017a).
Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch
eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem
Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten
Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der
Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-
Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin
weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-
Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der
aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10 .2017a).
Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.]
Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche
Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen,
insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze
zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).
Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete
Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die
Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der
Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz
stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).
Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014,
bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den
die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit
Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur
Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des
seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung
von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen
Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als
bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land
vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu
verstärken (AA 10 .2017a).
2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan
durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische,
paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch.
Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige
und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der
paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren
Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht,
dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen
vorgingen (USDOS 7.2017).
Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und
Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung
durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden
funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von
Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt
es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in
Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von
militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen,
Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert
(USDOS 7.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische
Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden.
Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von
Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus:
PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiössektiererischen
Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten
Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere
1.736 wurden verletzt.
Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35
Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf
Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche
Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf
waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nichtbelutschische
Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder
Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).
2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014.
Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443
Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630
Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121
Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere
28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der
Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten
Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den
Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten,
302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).
Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017
fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen
Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP)
zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von
den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).
Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen
Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von ISUnterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch,
vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums
Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten
wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).
Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die
Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der
Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und
Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien,
Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt
(2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen
Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der
verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von
1.956 auf 2.212 (PIPS
1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 %
weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).
Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten
oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18
in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab
(2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492),
davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im
Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit
1.545 Todesopfern
durchgeführt (PIPS 1.2017).
Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft
gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen
Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der
Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den
verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung",
Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich
in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate
Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon
Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet
wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).
Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der
Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der
Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die
Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das
Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige
Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als
Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen,
insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu
lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):
Pakistan -
Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/
Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.BFA
Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-
v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
2018, http://pakpips.com/app/reports/199 , Zugriff 14.5.2018
- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter
2 - Pakistan (S 261-265),
https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf ,
Zugriff 8.5.2018
Regionale Verteilung der Gewalt:
Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber
Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018)
sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu
größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017). Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom
Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben.
Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf
Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom
Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer
angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen
bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in
Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen
suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit
61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-
59).
Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten
Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den
höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von
Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von
den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63
Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi.
Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um
97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %.
Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reiseund
Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung)
https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974 , Zugriff 8.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
2018, http://pakpips.com/app/reports/199 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
Wichtige Terrorgruppen
Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische
Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes
dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine
bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und
verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die
Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).
Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO
7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie
entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze
zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die
Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den
pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der
Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel
und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan
stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013,
dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur
nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde
stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der
Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon
ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen
Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan
in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).
Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante
islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie
werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele
kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre
Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).
Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren.
Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum
anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft
(PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-
Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon
betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die
Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte
zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).
Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit
123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017
durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark
geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).
Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige
auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem
Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016
durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017),
stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an.
Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42
Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen
2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican
Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).
Quellen:
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- EASO - European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report,
Pakistan Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easocountry-
of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (4.1.2015): Pakistan Security Report 2014.
- SATP - South Asia Terrorism Portal (o.D.): Lashkar-e-Jhangvi,
http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/terroristoutfits/lej.htm , Zugriff 8.5.2017
Zwangsrekrutierung und Drohbriefe
Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von
Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema
befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass ihnen keine derartigen
Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings gab es für die Zeit der Besetzung des Swat-Tals
durch die Taliban [Anm.: 2009 durch die Regierung beendet] Berichte zu
Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien
entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung stellen (Abbas 2015; vgl. The
Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der
National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der
Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese
Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer
mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban
waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde
propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren würden (BAA
6.2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind
attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).
Quellen:
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-
v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
- Hassan Abbas (2015): The Taliban Revival Violence and Extremism on the Pakistan-
Afghanistan Frontier, Yale University Press.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- The Telegraph (30.5.2009): Taliban recruits teenage suicide bombers for revenge
attacks,
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/pakistan/5413052/Talibanrecruits-
teenage-suicide-bombers-for-revenge-attacks.html, Zugriff 18.3.2017
Ehemalige Federal Administered Tribal Areas - FATA
Das Gebiet der [Anm.: ehemaligen] FATA (Federal Administered Tribal Areas,
Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) liegt strategisch bedeutend an der Grenze
zwischen Afghanistan und Pakistan und ist charakterisiert durch eine überwiegend
paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur mit über 24 Hauptstämmen (FRC
24.1.2017). Zur Volkszählung 2017 lebten fünf Millionen Menschen in den [ehem.] FATA
(PBS 2017a), das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt 3,76 % (FRC 24.1.2017).
Die [ehem.] FATA wurden am 31.5.2018 Teil der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (Dawn
31.5.2018; vgl. GEO.tv 31.5.2018). Die Verwaltungsgliederung der ehem. FATA innerhalb
der Provinz Khyber Pakhtunkhwa besteht aus sieben Tribal Districts - Bezeichnung bis
31.5.2018: Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-
Wasiristan (FRC 24.1.2017; vgl. PBS 2017, Dawn 31.5.2018) - denen jeweils ein Deputy
Commissioner - Bezeichnung bis 31.5. 2018 Political Agent - vorsteht (FRC 24.1.2017; vgl.
Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions, sie werden von den
Distrikten Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, Peschawar und Tank aus
verwaltet (BFA 9.2015; vgl. PBS 2017), werden als Subdivisions in die entsprechenden,
bereits bestehenden Distrikte eingegliedert (Dawn 31.5.2018).
Die Sicherheitslage in den [ehem.] FATA hat sich aufgrund mehrerer militärischer
Operationen seit 2008 verbessert (BFA 9.2015). Die Militäroperationen und Aktionen gegen
Aufständische in den [ehem.] FATA sind abgeschlossen, aber die Region ist eine ehemalige
Kriegszone und Instabilität ist weiterhin eine Bedrohung (Dawn 29.5.2018). Im Jahr 2016
ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den [ehem.] FATA im Vergleich zu 2015 deutlich zurück
(FRC 24.1.2017) und auch im Jahr 2017 war ein Rückgang der Zahl an terroristischen
Vorfällen um 16 % im Vergleich zum Vorjahr zu registrieren. Allerdings lag bei diesen
Vorfällen die Zahl der Toten um 55 % und die Zahl der Verletzten um 122 % über dem
Vorjahreswert (PIPS 1.2018).
In Khyber Agency wurde Ende 2014 die Militäroperation "Khyber-1" und von März 2015 bis
Juli 2015 "Khyber-2" durchgeführt (BFA 9.2015). 2016 wurde die Militäroperation als
"Khyber-3" fortgesetzt (FRC 24.1.2017) und die Operation "Khyber-4" wurde nach einer
Dauer von einem Monat am 21.8.2017 erfolgreich beendet (TET 21.8.2017). In Nord-Wasiristan wurde die militärische Operation "Zarb-e Azb" von Juni 2014 bis April 2016
durchgeführt (Nation 6.9.2016). In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und
diese Agency ist geprägt von religiös-sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007
bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe und nach einer Entspannung aufgrund von
Friedensgesprächen (BFA 9.2015) gab es 2017 in der Kurram Agency zahlreiche große
Terrorangriffe mit insgesamt 154 Toten (PIPS 1.2018). Aus der Orakzai Agency sind nach
der militärischen Operation 2009 die meisten Aufständischen geflohen. Es kommt zu religiössektiererisch motivierter Gewalt, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie in Kurram Agency (BFA 9.2015). In Süd-Wasiristan wurde im Jahr 2009 eine militärische Operation
durchgeführt. Seitdem hat das Militär seine Präsenz etabliert und es kommt nur noch zu
sporadischen Angriffen der Aufständischen (BFA 9.2015).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in den [ehem.] FATA 18
terroristische Angriffe mit 17 Toten und 23 Verletzten. Es kam in allen sieben Agencies zu
Vorfällen. Die meisten Todesopfer waren in Kurram zu beklagen (1 Vorfall, 7 Tote), die
meisten Vorfälle in Mohmand (5 Vorfälle, 3 Tote). Unter den Todesopfern befanden sich elf
Zivilisten und drei Soldaten sowie drei Todesopfer ohne nähere Angabe von Details
(Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Im Jahr 2017 waren die [ehem.] FATA die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene
Region Pakistans. PIPS registrierte 83 terroristische Angriffe in den [ehem.] FATA, bei denen
253 Menschen ums Leben kamen - darunter 192 Zivilisten, 57 Mitglieder der staatlichen
Sicherheitskräfte und vier Aufständische - und 491 Personen verletzt wurden. Bei den
terroristischen Angriffen in den [ehem.] FATA 2017 kam es zu drei suizidalen
Explosivangriffen, 63 Explosionen von unkonventionellen Spreng- und Brandsätzen, zwölf
Schießereien, zwei Granatangriffen und einem Raketenangriff (PIPS 1.2018).
Obwohl Vorfälle in allen sieben Agencys vorkamen, waren die meisten Opfer in der Kurram
Agency zu beklagen: Bei elf Anschlägen, darunter einige religiös-sektiererisch motivierte
durch die Gruppen Jamaatul Alar, TTP und Lashkar-e-Jhangvi, wurden 154 Menschen
getötet, d. h. ca. 60 % aller Toten in den [ehem.] FATA entfielen auf die Kurram Agency. Die
größte Zahl von Anschlägen wurde in der Khyber Agency registriert, wo bei 24 Angriffen
durch die TTP, Lashkar-e Islam und Jamaatul Ahrar 24 Menschen getötet und 19 verletzt
wurden (PIPS 1.2018).
Die TTP führte in den Agencies Nord- und Süd-Wasiristan insgesamt 17 Anschläge mit 43
Toten durch. In der Mohmand Agency führten vorwiegend die Jamaatul Ahrar sowie einzelne unbekannte Gruppen 13 Angriffe mit 15 Toten durch. In der Orakzai Agency waren die TTP gemeinsam mit örtlichen Taliban-Gruppierungen für fünf Anschläge mit vier Toten
verantwortlich (PIPS 1.2018).
Neben den o. a. 83 terroristischen Angriffen gab es 2017 in den [ehem.] FATA 18
Militäraktionen und vier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und
Aufständischen zu verzeichnen. Es gab 27 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan,
vorwiegend durch pakistanische Mitglieder der Taliban, die dort Unterschlupf fanden. Weiters gab es neun Dronenangriffe durch die USA, eine stammesübergreifende Fehde und einen Fall von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 143 Gewaltvorfällen unterschiedlicher Art im Jahr 2017 wurden 537 Menschen getötet - davon 195 Zivilisten, 80 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 262 Aufständische und 575 verletzt (PIPS 1.2018).
Von PIPS wurden im Jahr 2016 99 Anschläge aus den [ehem.] FATA mit 163 Toten
gemeldet. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29
Aufständische. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen,
hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Aufständische mit ähnlichen Zielen
durchgeführt (FRC 24.1.2017). Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand
Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19
Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit neun Toten, Kurram sechs
Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan acht Anschläge mit elf Toten, Süd-Wasiristan zwölf
Anschläge mit zehn Toten und Orakzai drei Anschläge mit zwei Toten (PIPS 1.2017).
Insgesamt waren 2016 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle mit 439 Toten
(98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Aufständische) zu verzeichnen.
Neben den Anschlägen waren dies fünf Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften
und Aufständischen, 14 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan, 24 operative
Schläge der Sicherheitskräfte, zwei Drohnenangriffe, zwei Auseinandersetzungen zwischen
militanten Gruppierungen und eine zwischen Aufständischen und Stammesmitgliedern (PIPS
1.2017).
Die Hauptziele der Anschläge in den [ehem.] FATA im Jahr 2016 waren Angehörige der
Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten (42 Anschläge). Weiters waren Mitglieder von
Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste (18
Anschläge), sowie politisch Tätige oder politische Führer sowie Staatsbedienstete dezidierte
Ziele. Allerdings waren 22 Anschläge allgemein gegen Zivilisten gerichtet (PIPS 1.2017).
Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten
gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 20.10.2017) [vgl. Abschnitt 20.1].
Im März 2017 wurde ein umfassender Reformplan für die FATA genehmigt (Dawn 2.3.2017).
Im sozioökonomischen Bereich sieht er den Abschluss der bestehenden
Wiederaufbaumaßnahmen für 2017 und weitere extensive Rekonstruktionsmaßnahmen im
Rahmen eines 10-Jahres-FATA-Entwicklungsplans vor (Dawn 1.6.2016). Am 28.5.2018 traten die interimistischen Regulatorien für die FATA (FATA Interim Governance Regulation,
2018) in Kraft (DT 29.5.2018), ein Gesetzespaket, das etwa zwei Jahre lang gültig sein wird
(NHT 28.5.2018), und am 31.5.2018 unterzeichnete der Präsident den Verfassungszusatz,
wonach die FATA mit Khyber Pakhtunkhwa mit sofortiger Wirkung vereinigt wurden (Dawn
31.5.2018; vgl. GEO.tv 31.5.2018). [vgl. Abschnitt 4.1].
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-
v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
- Dawn (1.6.2016) Reforms proposed for Fata's merger into KP,
https://www.dawn.com/news/1264492 , Zugriff 20.3.2017
- Dawn (2.3.2017). Federal cabinet approves recommendations to 'mainstream' Fata,
https://www.dawn.com/news/1317961/cabinet-approves-recommendations-tomainstream-
fata, Zugriff 20.3.2017
- Dawn (29.5.2018): Fata's historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatashistoric-
transition, Zugriff 29.5.2018
- Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law,
https://www.dawn.com/news/1411061 , Zugriff 1.6.2018
- DT - Daily Times (29.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance Regulation,
2018,
https://dailytimes.com.pk/246099/mamnoon-signs-fata-interim-governanceregulation-
2018/, Zugriff 29.5.2018
- FRC - FATA Research Centre (24.1.2017): FATA Annual Report 2016,
http://frc.org.pk/wp-content/uploads/2017/01/security-report-2-2.pdf , Zugriff 20.03.2017
- GEO.tv (31.5.2018): President signs amendment bill, merging FATA with KP,
https://www.geo.tv/latest/197519-fata-official-merged-with-kp-as-president-mamnoonsigns ,
Zugriff 1.6.2018
- Nation, the (6.9.2016): Operation Zarb-e-Azb: Two years of success,
https://nation.com.pk/06-Sep-2016/operation-zarb-e-azb-two-years-of-success , Zugriff
9.5.2018
- NHT - National Herald Tribune (28.5.2018): Mamnoon signs FATA Interim Governance
Regulation, 2018, http://dailynht.com/story/43730 , Zugriff 29.5.2018.
- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE
PROVISIONAL
RESULTS OF CENSUS - 2017,
http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN
%20TE HSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pd f, Zugriff 8.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
2018, http://pakpips.com/app/reports/199 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
- TET - The Express Tribune (21.8.2017): Rajgal cleansed of terrorists as military
concludes Operation Khyber-IV,
https://tribune.com.pk/story/1487260/army-announcescompletion-
operation-khyber-4/, Zugriff 9.5.2018
Khyber Pakhtunkhwa
Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (GovKP o.D.; vgl PBS 2017) und die
wiederum in insgesamt 71 Tehsils unterteilt. Laut Zensus 2017 hatte KP ca. 30,5 Millionen
Einwohner [Gebietsstand: 30.5.2018]; in der Hauptstadt Peshawar leben 4,3 Millionen
Menschen (PBS 2017a). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit der Provinz Khyber
Pakhtunkhwa vereinigt, wodurch die Provinz um sieben Tribal Districts (bis 31.5.2018:
Agencies), sechs Subdivisions (bis 31.5.2018: Frontier Regions) (Dawn 31.5.2018) und
weitere fünf Millionen Einwohner wuchs (PBS 2017a)
[Anm.: In Folge wird die Sicherheitslage der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in den Grenzen
vor dem 30.5.2018 behandelt. Für die Sicherheitslage im Gebiet der ehemaligen FATA siehe
Abschnitt 3.4.]
Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber
Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine
starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional
aktiven Taliban gingen in den Untergrund, übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie
Anschläge und gezielte Tötungen jedoch weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren
Städten von Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA
9.2015).
Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in den [ehem.] FATA,
insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich
wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015). Im Jahr 2015 sank die Zahl der Terrorvorfälle in
Khyber Pakhtunkhwa weiter, KP gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen
Regionen (PIPS 3.1.2016). 2016 stieg die Zahl der Anschläge um 2 %, die Zahl der
Todesopfer um 5 % gegenüber 2015 (PIPS 1.2017), während 2017 die Zahl terroristischer
Anschläge um 44 % und die Zahl der Todesopfer um mehr als die Hälfte gegenüber dem
Vorjahr zurückging (PIPS 1.2018).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa zehn
terroristische Angriffe mit 20 Todesopfern und 32 Verletzten. Unter den Toten waren 15
Mitglieder der Sicherheitskräfte, zwei Zivilisten und je ein Mitglied der Shia-Gemeinschaft
und einer sunnitischen Gruppe. Die meisten Todesopfer gab es im Distrikt Swat (zwölf Tote
bei einem Anschlag), die meisten Vorfälle in D.I. Khan (fünf Vorfälle mit sechs Toten). Zwei Vorfälle ohne Todesopfer gab es in Peshawar und in Bannu und Swabi gab es je einen
Anschlag mit je einem Todesopfer (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS
5.2.2018).
Im Jahr 2017 wurden von PIPS 71 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa
registriert, bei denen 91 Personen getötet wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 42
Zivilisten, 32 Angehörige der Sicherheitskräfte und 17 Aufständische. Von den 71
Anschlägen waren drei religiös-sektiererisch motiviert; sie fanden alle in D.I. Khan statt und
töteten insgesamt fünf Personen (vier Schiiten und einen sunnitischen Politiker). Die übrigen
68 Anschläge mit 86 Toten wurden von militanten Gruppen der TTP, Jamaatul Ahrar, lokalen
Talibangruppierungen, Lashkar-e-Jhangvi, Al-Alami, Lashkar-e-Islam u. A. durchgeführt
(PIPS 1.2018).
Aus 16 Distrikten wurden terroristische Angriffe gemeldet. 24 Angriffe (34 %) fanden in der
Provinzhauptstadt Peshawar statt, zehn in D.I. Khan, sieben in Charsadda, sechs in Bannu
und je vier in Kohat und Lower Dir. In Peshawar kamen bei diesen Vorfällen 33 Personen
ums Leben, in Charsadda 16 und in D.I. Khan 15 (PIPS 1.2018).
Insgesamt fanden in KP 2017 91 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt mit
140 Toten statt. Zusätzlich zu den o. a. 71 terroristischen Attacken gab es in KP noch acht
Militärschläge, neun bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und
Aufständischen, einen bewaffneten Konflikt zwischen Aufständischengruppen und zwei Fälle
von Mob-Gewalt.
Im Jahr 2016 wurden in Khyber Pakhtunkhwa bei 127 Anschlägen 189 Personen getötet,
davon 114 Zivilisten, 62 Angehörige der Sicherheitskräfte und acht Aufständische. Von
diesen Anschlägen betrafen 48 die Provinzhauptstadt Peshawar mit 62 Toten, 47
Todesopfer forderten sieben Anschläge in Charsadda, 16 Menschen starben bei sechs
Anschlägen in Mardan, elf Menschen starben bei 16 Anschlägen in Swat, zehn Menschen
bei zehn Anschlägen in Bannu und acht Menschen bei neun Anschlägen in D.I. Khan. Es
waren weitere elf Distrikte von Anschlägen betroffen, die insgesamt pro Distrikt zwischen
einem und sieben Todesopfern forderten (PIPS 1.2017).
Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der
Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten
auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und
Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen
Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23
Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).
Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren acht, mit zehn
Todesopfern, religiös-sektiererisch motiviert - zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten
und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge
wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen
durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen
179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).
Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt,
neben den Anschlägen waren dies drei Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, fünf operative
Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und
Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie
drei Vorfälle an der Grenze zu Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242
Menschenleben - 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte sowie 52
Aufständische (PIPS 1.2017).
Quellen:
- BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-
v2.pdf, Zugriff 18.3.2017
- Dawn (20.4.2015): 'Security operations have suppressed militancy',
http://www.dawn.com/news/1177060 , Zugriff 9.5.2018
- Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law,
https://www.dawn.com/news/1411061 , Zugriff 1.6.2018
- EASO - European Asylum Support Office (8.2015): Country of Origin Information Report,
Pakistan Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743353_easo-coireport-
pakistan-country-overview-final.pdf, Zugriff 18.3.2017
- GovKP - Government Khyber Pakhtunkhwa (o.D.): Government,
http://kp.gov.pk/page/government , Zugriff 9.5.2018
- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE
PROVISIONAL
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http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN
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- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
2018, http://pakpips.com/app/reports/199 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
Sindh; Karatschi und Innerer Sindh
Die Provinz Sindh unterteilt sich in 138 Tehsils in 29 Distrikten und hat ca. 48 Millionen
Einwohner (PBS 2017a). Die Hauptstadt der Provinz Sindh und größte Stadt Pakistans ist
Karatschi; die Handels-, Kultur- und Wirtschaftsmetropole Pakistans beherbergt den größten
Hafen Pakistans (KMC o.D.). Karatschi hatte laut Zensus 2017 ca. 16 Millionen Einwohner
(PBS 2017a).
Karatschi bleibt ein lokaler Brennpunkt terroristischer sowie politischer, interethnischer sowie religiös motivierter und krimineller Gewalt, einschließlich sogenannter gezielter Tötungen (AA 20.10.2017) und gelegentlichen Anschlägen und Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 28.3.2018). Es gibt Berichte zu politisch motivierten Tötungen durch verschiedene politische Gruppierungen in Karatschi bzw. Sindh (USDOS 20.4.2018).
Seit 5.9.2013 führen die paramilitärischen Rangers Anti-Terror- und Anti-Verbrechens-
Operationen in Karatschi durch (USDOS 7.2017; vgl. PF 5.1.2017, TET 11.4.2018), was zu
signifikanter Reduktion der Gewalt in der Stadt führte (USDOS 7.2017). Das Mandat der
Rangers, Sicherheitsaufgaben in Karatschi zu übernehmen, wurde mehrmals verlängert und
läuft Stand April 2018 bis 9.7.2018 (TET 11.4.2018). Die politische, religiös-sektiererische
und ethnische Gewalt in Karatschi ist gesunken und die Straßenkriminalität in Form von
Gangs ist nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 20.4.2018).
Mit der Verbesserung der Sicherheitslage sind auch die Immobilienpreise in Karatschi
deutlich gestiegen (Reuters 1.3.2016).
Es wurden Vorwürfe vorgebracht, dass die Operationen der Rangers in Karatschi auf
bestimmte politische Parteien fokussieren würden (USDOS 7.2017). Die politische Partei
Muttahida Qaumi Movement (MQM) aus Karatschi beschuldigte die paramilitärischen Sindh
Rangers, bei Sicherheitsoperationen einige ihrer Mitglieder in 21 Fällen im Juli 2017 entführt,
gefoltert und getötet zu haben (USDOS 20.4.2018). Bei den Einsätzen der Sicherheitskräfte
kommen auffällig häufig die Zielpersonen ums Leben, was von offizieller Seite damit
begründet wird, dass diese bewaffneten Widerstand gegen den Zugriff der Sicherheitskräfte
geleistet hätten (AA 20.10.2017).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Sindh fünf terroristische
Angriffe mit acht Todesopfern und fünf Verletzten. Unter den Toten waren zwei Mitglieder der Sicherheitskräfte, zwei Zivilisten und drei Aufständische. Abgesehen von einem Anschlag im Jänner 2018 in Hyderabad mit einem Todesopfer fanden alle weiteren Anschläge in
Karatschi statt (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
2017 kam es in Sindh zu 31 terroristischen Anschlägen mit 119 Toten. 24 Anschläge davon
waren in Karatschi zu verzeichnen und 91 der 119 Tote entfielen auf einen einzigen
Anschlag auf den Lal Shahbaz-Schrein in Sehwan Sharif. Von den 119 Toten waren 99
Zivilisten, 18 Polizisten, ein Armeeoffizier und ein Aufständischer. Damit sank provinzweit die
Zahl der terroristischen Anschläge um 42 % im Vergleich zum Vorjahr, die Zahl der Toten
stieg jedoch im Vergleich zum Vorjahr um 89 % - vorwiegend wegen des Anschlages in
Sehwan Sharif. Unter Betrachtung der Stadt Karatschi alleine sank die Zahl der Anschläge
im Vergleich zum Vorjahr um 49 % und die Zahl der Toten um 58 % (PIPS 1.2018).
TTP, Jamaatul Ahrar Al-Qaeda Indien, ISIS und die neue Gruppe Ansarul Shariah Pakistan
führten 22 der 31 Anschläge mit 116 Toten in Sindh durch, die mit Ausnahme des
Anschlages in Sehwan Sharif alle in Karatschi stattfanden.
Sindhi-Nationalistengruppen
waren für sieben Anschläge mit zwei Toten verantwortlich; davon drei in Karatschi und je
einer in Ghotki, Hyderabad, Shikarpur, Sukkur. Bei zwei religiös-sektiererisch motivierten
Anschlägen starb eine Person in Karatschi (PIPS 1.2018).
2016 wurden 60 Menschen in 47 Terroranschlägen in Karatschi und drei Menschen bei
sieben Anschlägen im restlichen Sindh getötet. Die Zahl der Toten im Sindh sank außerhalb
Karatschis um 97 % und in Karatschi um 60 % und die Zahl der Anschläge im Sindh sank
um 47 % im Vergleich zum Jahr 2015. Neben Karatschi war der Sindh von drei Anschlägen
in Hyderabad und jeweils einem Anschlag in den Distrikten Khairpur, Larkana, Shikarpur und
Sukkur betroffen. Unter den Getöteten waren 35 Zivilisten, 24 Sicherheitskräfte und vier
Aufständische. 19 der Anschläge in Sindh im Jahr 2016 waren religiös-sektiererisch
motiviert, davon 18 in Karatschi und einer in Shikarpur. Insgesamt wurden dabei 31
Menschen getötet, 29 davon in Karatschi. Von den religiös-sektiererischen Anschlägen in
Karatschi richteten sich elf gegen Mitglieder und Führer der schiitischen Gemeinde, sechs
gegen die sunnitische Gemeinde und ein Anschlag gegen die Bohra Gemeinde (PIPS
1.2017).
Im Jahr 2016 wurden im Inneren Sindh sieben Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 17
im Jahr davor - davon waren sechs nationalistisch und einer religiös-sektiererisch motiviert.
Dabei wurden im Inneren Sindh drei Menschen getötet, im Jahr davor waren es 101
Menschen. Sindhi Nationalistische Terrorgruppen, wie die Sindhu Desh Liberation Army
(SDLA) und Sindhu Desh Revolutionary Army, führten sieben Anschläge im Sindh durch
(PIPS 1.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reiseund
Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung)
https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974 , Zugriff 8.5.2018
- KMC - Karachi Metropolitan Corporation (o.D.): Karachi the Gatway to Pakistan
http://www.kmc.gos.pk/Contents.aspx?id=14 , Zugriff 9.5.2018
- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE
PROVISIONAL
RESULTS OF CENSUS - 2017,
http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN
%20TE HSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pd f, Zugriff 8.5.2018
- PF - Pakistan Forward (5.1.2017): Sindh Rangers responsible for sharp decrease in
Karachi violence: report,
http://pakistan.asia-news.com/en_GB/articles/cnmi_pf/features/2017/01/05/feature-01 ,
Zugriff 9.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
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- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
- Reuters (1.3.2016): Karachi property prices soar after Pakistan crime crackdown, https://
www.reuters.com/article/pakistan-realestate/karachi-property-prices-soar-after-pakistancrime-
crackdown-idUSL8N15Q2GU, Zugriff 14.5.2018
- TET - The Express Tribune (11.4.2018): Sindh government extends special powers of
Sindh Rangers,
https://tribune.com.pk/story/1682786/1-sindh-government-extendsspecial-
powers-sindh-rangers/, Zugriff 9.5.2018
- USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter
2 - Pakistan (S 261-265),
https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf ,
Zugriff 8.5.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Belutschistan
Die Provinz Belutschistan ist in 32 Distrikte mit insgesamt 134 Tehsils eingeteilt. Zur
Volkszählung 2017 hat die Provinz 12,3 Millionen Einwohner; in der Hauptstadt Quetta leben
ca. 1,7 Millionen Menschen (PBS 2017a). Die nationale Wahlkommission hat für die neue
Richtlinie der Verteilung der Polizeikräfte im Vorfeld der Wahlen 2018 21 der 32 Distrikte
Belutschistans als "harte Zonen" eingeteilt mit Bezugnahme unter anderem auf eine
schwache Durchsetzungskraft des Staates und ein volatiles politisches Klima. Belutschistan
führt damit die Liste bei der Anzahl der "harten Zonen" in Pakistan an (Nation 25.2.2016).
Rebellen kämpfen für politische Autonomie und größere Anteile an den Einnahmen aus der
Öl- und Erdgasförderung in der rohstoffreichen Gegend. Auch Islamistengruppen sind in der
Region aktiv (DW 11.4.2015). Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von
nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die
Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der
Bodenschätze zurückbekommen (EASO 8.2015).
Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die
Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban werden in
Belutschistan beobachtet. Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v.a.
Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die
Volksgruppe der Hazara bzw. gegen Christen, die des Missionierens verdächtigt werden (AA
28.3.2018).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Belutschistan 40 terroristische
Anschläge mit 56 Toten und 89 Verletzten. Belutschische nationalistische Gruppierungen
waren für 26 Anschläge verantwortlich und TTP für zehn. Zwei Anschläge wurden von
unbekannten religiösen Gruppen durchgeführt und weitere zwei Anschläge waren religiössektiererisch motiviert. Unter den Todesopfern befanden sich 16 Polizisten, 16 Zivilisten, 15 Grenzschützer, zwei Steuereintreiber, ein schiitischer Gelehrter und drei Aufständische. 15 Anschläge mit 31 Toten fanden in Quetta statt (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).
Wie in den drei Jahren zuvor wurde 2017 die höchste Anzahl an Terroranschlägen und
Todesopfern für Pakistan aus Belutschistan gemeldet. Die 165 gemeldeten terroristischen
Anschläge stellen 44 % aller Anschläge Pakistans dar und sind ein Abstieg von 9 % im
Vergleich zum Vorjahr. 288 Menschen wurden bei diesen Anschlägen getötet, 35 % aller
landesweit durch Terrorismus getöteten Personen und ein Rückgang von 30 % im Vergleich
zum Vorjahr. Unter den Getöteten waren 193 Zivilisten, 26 Mitglieder des Grenzschutzes, 36
Polizisten, 14 Armeesoldaten, acht Steuereintreiber und elf Aufständische. Belutschische
Nationallistengruppen führten 2017 131 Anschläge in 20 Distrikten durch, wobei 138
Menschen ums Leben kamen. Bei sieben sektiererisch motivierten Anschlägen, die sich
vorwiegend gegen Hazara richteten, kamen 17 Menschen ums Leben. 2017 wurden in 22
Distrikten terroristische Anschläge durchgeführt. In der Hauptstadt Quetta kam es zu 35
Anschlägen mit 90 Todesopfern. 23 Anschläge gab es in Kech, 16 in Dera Bugti, 13 in
Gwadar, zwölf in Panjgur, neun in Nasirabad und acht in Mastung (PIPS 1.2018).
133 Todesopfer waren 2017 bei 27 terroristischen Anschlägen durch islamistisch-militante
Gruppierungen, wie die TTP, Jamaatul Ahrar, ISIS, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, zu
beklagen. Beispiele für schwerwiegende Selbstmord-Sprengstoffattentate waren ein Angriff
auf den Konvoi eines Senatsmitgliedes in Mastung, auf den Pir Rakhyal Shah-Schrein in
Fatehpur sowie auf eine Polizeidienststelle in Quetta, einen Armeetransporter, einen Konvoi
des Grenzschutzes, die Belutschische Polizei und die Berthel Memorial Methodistenkirche
(PIPS 1.2018).
Zusätzlich zu den o. a. 165 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2017 in Belutschistan zu
39 Militäraktionen gegen Aufständische, 13 bewaffneten Zusammenstößen zwischen
Sicherheitskräften und Aufständischen, 13 grenzüberschreitenden Zusammenstößen aus
Afghanistan oder dem Iran, fünf stammesübergreifenden Fehden und zwei Fällen von Mob-
Gewalt. Bei insgesamt 237 für die Sicherheitslage relevanten Vorfällen von Gewalt verloren
430 Menschen ihr Leben. Zusätzlich wurden während des Jahres 29 Leichen in der Provinz
aufgefunden. In den meisten Fällen sind die Identitäten der Toten sowie ihrer Mörder nicht
bekannt. Sicherheitskräfte konnten 2017 insgesamt 17 Terroranschläge vereiteln (PIPS
1.2018).
Im Jahr 2016 wurden bei 151 Anschlägen 412 Menschen getötet, das sind 45 % aller
Todesopfer von Anschlägen landesweit. Im Vergleich zu 2015 stieg die Zahl der Todesopfer
in Belutschistan um 63 %, während die Zahl der Anschläge um 29 % sank. Unter den
Todesopfern waren 230 Zivilisten, 168 staatliche Sicherheitskräfte und 14 Aufständische. Am
stärksten betroffen war die Hauptstadt Quetta mit 238 Toten und 458 Verletzten in 49
Anschlägen. 20 Anschläge wurden aus dem Distrikt Dera Bugti, 15 aus Kech, elf aus
Mastung, acht aus Khuzdar, sieben aus Nasirbad und je sechs aus Awran und Gwadar
gemeldet. 13 weitere Distrikte in Belutschistan waren von jeweils zwischen einem und vier
Anschlägen betroffen. Die meisten Todesopfer hinter Quetta gab es in den Distrikten
Khuzdar (61), Gwadar (16), Kech und Mastung (je 15) (PIPS 1.2017).
Im Vergleich zum Vorjahr sank 2016 die Zahl der religiös-sektiererisch motivierten Anschläge
von zwölf auf fünf, während die Zahl der Todesopfer von 34 auf 62 stieg. Grund dafür ist die
hohe Anzahl von Todesopfern bei einem einzelnen Anschlag auf einen Schrein im Distrikt
Khuzdar mit 54 Toten. Von den fünf Anschlägen fanden drei in Quetta und zwei im Distrikt
Khuzdar statt; zwei richteten sich gegen die schiitische Hazara-Gemeinde, zwei gegen
Mitglieder der Sunni-Gemeinde und einer gegen Schiiten (PIPS 1.2017).
PIPS erklärt den deutlichen Anstieg an Todesopfern bei gleichzeitigem Rückgang der
Anschlagszahlen im Jahr 2016, dass die Anschläge von Talibangruppen - vor allem TTP
und Jamaatul Ahrar - und von gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppen, besonders
Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami stark anstiegen, während die Zahl der Anschläge von
belutschischen Terrorgruppen sank. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben
an Stärke eingebüßt und ihre Anschläge gingen 2016 sowohl in Schwere als auch Anzahl
zurück. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche
Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilisten, jedoch ein großer Anteil
auch rein gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reiseund
Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung)
https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974 , Zugriff 8.5.2018
- DW - Deutsche Welle (11.4.2015): Mindestens 20 Arbeiter in Pakistan getötet,
http://www.dw.com/de/mindestens-20-arbeiter-in-pakistan-get ötet/a-18375233,
Zugriff 9.5.2018
- EASO - European Asylum Support Office (8.2015): Country of Origin Information Report,
Pakistan Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1440743353_easo-coireport-
pakistan-country-overview-final.pdf, Zugriff 9.5.2018
- Nation, the (25.2.2016): 21 Balochistan districts have weak writ of state,
http://nation.com.pk/national/25-Feb-2016/21-balochistan-districts-have-weak-writ-ofstate ,
Zugriff 9.5.2018
- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE
PROVISIONAL
RESULTS OF CENSUS - 2017,
http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN
%20TE HSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pd f, Zugriff 8.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March
2018, http://pakpips.com/app/reports/199 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February
2018, http://pakpips.com/app/reports/169 , Zugriff 14.5.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January
2018, http://pakpips.com/app/reports/65 , Zugriff 14.5.2018
Gilgit-Baltistan und Azad Jammu und Kaschmir
Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK -
"freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of
Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Gilgit-Baltistan hat im
September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert
worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung
in Islamabad abhängig (AA 10 .2017a). Die Volkszählung 2017 ergab für Azad Jammu &
Kashmir 4,45 Millionen (Nation 27.8.2018) und die Bevölkerung von Gilgit-Baltistan wird
2013 auf 1,3 Millionen geschätzt (GovGB 2013). Die Ergebnisse des Zensus wurden von der
pakistanischen Statistikbehörde wegen dem besonderen Status der Gebiete nicht zur
Bevölkerung Pakistans hinzugezählt (TET 25.8.2017).
Der Kaschmirkonflikt ist das zentrale Problem der Beziehungen zwischen Pakistan und
Indien. An der Grenze zwischen dem indisch und dem pakistanisch verwalteten Teil
Kaschmirs, der sogenannten Line of Control, kommt es immer wieder zu militärischen
Zwischenfällen (AA 4 .2018).
Extremistische Gruppen, vorwiegend für Anschläge im indisch verwalteten Jammu und
Kaschmir verantwortlich, operieren von Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Balitstan aus.
Sie haben Verbindungen zu ähnlichen Fraktionen in Pakistan und Afghanistan. Spannungen
zwischen pro-Pakistan und nationalistischen, kaschmirischen, aufständischen Gruppen sind
verbreitet (FH 29.8.2016).
In Gilgit-Baltistan, den früheren Northern Areas, führen Konflikte zwischen Schiiten und
Sunniten gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 28.3.2018).
Der Anteil der sunnitischen Bevölkerung in Gilgit Baltistan hat signifikant zugenommen, seit
die Einwanderung aus anderen Teilen Pakistans nicht mehr gesetzlich untersagt ist. Es gibt
den Vorwurf, dass ein demographischer Wandel in der mehrheitlich schiitischen Region von
staatlichen Stellen gefördert wird (FH 29.8.2016).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Gilgit Baltistan sowie Azad
Jammu & Kashmir keine terroristischen Angriffe (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS
6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Im Jahr 2017 wurden drei terroristische Angriffe, darunter ein
religiös-sektiererisch motivierter, aus Azad Jammu & Kashmir gemeldet. Sie fanden alle in
der Hauptstadt Muzaffarabad statt und forderten ein Todesopfer (PIPS 1.2018). Laut einer
teilweisen Datenauswertung durch das South Asia Terrorism Portal (SATP) gab es in Gilgit
Baltistan 2017 keinen Todesfall mit Terrorismusbezug (Eurasiareview 27.2.2018). Im Jahr
2016 wurden keine Terroranschläge aus Gilgit-Baltistan oder Azad Jammu und Kashmir
gemeldet (PIPS 1.2017).
In Azad Jammu und Kaschmir kam es im Vorfeld der Wahlen 2016 zu zwei Vorfällen
politischer Gewalt. Im Februar 2016 forderte eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen
Anhängern der PPP und der PPML-N einen Toten und zehn Verletzte (PIPS 1.2017). Im Juli
2016 forderte eine weitere ähnlich geartete Auseinandersetzung zwei Tote und sieben
Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. Dawn 14.7.2016). Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche
Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).
Quellen:
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https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/-/205008 ,
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- TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting,
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census/, Zugriff 9.5.2018
Punjab und Islamabad
Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten
gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore
und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern,
durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren
Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110
Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt
Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die
Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein
Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).
Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium
Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23
Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).
Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum
Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs
Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten,
sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in
Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter
richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung
eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall
mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya.
Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi
Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).
Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei
Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich
gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder
religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-
Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad
Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der
Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee
ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und
Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).
Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016
zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben
Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß
angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März
2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den
Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das
Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS
1.2017).
Quellen:
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seven-in-eastern-pakistani-city-of-lahore-idUSKCN1GQ2OD, Zugriff 14.5.2018
Naturkatastrophen
Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und
im Jahr 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen
eingerichtet, die jedoch an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und
finanziellen Ressourcen leiden (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings
die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen,
zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich
verbessert (UNOCHA 31.1.2016).
Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums
Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch
(Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa
und der Bajaur Agency durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März
und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsunregenfällen in der Provinz Khyber
Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die
internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April
2016 kamen fünf Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial
Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die
Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale
Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016). Im Jänner 2017 gab es in
Belutschistan in Folge heftigen Regen- und Schneefalles 13 Tote und 650 Verletzte. Der
Rote Halbmond und die Provincial Disaster Management Authority von Belutschistan
versorgte etwa 60.000 Menschen in den betroffenen Gebieten mit Lebensmitteln,
Trinkwasser und Schlafsäcken (Reliefweb 8.2.2017). Im August 2017 kamen in Karatschi
mindestens 23 Menschen bei Überschwemmungen in Folge starker Regenfälle ums Leben,
Armee und Luftwaffe führten Rettungsaktionen durch (DP 31.8.2017).
Quellen:
- DP - Daily Pakistan (31.8.2017): At least 23 killed as downpours wreak havoc in Karachi,
army deployed for assistance,
https://en.dailypakistan.com.pk/headline/karachi-battlesflood-
ahead-of-eidul-azha-video/, Zugriff 9.3.2018
- Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue,
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- IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016):
GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internaldisplacement
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IDMC.pdf, Zugriff 26.4.2018
- IRIN - Integrated Regional Information Networks (3.4.2014):
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Pakistan's disaster authority?, http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-howeffective-
is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 26.4.2018
- Reilefweb (8.2.2017): Pakistan: Balochistan Floods/Snowfall 2017 Emergency Plan of
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https://reliefweb.int/report/pakistan/pakistan-balochistanfloodssnowfall-
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- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash
Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake,
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthqu
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- UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash
Update: #2 Pakistan Rains,
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_201
60704.pdf, Zugriff 26.4.2018
Rechtsschutz/Justizwesen
Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren
weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle
Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die
Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology -
abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen -
dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).
Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die
folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz
sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte.
Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a.
von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften
auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann
diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und
Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).
Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte
Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung
von Streitfällen zwischen Lokalregierungen ("original jurisdiction in any dispute between any
two or more Governments") sowie beratende Rechtsprechung ("advisory jurisdiction") auf
Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Art. 184 ff der Verfassung). Außerdem kann er
sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei
Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High
Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine
eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der
Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).
Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court,
High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen
Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle
ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein
beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).
In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme
(ÖB 10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und
High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die
Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered
Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der
interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der
administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018
wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre
vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt
4.1].
Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von
denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Art. 203C der Verfassung).
Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des
Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).
Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden
vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach
Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Art. 203C der Verfassung). Die den
High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt
werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und
Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch
eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).
Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit
erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom
24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang
nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz,
führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017).
Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf
Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt
(WJP 2018).
Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten
ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch
extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder
öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen
bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und
einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen,
Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen
bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018).
Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016
einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein
Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen
starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen
auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der
pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber
Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).
Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption
ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet (AA 10 .2017a). Laut der
neuesten Statistik der Law and Justice Commission of Pakistan (LJCP) sind landesweit
1,869,886 Fälle bei allen Gerichten anhängig (Dawn 21.1.2018) und viele Verfahren ziehen
sich über Jahrzehnte hin. In manchen Fällen erhält erst die dritte Generation der Beteiligten
ein finales Urteil (Dawn 21.1.2018; vgl. AA 10 .2017a).
Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte
Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung
zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten
beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, wie den Zugang zu Rechtsmitteln sowie
eine faire und effektive Anhörung (USDOS 20.4.2018). Der Director General der Federal
Judicial Academy, schätzt [Stand Mai 2015] die Zahl der Richter auf
4.200 für eine
Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen
Standards (ÖB 10.2016). Der Vorsitzende des Lahore High Court (Punjab) erklärte 2017,
dass in Punjab ein Richter auf 62.000 Einwohner kommt, und noch mindestens 10.000
Richter in der Provinz benötigt würden (Nation, The 31.12.2017). Im Jahr 2015 wurden in der
Provinz Punjab knapp 700 (ÖB 10.2016; vgl. TET 21.1.2015) und in der Provinz Sindh ca.
360 neue Richter eingestellt (TET 31.8.2015).
Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der
Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch
wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter
Menschenrechtsverletzungen (z. B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der
Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der
Minderheitenrechte) befasst (AA 10 .2017a).
Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene
grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA
20.10.2017).
Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in Peschawar, genehmigte
das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie
Terrorismus und religiös-sektiererischer Gewalt (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015
berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch über 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in
Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können
(USDOS
13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von
Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im
August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Rechtssprechung der Militärgerichte,
behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch
die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL
5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser
Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017).
Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 auf weitere zwei Jahre verlängert
(ÖB 10.2017; vgl. AI 21.2.2018). Bei Verhandlungen der Militärgerichte ist keine Kaution
vorgesehen und die Verhandlungen sind nicht öffentlich (USDOS 20.4.2018).
Bisher wurden zwölf derartige Militärgerichte eingerichtet und 274 Personen verurteilt, Davon 161 zum Tode und 113 zu (meist lebenslänglichen) Freiheitsstrafen. Die Prozesse warden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar definiert, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2017).
Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die
Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das
Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche
Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in
Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden.
Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben
rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden
(USDOS
20.4.2018).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen
Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse
Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in
Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis,
bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt
(USDOS 20.4.2018).
Neben dem bisher dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen
Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die
etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten
Teilen des Landes, vor allem in den [ehem.] Federally Administered Tribal Areas (FATA), der
für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in
Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt
wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des
Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt
Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch
über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben den [ehem.] FATA
auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa
sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2017). Die [ehem.] FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion (AA
20.10.2017). [Zum Rechtssystem in den ehem. FATA siehe Abschnitt 4.1.]
In Sindh und Punjab, insbesondere in ländlichen Gebieten, halten feudale Landherren und
lokale Führer in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer
manchmal Panchayats oder Jirgas - lokale Ratsversammlungen - außerhalb des etablierten
Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtssysteme bieten keinen institutionalisierten
Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge
(USDOS
20.4.2018).
Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus
2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh
regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas
verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht
sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren
Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen
Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa
im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten
Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba
(LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB
10.2017).
Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die
sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code
(Act XLV of 1860) finden, sowie die in den FATA und PATA weiterhin auf Basis der [bis
28.5.2018 gültigen; vgl. Abschnitt 4.1] Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form
der kollektiven Bestrafung zu nennen. Im Oktober 2016 wurde die Anti-Honour Killings Bill
zur Eindämmung von Ehrenmorden erlassen, die Implementierung geht aber vor allem im
ländlichen Bereich nur schleppend voran. Eine wesentliche Neuerung der Anti-Honour
Killings Bill ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat) bei Ehrenmorden,
sodass eine Straffreiheit des Täters bei Vergebung durch die Familie der Ermordeten nicht
mehr zulässig ist (ÖB 10.2017) [siehe auch Abschnitt 18.2].
Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und
Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus,
Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in
Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames,
durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 10 .2017a).
Quellen:
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Justizwesen in den ehemaligen FATA
In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) hatten
[vor dem 28.5.2018] die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine
Geltung (AA 10 .2017a). Es galten die Frontier Crimes Regulations (FCR), die gewisse
paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren
(FRC 24.1.2017). Diese Sondergesetzgebung stammte zum Teil noch aus der britischen
Kolonialzeit (AA 10 .2017a). Die Zentralregierung verfügte mit Hilfe des Political Agent über
indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie
verfügten (FRC 24.1.2017).
Im März 2017 genehmigte das pakistanische Kabinett einen Reformplan für die FATA (Dawn
2.3.2017). Die FCR wurden als supplementärer Konfliktlösungsmechanismus vorerst
beibehalten (Dawn 26.12.2017). Die Integration der FATA nach Khyber Pakhtunhkwa wurde
zunächst in die kommende Legislaturperiode (nach den Wahlen im Juli 2018) verschoben
(Dawn 17.5.2018a); jedoch wurde am 24.5.2018 von der Nationalversammlung der 31.
Verfassungszusatz (Constitution (Thirty-First Amendment) Bill, 2018) beschlossen (BR
24.5.2018). Einen Tag später folgte der Beschluss des Zusatzes durch den Senat (SABA
25.5.2018) und am 27.5.2018 durch die Provinzversammlung von Khyber Pakhtunhkhwa
(Dawn 27.5.2018). Der Verfassungszusatz sichert eine Vertretung der Stammesleute in der
Provinzversammlung von Khyber Pakhtunhkhwa (Dawn 27.5.2018; vgl. BR 24.5.2018). Die
Verfassungsänderung erlangte mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 31.5.2018
sofortige Gültigkeit und die FATA wurden in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert
(Dawn 31.5.2018; vgl. Geo.tv 31.5.2018).
Mit der Unterzeichnung der Übergangsgesetzgebung "FATA Interim Governance Regulation,
2018" durch Präsident Mamnoon Hussain verloren die FCR mit sofortiger Wirkung ihre
Gültigkeit. Die FATA werden in die Zuständigkeit der höheren Gerichte gebracht [vgl.
Abschnitt 4], Bewohner der FATA können formelle Gerichte anrufen und Kollektivstrafen sind abgeschafft (Geo.tv 28.5.2018; vgl. Nation 29.5.2018). Die volle Wirksamkeit der
pakistanischen Verfassung auch am Gebiet der ehemaligen FATA wird nach einer
Übergangszeit von ca. zwei Jahren erfolgen (Dawn 31.5.2018) und mit der Eingliederung der
FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa obliegt nun der Provinz die Durchsetzung der
Übergangsgesetze für die FATA (Geo.tv 31.5.2018) Im Zuge des Eingliederungsprozesses
und eines Entwicklungsplanes für zehn Jahre werden Gerichte und andere Infrastruktur am
Gebiet der FATA errichtet (Hindustan Times 2.3.2017).
Gemäß der Übergangsgesetze erhalten Deputy Commissioners (bis 31.5.2018 als Political
Agents bezeichnet, die die Tribal Regions, bis 31.5.2018 als Agencies bezeichnet,
verwalten) die Befugnisse des District Magistrates laut Strafgesetzbuch 1898 verliehen. Die
Deputy Commissioners haben die Befugnis, alle zivilrechtlichen Fälle an einen Ältestenrat
zur Konfliktbeilegung, Ermittlung oder Weiterleitung an ein Gericht zu übergeben. Dieser
Ältestenrat wird vom Deputy Commissioner ernannt und die Streitparteien können Mitglieder des Ältestenrates ablehnen. Der Deputy Commissioner fällt ein Urteil in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrates (Dawn 31.5.2018).
Bei strafrechtlichen Fällen wird der Verdächtige innerhalb von 24 Stunden einem Richter (i.e.
Assistant Commissioner) vorgeführt. Assistant Commissioners werden vom Gouverneur für
jeden Tribal District eingesetzt und erhalten Befugnisse gemäß des Strafgesetzbuches. Der
Richter ruft den Ältestenrat ein, der innerhalb von zehn Tagen nach der Verhaftung
zusammentreten muss, um die Ermittlungen durchzuführen. Nachdem der Richter das
Ermittlungsergebnis vom Ältestenrat erhalten hatte, fällt er das Urteil in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrates sowie der relevanten Gesetze (Dawn
31.5.2018).
Eine Berufung gegen Urteile, Entscheidungen oder Anordnungen, die von einem Deputy
Commissioner oder Richter getroffen wurden, die nach den Übergangsregelungen dazu
ermächtigt waren, kann innerhalb von 30 Tagen beim Deputy Commissioner oder Assistant
Commissioner erfolgen. Das Berufungsgericht ("Appelate Authority") muss innerhalb von 60
Tagen über die Berufung entscheiden. Eine Berufung gegen die Entscheidung des
Berufungsgerichtes kann innerhalb von 30 Tagen am Peshawar High Court eingebracht
werden (Dawn 31.5.2018)
Gemäß der Übergangsgesetze kann der Gouverneur zu jeder Zeit eine Verordnung
erlassen, dass ein gemäß der Übergangsgesetze verwaltetes Stammesgebiet "in den
Mainstream gebracht" wird. Damit enden die Übergangsregelungen für dieses Gebiet und sie werden durch die normale Gesetzgebung Pakistans ersetzt (Dawn 31.5.2018).
Aufgrund der 2011 erfolgten Ausweitung der Verordnung über politische Parteien auf die
Stammesgebiete können politische Parteien auch in den [ehem.] FATA aktiv werden.
Politische Beobachter sehen diese Verordnung als Grundlage für ein reiferes politisches
System in den Stammesgebieten (USDOS 20.4.2018).
Die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird von
124 auf 145 erhöht; Insgesamt werden die ehemaligen FATA von 21 Abgeordneten im
kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für
Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird
innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018).
Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa
zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher
48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018).
Nach der Unabhängigkeit Pakistans waren die FCR auch in Belutschistan gültig (Nation
29.5.2018), jedoch hat Belutschistan seit Jahrzehnten dasselbe formale Regierungssystem
wie die anderen Provinzen. Dies hat jedoch die Provinz nicht verändert und die
Lebensqualität der Menschen nicht erhöht. Die [ehem.] FATA könnten ein ähnliches
Schicksal vermeiden, da die Provinz Khyber Pakhtunhkhwa bereits über funktionale
Institutionen verfügt (Dawn 29.5.2018). Protest und Widerstand gegen die Vereinigung der
FATA mit Khyber Pakhtunkhwa kommt von Stammesvertretern, die ihrer Meinung nach nicht ausreichend in den Reformprozess eingebunden waren (TET 29.5.2018).
[Anmerkung der Staatendokumentation: Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Situation ist es vorerst nicht möglich, klare Aussagen zu treffen, wie die formelle Abschaffung der Frontier Crimes Regulation sowie die Ausdehnung der staatlichen Gerichtsbarkeit in die ehemaligen Stammesgebiete sich in der Praxis auswirken werden. Aus diesem Grund wird in Folge das Rechtswesen in den FATA beschrieben, wie es sich vor dem 28.5.2018 dargestellt hat.]
Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein "Political Agent", der
weitreichende administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei
bis drei Assistant Political Agents. Unter der pakistanischen Verfassung fallen die FATA
ausschließlich in die Zuständigkeit des Präsidenten von Pakistan. Administrativ ist der
Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa, als Repräsentant des Präsidenten von Pakistan, die
oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA. Es gibt drei administrative
Einrichtungen, das "Ministry of States and Frontier Regions" (SAFRON), das "FATA
Secretariat" und die "FATA Development Authority" (FDA), welche das Gebiet unter der
Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA
werden rechtlich durch den "Frontier Crimes Regulation Act" (FCR) von 1901, novelliert
2011, geregelt (FRC 24.1.2017).
In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z. B. Pashtunwali) basierendes
Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von
Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis
zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung
schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex
hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 20.10.2017).
Alle Zivil- und Kriminalfälle in den FATA wurden gemäß dem [bis 28.5.2018 gültigen] FCR
durch eine Jirga (Rat von Älteren) entschieden. Die Bewohner konnten allerdings den
Supreme Court und den Peschawar High Court anrufen bei Fällen, die die Verfassung oder
die FCR betreffen. Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien:
"geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte"
Gebiete sind solche, welche indirekt - über lokale Stämme - administriert werden (Gov
FATA o.D.).
In den "geschützten" Gebieten der FATA wurden Zivil- und Kriminalfälle durch politische
Angestellte entschieden, die mit juristischen Vollmachten ausgestattet sind (Gov FATA o.D.).
Nach der FCR waren die Assistant Politcal Agents verantwortlich für die Rechtsprechung in
den FATA und wurden dabei durch Stammesältere ihrer Wahl unterstützt. Sie hielten
Anhörungen nach ihrer Interpretation des islamischen Gesetzes und der Stammesbräuche
ab (USDOS 3.3.2017). Die Jirga aus Stammesälteren wurde nach den Ermittlungen mit
Zustimmung der Konfliktparteien eingerichtet. Sie fällte das Urteil, das durch den Political
Agent geprüft wird. Die Entscheidung konnte beim High Court und Supreme Court
beeinsprucht werden. Für die Umsetzung des Urteils war die politische Administration
zuständig (Gov FATA o.D.).
In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA wurden zuerst lokale Mediatoren aktiv, die
versuchen, zwischen den Konfliktparteien eine Übereinkunft (tiga) herzustellen bezüglich
Sicherheiten, Entschädigungen und Rechtsanwendung (traditionelles oder Scharia-Recht).
Danach beriefen die Mediatoren eine Jirga ein. Die meisten Konflikte wurden intern geregelt, schwerwiegendere Fälle benötigten jedoch eine größere Jirga bestehend aus Maliks [Mediatoren], Älteren, dem Political Agent, Mitgliedern der Nationalversammlung und dem Senat und manchmal sogar Vertretern benachbarter Agencies oder Frontier Regions (Gov FATA o.D.).
Unter der FCR wurden Kollektivstrafen angewendet. Eine rechtliche Vertretung des
Angeklagten war nicht vorgesehen. Durch die Novellierung der FCR von 2011 wurde die
Kollektivverantwortung des Stammes eingeschränkt, indem Frauen und unter-16jährige aus
der Kollektivbestrafung ausgenommen wurden (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
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Zugriff 23.4.2018
Politischer und rechtlicher Aufbau Giligt-Baltistan und Azad Jammu Kaschmir
Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und
Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der
Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil
Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet.
Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von
Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und
politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10 .2017a). Die Volkszählung 2017
wurde auch in AJK und Gilgit Baltistan durchgeführt, die Ergebnisse aufgrund des
besonderen Status der beiden Gebiete innerhalb Pakistans jedoch nicht veröffentlicht (TET
25.8.2017).
Keines der Gebiete wurde formal in das Staatsgebilde inkorporiert, wodurch sie weder
unabhängig sind, noch Provinzstatus haben. Stattdessen ist das Verhältnis zueinander durch
verschiedene provisorische Übereinkünfte bestimmt, die auf eine finale Übereinkunft im
Disput mit Indien warten. Azad Jammu Kaschmir wird anhand einer Übergangsverfassung
aus dem Jahr 1974 verwaltet. Ein Präsident, der durch die gesetzgebende Versammlung
gewählt wird, ist Staatsoberhaupt, der gewählte Premierminister Regierungschef. Ein Azad
Jammu Kaschmir Council arbeitet von Islamabad aus und setzt sich aus kaschmirischen und
pakistanischen Amtsträgern zusammen. Dieser Rat hat eine Reihe von
Schlüsselkompetenzen im exekutiven, legislativen und rechtssprechenden Bereich inne, wie
die Kontrolle über die Ernennung der Höchstrichter und den Wahlbehördenleiter (FH
29.8.2016).
Gilgit Baltistan wird unter der "Gilgit-Baltistan Empowerment and Self-Governance Order"
(GBESGO) von 2009 verwaltet, die nur durch die pakistanische Regierung verändert werden
kann. Die Regierungsstruktur setzt sich aus der Gesetzgebenden Versammlung für Gilgit-
Baltistan mit Sitz in Gilgit, die 33 Mitglieder hat, sowie dem 15 Mitglieder starken Gilgit-
Baltistan Rat zusammen. Den Ratsvorsitz hat der pakistanische Präsident, den Vize-Vorsitz
der föderal ernannte Gouverneur; die Tagungen finden in Islamabad statt. Die
Gesetzgebende Versammlung hält die gesetzgebende Gewalt über 61 Themen, wobei die
Letztentscheidung beim Gouverneur liegt. Die strategisch wichtigen Themen fallen in die
Zuständigkeit des föderal dominierten Gilgit-Baltistan Rat. Eine Mehrheit von hohen
Positionen in der lokalen Administration ist unter der GBESGO für pakistanische
Staatsbedienstete reserviert. Im Februar 2015 gab es einige Kontroversen in Gilgit-Baltistan,
da der neu eingesetzte Gouverneur keinerlei Bezug zu dem Gebiet hat (FH 29.8.2016).
Die Übergangsverfassung von Azad Jammu Kaschmir verbietet politische Parteien, die nicht
die mögliche Angliederung des Gebietes an Pakistan befürworten und Regierungsmitglieder
müssen ihre Loyalität gegenüber dem Ziel der Eingliederung erklären. Ähnliche Regeln
gelten auch in Gilgit Baltistan, womit nationalistischen Führern und Parteien der Zugang zum
politischen Prozess und zu Anstellung im öffentlichen Bereich verwehrt ist (FH 29.8.2016).
Bei den Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung von Gilgit Baltistan im Juni 2015 konnte
die PML-N 15 der 24 direkt zu wählenden Sitze erringen. Die Wahlen fanden unter
Sicherheitsvorkehrungen der Armee statt (FH 29.8.2016).
Bei den Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung von Azad Jammu und Kaschmir im Juli
2016 konnte die PML-N 31 der 41 Sitze erringen. Die PPP und die Muslim Conference
errangen jeweils drei, die PTI zwei Sitze. Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche
Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).
Die beiden Territorien haben keine politische Vertretung im pakistanischen Parlament oder in den Gremien, die verfassungsgemäß für die Beratung und die Koordinierung zwischen der
föderalen Regierung und den Provinzen eingerichtet sind, was die Transparenz stark
einschränkt. Als Resultat haben der pakistanische Premierminister, der Minister für Kaschmir
Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan, und durch diese der föderale Verwaltungsdienst volle
Kontrolle über die Regierungsfunktion in beiden Territorien. Föderale Geheimdienste sind
ebenfalls in den Territorien stationiert und üben beträchtlichen Einfluss über gewählte
Repräsentanten und Verwaltungsbedienstete aus. Die Territorien haben auch keine
weitgehende fiskalische Unabhängigkeit. Die föderalen Steuern werden in beiden Territorien
umgesetzt, während ein Anteil der föderalen Einnahmen wieder durch Förderungen
zurückfließt. In den föderalen Gremien, welche die Ressourcenverteilung zwischen den
Provinzen verhandeln, sind die Repräsentanten der Territorien nicht vertreten. Die 2015 neu
gewählte gesetzgebende Versammlung von Gilgit-Baltistan hat eine Resolution zur
Forderung nach dem Status einer verfassungsgemäßen Provinz gestellt (FH 29.8.2016).
Gilgit-Baltistan hat ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der
Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister
Pakistans in seiner Funktion als Vorsitzende des Gilgit-Baltistan Councils auf Empfehlung
des Gouverneurs ernannt. In der Praxis gehen alle Besetzungen der höheren
Rechtsprechung über das Ministerium für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan.
Der Prozess ist somit langwierig und lässt der föderalen Regierung einen überproportionalen
Einfluss. Die föderale Regierung, die Armee und die Geheimdienste üben eine beträchtliche
Präsenz in Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan aus. Überwachung von
politischen Aktivitäten ist die Norm. Es gibt Berichte zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen
Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 29.8.2016).
In Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan sind Gesetze in Kraft, welche die
Meinungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf den politischen Status der Region einschränken
(FH 29.8.2016).
Stand Mai 2018 ist eine Erweiterung der Autonomie für Giligt-Baltistan (Government of Gilgit- Baltistan Order 2018) in Arbeit, die jedoch von mehreren Seiten kritisiert wird. So soll Gilgit- Balitstan mehr Autonomie erhalten, ohne jedoch das Gebiet in den Stand einer Provinz zu erheben. Der Premierminister Pakistans soll demnach gesetzgebende Kraft haben.
Bewohner von Gilgil-Baltistan erhalten die Staatsbürgerschaft dieser Region, wodurch
Staatsbürger Pakistans von außerhalb der Region gegenüber der eingesessenen
Bevölkerung bevorzugt würden. Bei den Reformplänen wurde die Bevölkerung Gilgil-
Baltistans nicht eingebunden (Dawn 17.5.2018b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt
de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff
12.3.2018
- Dawn (23.7.2016): PML-N grabs 31 seats in AJK elections, https://www.dawn.com/news/
1272615, Zugriff 26.4.2018
- Dawn (17.5.2018b): Storm in Gilgit-Baltistan,
https://www.dawn.com/news/1408187/storm-in-gilgit-baltistan , Zugriff 17.5.2018
- FH - Freedom House (29.8.2016): Freedom in the World 2016:
Pakistani Kashmir, http://
www.refworld.org/docid/57c8327815.html , Zugriff 26.4.2018
- TET - The Express Tribune (25.7.2017): 6th census findings: 207 million and counting,
https://tribune.com.pk/story/1490674/57-increase-pakistans-population-19-years-showsnew-
census/, Zugriff 9.5.2018.
Sicherheitsbehörden
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden
aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium
unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 20.10.2017).
Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 20.10.2017). Der ISI gilt als einer der besten Geheimdienste der Welt (BBC News Hub 2.12.2017). Der ISI ist militärisch dominiert und geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 20.10.2017).
Der pakistanische Geheimdienst, einst von einem ehemaligen Premierminister als "Staat im
Staat" bezeichnet, ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert, sagen pro-
Demokratie-Aktivisten. Der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste
Person im Land (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt den Geheimdienst betreffend
über breit gefächerte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als
zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten,
obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS
2.6.2016).
Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 20.10.2017).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut
bis ineffizient (USDOS 20.4.2018). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren
Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei
kein hohes Ansehen. So sind u. a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der
Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig
nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen
der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige
unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in
Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen
gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige
zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen,
oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen
eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So
werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA
20.10.2017).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie
beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und
Hindus - Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der
Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung
und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert
sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen,
außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des
Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln
und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen
Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die
Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt.
Menschenrechtsorganisationen
berichteten darüber, dass viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan
verschwanden (USDOS 20.4.2018).
Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte,
trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei
Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den
"Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten,
dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die
Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine
kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss.
Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu
untersuchen (USDOS 20.4.2018).
Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und
Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und
Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und
Rechtsstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).
Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi,
Lahore, Mianwali, Karatschi, Peshawar, Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206
Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid)
in Karatschi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden (SHARP 2016). Auch
im Jahr 2017 gab es mehrere solcher Lehrgänge, u. A. in Lahore und Bhakkar (SHARP
28.11.2017). SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den
Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass
Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung
ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche
Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und
Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).
Seit einer Verfassungsänderung im Jänner 2015 haben militärische Gerichte das Recht,
auch Zivilisten, die im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt
und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen, zu verurteilen (USDOS
19.7.2017) [siehe auch Abschnitt 4.].
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State
of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-andthe-
pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
- BBC News Hub (2.12.2017): Top 10 Most Powerful Intelligence Agencies In The World
2018,
http://www.bbcnewshub.com/top-10-most-powerful-intelligence-agencies-in-theworld-
2018/, Zugriff 17.4.2018
- FCO - Foreign Commonwealth Office (12.3.2015): Corporate report, Pakistan - Country
of Concern,
https://www.gov.uk/government/publications/pakistan-country-ofconcern /
pakistan-country-of-concern#access-to-justice-and-the-rule-of-law, Zugriff 17.4.2018
- Globalsecurity.org (15.12.2016): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI]
http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm , Zugriff 17.4.2018
- SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (2016):
Pakistan-initiatives-forcapacity-
building,
http://sharp-pakistan.org/publications/reports/2016-Jan-Apr-SHARPPakistan-
initiatives-for-capacity-building.pdf, Zugriff, 17.4.2018
- SHARP - Society for Human Rights and Prisoners' Aid (28.11.2017):
Category: Activites
& Events,
https://sharp-pakistan.org/index.php/category/latest-news/activities-andevents/ ,
Zugriff 17.4.2018
- USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 -
Chapter 2 - Pakistan,
https://www.ecoi.net/local_link/324735/464433_de.html , Zugriff
17.4.2018
- USDOS - US Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 -
Chapter 2 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/1404783.html , Zugriff 17.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende
Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt über
Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS
20.4.2018; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das
Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch
gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine
ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter - meistens die
Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 20.4.2018).
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 54 von 151
Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft
foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder
zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt Berichte,
dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen
Gefangene einsetzen (USDOS 20.4.2018). Auch AI erwähnt Folter als
Menschenrechtsverletzung, der die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 21.2.2018).
Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2016 in Haft
verstorbenen 48 Strafgefangenen in zwei Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die
Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte
über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich
häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als
Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem
Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten
und Offizieren (AA 20.10.2017).
Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit
generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut
wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine
Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der
Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert
und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung
der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst
seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die
Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten. Ein Gesetz, mit dem Folter erstmals zum
Straftatbestand gemacht würde, ist im Parlament seit einigen Jahren anhängig. Pakistan hat
am 31.12.2015 dem Vertragsausschuss der VN-Anti-Folterkonvention erstmals einen
nationalen Umsetzungsbericht vorgelegt. Dieser wurde im April 2017 im VN-Ausschuss
gegen Folter kritisch diskutiert (AA 20.10.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State
of the World's Human Rights - Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-andthe-
pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
- DAWN (27.6.2016): View from the courtroom: No law yet to specifically deal with torture
cases,
http://www.dawn.com/news/1267554/view-from-the-courtroom-no-law-yet-tospecifically-
deal-with-torture-cases, Zugriff 18.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Korruption
Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den
Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Im
Corruption Perceptions Index 2016 von Transparency International nahm Pakistan die 116.
Stelle von 176 Ländern ein (TI 25.1.2017), im Jahr 2017 die 117. Stelle von 180 Ländern (TI
21.2.2018).
Das pakistanische Strafgesetzbuch untersagt, Bestechungen anzubieten, zu bezahlen oder
anzunehmen. Schmiergeldzahlungen und Geschenke sind verboten aber weit verbreitete
Praxis (GAN Integrity 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Das "National Accountability Bureau"
(NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch
Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 20.4.2018).
Trotz solider Gesetzeslage ist Pakistan nicht in der Lage, Korruption in staatlichen Stellen zu
verhindern. Die Regierung setzt die Anti-Korruptionsgesetze nicht effizient durch und
Beamte, die in Korruption verwickelt sind, bleiben straffrei (GAN Integrity 12.2017; vgl.
USDOS 20.4.2018).
Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche
Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von gerechtfertigten Anzeigen angenommen und
Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Anzeigen akzeptiert. Bestechungsgelder
zur Vermeidung von Strafzahlungen sind ebenso weit verbreitet (USDOS 20.4.2018). Die
Hauptgründe für Korruption sind mangelndes Verantwortungsbewusstsein sowie fehlende
leistungsbezogene berufliche Aufstiegschancen bei relativ niedrigen Löhnen (USDOS
29.6.2017; vgl. TI 25.4.2014).
Seit 2015 haben Militär und Rangers (dem Innenministerium für Polizeiaufgaben unterstellte
militärische Kräfte) auch in der Bekämpfung von gewöhnlicher Kriminalität und Korruption
mehrfach die Initiative ergriffen (AA 20.10.2017).
Am 28.7.2017 wurde Ministerpräsident Nawaz Sharif aufgrund von Korruptionsvorwürfen
vom Obersten Gericht abgesetzt (Zeit Online 28.7.2017). Hintergrund sind die durch die
Panama Papers enthüllten Vermögensverhältnisse der Familie, die Sharif Vorwürfe der
Geldwäsche und Korruption eingebracht hatten. In Pakistan kann ein Ministerpräsident des
Amtes enthoben werden, wenn sich herausstellt, dass er Vermögen verborgen hat
(Süddeutsche Zeitung 28.7.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- GAN Integrity (10.2017): Pakistan Corruption Report, https://www.business-anticorruption
com/country-profiles/pakistan, Zugriff 18.4.2018
- Süddeutsche Zeitung (28.7.2017): Nach Panama-Papers-Enthüllung:
Gericht enthebt
Pakistans Ministerpräsident des Amtes, http://www.sueddeutsche.de/politik/panamapapers-
nach-panama-papers-enthuellung-gericht-enthebt-pakistans-ministerpraesidentdes-
amtes-1.3607163, Zugriff 28.7.2017
- TI - Transparency International (25.4.2014): Pakistan 2014,
https://www.transparency.org/whatwedo/nisarticle/pakistan_2014 , Zugriff 19.4.2018
- TI - Transparency International (25.1.2017): Corruption Perceptions Index 2016,
http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016 , Zugriff
19.4.2018
- TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017 , Zugriff
19.4.2018
- USDOS - US Department of State, Bureau of Economic and Business Affairs
(29.6.2017): Investment Climate Statements for 2017 - Pakistan, http://www.state.gov/e/
eb/rls/othr/ics/investmentclimatestatements/index.htm?year=2017&dlid=270027, Zugriff
19.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
- Zeit Online (28.7.2017): Oberstes Gericht in Pakistan entmachtet Premier Sharif,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-07/panama-papers-pakistan-nawaz-sharifministerpraesident-
amtsenthebung, Zugriff 28.7.2017
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können
sich in Pakistan betätigen, unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und
Kontrolle. Bedrohungen und Einschränkungen können erfolgen, wenn ihre Arbeit die
staatlichen Sicherheitsorgane tangiert (AA 20.10.2017). Sowohl auf Bundes- als auch auf
Provinzebene hat die Regierung die operativen Möglichkeiten von zivilgesellschaftlichen
Organisationen mittels Durchsetzung strenger Regulatorien und Berichterstattungsrichtlinien
signifikant eingeschränkt. Internationale und lokale Organisationen müssen vor dem Start
unterschiedlicher Projekte offizielle "no-objection certificates" (NOC) einholen. Seit 2015
müssen sich ausländische NGOs einem aufwendigen Wiederregistrierungsprozess
unterziehen und viele von ihnen haben zum Jahresende 2016 noch keinen offiziellen Status
erhalten (FH 1.2017).
NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven
Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016).
Insbesondere Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform des Blasphemie-
Gesetzes und gegen die Todesstrafe engagieren, werden von extremistischen und
dschihadistischen Gruppierungen bedroht. Sowohl für Menschenrechtsals auch für
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 57 von 151
Hilfsorganisationen ist die Arbeit nicht nur in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA), sondern
auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich; mehrere Entführungen und
Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die
meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA
20.10.2017).
Obwohl einige nationale und internationale Menschenrechtsgruppen ohne gröbere
Einschränkungen tätig sind und Menschenrechtsverletzungen untersucht sowie die
Ergebnisse veröffentlicht haben, wird die operative Tätigkeit von NGOs durch die Regierung
vermehrt eingeschränkt. Gruppen, die über Missstände bei Regierung, Militär, Geheimdienst
berichten oder in Bezug auf Binnenvertriebene oder Konfliktgebiete aktiv sind, berichten von
zeitweisen Restriktionen ihrer operativen Tätigkeit und der Geldlukrierung, u. A. durch
Regulatorien bezüglich Reisen, Visum und Registrierung (USDOS 20.4.2018).
Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2016 ein und im Jahr 2015 zwei
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf
und in den Jahren 2012 und 2013 je 17 Mitarbeiter getötet (AWSD 12.4.2018).
Die HRCP befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von
Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und
freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle
aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der
HRCP gibt es eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen, die
sich mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte beschäftigen. Im
Bereich Frauenrechte engagieren sich u. a. die Aurat Foundation, Shirkat Gah, AGHS Legal
Aid Cell und zahlreiche kleinere Organisationen. Im Bereich Minderheiten (insbes. Christen)
sind das Centre for Legal Aid, Assistance and Settlement (CLAAS), die National Commission
for Justice and Peace und die All Pakistan Minorities Alliance tätig. Die Society for Human
Rights and Prisoners Aid (SHARP) richtet Konferenzen zu Menschenrechtsthemen aus und
bietet kostenlose Rechtsberatung. Im Bereich der Todesstrafe ist die
Nichtregierungsorganisation Justice Project Pakistan (JPP) führend, die Statistiken über die
Verhängung der Todesstrafe und über Hinrichtungen in Pakistan führt, sich öffentlich gegen
die Todesstrafe einsetzt, anhand von Fallbeispielen Rechtsverstöße in Gerichtsverfahren
dokumentiert und öffentlich macht und für einzelne Verurteilte, in der Regel unentgeltlich, in Berufungsverfahren als Rechtsbeistand auftritt. Für bessere Haftbedingungen und die
Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen
setzt sich der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA
20.10.2017).
Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben
Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-
Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen
(TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine
Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser
Registrierungsvorgang ist für alle nicht staatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu
überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von
verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar - so ein
Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).
Im Jahr 2015 wurden einige NGOs aufgefordert, Pakistan zu verlassen, darunter Norwegian
Refugee Council. 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter
Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine
Bedenken, dass NGOs in antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des
Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House
dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren
würden (FH 4.12.2016).
Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige
NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] FATA und Teilen Belutschistans
(USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AWSD - Aid Worker Security Database (12.4.2018): Total incidents by country,
https://aidworkersecurity.org/incidents/report/country , Zugriff 19.4.2018
- Dawn (9.1.2016): Laws for monitoring NGOs' funding to be tightened,
http://www.dawn.com/news/1231761/laws-for-monitoring-ngos-funding-to-be-tightened ,
Zugriff 19.4.2018
- FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistan,
https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistan , Zugriff 19.4.2018
- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan,
https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan , Zugriff 19.4.2018
- TIN - The International News (9.1.2016): All NGOs to be registered in six months, https://
www.thenews.com.pk/print/89035-All-NGOs-to-be-registered-in-six-monthsugriff
22.12.2016
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Ombudsmann
Nach einer präsidialen Verordnung im Jahr 1983 wurde das Amt des Ombudsmannes
(Wafaqi Mohtasib) geschaffen (Gov Pak 24.1.1983). Der Ombudsmann führt unabhängige
Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der öffentlichen Verwaltung
("maladministration"). Die Einschaltung des Ombudsmannes ist gratis und steht jedem
Menschen offen. Der Tätigkeitsbereich erstreckte sich auch auf das Gebiet der FATA [Anm.:
seit 31.5.2018 Teil von Khyber Pakhtunkhwa] (FOOP o.D.).
Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen
Büros des Ombudsmannes eingerichtet [vgl. auch FOOP 11.1.2018]. Verletzungen der
Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6 .2013). Zum
Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eigenes Büro für
Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und
die Anwendung der internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und
regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015).
Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von
zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und Punjab haben
diese eingerichtet. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen
Büro in Islamabad sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 20.4.2018). Es gibt
unabhängige Ombudsleute für Angelegenheiten der Steuer, Versicherungen,
Bankangelegenheiten und Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Auch für Beschwerden
über die "Karachi Electric Supply Corporation" (KESC) ist der Bundesombudsmann
zuständig. Der Ombudsmann behandelt u. A. keine Beschwerden, die laufende
Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten
betreffen (FOOP o.D.).
Quellen:
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- FOOP - Federal Ombudsman of Pakistan (11.1.2018): TELEPHONE LIST
OF WAFAQI
MOHTASIB (OMBUDSMAN)'S SECRETARIAT (As of 10.01.2018),
http://www.mohtasib.gov.pk/userfiles1/file/PHONE LIST Head Office AND
%20%20Regional%20Offices%2011-01-2018.pdf, Zugriff 18.4.2018
- FOOP - Federal Ombudsman of Pakistan (o.D.): What We Do,
http://www.mohtasib.gov.pk/frmDetails.aspx , Zugriff 19.4.2018
- Gov Pak - Government of Pakistan (24.1.1983): ESTABLISHMENT OF THE
OFFICE OF
WAFAQI MOHTASIB (OMBUDSMAN) ORDER, 1983,
http://www.mohtasib.gov.pk/wafaqimoh/userfiles1/file/Mohtasib/regulations/presidentialorder-
1983.pdf, Zugriff 19.4.2018
- TET - The Express Tribune (30.1.2015): Register complaints: Human rights cell set up at
ombudsman secretariat,
http://tribune.com.pk/story/830302/register-complaints-humanrights-
cell-set-up-at-ombudsman-secretariat/, Zugriff 19.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Wehrdienst und Rekrutierungen
Die pakistanische Armee umfasst die Teilstreitkräfte Heer (mit Nationalgarde), Marine (mit
Maritime Security Agency) und Luftwaffe (Pakistan Fiza'ya) (CIA 10.4.2018). Pakistans
Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 20.10.2017). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst
beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden.
Armeeangehörige bleiben bis zum Alter von 45 im Reservistenstand (Offiziere bis 50) und
Frauen dienen in allen drei Teilstreitkräften (CIA 10.4.2018). Angehörige religiöser
Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind
geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 20.10.2017).
Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex
sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die
Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte
Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur
Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, die in den drei
Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine unterschiedlich gehandhabt wird. Urteile der
militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten
anfechtbar. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 20.10.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- CIA - Central Intelligence Agency (10.4.2018): World Factbook,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff
19.4.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der
Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der
körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden
Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des
persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung
verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die
Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die
Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 20.10.2017).
Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität
voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem
Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch
Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von
Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft
geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes
Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von
Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet:
Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der
Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren
gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste
Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der
Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der
Minderheitenrechte) befasst. In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally
Administered Tribal Areas, FATA) haben die in der pakistanischen Verfassung verankerten
Bürgerrechte keine Geltung (AA 10 .2017a).
Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die
pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der
politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und
Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen,
nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung
verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden
Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt
vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer
völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung Pakistan sich verpflichtet hat (AA
20.10.2017). Sicherheitskräfte waren im gesamten Land in erzwungenes Verschwinden und
extralegale Tötungen verwickelt (HRW 18.1.2018).
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte
Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen, Folter, fehlende Rechtsstaatlichkeit,
schlechte Ausführung und Durchsetzung der Gesetze; häufige Mob-Gewalt und Selbstjustiz
bleiben meist straffrei. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem willkürliche
Haft, lange Untersuchungshaft, Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte unterer Instanzen,
häufige Verletzung der privaten Bürgerrechte, Angriffe und Schikanen von Medienvertretern, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit von Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung blieben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, staatlich oder nicht-staatlich. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 10.1.2017).
Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und
männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa
und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere
Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach
unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen
aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung
gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen.
Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der
Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten
tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). 2015 gab es
bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte
(HRCP 3.2016).
Gemäß der Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIED) wurden im
Zeitraum 2011 bis 30.4.2018 4.929 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.269 Fälle
abgeschlossen; 1.822 Fälle sind noch offen (DPG 7.5.2018). Stand 30.12.2017 waren 4.608
Fälle angezeigt, davon 3.076 abgeschlossen und 1.532 offen (HRCP 4.2018; vgl. USDOS
20.4.2018), davon 867 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 4.2018). HRCP
berichtet über 728 Personen, die 2016 als vermisst gemeldet wurden, die höchste Zahl seit
mindestens sechs Jahren (HRCP 5.2017). Im Jahr 2017 gingen 868 neue Fälle vermisster
Personen ein, während im selben Jahr 555 Fälle abgeschlossen wurden (HRCP 4.2018).
Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von
Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur
Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der
Terrorabwehr. Im März 2017 wurde vom Parlament ein Verfassungszusatz beschlossen,
wonach geheime Militärgerichte zur Verhandlung gegen Terrorismusverdächtige für weitere
zwei Jahre zugelassen sind (HRW 18.1.2018).
Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten "police encounters" vor,
d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Aufständischen oder
Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des
mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die
Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der
Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Laut der NGO "Human Rights Commission of
Pakistan" kamen 2016 landesweit hunderte Personen bei "police encounters" ums Leben.
Demnach sprach die Polizei im Punjab von 340 Getöteten bei "encounters", die Polizei im
Sindh zählte 248 Tote. Für die anderen Provinzen und territorialen Einheiten lagen die
Zahlen bei 229 (Belutschistan), 315 (FATA - Federally Administered Tribal Areas), 40
(Khyber Pakhtunkhwa) und vier (Gilgit-Baltistan) Getöteten. In der Regel werden diese Fälle
nicht gerichtlich untersucht. Die Familien der Opfer, die meist den ärmeren
Bevölkerungsschichten angehören, wagen entweder nicht, die Version der Polizei in Frage
zu stellen, oder haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, gerichtlich gegen die Beamten
vorzugehen (AA 20.10.2017).
In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich
inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die
Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen
können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu
begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden.
Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb
in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu
begleichen (AA 20.10.2017).
Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption
innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann
eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel
hierfür sind die Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit
terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und
rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 20.10.2017).
Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz,
Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von
Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und
Polizeigewalt ab. Das Gesetz zur nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sah
Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der nationalen Kommission für Menschenrechte,
vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein
unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wieder eingerichtet (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):
Pakistan -
Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/
Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State
of the World's Human Rights - Pakistan,
http://www.ecoi.net/local_link/297390/444645_de.html , Zugriff 19.4.2018
- DPG - Daily Pakistan Global (7.5.2018): 3,269 missing persons cases disposed off,
confirms commission on enforced disappearances,
https://en.dailypakistan.com.pk/headline/3269-missing-persons-cases-disposed-offconfirms-
commission-on-enforced-disappearances/, Zugriff 8.5.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (3.2016): State of Human Rights in 2015,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2016/04/Highlights.pdf , Zugriff
22.3.2018
- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
2016.pdf, Zugriff 21.3.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-
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- HRW - Human Rights Watch (10.1.2017): Pakistan: Bloggers Feared Abducted -
Government Needs to Investigate, Protect Journalists and Activists,
http://www.ecoi.net/local_link/334582/476326_de.html , Zugriff 19.4.2018
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Pakistan,
https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/pakistan , Zugriff 15.3.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Meinungs- und Pressefreiheit
Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese kann jedoch
eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan
oder zum Schutz des Islam (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die zahlreichen
Medien können grundsätzlich weitgehend frei berichten (AA 20.10.2017). Private und
öffentliche Kritik an der Regierung ist erlaubt, die Presse berichtet über Verfolgungen von
Minderheiten (USDOS 20.4.2018).
Grundsätzlich besteht in Pakistan eine große Medienvielfalt und die Meinungsfreiheit ist
verhältnismäßig gut ausgeprägt (ÖB 10.2017). Die Medienlandschaft ist breit und
pluralistisch (AA 20.10.2017) und unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an
unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 20.4.2018). Pakistan verfügt über 160
Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016); 455 unabhängige englisch-,
urdu- und regionalsprachigen Zeitungen und Magazinen (USDOS 20.4.2018). In den letzten
eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa neunzig private Fernsehsender neu etabliert, es gibt
neue Online-Magazine und neue Radiostationen (AA 20.10.2017).
In den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen
Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem
Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 20.10.2017).
Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und
des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten (USDOS 20.4.2018).
Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen
entgegenstehen (USDOS 20.4.2018). Journalisten berichten in Einzelfällen, im Zuge von
investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern, über
Repressionen durch Regierungsstellen (AA 20.10.2017). Kritik am Militär kann zu politischen
oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen (USDOS
20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017). Kritik an der Institution des Militärs, an den
Sicherheitsdiensten oder am Blasphemiegesetz kann - wenn überhaupt - nur vorsichtig
geäußert werden (AA 20.10.2017), die geltenden Blasphemiegesetze schränken die Rechte
des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre
ein (USDOS 20.4.2018). Zuletzt war eine drohende Verschlechterung der Meinungsfreiheit -
auch über klassische Tabuthemen wie Belutschistan (separatistische Aufstände, extralegale
Tötungen, Verschwindenlassen) hinaus - zu beobachten (ÖB 10.2017).
Es gibt Fälle von Gewalt und Einschüchterungen, die sowohl von staatlichen Stellen wie
auch Extremistengruppen gezielt gegen Medienvertreter gerichtet sind (FH 1.2017).
Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Aktivisten in sozialen Medien
und Journalisten (USDOS 20.4.2018). Die Täter solcher Verbrechen bleiben straffrei (FH
1.2017; vgl. PIPS 1.2018 S 207). Seit Jänner 2002 wurden nur drei von über hundert
Mordfällen, die an Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit begangen wurden,
aufgeklärt (PIPS 1.2018 S 207). Pressevertreter klagen oft über ungenügenden staatlichen
Schutz vor Drohungen extremistischer Gruppen - dies sei de facto eine Einschränkung der
Pressefreiheit (AA 20.10.2017).
Für das Jahr 2017 gibt die International Federation of Journalists (IFJ) vier getötete
Personen [vgl. PIPS 1.2018 S 207: drei getötete Journalisten und ein Medienarbeiter] und für
das Jahr 2018 (Stand März) eine getötete Person aus dem Bereich Journalismus und
Medienarbeit in Pakistan an (IFJ o.D.). Im Jahr 2016 wurden laut Committee to Protect
Journalists (CPJ) zwei Journalisten (FH 1.2017), laut IFJ mindestens fünf Personen aus dem
Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ o. D.); nach Angaben der
Human Rights Commission of Pakistan wurden 2016 sechs Journalisten und ein Blogger
getötet (HRCP 5.2017; vgl. AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 gab es einen Anstieg von
Angriffen auf Medienverlage, Fernsehstationen, Zeitungsredaktionen und Presseclubs durch
aufständische, religiöse oder politische Gruppierungen (HRCP 5.2017).
Erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht vor
allem von nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppierungen aus. Diese setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, dazu ein, missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen (AA 20.10.2017). Bedrohte Journalisten haben meist über bewaffnete Konflikte, Politik, Korruption und Menschenrechte berichtet. Journalisten wurden nicht nur in abgelegenen Gebieten oder in Konfliktgebieten bedroht oder angegriffen, sondern auch in den Großstädten. Die Ausübung des Journalistenberufes ist in bestimmten Gebieten risikoreicher, insbesondere die [ehem.] FATA und Balutschistan bleiben problematisch. Die Hauptgründe für Sicherheitsrisiken für
Journalisten in den [ehem.] FATA ist der schwierige Zugang sowohl zum Gebiet, wie auch zu
Information. In Balutschistan kam zusätzlich zu den Problemen der Sicherheitslage auch die
Verteilung der Information dazu. Im Oktober 2017 unterbanden Aufständische mehrere
Wochen lang die Auslieferung von Zeitungen, um eine Berichterstattung über ihre Sicht zu
erzwingen. Im Zuge dessen wurden der Hub Press Club und ein Zeitungsstand mit Granaten
angegriffen und mehrere Zeitungslieferwägen in Brand gesteckt (PIPS 1.2018 S 208).
Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im Jahr 2017 im World Press Freedom Index
auf Platz 139 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2016 belegte das Land den 147. [und
2015 den 159. Rang; vgl. RSF 2015]. Zur Lage der Journalisten im Land stellt RSF fest: "Die
pakistanischen Medien gelten als die freiesten in ganz Asien, dennoch stehen Journalisten
im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der
Nachrichtendienste des Landes. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung
miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als ‚Sakrileg' zu
verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit
verbreitet." (RSF 2017)
Im Kontext des verschärften Kampfs gegen Terrorismus und Extremismus seit Anfang 2015
wurde der Freiraum der Medien eingeschränkt (AA 20.10.2017). Ein Beispiel dafür ist das im
August 2016 verabschiedete Gesetz "Prevention of Electronic Cybercrimes Act" (PECA), das
nach Einschätzungen seiner Kritiker zu einer teilweise erheblichen Einschränkung der
Meinungsfreiheit in den elektronischen Medien führen könnte (AA 20.10.2017; vgl. HRCP
5.2017). Das Gesetz erlaubt den Behörden, die Kommunikation der Bevölkerung zu
überwachen, darunter auch Journalisten, politische Aktivisten und Bürgerrechtsaktivisten
(HRCP 5.2017).
Seit Anfang des Jahres 2017 gibt es im politischen und parlamentarischen Raum eine
grundsätzliche Diskussion, wie mit angeblichen oder realen Verstößen gegen das
bestehende pakistanische Blasphemiegesetz in den sozialen Medien in Pakistan
umgegangen werden soll. Der Islamabad High Court forderte die Regierung im März 2017
auf, alle blasphemischen Inhalte in den sozialen Medien zu entfernen und zu untersuchen,
wer hinter deren Verbreitung steht. Anfang 2017 waren für mehrere Wochen in Pakistan fünf Blogger spurlos verschwunden, denen u.a. vorgeworfen wurde, gegen das
Blasphemiegesetz verstoßen zu haben. Im April 2017 meldete die Regierung, dass wegen
angeblicher Verstöße gegen das Blasphemiegesetz inzwischen 152 Facebook-Seiten
geblockt worden seien (AA 20.10.2017).
Da Pakistan weder über die Rechte noch die Mittel verfügt, Inhalte, die auf ausländischen
Internetplattformen veröffentlicht wurden, zu blockieren oder zu löschen, tendiert die
Regierung dazu, einfach ganze Webseiten zu schließen. Diese bleiben jedoch in der Regel
über Proxies oder VPN zugänglich (HRCP 4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016, Pakistan,
http://www.ecoi.net/local_link/327647/454713_en.html , Zugriff 20.4.2018
- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan,
https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan , Zugriff 19.4.2018
- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
2016.pdf, Zugriff 21.3.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-
2017.pd f , Zugriff 20.4.2018
- IFJ - The International Federation of Journalists (o.D.): Pakistan Journalists media staff
killed list 2016, http://ifj-safety.org/en , Zugriff 20.4.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad(10.2017):
Asylländerbericht - Pakistan 2017.
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- RSF - Reporters sans frontières (2015): 2015 World Press Freedom Index, https://rsf.org/
en/ranking/2015, Zugriff 20.4.2018
- RSF -Reporters sans frontières (2017): Pakistan: Religious extremists and intelligence
agencies, https://rsf.org/en/pakistan , Zugriff 20.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden
aber eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch
die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei
gegenüber Demonstranten (AA 20.10.2017). Versammlungen von mehr als vier Personen
können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung
vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer
Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 20.4.2018). Selten
werden willkürliche Versammlungsverbote nach Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches
angeordnet, wenn die Behörden eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung sehen. Bei
Protesten gegen die Regierung im Oktober 2016 in Islamabad und Rawalpindi wurden
hunderte Personen nach Abschnitt 144 verhaftet (FH 1.2017). Das Recht auf
Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt,
da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 20.10.2017).
Pakistan hat eine blühende und kompetitive Mehrparteienlandschaft.
Oppositionsparteien
sind generell frei in ihrer Arbeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der
Repräsentantenhäuser (FH 1.2017). Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in
Karatschi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von
jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten,
wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der
Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017).
Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir (AJK) verbietet Aktivitäten, die
nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Ähnliche
Regelungen sind in Gilgit Baltistan in Kraft. In AJK werden politische Aktivisten, die
verdächtigt werden, sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzen, sowie Oppositionelle
überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In AJK wird vor allem
im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten
von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte
berichtet (FH 4.12.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- FH - Freedom House (4.12.2016): Freedom in the World 2016, Pakistani Kashmir, https://
freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/pakistani-kashmir, Zugriff 19.4.2018
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 69 von 151
- FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017, Pakistan,
https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/pakistan , Zugriff 19.4.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Haftbedingungen
Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen.
Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen
Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um
weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei
triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt
notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass
Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt
von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne
gerichtliche Genehmigung (USDOS 20.4.2018).
Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC
und HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche
Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode
verurteilte Strafgefangene. Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere
für die Gefängnisse in Punjab (AA 20.10.2017), wobei Stand 2016 in der Provinz sieben
neue Distriktgefängnisse und ein Hochsicherheitsgefängnis in Bau waren (HRCP 5.2017)
und für 2017 der Bau weiterer drei Gefängnisse angekündigt wurde (HRCP 4.2018).
HRCP berichtet, dass mit Stand Jahresende 2017 landesweit ca. 82.000 Personen in Haft
waren, während die Kapazität der Haftanstalten landesweit auf ca. 56.000 ausgelegt ist. Die
Überbelegung war in Punjab am gravierendsten. 2017 lag die Kapazität der 40 Haftanstalten
in Punjab bei ca. 32.000 bei einer Belegung von ca. 50.000 Personen (HRCP 4.2018). Mit
Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch
konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und
zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen,
doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen (AA
30.5.2016). Ungefähr 70 % [vgl. HRCP 5.2017: fast zwei Drittel; vgl. HRCP 4.2018: ca.
53.000 von 82.000] der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der
allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft
nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 20.10.2017).
Die Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten sind großteils schlecht. Obwohl sich die
qualitative und quantitative Ernährungssituation verbessert hat, führt unzureichende
medizinische Versorgung und unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen zu
chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage
sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen
sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten
Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische
Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische
Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).
Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von
2017 auf Grundlage von Medienbeobachtung, dass es in diesem Jahr in pakistanischen
Gefängnissen zu 47 Fällen von Gewalt oder Folter kam, bei denen 32 Männer gestorben
sind (HRCP 4.2018).
Es gibt besondere Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und
Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 20.10.2017). Die Zahl der weiblichen
Strafgefangenen belief sich laut "Human Rights Commission of Pakistan" Stand 30.11.2017
auf 1442 (2016: 1.497) bei 81.509 (2016: 82.818) männlichen Strafgefangenen (HRCP
4.2018; Werte für 2016: HRCP 5.2017). Weibliche Gefangene sind Belästigungen,
unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung
unterworfen (AA 20.10.2017). Die Zahl sexueller Übergriffe an weiblichen Häftlingen ist 2016
zurückgegangen. Während jedes Gefängnis einen Dienstposten für eine weibliche Ärztin
oder Pflegerin vorsieht, war dieser in einem Großteil der Gefängnisse vakant. Die meisten
Gefängnisse haben separierte Frauensektionen, in manchen Fällen sind diese jedoch in
unmittelbarer Nähe der Sektionen für Männer (HRCP 5.2017); beispielsweise im Haripur
Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine
Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen - etwa bei
Gefängnisunruhen - dar (Dawn 27.2.2016). Laut eines Berichtes des Innenministeriums von
Oktober 2016 waren von 939 Frauen, die zum Untersuchungszeitpunkt in der Provinz Punjab
inhaftiert waren, 110 gemeinsam mit ihren Kindern inhaftiert (HRCP 5.2017), für die Provinz
Sindh wurden im Jahr 2017 40 Babys angegeben, die gemeinsam mit ihren Müttern in Haft
waren (HRCP 4.2018).
Jugendgefängnisse existieren nicht. Der Jugendstrafvollzug erfüllt nicht die sowohl nach
pakistanischem Recht (Juvenile Justice System Ordinance 2000, JJSO) als auch durch die
VN-Konvention über die Rechte des Kindes vorgegebenen Mindestanforderungen. Der letzte
festgestellte Anteil jugendlicher Strafgefangener zum Stichtag 1.12.2012 betrug 1,7 %.
Bürokratische Hindernisse, Korruption auf verschiedenen Ebenen und die Ineffizienz des
überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene
eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr
Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung
z. T. zu langen Verzögerungen (AA 20.10.2017). Jugendliche Straftäter sind oft in den
gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen.
Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt,
Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 20.4.2018).
Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in
jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten unregelmäßig.
Behörden verweigern internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den
Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, [ehem.] FATA und Belutschistan. Die Provinzregierungen
von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen
Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Vertreter der Organisationen
berichten, dass die Kontrollbesuche jedes Jahr weiter erschwert werden. Behörden auf
lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und
Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu
beobachten (USDOS 20.4.2018).
Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen
Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet.
Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei,
Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen
eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der
Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn
27.2.2016).
Als Verbesserungen gibt USDOS an, dass 2017 die Infrastruktur und die Regeln in
bestehenden Haftanstalten verbessert wurde und neue Gefängnisse errichtet wurden.
Dadurch können Untersuchungshäftlinge vermehrt von verurteilten Straftätern getrennt
untergebracht werden (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- Dawn (27.2.2016): Women prisoners in Haripur vulnerable to assault,
http://www.dawn.com/news/1242243 , Zugriff 20.4.2018
- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
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- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in
2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-
Rights-in-2017.pd f , Zugriff 20.4.2018
- UKHO - Country Information and Guidance (9.6.2016): Pakistan:
Prison conditions,
https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/566233/
PAK_Prison_conditions.pdf, Zugriff 20.4.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Todesstrafe
Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion des Terrorangriffs auf die vom Militär
geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine
Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht
stehenden Zivilisten den Prozess zu machen. Die Maßnahme wäre im Jänner 2017
ausgelaufen, wurde aber durch die Regierung bis Jänner 2019 verlängert (USDOS
20.4.2018). Das 2008 eingeführte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe wurde
am 17.12.2014 aufgehoben (AA 20.10.2017), zunächst für terroristische Straftaten, später
auch für andere Kapitalverbrechen ohne terroristischen Bezug (ÖB 10.2017).
Bei Verwirklichung von 27 [vgl. ÖB 10.2017: 31] verschiedenen Straftatbeständen kann die
Todesstrafe verhängt werden. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit
über den nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten
Rahmen hinaus, den Pakistan ebenfalls ratifiziert hat. Es besteht die Gefahr, dass Personen
wegen eines Tatbestandes, der gemäß dieses Paktes von der Verhängung der Todesstrafe
ausgenommen ist, dennoch zum Tode verurteilt und auch hingerichtet werden (AA
20.10.2017).
Die Todesstrafe kann u.A. bei folgenden Delikten verhängt werden:
Mord; Raub mit
Todesfolge; gerichtliche Falschaussage mit dem Ziel, dass eine unschuldige Person zum
Tode verurteilt wird; Terrorismus mit Todesfolge; Vergewaltigung und
Gruppenvergewaltigung; Haraabah [Straßenraub]; Eisenbahnsabotage; Störung der
religiösen Harmonie; Entkleiden einer Frau; Entführung von Minderjährigen oder Entführung
mit dem Ziel sexueller Ausbeutung oder Lösegeldforderungen; Import, Export, Schmuggel,
Produktion von Drogen; sexueller Kontakt außerhalb einer Ehe;
Hochverrat; kriegerische
Handlungen gegen Pakistan; Meuterei oder Befehlsverweigerung;
unbefugte Weitergabe
oder Nutzung militärischer Passwörter; Waffenhandel; Blasphemie (HRCP o.D.).
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 73 von 151
Als besondere Problematik sind die als rechtliche Handhabe zur Unterdrückung religiöser
Minderheiten dienenden Blasphemiegesetze anzuführen, die Herabwürdigungen des
Propheten mit der Todesstrafe bedrohen. Diese wurde bisher allerdings in diesem
Zusammenhang noch nie vollzogen [siehe auch Abschnitt 16. Religionsfreiheit] (ÖB
10.2017).
Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe
verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der
Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse
immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In
vielen Fällen beruhen die Todesurteile auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in
mehreren Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum
Tatzeitpunkt minderjährig war (AA 20.10.2017). Seit der Aufhebung des Moratoriums seit
Dezember 2014 wurden bis Dezember 2016 mindestens sechs Jugendliche hingerichtet
(Dawn 22.12.2016).
Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis
zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines
Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016). Der Präsident hat die
Ermächtigung unter Artikel 45 der Verfassung, zum Tode Verurteilte zu begnadigen (Dawn
12.4.2018). Gnadengesuche werden Berichten zufolge generell ohne Einzelfallprüfung
abgelehnt (ÖB 10.2017; vgl. Dawn 12.4.2018). Von Dezember 2014 bis Apil 2018 wurden im
Zusammenhang mit Todesurteilen 513 Gesuche zum Zwecke einer Begnadigung von
Gefangenen abgelehnt, davon wurden 444 innerhalb der ersten 15 Monate seit der
Wiedereinführung der Todesstrafe gestellt (Dawn 12.4.2018).
Seit der Aufhebung des Moratoriums wurden in Pakistan, bis Jahresende 2017, 489
Personen hingerichtet (HRCP 4.2018; vgl ÖB 10.2017: 432 mit Stand Oktober); 94% davon
wegen nicht-terroristischer Verbrechen (ÖB 10.2017). Amnesty International zählte 2017
mindestens 60 (AI 12.4.2018), HRCP mindestens 64 Hinrichtungen, von denen 43 nach
Verurteilungen durch Militärgerichte vollstreckt wurden (HRCP 4.2018). Für das Jahr 2016
gab AI mindestens 87 (AI 11.4.2017) und für 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen an (AI
6.4.2016).
Die Gesamtzahl der Insassen im Todestrakt pakistanischer Gefängnisse beträgt ca. 8.200 -
eine der größten Zahlen an Menschen "on death row" weltweit (HRCP 4.2018; vgl. auch AI
23.2.2016). 2017 wurden 253 Personen zum Tode verurteilt, davon wurden 177 Urteile von
normalen Strafgerichten verhängt (HRCP 4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (30.5.2016): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AI - Amnesty International (6.4.2016): Death Sentences and Executions 2015,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1466066825_act5034872016english.pdf , Zugriff
23.4.2018
- AI - Amnesty International (11.4.2017): Death Sentences and Executions 2016,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1397709/1226_1491901514_act5057402017english.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
- AI - Amnesty International (12.4.2018): Report on death sentences and executions in the
year 2017 worldwide,
https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5079552018ENGLISH.PDF , Zugriff
23.4.2018
- Dawn (12.4.2018): President rejected 513 mercy petitions in five years,
https://www.dawn.com/news/1401046 , Zugriff 23.4.2018
- Dawn (22.12.2015): Reviewing the death penalty,
http://www.dawn.com/news/1303817/reviewing-the-death-penalty , Zugriff 23.4.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-
2017.pd f , Zugriff 20.4.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (o.D.): Death penalty offences,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/death-penalty-offences/ , Zugriff 23.4.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad (10.2017):
Asylländerbericht - Pakistan 2017
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Religionsfreiheit
Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch
[vgl. CIA 14.3.2018: 96,4 %; USDOS 15.8.2017: 95 %], 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus,
0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer
anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca.
85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 14.3.2018) und USDOS geht anhand der
Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als
Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind
Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und kleinere Gruppen wie
Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen
Minderheiten auf 6-10 Millionen Anhänger (USDOS 15.8.2017).
Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform
sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht
(Pakistan Constitution 1973, 2016; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Verfassung verbietet
Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 15.8.2017). Die Praktiken der Regierung
und einige Gesetze schränken für religiöse Minderheiten die Religionsfreiheit ein (USDOS
20.4.2018). Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung bei der Sicherung
der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent war und dass die
Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser
Minderheiten zum Islam unzureichend seien. Vertreter religiöser Minderheiten erklären, dass das neue Gesetz der Provinzversammlung von Sindh gegen Zwangskonvertierungen, das im November 2016 beschlossen wurde, Zwangskonvertierungen unterbindet und Minderjährige, die religiösen Minderheiten angehören, besser schützen könne. (USDOS 15.8.2017).
Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus - sowie der Ahmadis,
die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden, ist weiterhin schwierig.
Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten
Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen
gemäßigte Sunniten aus (AA 10 .2017a). Religiöse Minderheiten sowie sunnitische Muslime
und Sufis, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben
Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der
pakistanischen Taliban und der Lashkar-e-Jhangvi. 2016 waren die Minderheiten von
zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern betroffen (USCIRF 4.2017). Gezielte Tötungen von
Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B.
einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte
und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).
Im Jahr 2017 wurden in Pakistan 16 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet,
was im Vergleich zum Jahr 2016 (35 Fälle) ein Rückgang um mehr als die Hälfte ist. 231
Personen kamen bei diesen Angriffen im Jahr 2017 ums Leben, dies ist ein Anstieg im
Vergleich zum Jahr 2016 (137 Tote) um fast 70 %. (SATP 18.2.2018). Laut PIPS wurden im
Jahr 2017 bei sechs Terroranschlägen insgesamt 13 Angehörige von religiösen Minderheiten
getötet und 57 verletzt (PIPS 1.2018 S 68), im Jahr 2016 wurden bei fünf Terroranschlägen
insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet und 236 verletzt (PIPS 1.2017).
[Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich in beiden Quellen auf nicht-muslimische
Minderheiten und Ahmadis.]
Besonderes Angriffsziel radikal-sunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die
schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan. Die christliche Gemeinschaft ist von
sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen und immer wieder Opfer von
Anschlägen (AA 10 .2017a). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze,
Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei
unterbunden werden können (USDOS 15.8.2017). NGOs kritisieren die Behörden, dass die
Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw.
erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der
Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor
Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 20.4.2018).
Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen
Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der
Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den 1980er-Jahren strenger ausgelegt wird, sieht
u. a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragrafen
spezifisch gegen die Ahmadis (AA 10 .2017a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das
Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und anderer
widersprüchlicher, diskriminierender Gesetze (USDOS 15.8.2017). Auch die Gerichte
versagen oft beim Schutz der Minderheitenrechte. Die Blasphemiegesetze werden
diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser
Minderheiten angewendet (USDOS 20.4.2018). Rechtsbeobachter meinen allerdings auch,
dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Personen vor
unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch halten die unteren
Gerichte grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen nicht ein (USDOS
15.8.2017).
Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder
Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem
von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung
nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser
Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Obwohl mehrere Gruppen Empfehlungen zur
Abschaffung diskriminierender Inhalte abgaben, zeigt die Bundesregierung keine Initiative,
diese zu unterstützen. Es gab Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder Extremismus
lehren (USDOS 15.8.2017). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe
eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen,
die sie schützen sowie Interessenvertretungen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der
Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der nationale Aktionsplan gegen
Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden
strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern
eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 15.8.2017).
Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag
auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt Peschawar gefällt. Dieses Urteil
forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern
ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen,
um die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und dass
ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende
Gewalt gegen Hindus im Sindh fördert die Provinzregierung die Sicherheit an religiösen
Orten der Minderheiten. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion
fehlt (MRGI 2.7.2015).
Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte
religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen
auszubilden. Es gibt keine offiziellen Einschränkungen zur Errichtung von Glaubensstätten
der Ahmadis, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen
und Ahmadis dürfen ihre Gebetsstätten nicht als "Moschee" bezeichnen. Die
Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine
Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 15.8.2017).
Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung und bei der Aufnahme an Hochschulen. Im staatlichen Bereich gilt auf nationaler Ebene eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt (USDOS 15.8.2017). Vertreter religiöser Minderheiten berichten von einer "Gläsernen Decke", die verhindert, dass Nicht-Muslime in höhere Positionen im öffentlichen Dienst befördert würden. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, jedoch würden Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in Dienstgrade höher als Colonel [Oberst] aufsteigen (USDOS 15.8.2017). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden
Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).
Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interkonfessionelle Harmonie organisiert
die Teilnahme an der Hajj und anderen islamischen Pilgerfahrten. Das Budget des
Ministeriums deckt auch finanzielle Hilfen für autochthone Minderheiten ab; darunter die
Renovierung von Glaubensstätten, kleine Entwicklungsprojekte, Stipendien und die
Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 15.8.2017). Im Rahmen der Umsetzung der 18.
Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der
Minderheiten eingerichtet (AA 20.10.2017).
Im Februar 2016 wurde von der Regierung ein Menschenrechts-Aktionsplan mit 16 Punkten
mit Rahmenbedingungen für verbesserten Schutz u.A. von Minderheiten angekündigt,
jedoch gab es im Frühjahr noch keine konkreten Hinweise auf eine Umsetzung. Im Februar
2017 wurde vom Parlament ein Zusatz zum Strafrecht beschlossen, der die Verbreitung von
religiösem, sektiererischen oder ethnischen Hass mittels technischer Hilfsmittel strafbar
macht. Jedoch befürchten religiöse Minderheitengemeinschaften, dass dieses Gesetz auch
angewendet werden könnte, die Religionsausübung einzuschränken und die Zahl der
Verhaftungen und falschen Anschuldigungen wegen Blasphemie zu erhöhen (USCIRF
4.2017).
Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten
reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für
jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den
Provinzversammlungen; drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und
drei in Belutschistan. Die gewählten Parteien und nicht die Minderheitenversammlungen
bestimmen die Minderheitenvertreter (USDOS 15.8.2017). In den lokalen Regierungen ist ein
Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in
Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):
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Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/
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- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
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Pakistan (1973) As Amended by The Constitution Twenty Second Amendment Act, 2016
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Report - Pakistan, 2016 Report on International Religious Freedom - Pakistan, Zugriff
13.3.2018
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten
Anmerkung: Zur regionalen Aufteilung der Anschläge gegen muslimische Sekten vgl.
Abschnitt 3 "Sicherheitslage" samt Unterabschnitten.
In Pakistan finden sich viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen
Intensität. Die beiden Hauptsekten Schiiten und Sunniten teilen sich in Pakistan auch in
mehrere Subsekten. Die Sunniten unterteilen sich in hauptsächlich drei Gruppen. Von diesen
formen die Barelvi [auch Ahle Sunnat wal Jama'at] die überwiegende Mehrheit mit ungefähr
60 % der sunnitischen Bevölkerung, nach einer Schätzung des Australian Department of
Foreign Affairs and Trade. Deobandi werden auf ungefähr 35 % der Sunniten geschätzt und
machen damit die zweitgrößte sunnitische Subsekte aus. Eine kleine Anzahl ungefähr 5 %
der Sunniten folgt der Ahl-e Hadith (Salafi) Schule des Islam. Religiöse Intoleranz und
Gewalt findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen
Konfession, z. B. zwischen der Barelvi-Sekte, die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist,
aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die
islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014). Der Sufismus - eine mystische Strömung im Islam -
ist auch heftiger Kritik vonseiten der sunnitischen Orthodoxie und radikaler Kräfte
ausgesetzt, die den Sufi-Bruderschaften Häresie und Verstöße gegen die religiösen Regeln
vorwerfen (ZDF 26.11.2017).
Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, Nizari Ismaeliten sind
die zweitgrößte Gruppe, weitere Gruppen sind Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Laut
Australian Department of Foreign Affairs and Trade sind Schiiten im ganzen Land verteilt,
machen aber in keiner Provinz die Mehrheit aus. Die Semi-Autonome Region Gilgit-Baltistan
ist eine der wenigen Gebiete, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Quer durchs
Land leben schiitische und sunnitische Gemeinden im Alltag im Allgemeinen gut integriert
nebeneinander. Eine bedeutende Anzahl an Schiiten lebt in Peshawar, Kohat, Hangu und
Dera Ismail Khan in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa; in den Agencies Kurram und Orakzai
in den [ehem.] FATA; in und um Quetta und entlang der Makran-Küste in Belutschistan, in
den südlichen und zentralen Gebiete des Punjab sowie verteilt im Sindh. Viele urbane
Zentren in Pakistan, wie Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peshawar, Multan,
Jhang und Sargodha, beheimaten große Shia Gemeinden, wobei Schiiten oft in Enklaven in
den Großstädten leben. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder
physisch noch linguistisch von den Sunniten. Schiiten finden sich unter den meisten
ethnischen, linguistischen und Stammesgruppen Pakistans, allerdings sind Hazara
überwiegend Schiiten und es gibt auch einige Clans oder Stämme, die eine schiitische
Identität haben, wie Turis, Bohris, Baltis und einige Clans des paschtunischen Stammes
Bangash. Die nationalen Identitätskarten zeigen nicht die Sekte der Person an. Schiiten sind
in der Regierung, dem Staatsdienst, den Sicherheitskräften - auch in höheren Positionen -
und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes, dem Council of Islamic Ideology
und den Scharia-Gerichten vertreten (UKHO 2.2015).
Einige Großstädte verbieten jedes Jahr im islamischen Monat Muharram Klerikern, die dafür
bekannt sind, sektiererische Gewalt zu propagieren, das Betreten der Stadt (HRCP 4.2018,
vgl. USDOS 15.8.2017). Beispielsweise wurden im Jahr 2017 22 Klerikern der Zugang zum
Distrikt Abbottabad untersagt (HRCP 4.2018) und 2016 wurden 16 Kleriker an der Einreise
ins Hauptstadtterritorium Islamabad gehindert) (HRCP 5.2017, vgl. USDOS 15.8.2017) und
hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Ashuras zum
Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt (USDOS 15.8.2017).
Human Rights Watch berichtet für das Jahr 2017, dass militante Gruppen Angriffe auf
Schiiten und Sufis durchführten. Im Februar [2017] kam es zu einem Selbstmordanschlag
auf einen Schrein in Sehwan, Sind, durch den Islamischen Staat, bei dem 88 Menschen ums
Leben kamen und hunderte verletzt wurden (HRW 2017). Laut Berichten der schiitischen
politischen Organisation Majlis Wahdat-e-Muslimeen Pakistan (MWM) haben die
pakistanischen Taliban und andere terroristische Vereinigungen in der vergangenen Dekade
geschätzt 25.000 schiitische Muslime getötet (USCIRF 4.2017).
Laut PIPS wurde im Jahr 2017 zum vierten Mal in Folge ein Abwärtstrend bei religiössektiererisch
motivierter Gewalt in Pakistan verzeichnet. Die Anzahl jener Menschen, welche
im Jahr 2017 bei konfessionsbedingten [Anm.: zwischen den verschiedenen muslimischen
Konfessionen] Terroranschlägen ums Leben gekommen sind, sank um rund 29 %, d.h. von
104 Toten im Jahr 2016 auf 74 Tote im Jahr 2017. 106 Personen wurden 2017 bei
Anschlägen verletzt, (-37 % verglichen mit 2016). Die Anzahl der Angriffe mit einem
Zusammenhang zu religiös-sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2017 nach PIPS im
Vergleich zu 2016 um 41 % von 34 auf 20. Im Jahr 2017 galten 16 Angriffe Mitgliedern der
schiitischen Glaubensgemeinschaft und vier Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt.
Schiitische Hazara waren bei drei Vorfällen in Belutschistan Opfer von gezielten Angriffen; im
Juli 2017 wurden fünf Hazara im Distrikt Mastung ermordet, im September vier Hazara in
Kuchlak und im Oktober drei Hazara in Quetta (PIPS 1.2018).
Quellen:
- BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014):
Pakistan - Challenges & Perspectives.
- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
2016.pdf, Zugriff 21.3.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-
2017.pd f , Zugriff 20.4.2018
- HRW - Human Rights Watch (2017): World Report 2018 - Pakistan, https://www.hrw.org/
world-report/2018/country-chapters/pakistan, Zugriff 15.3.2018
- PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict
Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.
- UKHO - UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance, Pakistan: Shia
Muslims, http://www.refworld.org/docid/54e46a934.html , Zugriff 15.3.2018
- USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (4.2017): 2017
Annual Report,
http://www.uscirf.gov/sites/default/files/2017.USCIRFAnnualReport.pdf ,
Zugriff 14.3.2018
- USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom
Report - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/1408507.html , Zugriff 13.3.2018
- ZDF (26.11.2017): Wer sind die Sufis?, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/aegyptenbombardiert-
sinai-nach-anschlag-auf-moschee-102.html, Zugriff 15.3.2018
Blasphemiegesetze
Es bestehen scharfe Gesetze gegen Blasphemie (§§ 295 a-c des pakistanischen
Strafgesetzbuches). Seit 1990 verbietet § 295a das absichtliche Verletzen religiöser Objekte
oder Gebetshäuser, § 295b die Entweihung des Koran, und § 295c die Beleidigung des
Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht auch bei unbeabsichtigter Erfüllung
des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird
auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt;
Berufungsgerichte heben solche Urteile aber oft wieder auf. So wurde bislang kein
Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt (AA 20.10.2017).
Gerichte wenden die Blasphemiegesetze gegen Mitglieder der Schiiten, Christen, Ahmadis
und anderer religiöser Minderheiten an. Gerichte der ersten Instanz verlangten oft keine
angemessenen Beweise in Blasphemiefällen (USDOS 15.8.2017). Falschaussagen kommen
wegen der vagen Formulierung der Blasphemiegesetze und der minimalen
Beweisanforderungen - nur die Aussage eines Zeugen ist notwendig - regelmäßig vor (MBZ
NL 4.2017). Einige beschuldigte Personen verbrachten Jahre im Gefängnis, bevor Gerichte
höherer Instanzen die Urteile aufhoben und die Freilassung anordneten. Berichten zufolge
verweigern die Behörden in Blasphemiefällen manchmal eine Entlassung auf Kaution
aufgrund des Risikos, die Angeklagten könnten fliehen oder Opfer von öffentlicher Gewalt
werden. NGOs berichten, dass viele Personen, die wegen Vergehens gegen das
Blasphemiegesetz in Haft sind, längere Zeiträume in Einzelhaft verbringen. Die Regierung
erklärt, dass dies zum Schutz dieser Häftlinge ist (USDOS 15.8.2017).
In mehr als 80 % der gemeldeten Fälle zu Blasphemie werden die Angeklagten bei Berufung
freigesprochen. Dennoch können Anschuldigungen der Blasphemie Mob-Gewalt auslösen,
insbesondere wenn es sich bei dem Beschuldigten um einen Angehörigen einer religiösen
Minderheit handelt (UKHO 1.2017).
Laut USDOS wurden 2016 18 Fälle von Blasphemie aufgenommen, im Jahr 2015 waren es
drei neue Fälle (USDOS 15.8.2017). Im Jahr 2016 wurden laut der NGO "Human Rights
Commission of Pakistan" 15 Personen wegen Blasphemie festgenommen:
Zehn Muslime
und fünf Angehörige anderer Konfessionen. Je zwei Muslime und Christen wurden demnach
2016 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Während in der Mehrheit der Fälle Muslime
betroffen sind, sind religiöse Minderheiten im Verhältnis zu ihrem Anteil an der
Gesamtbevölkerung deutlich überproportional betroffen. Unter den Fällen gegen Muslime
nimmt der Anteil der schiitischen Minderheit (15-20 % der Bevölkerung) zu (AA 20.10.2017).
Mindestens 19 Personen befanden sich 2017 aufgrund von Blasphemie-Verurteilungen im
Todestrakt (HRW 18.1.2018).
Diese Fälle zeigen auch, dass die Strafgesetzänderung Ende des Jahres 2004, nach der
Ermittlungen nur noch durch höhere Polizeibeamte geführt werden dürfen, nicht die erhoffte
Verbesserung der Lage gebracht hat. Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt
wurde, wird vielfach auch nach Freispruch durch ein Berufungsgericht zum Opfer von
Verfolgung durch extremistische Organisationen. Insbesondere bei Angehörigen religiöser
Minderheiten geraten Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von
Extremisten und erhalten z.B. anonyme Drohungen. Die Blasphemiegesetzgebung findet
beim überwiegenden Teil der pakistanischen Gesellschaft Unterstützung und hat eine
problematische Wirkung auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung. Weiterhin sind
Blasphemie-Vorwürfe auch Anlass oder Vorwand für gezielte Tötungen oder Mob-Gewalt
gegen Personen, die der Blasphemie oder der Verteidigung von Personen unter Blasphemie-
Vorwurf bezichtigt werden. Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform der
Blasphemie-Gesetze einsetzen, werden von extremistischen und dschihadistischen
Gruppierungen bedroht (AA 20.10.2017). Zwei hochrangige Politiker, der ehemalige
Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, und der damalige Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, wurden 2011 aufgrund ihres öffentlichen Eintretens für eine grundlegende Reform des Gesetzes ermordet. Danach blieben ernsthafte Bemühungen um eine Reform der Blasphemiegesetzgebung aus (AA 10 .2017a).
Es gibt Hilfsorganisationen für Blasphemie-Verdächtige. Die "National Commission for
Justice and Peace" (NCJP) arbeitet als Rechtshilfeorganisation und bietet in acht regionalen
Büros Hilfe an. Nach einer Freilassung benötigen die Betroffenen aus Sicherheitsgründen
auch Umsiedlung und Rehabilitation. Die NCJP organisiert und hilft bei der Umsiedlung, dies
verursacht hohe Kosten. Es gibt keine staatlichen Einschränkungen bei der Umsiedlung. Bei
unbekannten Fällen ist eine Umsiedlung in Pakistan möglich, bei bekannten allerdings nicht.
Für diese Fälle steht man auch mit dem Ausland in Kontakt, um für die Betroffenen eine
Aufnahme in ein anderes Land organisieren zu können. Es gibt keine systematischen
staatlichen Maßnahmen zum Schutz, keine Schutzgesetzgebung oder Policies für solche
Fälle. In einigen Fällen gab es Kompensationen, jedoch in den meisten nicht. Auch die
Rechtsanwaltskammer hat ein Komitee, das Rechtshilfe anbietet, diese Tradition wird
allerdings schwächer (BFA 10.2014; vgl. BAA 6 .2013). Medien berichten, dass die Regierung
kleine Schritte in Richtung Schutz vor unbegründeten Blasphemieanklagen unternimmt
(USDOS 15.8.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt
de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff
8.3.2018
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (10.2014):
Pakistan - Challenges & Perspectives.
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Pakistan,
https://www.ecoi.net/en/document/1422569.html , Zugriff 22.3.2018
- MBZ NL - Ministerie van Buitenlandse Zaken / Außenministerium der Niederlande
(4.2017): Thematisch ambtsbericht over de positie van ahmadi's en christenen in
Pakistan 2014-2016,
https://www.rijksoverheid.nl/binaries/rijksoverheid/documenten/ambtsberichten/
2017/04/24/thematisch-ambtsbericht-over-de-positie-van-ahmadis-en-christenen-inpakistan-
2014-2016/
definitief+thematisch+ambtsberichten+religieuze+minderheden+Pakistan.pdf, Zugriff
14.5.2018
- UKHO - UK Home Office (1.2017): Country Policy and Information Note Pakistan: Land
disputes,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1485439926_pakistan-land-disputesjanuary-
2017.pdf, Zugriff 22.3.2018
- USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom
Report - Pakistan,
http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm ?
year=2016&dlid=268940, Zugriff 13.3.2017
Konversion
Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu wählen. Artikel 20 der
Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt
die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht ein. Im Gegensatz zu anderen islamischen
Ländern, in denen Apostasie mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine
entsprechende strafrechtliche Bestimmung. Apostasie ist aber von der Gesellschaft in keiner
Weise akzeptiert. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht
öffentlich. Eine eventuelle Gefahr für Leib und Leben entsteht nur dann, wenn sich die
betroffene Person besonders exponiert (AA 20.10.2017).
Die pakistanische Gesellschaft ist Konvertiten gegenüber im Allgemeinen sehr ablehnend
eingestellt. Konvertiten werden von ihren Familien und von der Gesellschaft oft als eine
Quelle der Schande empfunden und viele halten es für ihre Pflicht, solche Personen zu
töten, um die Ehre wieder herzustellen (IRB 14.1.2013; vgl. auch:
UKHO 5.2016).
Die Situation ist um einiges schwieriger für eine Person, von der bekannt ist, dass sie vom
Islam zum Christentum konvertiert ist, als für eine Person, die als Christ geboren wurde. Es
kommt allerdings in Pakistan sehr selten vor, dass jemand offenkundig zum Christentum
konvertiert. Es wäre schwer für Personen, von denen bekannt ist, dass sie christliche
Konvertiten sind, offen und frei in Pakistan zu leben. Bekannte Konvertiten sind von Gewalt,
Einschüchterung und ernsthafter Diskriminierung durch nicht-staatlichen Akteuren betroffen, was im Einzelfall auch zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen kann (UKHO 5.2016).
Konvertieren muslimische Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim
angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu
übernehmen (USDOS 15.8.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (14.1.2013):
Pakistan: Religious
conversion, including treatment of converts and forced conversions (2009-2012)
[PAK104258.E], http://www.ecoi.net/local_link/237372/360275_de.html , Zugriff 22.3.2018
- UKHO - UK Home Office (5.2016): Country Information and Guidance - Pakistan:
Christians and Christian converts,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1046625/1930_1462886624_pak-christians-andchristian-
converts-v2.pdf, Zugriff 20.3.2018
- USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 International Religious Freedom
Report - Pakistan,
http://www.state.gov/j/drl/rls/irf/religiousfreedom/index.htm ?
year=2016&dlid=268940, Zugriff 13.3.2017
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte
internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese
Rechte. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der [ehem.] FATA,
Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Die
Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor
Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies
selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen.
Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert
sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein
Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten
(USDOS 20.4.2018).
Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde in den Jahren 2016 und 2017 häufig aufgrund einer
Reihe von Faktoren wie militärische Operationen und Naturkatastrophen eingeschränkt.
Auch blieben Reisebewegungen von Frauen, Transgenderpersonen und bestimmten
religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. Der Zugang zu Gebieten in den
[ehem.] FATA, wo die Armee Operationen gegen Aufständische durchführte, war
eingeschränkt (HRCP 4.2018; vgl. HRCP 5.2017).
In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, Peshawar oder
Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem
Land. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer
Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 20.10.2017).
In Anbetracht der tief in der Gesellschaft verwurzelten Aversion gegen die religiöse
Minderheit der Ahmadis sei es unmöglich, dass diese einer Verfolgung durch einen
Wohnortwechsel innerhalb Pakistans entkommen würden (ÖB 10.2017). Ahmadis bietet ein
Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor
Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie dort für ihre Gegner
sichtbar sind. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen,
falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind.
Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen
als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 20.10.2017).
Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von
den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen
ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz
Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan
auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazara (ca. drei
Millionen), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazara nicht
verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht
grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich
beschränkt (AA 20.10.2017).
Auszuschließen ist eine innerstaatliche Fluchtalternative für Personen, die von nichtstaatlichen Akteuren (vor allem terroristischen Gruppierungen) verfolgt werden und bei einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Blasphemiegesetze. Letzteres kann analog auch auf andere ähnliche Sachverhalte und Verfolgungsgründe wie z.B. sexuelle Orientierung
angewandt werden (ÖB 10.2017). Männer können bei privaten Disputen oder der
Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch
Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans
ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden
Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer
Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden"
werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).
Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen innerstaatliche Fluchtalternativen in
humanitären Notfällen und im Falle von Kampfhandlungen (neben den vergleichsweise
sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, Khyber
Pakhtunkhwa, und New Durrani, ehem. FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in
Bezug auf IDPs Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisationen zufolge als
besorgniserregend dar (ÖB 10.2017).
Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der
wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 20.10.2017). Grundsätzlich ist eine
Einzelfallprüfung für die Feststellung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative
notwendig (ÖB 10.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
2016.pdf, Zugriff 21.3.2018
- HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (4.2018): State of Human Rights in 2017,
http://hrcp-web.org/publication/wp-content/uploads/2018/04/State-of-Human-Rights-in-
2017.pd f , Zugriff 20.4.2018
- ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft (10.2017):
Asylländerbericht - Pakistan 2017
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Reports on Human Rights
Practices for 2017 - Pakistan,
https://www.state.gov/documents/organization/277535.pdf ,
Zugriff 23.4.2018
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste
Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, das Durchschnittsalter
der Pakistani wird mit 23,8 Jahren angenommen und der Abhängigenquotient [Bevölkerung
bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 14.3.2018).
Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch
seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien
sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige
Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses
Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und
wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und
schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse
gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung
(AA 10 .2017c).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP
59 %; der Sektor umfasst u. a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der
Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche
Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %).
Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor
vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der
arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt
oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen
Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten
Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche
Bewässerungsgebiet weltweit (AA 10 .2017c).
Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder
Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption. Die Sicherheitslage hat
sich über die vergangenen Jahre verbessert und auch bei der Bekämpfung der Energiekrise
kann die Regierung Erfolge vorweisen (AA 10 .2017c).
Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen
Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in
den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen,
insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und
Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein
interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 10 .2017c).
Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund 5 bis 7 % des jährlichen BIP
geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von
staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen
Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor,
Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In
Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus
resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa USD 8 Milliarden (Dawn
11.11.2016). Der Leiter der nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability
Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich USD 133 Millionen aufgrund von
Korruption verliert (Dawn 1.4.2016).
Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor
zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis
Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014)
belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich
schlecht ab. Zwar wurden die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich
gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu
gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das
Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder
erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den
Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Viele junge Menschen
haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die
zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen
und des Wassers (BMZ o.D.).
Die Wirtschaftskammer Österreich gibt für das Jahr 2016 rund 60,6 % der pakistanischen
Bevölkerung [im erwerbsfähigen] Alter zwischen 15 und 64 Jahren an. Ca. 68 Millionen
Pakistani waren Erwerbspersonen (WKO 10.2017). Die Arbeitslosenquote wird von
unterschiedlichen Quellen zwischen 6,0 und 6,2 % angegeben (WKO 10.2017, CIA
12.1.2017, Statista 2018). Lt. WKO lag im Jahr 2016 die Jugendarbeitslosigkeit
(Altersgruppe 15-24 Jahre) bei 10,8 % (WKO 10.2017), CIA gibt diese für das Jahr 2014 mit
8,6 % an (8 % bei Männern, 10 % bei Frauen) (CIA 14.3.2018).
CIA hält fest, dass die Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können,
da ein großer Teil der Wirtschaft informell und Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 14.3.2018).
Unter Nichtbetrachtung der Landwirtschaft sind 72,6 % der Beschäftigten im informellen
Sektor tätig, wobei der Anteil des informellen Sektors in urbanen Gebieten (69,2 %) niedriger
ist als im ländlichen Raum (76,1 %). Etwa 30 % der Bevölkerung lebt unter der
Armutsgrenze. Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum
Sozialversicherungssystem und hunderttausende Pakistani sind in sklavenähnlichen
Beschäftigungsverhältnissen tätig, insbesondere in der Landwirtschaft im Sindh und in
Ziegelöfen im Punjab und in Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 5.2017).
Unterstützt werden Arbeitssuchende vom Tameer-e-Pakistan Programm, einer
Armutsbekämpfungsmaßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen; unter Anderem durch Unterstützung arbeitsintensiver Klein- und Mittelbetriebe (IOM 2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Pakistan, Wirtschaft, https://www.auswaertigesamt
de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/wirtschaft/204976, Zugriff 26.3.2018
- BMZ - Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(o.D.): Pakistan Situation und Zusammenarbeit https://www.bmz.de/de/laender_regionen/
asien/pakistan/zusammenarbeit/index.html , Zugriff 26.3.2018
- CIA - Central Intelligence Agency (14.3.2018): World Factbook,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html , Zugriff
18.3.2018
- Dawn (1.4.2016): Pakistan losing $133 million daily to corruption, https://www.dawn.com/
news/1249119, Zugriff 26.3.2018
- Dawn (11.11.2016): Institutions and development, https://www.dawn.com/news/1295551 ,
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- HRCP - Human Rights Commision of Pakistan (5.2017): State of Human Rights in 2016,
http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2017/05/State-of-Human-Rights-in-
2016.pdf, Zugriff 21.3.2018
- IOM - International Organization of Migration (2017): Country Fact Sheet Pakistan,
https://humanitariancompendium.iom.int/appeals/pakistan-2017 , Zugriff 26.3.2018
- PBS - Pakistan Bureau of Statistics (2017a): PROVINCE WISE
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RESULTS OF CENSUS - 2017,
http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN
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- Statista (2018): Pakistan: Arbeitslosenquote von 2007 bis 2017,
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/323110/umfrage/arbeitslosenquote-inpakistan/ ,
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- WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2017): Länderprofil Pakistan,
https://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-pakistan.pdf , Zugriff 26.3.2018
Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme
Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich
eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des
Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben],
die 2,5 % des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige
(EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad
Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene
laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal
(PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA
6.2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der
Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft
leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere
bedürftige Menschen unterstützt (PBM o.D). Der Finanzminister hat 2015 das Budget von
PBM von zwei Milliarden Rupien auf vier Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn
6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer
eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30
für die [ehem.] FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger
des individuellen Unterstützungsprogramms betrug 2013 ca. 50.000. Die private
Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).
Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide,
Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation,
Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige
Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige,
medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser
medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den
Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Quellen:
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
- BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (7.2016):Dossier zu Stammes-
Clanstrukturen in Afghanistan und Pakistan (ethnische Gruppen;
Paschtunwali; Hazaras;
religiös-basierte Wohlfahrtsstrukturen am Beispiel Afghanistans,
https://www.ecoi.net/file_upload/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstrukturonlineversion-
2016-07.pdf, Zugriff 25.11.2016
- Dawn (6.6.2015): Budget's aim not to burden ordinary citizens:
Ishaq Dar,
http://www.dawn.com/news/1186570 , Zugriff 26.3.2018
- EASO - European Asylum Support Office (8.2015): EASO Country of Origin Information
Report Pakistan Country Overview,
https://easo.europa.eu/wp-content/uploads/EASO_COI_Report_Pakistan-Country-
Overview_final.pdf, Zugriff 20.3.2018
- Murad Ullah, Legal Officer des UNHCR in Islamabad (1.-2.10.2012):
Vortrag zum DACH
Workshop Pakistan, Nürnberg.
- PBM - Pakistan Bait-ul-Mal (o.D.): Pakistan Bait-ul-Mal, http://www.pbm.gov.pk/pbm.html ,
Zugriff 26.3.2018
Wohlfahrt-NGOS
Private Einrichtungen wie die Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen
Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans.
Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite
Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015), darunter
Gewährung von Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in
Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose
Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. sowie Hilfsmaßnahmen
für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im
Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad
bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen
und Kinder, an (UNESCO o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP)
unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 67 Distrikten der vier
Provinzen - inklusiv Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,2
Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 204.000 kommunalen
Gemeinschaften bilden. NRSP ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm Pakistans,
nach Angaben der Organisation nehmen Stand Jänner 2018 ca. 3,3 Millionen Personen an
ihren verschiedenen Programmen teil. NRSP bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale
Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D).
Quellen:
- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission.
- Edhi (o.D.): About Edhi Foundation, https://edhi.org/about-us/ , Zugriff 26.3.2018
- NRSP - National Rural Support Programme (o.D.b): About NRSP,
http://www.nrsp.org.pk/about.html , Zugriff 26.3.2018
- Gov Pak - Government of Pakistan (16.10.2015): Consideration of reports submitted by
States parties under articles 16 and 17 of the International Covenant on Economic, Social
and Cultural Rights; Initial reports of States parties due in 2010; Pakistan [16 October
2015] [E/C.12/PAK/1], 4. Februar 2016 (veröffentlicht von CESCR, verfügbar auf
ecoi.net,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1455269511_g1601817.pdf , Zugriff am
26.3.2018)
- UNESCO (o.D.): Bunyad Literacy Community Council (BLCC /BUNYAD),
http://uil.unesco.org/partner/library/bunyad-literacy-community-council-blcc-bunyadpakistan ,
Zugriff 26.3.2018
Rückkehrhilfe und -projekte
Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende
Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die
nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder
sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten,
aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 20.10.2017).
Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die internationale Organisation für Migration
(IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrationsunterstützung
für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten.
(IOM 18.9.2017). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf
pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch
das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel
Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, erhalten
können (IOM 7.1.2016).
Das Rückkehrprogramm ERIN wird von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung
von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt. In 113 Bezirken werden Leistungen zur
Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in
den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am
Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der
Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach
ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und
Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen geboten. Es gibt
verschiedene Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):
Bericht über die
asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik
PAKISTAN.
- IOM - International Organization of Migration (18.9.2017):
RESTART,
http://www.iomvienna.at/de/restart , Zugriff 26.3.2018
- IOM - International Organization of Migration (7.1.2016):
Länderinformationsblatt
Pakistan,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772191
/18363841/Pakistan_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?
nodeid=17927797&vernum=-2 , Zugriff 26.3.2018
- WELDO (o.D.): Weldo - Rebuilding Lives, http://www.weldo.org/about-us.php und http:/ /
www.weldo.org/erin.php , Zugriff 26.3.2018
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht
medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard.
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist
auf einem hohen Niveau und damit auch teuer. Die Versorgung mit zuverlässigen
Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert. (AA
27.3.2018). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem
Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf
private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).
Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan über 1.201 Krankenhäuser, 683 ländliche
Gesundheitszentren, 5.518 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 731 Mutter-
Kind-Gesundheitszentren (HRCP 4.2018). Für die Patientenversorgung stehen Stand 2016
184.711 Ärzte, 16.652 Zahnärzte und 118.869 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP
5.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 997 Personen, ein Krankenhausbett für 1.584
Personen und einen Zahnarzt für 10.658 Personen. Das relative Verhältnis des
medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht
verbessert (HRCP 4.2018).
Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit
Ausnahme der [ehem.] FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die
Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch
im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und
Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU)
die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District
Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer
Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hoch spezialisierte Versorgung) ist auf
akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und
anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind
(EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt
(hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer
Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden
entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene
Kosten für Krankenhausaufenthalte werden bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene
Krankheiten gedeckt. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der
medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze
für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen
Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24
Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit
abhängig (IOM 7.1.2016).
In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der
Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt
werden. In staatlichen Krankenhäusern, die i. d. R. europäische Standards nicht erreichen,
ist bei Bedürftigkeit die Behandlung kostenlos (AA 20.10.2017). Die beste medizinische
Behandlung wird vom Militär angeboten. Für Zivilisten ist in militärischen
Gesundheitseinrichtungen die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015; vgl. PAF o.D.). Da
der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durchführen, tendieren die Leute dazu, private Einrichtungen aufzusuchen. Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji Zohra et al 2016).
Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind in Pakistan, laut IOM (BAA
6.2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, behandelbar und
lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Medizinische Dienstleistungen
werden jedoch nicht aktiv angeboten. In kleinen Spitälern, wie z. B. dem Rawalpindi Lepra
Spital, werden keine Medikamente importiert, sondern sogar selbst produziert werden (BFA
9.2015). Darüber hinaus werden in Pakistan medizinische Geräte entwickelt, verfügbar
gemacht (BFA 9.2015), hergestellt und teilweise auch exportiert. Beispielsweise produziert
die Stadt Sialkot 80 % des Weltbedarfs an chirurgischen Instrumenten (Independent
19.1.2015).
Es gibt eine starke Diskrepanz in der medizinischen Versorgung zwischen ländlichen und
städtischen Gebieten. Insgesamt ist in städtischen Gebieten die medizinische Versorgung
besser als in den ländlichen Gebieten. Auch zwischen den Provinzen bestehen starke
Unterschiede BAA 6 .2013; vgl. Kurji Zohra et al 2016). In den ländlichen Gebieten des Sindh
(BAA 6 .2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer
Provinzen (BAA 6 .2013). Belutschistan hat beispielsweise weniger medizinische
Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu
Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die
ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. So sieht
ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang
zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten
Menschenrechtsprobleme an. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen (BAA
6.2013).
Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört in Pakistan zu einer der höchsten
weltweit (BAA 6 .2013). Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen schätzte für 2015 ca. 9.700 Fälle von Müttersterblichkeit in Pakistan; die Müttersterblichkeitsrate (MMR) betrug 178 [Def. lt.
WHO o.D: Todesfälle von Frauen während der Schwangerschaft oder bis 42 Tage nach Schwangerschaftsende pro 100.000 Lebendgeburten] (WHO 11.2015; vgl. UNFPA 2017). Der pakistanische Population Council schätzt 2017 die MMR für den Punjab auf 302 und für Khyber Pakhtunkhwa auf 275. Schätzungen des Pakistan Demographic and Health Survey (PDHS) gaben für 2006 bis 2007 die MMR landesweit mit 276 an.
Geburtshämorrhagie und schwangerschaftsinduzierte Hypotonie sind die beiden häufigsten
Ursachen für Müttersterblichkeit in Pakistan (Daily Times 22.10.2017).
Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark
von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung,
dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es
wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In
Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten
und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr
umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten
kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der
Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark
ausgeprägt (BFA 9.2015).
Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan
verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die
Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier
allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist
ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische
Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen.
Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung
der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der
medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen
Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten
Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch
hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die
hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern,
die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme
(BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitseinrichtungen in
ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch
Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die
Spezialkrankenhäuser aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind,
überlastet sind. Es gibt jedoch auch im öffentlichen Bereich Vorzeigespitäler. Zur
Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen
Fonds (BAA 6 .2013).
Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das
Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo
Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das
Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und
das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of
Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health
Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy
Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In
Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das
Karatschi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und
Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das
General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karatschi. In Gujranwala
gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur
das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).
Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA
20.10.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin,
können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Medikamente
sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 20.10.2017). Es muss damit
gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte
verkauft werden (AA 27.3.2018). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten
Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurde 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde
(Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) eingerichtet und ein entsprechendes Gesetz
erlassen. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das
Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei
zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen
Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 27.3.2018; vgl.
BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Im Laufe des Jahres 2016 wurden die Preise von zahlreichen
Medikamenten stark erhöht, sodass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen
unerschwinglich geworden sind. Der Drug Regulatory Authority of Pakistan (DRAP) und
anderen Behörden wird vorgeworfen, keine Maßnahmen gegen die ungesetzlichen
Preiserhöhungen ergriffen zu haben (Lancet 7.11.2016).
Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im
Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und
Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).
In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater
Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen.
Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen,
da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf
staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt
auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur
wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren
Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen
Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).
Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für
Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA
20.10.2017). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die
Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der
stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da
Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht
bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z. B.
Organtransplantationen) zu (AA 20.10.2017). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger
Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen
begrenzt (USDOS 3.3.2017).
Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal
administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der
die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die
Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die
medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und
verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung
des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind.
In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht.
Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme
und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen
Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische
Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote
umfassen folgende Aktivitäten: psychosoziale Unterstützung, medizinische Notversorgung,
Familienplanung, kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte,
Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).
Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research
Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung
unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in
Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA
6.2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt
ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine
sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme
gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen
Städten Pakistans (BAA 6 .2013). Pakistan ist [neben Afghanistan] eines der verbleibenden zwei Länder weltweit, in denen Polio [Anm.:
Poliomyelitis, (spinale) Kinderlähmung, Heine-Medin-Krankheit] endemisch ist, allen voran im Khyber-Peshawar-Korridor, Karatschi, Quetta und im nördlichen Sindh. Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen für Impfpersonal während der Impfkampagnen führte landesweit zu einer Reduktion der Poliofälle (SHCC 5.2017). 2017 wurden landesweit acht Fälle von Polio-Infektionen gemeldet, das ist ein Rückgang von 98 % seit 2014, als über 300 gemeldet wurden. Die Impfakzeptanz ist auf 95 % gestiegen (HRCP 4.2018). Dennoch kam es zu gezielten Angriffen unterschiedlichen Ausmaßes auf Impfpersonal, typischerweise im Zuge von Impfaktionen, in Gebieten mit endemischen Polioinfektionen, durchgeführt vorwiegend von aufständischen Gruppen wie den Taliban (SHCC 5.2017).
Am 18.1.2018 wurden in Quetta zwei Frauen, die Polio-Impfungen durchführten, von
unbekannten Tätern erschossen (Reuters 18.1.2018) und am 18.3.2018 wurden in den
[ehem.] FATA zwei Männer, die Polio-Impfungen durchführten, von unbekannten Tätern
erschossen (CNN 18.3.2018). Im Jahr 2017 gab es drei Angriffe auf
Gesundheitseinrichtungen bzw. Polio-Impfpersonal mit zwei Todesopfern (PIPS 1.2018), für
das Jahr 2016 wurden zehn Angriffe auf Einrichtungen oder Personal für Polio-Impfungen
registriert (SHCC 5.2017).
Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von
Haftbefehlen für Eltern und Erziehungsberechtigte, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder
widersetzten (Dawn 24.11.2016). Über 1000 Eltern wurden im Jahr 2016 von der Polizei
verhaftet und erst freigelassen, nachdem sie einer Impfung ihrer Kinder eingewilligt hatten.
Da es Proteste aus der Bevölkerung gab und Impfpersonal in Gegenden, wo es
Verhaftungen gab, einem größeren Risiko ausgesetzt waren, werden [Stand 4.2017] keine
Verhaftungen mehr durchgeführt. Stattdessen sollen die Union Council Level Kommittees,
bestehend aus Geistlichen, gewählten Vertretern und Mitgliedern der Bezirksverwaltung, die
Menschen überzeugen, ihre Kinder impfen zu lassen (Dawn 30.4.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (27.3.2018): Länderinformationen
- Pakistan -
Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/
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- BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-
16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte
Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.
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Rückkehr
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende
Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 20.10.2017).
Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die
Emigration Ordinance (1979), namentlich, wenn sie über keinen "letter of appointment of a
work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from
foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.) oder auch gegen den Passport Act,
1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden
Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im
Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit
Menschenhandel). Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle
bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer
Höhe verlangt wurden; entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karatschi
und Lahore bekannt (ÖB 10.2017).
Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung
eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung
hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern
wie der Türkei, Großbritannien und aus der gesamten EU werden regelmäßig
Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen
Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer
pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport"
möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA
20.10.2017).
Der österreichischen Botschaft Islamabad, die zur Überwachung/Abwicklung der Ankunft von Rückkehrer/innen mittels FRONTEX-Flügen am Flughafen Islamabad regelmäßig einen
Vertreter abstellt, sind bisher keine Probleme i.G. bekannt. Es wurde allerdings beobachtet,
dass Rückkehrer/innen nach der Einreise nach Iqbal Town in Rawalpindi zu einer sog. "Anti-
Human Trafficking Cell" gebracht werden, um dort zu ihrer Ausreise befragt zu werden, um
relevante Informationen hinsichtlich Schlepperei und Schleppernetzwerken zu erfragen (ÖB
10.2017). UNOCHA arbeitet - neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR - in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden:
ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development
Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba
(HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian
Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan
Village Development Program (PVDP); Poverty Alliance Welfare Trust
(PAWT); PREPARED;
Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP);
Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- ÖB - Österreichische Botschaft Islamabad(10.2017):
Asylländerbericht - Pakistan 2017
Dokumente
Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierung. So sollen
über 96 % der Bürgerinnen und Bürger biometrische Personalausweise - einschließlich der
Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. Solche Ausweise sind erforderlich, um
Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos
bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).
Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der
Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card
for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich.
Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden. Die Pakistan Origin Card
(POC) können ausländische Staatsbürger erhalten, die früher pakistanische
Staatsangehörige waren und/oder deren Eltern oder Großeltern pakistanische Staatsbürger
sind oder waren. National Identity Card for Overseas Pakistanis - (NICOP) werden durch die
NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit
Doppelstaatsbürgerschaft vergeben, wenn sie bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind.
Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18
Jahren ausgestellt (NADRA o.D.).
Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten
antragsbegründenden Unterlagen ist hoch. Die zum Nachweis eines Verfolgungsschicksals
vorgelegten Strafanzeigen, Haftbefehle, Gerichtsurteile und die Rechtsanwaltsschreiben
erweisen sich häufig als gefälscht oder inhaltlich unrichtig. Die Ausführungen und
Erklärungen zu einer geltend gemachten Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen
halten einer Nachforschung vor Ort häufig nicht stand. Es ist in Pakistan problemlos möglich,
ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten
Unterlagen (z. B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind.
Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine
Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen
veröffentlichen zu lassen (AA 20.10.2017).
Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des
Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in
ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung
eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich
Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z. B. das
Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche
Urkunden zu erhalten, deren Inhalt nur teilweise der tatsächlichen Faktenlage entspricht. Merkmale auf einigen modernen Personenstandsurkunden zur Erhöhung der
Fälschungssicherheit können so mühelos unterlaufen werden. Die Passbehörden haben mit
dem Aufbau eines zentralen Passregisters unter Erfassung einzelner Biometriemerkmale
und der Einführung fälschungssicherer Reisepässe die Fälschung von Pässen theoretisch
deutlich erschwert. Die eingebauten Sicherheitssysteme versagen allerdings, da sie bereits
bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte unterlaufen werden
können. Im Übrigen zirkulieren aufgrund der Urkundenproblematik (vgl. oben) zahlreiche
echte Identitätsdokumente falschen Inhalts (AA 20.10.2017).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.10.2017): Bericht über die asyl- und
abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN.
- NADRA - National Database Registration Authority (2016):
Identity Documents, https://
www.nadra.gov.pk/ plus Unterseiten, Zugriff 28.3.2018
- PI - Privacy International (7.2016): Suggestions for right to privacy-related questions to
be included in the list of issues on Pakistan, Human Rights Committee, 118th Session,
October 2016,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481709090_int-ccpr-ico-pak-
24670-e.pdf, Zugriff 28.3.2018
1.2.14 Situation in der FATA:
Die Situation in der FATA Region blieb auch im Jahr 2017 angespannt und erhöhten diverse Terrorgruppierungen ihre Aktivitäten, jedoch war die Anzahl an Anti-Terror-Operationen durch Sicherheitskräfte höher als die Anzahl an Terrorangriffen und wurden 92% mehr Operationen als im Jahr 2016 durchgeführt. 48% der Angriffe durch Terroristen zielten dabei auf Sicherheitskräfte und 46% auf Zivilisten. Obwohl die Zahl an Opfern (Toten und Verwundeten) im Vergleich zu 2016 stieg, kann dies va auf insgesamt vier verheerende Anschläge auf Zivilisten in der ersten Hälfte des Jahres 2017 zurückgeführt werden. Besonders betroffen war die Kurram Agency, mit der Hauptstadt Parachinar, wo ein Anstieg von 173% an Vorkommnissen verzeichnet wurde. Im Vergleich zu 2016 mit 115 Opfern kam es im Jahr 2017 zu 664 Opfern, wobei davon 575 Zivilisten waren und 138 Todesopfer waren. Der Hauptgrund für den Anstieg liegt in insgesamt vier Anschlägen mit sehr hohen Opferzahlen in der ersten Hälfte 2017 (erstes Quartal: 16 Vorkommnisse, 69 Tote und 143 Verletzte; zweites Quartal: 20 Vorkommnisse, 107 Tote und 311 Verletzte), wobei sich der Trend für die zweite Hälfte 2017 nicht fortsetzte und es zu einem signifikanten Abfall an Vorkommnissen und Opferzahlen kam (drittes und viertes Quartal: 16 Vorkommnisse, 28 Opfer). Insgesamt kam es zwar im Vergleich zwischen 2016 (131) und 2017 (153) erstmals seit Jahren des Abwärtstrendes zu einem leichten Anstieg an Terrorattacken in der FATA Region und auch einem Anstieg an Opferzahlen, was jedoch va an den wenigen, schweren Anschlägen in der Kurram Agency in den ersten beiden Quartalen 2017 liegt und liegt die Anzahl an zivilen Opfern immer noch 20% unter dem Stand von 2013. Die Situation verbesserte sich insbesondere weiter in den ersten Monaten des Jahres 2018, wo eine Abnahme an gewalttätigen Zwischenfällen ("violent incidents") von 177% in den Monaten Jänner bis März 2018 im Vergleich zum gleichen Zeitraum letzten Jahres, wobei auch die pakistanischen Sicherheitsbehörden weiter zahlreiche Operationen gegen terroristische Gruppierungen durchführten.
Quellen: FATA Annual Security Report 2017; FATA Security Report First Quarter 2018
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Dass die Identität nicht feststeht, ergibt sich bereits daraus, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens keinerlei unbedenklich Dokumente vorlegte, die seine Identität bezeugen würden. Die Feststellungen zu seinem bisherigen Leben in Pakistan ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahmen am 25.6.2015 und am 8.3.2016. Die Feststellungen zu seinem bisherigen Aufenthalt und zur Integration in Österreich ergeben sich aus den seitens des Beschwerdeführers vorbelegten Bestätigungen und glaubhaften Angaben. Dass der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist und Grundversorgung erhält, ergibt sich aus den seitens des erkennenden Gerichtes eingeholten Informationen aus den amtlichen Datenbanken.
2.2 Zu den Fluchtgründen:
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen seines Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass seine Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Der Beschwerdeführer wurde zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in deren Gesamtheit als unglaubwürdig anzusehen ist, und zwar aus folgenden Erwägungen:
Der belangten Behörde ist zunächst bereits nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach seinem geschilderten die Verfolgung auslösenden Ereignis nicht unmittelbar ausgereist ist, die Glaubhaftigkeit abspricht (AS 233f). Nun führte der Beschwerdeführer zunächst aus, er sei entweder 2011 oder 2012, jeweils im Sommer, von den Taliban angeblich entführt worden, aber erst Anfang 2014 ausgereist (AS 137). Nun ist es für das erkennende Gericht bereits bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer nicht einmal das Jahr seiner Entführung angeben kann, geht das erkennende Gericht davon aus, dass eine Entführung doch ein derart einschneidendes Erlebnis dar, dass hier genaue Angaben möglich sein müssten. Der belangten Behörde ist aber auch nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausgeht, dass es unglaubwürdig erscheint, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entführung arbeiten gehen konnte, sollten die Taliban tatsächlich über ein derart dichtes Netzwerk verfügen und ein derart hohes Interesse am Beschwerdeführer haben. Ebenso ist es nicht glaubwürdig, dass die Taliban in weiterer Folge nochmals bei der Familie angerufen haben und sie gewarnt haben, dass sie den Beschwerdeführer jederzeit wieder entführen könnten (AS 139). Das erkennende Gericht merkt an, dass gerade der Umstand, dass die Taliban - glaubt man diesen Aspekt des Vorbringens - den Beschwerdeführer zwar extra warnten, er jedoch trotzdem entweder zwei oder drei Jahre weiter in der Gegend lebte und arbeiten ging, massiv gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht. Darüber hinaus gesteht der Beschwerdeführer ja selbst zu, dass er danach keinerlei Belästigungen oder Drohungen mehr ausgesetzt gewesen sei (AS 139). Soweit die Beschwerde ausführt, der Beschwerdeführer sei nach seiner Flucht vor den Taliban sehr vorsichtig gewesen und habe sich nur in seinem Dorf aufgehalten, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde noch ausgeführt hat, er habe Parachinar nicht verlassen, von seinem Heimatdorf war damals keine Rede (AS 139). Auch hier ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer ein derart zentrales Vorbringen - nämlich wo sich der Beschwerdeführer nach der Flucht vor den Taliban aufgehalten hat - nicht widerspruchsfrei wiedergeben kann. Der belangten Behörde ist auch nicht entgegenzutreten, wenn sie ausführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers sehr vage waren (AS 238). So konnte der Beschwerdeführer - wie oben ausgeführt - nicht einmal das Jahr seiner Entführung eindeutig benennen. Ebenso erscheint es hinterfragenswert, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nicht einmal versucht habe, die Polizei nach seiner behaupteten Flucht zu kontaktieren (AS 238). Durch das Einschreiten der Polizei wird nämlich sehr wohl eine Schutzwilligkeit der pakistanischen Sicherheitsbehörden demonstriert. Gegen eine Verfolgung des Beschwerdeführers spricht im Übrigen auch, dass die Familie des Beschwerdeführers offenbar nach wie vor unbeschadet in Pakistan leben kann und eine Nachfrage offenbar nicht stattfindet (AS 135). Zu den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner behaupteten Entführung bleibt festzuhalten, dass auch hier der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie festhält, dass es mehr als unwahrscheinlich erscheint, dass der Beschwerdeführer nach einer derart behaupteten Tortur während seiner Gefangenschaft bei den Taliban (kein Tageslicht, kaum Nahrung und Folterungen) derart einfach aus dem Lager entkommt (AS 233). Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer zunächst noch angab, er habe die Flucht ergriffen (AS 137) um in weiterer Folge darzulegen, dass er noch eine halbe Stunde (wohlgemerkt: während eines Feuergefechtes) zugewartet habe, bis er fliehen konnte.
Im Ergebnis schließt sich das erkennende Gericht somit den beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde an, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung aufgrund seiner vagen, widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Ausführungen nicht glaubhaft machen konnte.
2.3 Zu den Länderberichten:
Zu den Feststellungen zur relevanten Sicherheitslage in Pakistan wird festgehalten, dass aus dem Umstand, dass die Zahlen an relevanten Terrorvorfällen seit mehreren Jahren sinkt und der Staat sehr große Anstrengungen erfolgreich unternimmt, die Sicherheitslage zu stabilisieren, was schon der Umstand zeigt, dass die Terroranschläge zurückgegangen sind und eine Vielzahl an geflüchteten Pakistanis mittlerweile in ihre Heimatdörfer zurückkehrt. Die herangezogenen Länderberichte erweisen sich aus Sicht des erkennenden Gerichts als ausgewogen, so werden sowohl Berichte von staatlichen Stellen als auch Berichte von NGOs verwendet. Vorbringen, wonach die Länderberichte falsch seien oder falsche Informationen verwenden würden, wurde nicht erstattet, sondern geht die Beschwerde auf die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichte nicht ein, sondern wiederholt nur die Länderberichte ohne aufzugeigen, warum die Berichte falsch oder unvollständig wären.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
§ 3 Asylgesetz 2005 lautet:
"Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatensicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a leg. cit.) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 leg. cit.) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers inhaltlich zu prüfen ist.
Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. das Erk. des VwGH vom 23.2.2016, Zl. Ra 2015/20/0113, mwN). Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. das Erk. des VwGH vom 28.5.2009, Zl. 2008/19/1031, mwN). Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (vgl. das Erk. des VwGH vom 15.3.2016, Zl. Ra 2015/01/0069).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. das Erk. des VwGH vom 28.6.2011, Zl. 2011/01/0102, mwN). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. das Erk. des VwGH vom 24.3.2011, Zl. 2011/23/1101, mwN).
Wie im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt, schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an, wonach der Beschwerdeführer keine Verfolgung iSd § 3 AsylG glaubhaft machen konnte und zwar weder durch den pakistanischen Staat noch seitens privater Dritter. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private können seine Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes muss entweder von staatlichen Stellen oder einer staatsähnlichen de facto Macht ausgehen oder der betreffende Staat muss nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten, wobei hinsichtlich der praktischen Schutzgewährung nicht von einem umfassenden Schutz gegen jede Gefahr ausgegangen werden darf (vgl. bereits das Erk. des VwGH vom 16.2.2000, Zl. 99/01/0435).
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, konnte der Beschwerdeführer eine Verfolgung in Pakistan überhaupt nicht glaubhaft machen, und zwar weder durch private Dritte noch durch den pakistanischen Staat, weshalb eine Schutzgewährung durch die Republik Österreich nicht in Frage kommt.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme von der generellen Benachteiligung von Schiiten und Paschtunen spricht, so wird auf folgendes verwiesen:
Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. das Erk. des VwGH vom 8.9.2016, Zl. Ra 2016/20/0036, mwN).
In Hinblick auf die schiitische Glaubenszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist vor dem Hintergrund der hier getroffenen Länderfeststellungen davon auszugehen, dass die Zahl der Schiiten in Pakistan zwischen 15 und 25% ausmachen. In vielen urbanen Zentren des Landes, darunter Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, Peschawar, Multan, Jhang und Sargodha gibt es große schiitische Gemeinschaften. Die Schiiten sind in ganz Pakistan verteilt, allerdings gibt es keine Provinz, in der die Schiiten in der Mehrheit sind. Landesweit sind schiitische und sunnitische Gemeinschaften im Allgemeinen integriert und leben im Alltag ohne Probleme Seite an Seite. Es kommt zwischen radikalen und gemäßigten Sunniten sowie zwischen radikalen Sunniten und der schiitischen Minderheit immer wieder zu Gewaltakten, wovon jedoch überwiegend die Provinz Belutschistan und Khyber Pakthunkhwa betroffen sind. Die Angriffe richten sich ua. auf schiitische Prozessionen, religiöse Zusammenkünfte und Stätten und fanden maßgeblich im Nordwesten des Landes sowie in den städtischen Zentren im ganzen Land statt. Es kommt immer wieder zu verheerenden Bombenanschlägen, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass jemand, nur, weil er Schiite ist, sofort Verfolgung zu befürchten hat. Dagegen spricht bereits, dass - wie oben ausgeführt - sich der Alltag zwischen Sunniten und Schiiten weitgehend unproblematisch gestaltet und sich Schiiten in allen Teilen Pakistans niedergelassen haben. Darüber hinaus unternimmt der pakistanische Staat große Anstrengungen seine Minderheiten, insbesondere seine schiitische Minderheit, zu schützen und sind die Sicherheitsbehörden auch schutzfähig und schutzwillig. Dafür spricht bereits die Tatsache, dass im Jahr 2016 zum dritten Mal in Folge ein Abwärtstrend bei sektiererisch motivierter Gewalt verzeichnet werden konnte und auch noch im ersten Quartal 2017 ein Rückgang der Opferzahlen verzeichnet wurde. Es wird dabei nicht übersehen, dass 2017 einen Anstieg an Opferzahlen im Vergleich zu 2016 in der FATA Region mit sich brachte, jedoch ist der Anstieg der Opferzahlen auch auf zwei verheerende Anschläge in Parachinar zurückzuführen und auch die Anti-Terror-Operationen seitens der pakistanischen Sicherheitskräfte intensiviert wurden, um der Bedrohung durch den Terror zu begegnen. Ebenso spricht gegen eine Gruppenverfolgung, dass Sicherheitskräfte schiitische Prozessionen oder Feierlichkeiten verstärkt schützen. Dem Argument, dass es trotzdem zu Anschlägen kommt, ist bereits entgegenzuhalten, dass kein Staat der Welt absolute Sicherheit vor Terroranschlägen bieten kann, was die Anschläge in Deutschland, Frankreich, England oder Russland zeigen. Es kann seitens des erkennenden Gerichts nicht festgestellt werden, dass in Pakistan Schiiten und Paschtunen, nur aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen Schiiten bzw. Paschtunen bzw. schiitischen Paschtunen handelt, Verfolgung ausgesetzt sind. Eine generelle, staatlich nicht sanktionierte Verfolgung von Schiiten oder Paschutnen ist nicht feststellbar, was sich bereits aus dem Umstand ergibt, dass eine Vielzahl von Paschtunen in anderen Teilen Pakistans als der Heimatregion des Beschwerdeführers leben.
3.2 Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat:
§ 8 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.
(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.
(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (vgl. die Erk. des VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/20/0013, mwN). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet:
"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder Art. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan eine mit Todesstrafe bedrohte strafbehördliche Verfolgung droht und wurde dies auch nicht behauptet.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan eine mit Todesstrafe bedrohte strafbehördliche Verfolgung droht und wurde dies auch nicht behauptet. Dass sich der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden; ebenso kann daher nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht. So unternimmt die pakistanische Regierung große Anstrengungen, die Sicherheitslage zu verbessern, was auch gelingt, wie die stetig zurückgehenden Anschlagszahlen und Terrorismusopfer zeigen. Dass Pakistan in einem Zustand wäre, in dem keine funktionierende Ordnungsmacht mehr gegeben sei, ist darüber hinaus schon mit dem Hinweis widerlegt, als dass Pakistan über eine der schlagkräftigsten Armeen weltweit verfügt und auch viele Anschläge verhindert werden konnten.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 15.10.2018 und im Wesentlichen auch in der Beschwerde darauf verweist, dass in der Heimatregion des Beschwerdeführers ein großer Teil der sektiererischen Anschläge ereignen würden, so wird dies seitens des erkennenden Gerichtes auch nicht bestritten. Soweit der Beschwerdeführer darlegt, dass die Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers um Parachinar von Anschlägen erschüttert wird und die FATA Region zu den unsichersten Regionen gehört, so wird dabei eben übersehen, dass die Anschlags- und Opferzahlen sich seit Jahren zurückentwickeln, die pakistanische Armee eben eine Vielzahl an militärischen Operationen durchführt, um die Aufständischen bzw. die Terroristen zu bekämpfen und eben eine Schutzunwilligkeit bzw. Schutzunfähigkeit nicht feststellbar ist. Darüber hinaus kehren auch viele vertriebene Familien auch wieder in die FATA Region zurück, da sich die Sicherheitslage allgemein gebessert hat. Das erkennende Gericht übersieht nicht die Quellen, insbesondere die Berichte bzw. Berechnungen des FATA Research Centers (FRC), laut denen insbesondere im zweiten Quartal des Jahres 2017 ein teilweise erheblicher Anstieg an Opferzahlen in der Region um Parachinar zu verzeichnen war, doch selbst wenn man von einer Steigerung der Opferzahlen ausgeht ergibt sich nicht das Bild einer Situation, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz indizieren würde, zumal in den folgenden Quartalen die Opfer- und Anschlagszahlen wieder massiv zurückgingen und die massiv gesteigerten Opferzahlen im zweiten Quartal 2017 auf einige wenige verheerende Anschläge zurückzuführen sind. Es wird dabei nicht übersehen, dass 2017 einen Anstieg an Opferzahlen im Vergleich zu 2016 in der FATA Region mit sich brachte, jedoch ist der Anstieg der Opferzahlen auch auf zwei verheerende Anschläge in Parachinar zurückzuführen und wurden auch die Anti-Terror-Operationen seitens der pakistanischen Sicherheitskräfte intensiviert, um der Bedrohung durch den Terror zu begegnen. Die Sicherheitslage hat sich auch im ersten Quartal 2018 weiter verbessert, was die oben festgestellte Abnahme an gewalttätigen Vorfällen zeigt. Der pakistanische Staat unternimmt weiterhin große Anstrengungen die Sicherheitslage zu stabilisieren und ist ein "Gewährenlassen" der Terroristen in dieser Region nicht zu erkennen. Das ergibt sich bereits aus den seitens des Beschwerdeführers herangezogenen Berichten, die detailliert die militärischen Operationen der pakistanischen Regierung gegen extremistische Gruppen anführen. Auch die beiden verheerenden Anschläge im zweiten Quartal 2017 vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da Schwankungen der Anschlags- bzw. Opferzahlen vorkommen können, ohne dass dadurch eine Änderung der Gesamtlage in betroffenen Region bewirkt wird und gingen die Anschlags- und Opferzahlen zuvor über mehrere Jahre massiv zurück. In Gesamtheit ergibt sich für das erkennende Gericht keine derart labile Lage, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde. Bestehen in der Praxis teilweise erhebliche Unzulänglichkeiten bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte, kann eine generelle Praxis von Menschenrechtsverstößen nicht hergeleitet werden. Die pakistanische Regierung erkennt diese Unzulänglichkeiten und erhöhte zB die Zahl der praktizierenden Richter. Ebenso kann aus den vorgelegten Länderberichten, die einerseits die Korruptionsanfälligkeit der Justiz und der Polizei aber auch Menschenrechtsverletzungen durch Polizeiangehörige thematisieren, nicht geschlossen werden, dass in Pakistan eine systematische, staatlich geduldete Verletzung von Menschenrechten vorherrscht. Somit kommt das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, nicht festgestellt werden kann, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch jeder, der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist. Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Familie des Beschwerdeführers noch immer dort lebt und nicht erkennbar ist warum der Beschwerdeführer nicht in seine Heimatregion zurückkehren könnte.
Zur individuellen Versorgungssituation des Beschwerdeführers wird weiters festgehalten, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt, sich in einem Heimatland sprachlich verständigen kann und die Gebräuche und Sitten kennt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen mobilen, erwachsenen, arbeitsfähigen und anpassungsfähigen jungen Mann, der auch in Pakistan bereits gearbeitet hat. Einerseits stammt der Beschwerdeführer aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für seine Existenzsicherung aufkommen kann.
Wie bereits oben angeführt verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan, er hat er nach eigenen Angaben als Fahrer/Taxilenker gearbeitet. Der Beschwerdeführer kann für die erste Zeit der Rückkehr nach Pakistan auch Unterstützung bei verschiedenen pakistanischen Wohlfahrtseinrichtungen wie zB der NGO WELDO oder beim Tameer-e-Pakistan ansuchen, um eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. die in die Gesellschaft zu erleichtern. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf familiären Zusammenhalt Wert gelegt wird und daher davon auszugehen ist, dass er durch seine Familie unterstützt wird. Aufgrund dieser Überlegungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht über allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät. Eine lebensgefährliche Krankheit kann nicht festgestellt werden, zumal die meisten Medikamente in Pakistan verfügbar sind und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet hat, dass er an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden würde. Dass der Beschwerdeführer in ärztlicher Behandlung steht, wurde vor dem erkennenden Gericht ausdrücklich verneint.
Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr im Sinne des § 8 AsylG, weshalb die Gewährung von subsidiärem Schutz ausscheidet.
3.3 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
Das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet auszugsweise:
"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
...
Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
...
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."
...
Das BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet auszugsweise:
"Abschiebung
§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG).
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.
...
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige
Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
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(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
...
Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."
Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention lautet:
"Artikel 8 - Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Vorweg ist festzuhalten, dass sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG angezeigt hätten, bzw. wurde weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht dahingehend etwas vorgebracht.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen (vgl VwGH 21.01.2006, 2002/20/0423). Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Eine generelle Aussage, bis zu welchem Verwandtschaftsgrad der grundrechtliche Schutz reicht, lässt sich - soweit ersichtlich - der Straßburger Rechtsprechung nicht entnehmen. Bereits anerkannt wurde in der bisherigen Spruchpraxis das Verhältnis zwischen Enkel und Großeltern, geschwisterliche Beziehungen sowie die Beziehung zwischen Onkel bzw Tante zu Neffen bzw Nichten." (Baumgartner, ÖJZ 1998, 761ff mit Judikaturnachweis). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua/Lettland, 60654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen kann jedoch eine vom Staat getroffene Ausweisungsentscheidung auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua/Lettland, 60654/00) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (EGMR 30.11.1999 Baghli/Frankreich, 34374/97; VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban/Deutschland, 11103/03; 07.10.2004, Dragan/Deutschland, 33743/03; 16.06.2005, Sisojeva ua/Lettland, 60654/00), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyanzi/Vereinigtes Königreich, 21878/06). Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH 29.09.2007, B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).
Eine Maßnahme ist dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig, weshalb dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK daher ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. EGMR 18.02.1991, Moustaquim/Belgien, 12313/86; VfGH 29.9.2007, B 328/07).
Bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. den B des VwGH vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074, mwN). Insbesondere sind dabei die in § 9 Abs. 2 BFA-VG angeführten Merkmale für die Abwägung der Interessen maßgeblich.
Rührt der Unterhalt der Fremden bisher ausschließlich aus Mitteln der Grundversorgung her, so darf die Behörde vom Fehlen einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgehen. Daran ändert auch die für die Fremden abgegebene Unterstützungserklärung nichts (vgl. das Erk. des VwGH vom 21.3.2013, Zl. 2011/23/0360). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Fremder spätestens nach der erstinstanzlichen Abweisung des Asylantrages im Hinblick auf die negative behördliche Entscheidung des Antrages von einem nicht gesicherten Aufenthalt ausgehen (vgl. das Erk. des VwGH vom 12.9.2012, Zl. 2011/23/0201, mwN). Selbst perfekte Beherrschung der deutschen Sprache sowie eine vielfältige soziale Vernetzung und Integration bedeuten noch keine über das übliche Maß hinausgehende Integrationsmerkmale (vgl. das Erk. des VwGH vom 25.2.2010, Zl. 2010/18/0029). Die Feststellung, dass ein Asylwerber strafrechtlich unbescholten ist, bedeutet weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass es von einem Fremden, der sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Gesetze einhält (vgl. das Erk. des VwGH vom 27.2.2007, Zl. 2006/21/0164). Hingegen kommt dem Interesse der Republik Österreich an den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit ein besonders hoher Stellenwert zu (vgl. das Erk. des VwGH vom 22.1.2013, Zl. 2011/18/0012).
Zum gegenständlichen Verfahren:
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Verwandten in Österreich und lebt auch sonst mit keiner ihm nahestehenden Person zusammen. Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sondern allenfalls einen solchen in das Privatleben.
Im Sinne des § 9 Abs. 2 BFA-VG ergibt sich anhand des dort aufgestellten Kriterienkatalogs folgendes Bild über den Beschwerdeführer:
* Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit April 2015 in Österreich. Der Beschwerdeführer reiste illegal und schlepperunterstützt nach Österreich und konnte seinen bisherigen Aufenthalt nur durch die Stellung eines Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätte der Beschwerdeführer den gegenständlichen, unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.
* Das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Privatlebens):
Wie bereits festgestellt verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Der Beschwerdeführer absolvierte mehrere Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs und hat ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1 erworben. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einer Organisation oder einem Verein und ist er nicht berufstätig. Der Beschwerdeführer half bei Flurarbeiten in seiner Wohnsitzgemeinde und beim dortigen Fußballverein bei der Ausbesserung des Spielfeldes. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit Österreichern. Der Beschwerdeführer befindet sich in keiner Lebensgemeinschaft.
* Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens:
Der Beschwerdeführer begründete sein - ohnehin kaum feststellbares - Privatleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert war, bzw. zu einem Zeitraum, in welchem sich der Beschwerdeführer illegal in Österreich aufgehalten hat. Dem Beschwerdeführer stünde es aber auch frei, seine sozialen Anknüpfungspunkte, insbesondere seine freundschaftlichen Kontakte, in Österreich auch nach der Ausreise weiterhin aufrecht zu halten, zB über briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte. Im Hinblick auf die nach dem erstinstanzlichen Bescheid gesetzten Integrationsschritte hält das erkennende Gericht fest, dass diese Schutzwürdigkeit deutlich abgeschwächt ist, zumal der Beschwerdeführer nach dem negativen Bescheid der belangten Behörde nicht davon ausgehen konnte, dass das zweitinstanzliche Verfahren anders ausgehen wird.
* Bindungen zum Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan und steht auch mit ihnen in Kontakt. Der Beschwerdeführer spricht Paschtu und ein bisschen Deutsch. Der Beschwerdeführer arbeitete bereits in Pakistan und besuchte die Schule dort. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, bei seiner Rückkehr sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren bzw. wieder Kontakt zu seiner Familie aufzunehmen.
* Strafrechtliche Unbescholtenheit:
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
* Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal in Österreich ein.
* Die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst waren:
Dem Beschwerdeführer musste nach Ansicht des erkennenden Gerichts bereits bei der Einreise bewusst gewesen sein, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorrübergehender ist.
* Mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer:
Ein solches Verschulden ergibt sich aufgrund der Aktenlage nicht.
Im Zuge der Interessensabwägung kommt das erkennende Gericht somit zu folgendem Ergebnis:
Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit kurzer Zeit in Österreich, wobei er schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist ist. Den Großteil seines Lebens verbrachte der Beschwerdeführer in Pakistan und verfügt der Beschwerdeführer dort über seine gesamten familiären Anknüpfungspunkte, während in Österreich solche nicht bestehen. Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Deutschkurse und erwarb ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1, wobei seitens des erkennenden Gerichtes festgehalten wird, dass das Erlernen der deutschen Sprache keine für ihn ausschlaggebende Integration bedeutet. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme oder der Beschwerde keine bedeutenden Gründe vor, die für einen Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich im Vergleich zum öffentlichen Interesse auf Einhaltung der österreichischen fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen sprechen würden. Das erkennende Gericht schließt aus den vorgelegten Unterlagen und den Unterstützungsschreiben sehr wohl, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich um seine Integration bemüht ist, jedoch erscheinen die in den Unterstützungsschreiben vorgebrachten Kontakte nicht derart ausgeprägt, dass im Falle der Abschiebung von einem unzulässigen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann. Dies ergibt sich zunächst bereits daraus, dass die Unterstützungsschreiben eher allgemein gehalten sind und in keiner Weise darlegen, worin der Kontakt mit dem Beschwerdeführer nun konkret besteht. Hinweise auf eine tiefergehende Freundschaft oder intensiven Kontakten sind diesen Schreiben nicht zu entnehmen.
Dem gegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Seit der Antragstellung sind zudem erst ca drei Jahren vergangen. Der Beschwerdeführer hat keine nennenswerten privaten oder familiären Beziehungen geltend gemacht. Dass der Beschwerdeführer nicht straffällig geworden ist begründet noch keine für ihn ausschlagende Integration in Österreich. Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Pakistan und ist mit den dortigen Gebräuchen und dem dortigen Leben vertraut. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Heimatland ist aus diesem Gesichtspunkt gesichert. Es kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in Pakistan nicht möglich wäre und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über Anknüpfungspunkte in Pakistan verfügt. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse der Bundesrepublik Österreich an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG kann dem BFA nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgegangen ist, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht schlüssig geltend gemacht.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 lautet:
"Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Aus dieser Regelung, die im Übrigen im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich unter Bezugnahme auf in diesem Sinn ergangene Vorjudikatur dargelegt, dass in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben kann (vgl. den Beschluss des VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, mwN).
Eine mündliche Beschwerdeverhandlung kann trotz Beantragung unterbleiben, wenn das Bundesverwaltungsgericht ohnehin alle für den Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstände zu seinen Gunsten berücksichtigte (vgl. bereits den Beschluss des VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0219, mwN). Die Beschwerde trat der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht substantiiert entgegen und zeigte nicht auf, warum die vorgenommene - und von hg Seite geteilte - Beweiswürdigung falsch oder unschlüssig sein sollte, vielmehr wiederholte die Beschwerde das Vorbringen des Beschwerdeführer vor der belangten Behörde nur nochmals, wobei darauf zu verweisen ist, dass die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde weder ein substantiiertes Bestreiten der erstinstanzlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung darstellt (vgl. dazu zuletzt den Beschuss des VwGH vom 31.01.2018, Zl. Ra 2018/19/0029, mwN).
Aufgrund der oa. Ausführungen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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