BVwG L512 2209923-1

BVwGL512 2209923-112.3.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L512.2209923.1.00

 

Spruch:

L512 2209923-1/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan alias der islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt) stellte am XXXX nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

I.1.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 08.08.2015 zusammengefasst Folgendes vor:

 

Der BF sei am XXXX geboren, der BF sei Sunnit und gehöre der Volksgruppe der XXXX an. Er habe neun Jahre lang die Grundschule besucht und habe den Beruf eines XXXX erlernt. Zuletzt habe er als Angestellter gearbeitet.

 

Der BF habe seine Heimat verlassen, da sein jüngerer Bruder XXXX bei einem Bombenanschlag in seiner Schule getötet wurde. Terroristen hätten auch in anderen Schulen in XXXX Zettel geworfen, dass sie auch auf diese Schulen Bombenanschläge verüben würden. Der BF hätte daher nicht in die Schule gehen können und deshalb sein Heimatland verlassen, damit er im Ausland in die Schule gehen könne. Das seien alle seine Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr nach Pakistan habe er Angst von den Terroristen getötet zu werden. Von staatlicher Seite habe er in der Heimat keine Sanktionen zu befürchten [Aktenseite (AS) 1 ff.]

 

I.1.2. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig mit XXXX , wurde die Obsorge bezüglich des BF an XXXX , XXXX XXXX , übertragen. Als Geburtsdatum wurde in diesem Verfahren der XXXX angegeben bzw. angeführt. Zudem wurde als Staatsbürgerschaft die von Afghanistan angeführt (AS 75ff.).

 

I.1.3. Vor einer Organwalterin der belangten Behörde brachte der BF am 03.04.2017 im Wesentlichen zum Fluchtgrund Folgendes vor:

 

Sein Bruder XXXX sei bei einem Bombenanschlag auf seine Schule getötet worden. Terroristen hätten Drohbriefe in die Schulen, auch in die des BF geschmissen und hätten gedroht weitere Anschläge durchzuführen. Der BF habe Angst bekommen und habe seine Schule XXXX verlassen. Der BF sei dann 2, 3 Monate zuhause gewesen. Der Vater des BF habe dann Geld aufgenommen und den BF ins Ausland geschickt. Außerdem habe es 2 oder 3 Minuten von ihrer Wohnung entfernt einen Bombenanschlag gegeben, wobei der BF und sein Vater verletzt worden wären. Sie seien damals im Jahre 2013 beim Einkaufen gewesen. Der BF sei auch einmal in die Moschee zum Beten gegangen. Es habe einen Anschlag gegeben. Dies sei in der Nähe ihrer Wohnung gewesen. Der BF habe davon ein Video gemacht.

 

Zur Person des BF führte dieser unter anderem an, er habe keine Verwandten in Österreich.Er habe Freunde in Österreich. Er besuche derzeit einen Deutschkurs auf A2 Niveau. Er habe die Prüfung auf A1 Niveau bereits bestanden. Der BF erhalte staatliche Unterstützung, gehe in Österreich derzeit keiner Arbeit nach. Der BF habe gearbeitet (AS 137 ff.).

 

I.1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz "BFA") gab ein Sachverständigengutachten bezüglich einer Unterscheidung Minder- bzw. Volljährigkeitsbeurteilung bezüglich des BF in Auftrag. In dem entsprechenden Gutachten eines Sachverständigen wurde zusammengefasst erörtert, dass die Zusammenschau der erhobenen Befunde (Anamnese/klinische Untersuchung, Handröntgen, Zahnpanorama, Schlüsselbein-CT) ergebe, dass das absolute Mindestalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt vom XXXX Jahre, zum Asylantragsdatum XXXX Jahre betrage bzw. ein assoziiertes, spätestmöglichstes "fiktives" Geburtsdatum von XXXX . Das laut Zuweisung vorliegende Geburtsdatum des BF ( XXXX ) entspreche einem Lebensalter von XXXX zum Untersuchungsdatum. Anhand der erhobenen Befunde würde sich der BF damit zum Asylantragsdatum am XXXX im Altersbereich von Min XXXX und Max XXXX befinden. Eine Minderjährigkeit des BF könne zum Asylantragsdatum nicht mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden (AS 201 ff.).

 

I.1.5. Eine ergänzende Einvernahme vor einer Organwalterin der belangten Behörde erfolgte am 19.02.2018.

 

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 3 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Antrages auf internationalen Schutzes des BF aberkannt (Spruchpunkt IV.) (AS 449 ff.).

 

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen zu den persönlich gegen den BF gerichteten Verfolgungshandlungen aufgrund näher dargestellter Unplausibiltäten als unglaubwürdig.

 

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

 

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG wurde einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz des BF die aufschiebende Wirkung aberkannt, da der BF über seine wahre Identität trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat.

 

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung Beschwerde erhoben (AS 737 ff.).

 

I.4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ: XXXX , wurde der Beschwerde des BF gemäß § 18 Absatz 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

I.5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer

 

Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF ist pakistanischer Staatsangehöriger sowie der moslemisch-sunnitischen Glaubensrichtung zugehörig. Es kann nicht festgestellt werden, dass welcher Volksgruppe der BF angehört. Der BF stammt aus der XXXX in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, spricht die Sprachen Urdu, Hindko, Paschtu bzw. ein bisschen Dari und ein bisschen Englisch und hat in Pakistan acht bzw. neun Jahre lang die Grundschule besucht. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

 

Der BF ist Drittstaatsangehöriger, leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung, ist arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

Der BF verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage. In Österreich leben keine Verwandten des BF. In Pakistan leben die Mutter, drei Brüder und zwei Schwestern des BF.

 

Im August 2015 reiste der BF illegal in das Bundesgebiet ein.

 

Der BF war im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als XXXX (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom XXXX bis XXXX für eine Ganztagesbeschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von € 700,-- brutto. Der BF hat die Lehre als XXXX abgebrochen. Der BF ist im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom XXXX bis XXXX .

 

Der BF hat Deutschkurse besucht und hat diesbezügliche Prüfungen auf A1 Niveau mit "gut bestanden", auf A2 Niveau ebenfalls mit "gut bestanden" absolviert. Der BF hat einen Lehrgang an der BHMS für Jugendliche ohne Kenntnis der Unterrichtssprache Deutsch mit der Fachpraxis kaufmännische Praktikum absolviert. Der BF hat in den Monaten XXXX beim XXXX XXXX Reinigungsarbeiten und Gartenarbeiten durchgeführt.

 

Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF ist unbescholten.

 

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

 

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 31.7.2018: Wahlen am 25.7.2018

 

Am 25. Juli 2018 fanden in Pakistan Wahlen statt. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass zwei gewählte Regierungen in Folge ihre volle Amtszeit dienen konnten (EUEOM 27.7.2018). Neben der Nationalversammlung wurden auch vier Provinzversammlungen (Punjab, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan) gewählt (NDTV 26.7.2018).

 

Laut offiziellem Resultat der Wahlkommission erlangte die Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) von Imran Khan 115 Sitze im Parlament in Islamabad. Die bisherige Regierungspartei Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) unter Shehbaz Sharif folgte mit 64 Sitzen, die Partei Pakistan Peoples Party (PPP) von Bilawal Bhutto kam mit 43 auf den dritten Platz (Dawn 30.7.2018). Khan hat noch keinen Koalitionspartner. Um alleine regieren zu können, hätte die PTI 137 Sitze benötigt (NZZ 28.7.2018). Die PML-N und PPP kündigten bereits an, in der Opposition gegen Imran Khan zusammenzuarbeiten (Dawn 30.7.2018). Imran Khan begann zunächst Koalitionsgespräche mit der Partei Muttahidda Qaumi Movement (MQM) (Dawn 28.7.2018).

 

Die Armee hatte am Wahltag 370.000 Soldaten eingesetzt, die die Wahllokale sichern sollten (NZZ 28.7.2018; vgl. EUEOM 27.7.2018). Zusätzlich waren 450.000 Polizisten im Einsatz. Die Befugnisse des Sicherheitspersonals wurden im Vergleich zur vorigen Wahl erweitert (EUEOM 27.7.2018). Erstmals waren Soldaten nicht nur vor, sondern auch in den Wahllokalen anwesend, auch während der Auszählung der Stimmen. Der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, Michael Gahler, sagte am Donnerstag gegenüber lokalen Medien, dem ersten Eindruck nach hätten sich die Soldaten strikt an ihren Einsatzbefehl gehalten (NZZ 28.7.2018).

 

Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission landesweit bei 51,7 Prozent (ECP o.D.). Etwa 106 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Neun Millionen Frauen hatten sich erstmals als Wählerinnen registrieren lassen. Obwohl es vereinzelt Beschwerden gab, dass Frauen von der Stimmabgabe abgehalten wurden, war die Wahlbeteiligung von Frauen anscheinend höher als früher. Die Wahlkommission hatte angeordnet, dass die Ergebnisse von Distrikten, in denen die Stimmen der Frauen unter 10 Prozent blieben, ungültig seien. Fast alle Parteien umwarben deshalb in diesem Jahr die Pakistanerinnen, wählen zu gehen (NZZ 28.7.2018). In den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) stieg die Zahl der Frauen, die als Wählerinnen registriert waren, um 66 Prozent gegenüber der vorhergehenden Wahl (EUEOM 27.7.2018; vgl. NZZ 28.7.2018).

 

Obwohl Schritte unternommen wurden, die Beteiligung von Minderheiten an den Wahlen zu sichern, blieb die Situation der Ahmadiya-Gemeinschaft unverändert. Ahmadis werden weiterhin in einem separaten Wählerverzeichnis geführt Eine Novelle des Wahlgesetzes 2017 hätte Ahmadis ins generelle Wählerverzeichnis inkludiert, diese Änderung wurde jedoch am 23.11.2017 nach Massenprotesten wieder rückgängig gemacht (EUEOM 27.7.2018).

 

Die Wahlverlierer prangerten auch Wahlfälschung an und erklärten, sie würden das Ergebnis nicht anerkennen. Sharif erklärte, das Militär habe die Abstimmung zugunsten Khans manipuliert. Auch Bilawal Bhutto sprach, ebenso wie Vertreter islamistischer Parteien, von Wahlfälschung (NZZ 28.7.2018). Die Wahlbeobachtermission der EU schätzte den Wahlvorgang als transparent und gut durchgeführt ein, bemerkte jedoch Schwierigkeiten bei der Auszählung. Die Wahlhelfer hielten die Prozeduren nicht immer ein und hatten Schwierigkeiten, die Formulare für die Resultatsübermittlung korrekt auszufüllen (EUEOM 27.7.2018). Bei der pakistanischen Wahlkommission wurden bis kurz nach Schließung der Wahllokale 654 Beschwerden registriert, die ausschließlich Verstöße gegen die Wahlordnung betreffen würden. Über das Militär habe es keine Beschwerde gegeben (Standard 26.7.2018). Durch technische Probleme im erstmals eingesetzten Result Transmission System (RTS) kam es zu Verzögerungen der Bekanntgabe von Sprengelergebnissen an die Wahlkommission (EUEOM 27.7.2018).

 

Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale (EUEOM 27.7.2018). Bei einem Selbstmordanschlag in Quetta kamen 31 Menschen ums Leben, darunter auch Kinder und Polizisten, 35 Personen wurden verletzt. Der IS reklamierte den Anschlag für sich (Standard 26.7.2018; vgl Dawn 26.7.2018). In Khuzdar wurde bei einem Granatenangriff auf ein Wahllokal ein Polizist getötet (Dawn 26.7.2018; vgl. Standard 25.7.2018). Weiters gab es regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018). Bereits im Vorfeld der Wahl waren bei mehreren Anschlägen auf Parteien und Kandidaten mehr als 180 Menschen getötet worden (Standard 25.7.2018; vgl. Kurzinformation vom 18.7.2018).

 

Reporter ohne Grenzen berichten von zahlreichen Einschränkungen für Journalisten während des Wahlkampfes. In den vergangenen Monaten seien unabhängige Medien wiederholt zensiert und kritische Journalisten bedroht, tätlich angegriffen und entführt worden (ROG 25.7.2018). Auch die Wahlbeobachtermission der EU sah deutliche Hinweise für Einschränkungen der Redefreiheit durch staatliche und nicht-staatliche Akteure (EUEOM 27.7.2018). Gemäß Reporter ohne Grenzen versuchten insbesondere das Militär und die Geheimdienste eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern (ROG 25.7.2018). Weit verbreitete Selbstzensur der Berichterstatter hinderte gemäß EU-Wahlbeobachtermission Wahlberechtigte daran, eine qualifizierte Wahlentscheidung zu treffen (EUEOM 27.7.2018).

 

Quellen:

 

* Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends , Zugriff 30.7.2018

 

* Dawn (28.7.2018): Imran starts preparations for formation of govt at Centre,

https://www.dawn.com/news/1423370/imran-starts-preparations-for-formation-of-govt-at-centre , Zugriff 30.7.2018

 

* Dawn (30.7.2018): PPP, PML-N join hands to give Imran tough time, https://www.dawn.com/news/1423776/ppp-pml-n-join-hands-to-give-imran-tough-time , Zugriff 30.7.2018

 

* ECP -Election Commission of Pakistan (o.D.a): Assembly Wise Voters Turnout, https://www.ecp.gov.pk/frmstats.aspx , Zugriff 30.7.2018

 

* EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf , Zugriff 30.7.2018

 

* NDTV - New Delhi Television Limited (26.7.2018): Pakistan Election Results Live Updates: "Want To Fix India-Pak Ties," Says Imran Khan, https://www.ndtv.com/world-news/pakistan-election-result-2018-live-updates-imran-khan-on-brink-of-victory-after-millions-vote-in-pak-1889205 , Zugriff 30.7.2018

 

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (28.7.2018): Imran Khan triumphiert in Pakistan,

https://www.nzz.ch/international/wahlen-in-pakistan-imran-khan-triumphiert-ld.1406380 , Zugriff 30.7.2018

 

* ROG - Reporter ohne Grenzen (25.7.2018): Pakistan - Einschränkungen während Wahlkampfes, http://www.rog.at/pm/pakistan-einschraenkungen-waehrend-wahlkampfes/ , Zugriff 30.7.2018

 

* Standard, der (25.7.2018): Dutzende Tote in Pakistan bei Anschlag am Wahltag,

https://derstandard.at/2000084092243/Dutzende-Tote-bei-Anschlag-am-Tag-der-Parlamentswahl-in-Pakistan , Zugriff 30.7.2018

 

* Standard, der (26.7.2018): Ex-Cricketstar Imran Khan steuert auf Wahlsieg in Pakistan zu,

https://derstandard.at/2000084154112/Pakistans-Regierungspartei-PML-N-spricht-von-Wahlfaelschung , Zugriff 30.7.2018

 

KI vom 18.7.2018: Anschläge und Proteste im Vorfeld der Wahlen am 25.7.2018

 

Im Vorfeld der Wahlen am 25. Juli 2018 kam es zu zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern (Dawn 13.7.2018a).

 

Am 13. Juli sind bei einem Selbstmordanschlag in Mastung, Provinz Belutschistan, nach offiziellen Angaben 149 Menschen ums Leben gekommen und über 200 Menschen verletzt worden (CNN 16.7.2018). Das Attentat hatte einer Veranstaltung der Baluchistan Awami Partei gegolten (Dawn 13.7.2018a; vgl. ORF 13.7.2018, CNN 16.7.2018). Es ist der schwerste Anschlag in Pakistan seit vielen Jahren - ähnlich viele Tote gab es zuletzt beim Angriff der Taliban auf die Armeeschule in XXXX im Dezember 2014 mit ca. 150 Toten (Standard 14.7.2018) - und der Terrorangriff mit den zweitmeisten Todesopfern in der Geschichte Pakistans (CNN 16.7.2018). Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (ORF 13.7.2018; vgl. CNN 16.7.2018, Standard 14.7.2018), ebenso wie die Ghazi-Gruppe der radikalislamischen Taliban (Standard 14.7.2018). In Folge des Anschlages wurden die Wahlen im Wahlkreis PB-35 (Mastung) verschoben (Nation 14.7.2018).

 

Ebenfalls am 13. Juli wurden in Bannu [Provinz Khyber Pakhtunkhwa, nahe der Grenze zu den ehem. Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA)] bei einem Anschlag auf eine Wahlkampfveranstaltung des Chief Minister der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Akram Khan Durrani, vier Menschen getötet und 32 Menschen verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. News 13.7.2018). Durrani wurde bei dem Anschlag nicht verletzt (Express Tribune 13.7.2018; vgl. Dawn 13.7.2018b). Durrani tritt im Wahlkreis NA-35 (Bannu) als Kandidat der Partei Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) an (Dawn 13.7.2018b; vgl News 13.7.2018). Ebenfalls in Bannu wurden wenige Tage zuvor am 7.7. bei einem Bombenangriff auf einen Konvoi des Kandidaten der Muttahida Majlis-i-Amal (MMA) für den Wahlkreis PK-89, Sherin Malik, sieben Personen, darunter der Kandidat, verletzt (Dawn 7.7.2018).

 

Am 10. Juli wurden bei einem Selbstmordanschlag in XXXX , Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 22 Menschen getötet und 63 Personen verletzt (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 11.7.2018). Unter den Toten befindet sich Haroom Bilour, Provinzvorsitzender der Awami National Party (ANP) (Dawn 10.7.2018a) und Kandidat für den Wahlkreis XXXX PK-78 (Nation 11.7.2018; vgl. Dawn 10.7.2018a). Die Pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die ANP war bereits im Vorfeld der Wahlen 2013 ein Hauptziel der Taliban (Nation 11.7.2018). Gemäß Angaben der Taliban wurde der Angriff auf Bilour aufgrund deren "anti-islamischen Politik" durchgeführt (Dawn 10.7.2018a; vgl. CNN 11.7.2018). Die Behörden gaben an, dass der Bombenanschlag ein gezieltes Attentat auf Haroom Biloor gewesen sei. Als Folge des Angriffes wurden die Wahlen im Wahlkreis PK-78 verschoben (Dawn 10.7.2018a).

 

Am 13. Juli kehrten der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif und seine Tochter Maryam aus Großbritannien nach Pakistan zurück. Sie wurden bei ihrer angekündigten Ankunft am Flughafen Lahore verhaftet, nachdem sie eine Woche zuvor wegen Korruption in Abwesenheit zu zehn bzw. sieben Jahren Haft verurteilt wurden (CNN 13.7.2018; vgl. New York Times 13.7.2018). In Lahore kam es zu Protesten von Anhängern der Partei Pakistani Muslim League-Nawaz (PML-N), die vom ehemaligen Chief Minister der Provinz Punjab und derzeitigem Parteiführer der PML-N Shahbaz Sharif - Bruder des ehemaligen Premierministers - angeführt wurden (CNN 13.7.2018). Im Vorfeld der angekündigten Proteste wurden etwa 500 Mitglieder der PML-N von den Sicherheitskräften verhaftet (CNN 13.7.2018).

 

Am 9. Juli veröffentlichte die Nationale Behörde für Terrorismusbekämpfung (National Counter Terrorism Authority - NACTA) die Namen von sechs Persönlichkeiten, für die besondere Gefahr durch terroristische Angriffe bestünde: Imran Khan, Vorsitzender der Pakistan Tehreek-i-Insaf; Asfandyar Wali und Ameer Haider Hoti, Vorsitzende der Awami National Party; Aftab Sherpao, Vorsitzender der Qaumi Watan Party; Akram Khan Durrani, Vorsitzender der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl; und Talha Saeed, Sohn von Hafiz Saeed. Weitere Bedrohungen bestünden gegen die Führungsebenen der Pakistan Peoples Party und der Pakistan Muslim League-Nawaz. Das Innenministerium wurde angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen für die Parteiführungen zu erhöhen (Dawn 10.7.2018b). Für den Wahltag am 25.7. werden etwa 372.000 Sicherheitskräfte eingeteilt, um einen sicheren Ablauf der Wahl zu gewährleisten (CNN 11.7.2018; vgl. Nation 14.7.2018).

 

Quellen:

 

* CNN (11.7.2018): Pakistani Taliban claims responsibility for deadly election suicide attack, https://edition.cnn.com/2018/07/11/asia/pakistan- XXXX -taliban-suicide-attack-intl/index.html, Zugriff 17.7.2018

 

* CNN (13.7.2018): Former Pakistani Prime Minister Nawaz Sharif arrested after return,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/nawaz-maryam-sharif-return-intl/index.html , Zugriff 17.7.2018

 

* CNN (16.7.2018): At least 149 killed in Pakistan terror strike targeting political rally,

https://edition.cnn.com/2018/07/13/asia/pakistan-suicide-attack-balochistan-intl/index.html , Zugriff 17.7.2018

 

* Dawn (10.7.2018a): TTP claims responsibility for XXXX blast; ANP's Haroon Bilour laid to rest, https://www.dawn.com/news/1419202 , Zugriff 17.7.2018

 

* Dawn (10.7.2018b): Nacta names six politicians under threat from terrorists, https://www.dawn.com/news/1419042 , Zugriff 17.7.2018

 

* Dawn (13.7.2018): Mastung bombing: 128 dead, over 200 injured in deadliest attack since APS, IS claims responsibility, https://www.dawn.com/news/1419812 , Zugriff 17.7.2018

 

* Dawn (13.7.2018b): Blast targets convoy of JUI-F leader Akram Khan Durrani in Bannu, 4 killed,

https://www.dawn.com/news/1419792/blast-targets-convoy-of-jui-f-leader-akram-khan-durrani-4-killed , Zugriff 17.7.2018

 

* Dawn (7.7.2018): 7 including MMA candidate injured in Bannu blast, https://www.dawn.com/news/1418562 , Zugriff 17.7.2018

 

* Express Tribune, the (13.7.2018): Four die as blast targets Durrani,

https://tribune.com.pk/story/1756834/1-least-four-killed-16-injured-akram-durranis-convoy-comes-attack/ , Zugriff 17.7.2018

 

* Nation, the (11.7.2018): XXXX attack: death toll rises to 22, https://nation.com.pk/11-Jul-2018/ XXXX -attack-death-toll-increase-to-20, Zugriff 17.7.2018

 

* Nation, the (14.7.2018): BAP candidate among 128 killed in Mastung blast,

https://nation.com.pk/14-Jul-2018/bap-candidate-among-128-killed-in-mastung-blast?show=preview/ , Zugriff 17.7.2018

 

* News, the (13.7.2018): Four killed in bomb attack on Akram Durrani's rally in Bannu,

https://www.thenews.com.pk/latest/341264-several-injured-in-bomb-attack-near-convoy-of-ex-kp-cm-akram-durrani , Zugriff 17.7.2018

 

* ORF (13.7.2018): Anschlag in Pakistan: Zahl der Opfer steigt auf 128, http://www.orf.at//stories/2446861/ , Zugriff 17.7.2018

 

* Standard, der (14.7.2018): Nach Selbstmordanschlag: Zahl der Toten steigt auf 140,

https://derstandard.at/2000083427458/Zwei-Bomben-im-pakistanischen-Wahlkampf-mindestens-20-Tote , Zugriff 17.7.2018

 

Politische Lage

 

Pakistan ist ein Bundesstaat der sich aus den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa zusammensetzt. Das Hauptstadtterritorium Islamabad ("Islamabad Capital Territory") ist eine eigene Verwaltungseinheit unter Bundesverwaltung. Für die "Federally Administered Tribal Areas" (FATA, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) bestimmte bis 28.5.2018 die pakistanische Verfassung, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze nur dann gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet (AA 10 .2017a). Am 28.5.2018 unterzeichnete Präsident Mamnoon Hussain die FATA Interim Governance Regulation 2018, die etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit Khyber Pakhtunhkhwa vereinigt und die ehemaligen Stammesgebiete werden mittels der FATA Interim Governance Regulation durch die Provinz Khyber Pakhtunkhwa verwaltet (Geo.tv 31.5.2018).

 

Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10 .2017a).

 

Das Ergebnis der Volkszählung 2017 ergab für Pakistan 207.774.520 Einwohner (PBS 2017a) ohne Berücksichtigung von Azad Jammu & Kashmir und Gilgit Baltistan (TET 25.7.2018). Das Land ist laut CIA World Factbook der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 23.2.2018).

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform ("Eighteenth Amendment of the Constitution of Pakistan") verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10 .2017a).

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 10 .2017a).

 

Seit 1.8.2017 ist der bisherige Ölminister Shahid Khaqan Abbasi (von der Regierungspartei PML-N) neuer Ministerpräsident. Der bisherige Ministerpräsident Nawaz Sharif war am 28.8.2017 vorzeitig zurückgetreten, nachdem Pakistans Oberster Gerichtshof Sharifs Amtsenthebung angeordnet hatte. Grundlage für die Amtsenthebung ist das Verschweigen von Einkommen aus einer ausländischen Firmenbeteiligung, die Sharif der Wahlkommission bei seiner Registrierung als Kandidat 2013 hätte anzeigen müssen. Die Korruptionsvorwürfe gegen Sharif und seine Familie sind mit der "Panama-Papers-Affäre" verbunden (AA 10 .2017a). Im April 2018 wurde Nawaz Sharif von einem fünfköpfigen Anti-Korruptionsgericht auf Lebenszeit von der Übernahme eines öffentlichen Amtes gesperrt (AJ 13.4.2018).

 

Die letzten Parlamentswahlen fanden am 11.5.2013 statt. Damals löste die Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Parteichef Nawaz Sharif eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 bis 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte bei den Wahlen eine absolute Mehrheit der Mandate. Dieses deutliche Ergebnis ist auch auf das in Pakistan geltende Mehrheitswahlrecht zurückzuführen. Landesweit stimmten ca. ein Drittel der Wähler für die PML-N. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die PPP, gefolgt von der Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion. Am 5.6.2013 wurde Nawaz Sharif vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn war es, nach 1990 und 1999, die dritte Amtszeit als pakistanischer Regierungschef (AA 10 .2017a).

 

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 % der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate, der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, wurde in seinem Amt als Chief Minister bestätigt. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei (NP) geführt, die eine Koalition mit der PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 10 .2017a).

 

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 10 .2017a). Die nächsten Parlamentswahlen finden am 15.7.2018 statt (Samaa 20.12.2017).

 

Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange in Islamabad. Anlass der Proteste war eine Zeile in der Novelle des Wahlgesetzes (Elections Act 2017), die nach Meinung der Demonstranten den Khatm-i-Nabuwwat-Eid [Anm.: legt die Endgültigkeit des Prophetentums Mohammads fest] veränderte (Dawn 28.11.2017). Nach diesen Änderungen wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht. Dennoch forderten die Demonstranten den Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Nachdem der Islamabad High Court (IHC), der Supreme Court sowie verschiedene religiöse Parteiführer aufgefordert hatten, die Proteste zu beenden, hat der IHC letztlich die Distriktverwaltung aufgefordert, die Demonstranten "mit allen nötigen Mitteln" vom Autobahnknoten zu entfernen. Nach mehreren vergeblichen Verhandlungsrunden wurde Innenminister Ahsan Iqbal vom IHC verwarnt, er könne wegen Missachtung eines Gerichtsentscheides angeklagt werden. Weiters stellte der IHC fest, dass die Demonstranten aufgrund der wiederholten Missachtung der Gerichtsanordnung zur Auflösung der Proteste einen "terroristischen Akt" begangen hätten. Nach einem verstrichenen Ultimatum begann die Regierung am 25.11.2017 mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Die zur Unterstützung gerufene Armee verweigerte ihr Eingreifen, wodurch weitere Verhandlungen mit den Demonstranten notwendig wurden. Die Blockade wurde aufgelöst, nachdem einigen Forderungen der Demonstranten nachgegeben wurde, Zahid Hamid musste als Justizminister zurücktreten (Dawn 28.11.2017).

 

Mit der Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa am 31.5.2018 (Geo.tv 31.5.2018) wurde die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa von 124 auf 145 erhöht. Insgesamt wird die ehemalige FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018). Politische Parteien durften in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) seit 2011 aktiv werden (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10 .2017a). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

 

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit XXXX , wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 10 .2017a).

 

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10 .2017a). Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.] Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

 

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

 

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in XXXX am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 10 .2017a).

 

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht, dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen vorgingen (USDOS 7.2017).

 

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen, Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert (USDOS 7.2017).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere 1.736 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35 Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nicht-belutschische Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

 

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443 Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere 28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

 

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

 

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von IS-Unterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch, vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

 

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016:

749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von 1.956 auf 2.212 (PIPS 1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 % weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18 in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab (2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492), davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern durchgeführt (PIPS 1.2017).

 

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

 

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

 

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen, insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regionale Verteilung der Gewalt

 

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus:

PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben. Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit 61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-59).

 

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi. Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wichtige Terrorgruppen

 

Im Jahr 2017 ging die Zahl terroristischer Anschläge weiter zurück, doch aufständische Gruppierungen stellen weiterhin eine starke Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes dar. Die Gruppierungen unterliegen wie bereits 2016 einer konstanten Transformation. Eine bisher unbekannte Gruppierung namens Ansarul Sharia wurde in Karatschi aktiv und verstärkte Aktivitäten von Daesh / ISIS stellen eine neue Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar (PIPS 1.2018).

 

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte aufständische Gruppe in Pakistan (EASO 7.2016); 70 Angriffe mit 186 Toten gingen 2017 auf ihr Konto (PIPS 1.2018 S 83f). Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint, als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nord-Wasiristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6 .2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operationen in Nord-Wasiristan und in der Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die TTP konnte ihre internen Streitigkeiten 2017 durch die Wiedereingliederung der größten Fraktion aus Süd-Wasiristan in die Hauptgruppe beilegen (PIPS 1.2018 S 83f).

 

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den [ehem.] FATA aktiv, sie werden als lokale Taliban bezeichnet (PIPS 1.2018 S 85). Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6 .2013).

 

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Die LeJ erlitt 2016 starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke in Belutschistan und Sindh durch die Sicherheitskräfte zu erklären (PIPS 1.2018 S 87).

 

Jamaatul Ahrar (JuA) war 2017 Urheberin von 37 terroristischen Anschlägen (2016: 66) mit 123 Toten, vorwiegend in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa. JuA wurde 2017 durch interne Streitigkeiten sowie durch Tötungen mehrerer Kommandanten stark geschwächt (PIPS 1.2018 S 84f).

 

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt (PIPS 1.2018). Nachdem die nationalistischen Gruppen 2016 durch Sicherheitsoperationen und interne Krisen stark geschwächt wurden (PIPS 1.2017), stieg die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen 2017 wieder an. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, die 2017 42 Angriffe mit 51 Todesopfern durchführte, ein leichter Rückgang verglichen mit 55 Angriffen 2016. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind die Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und die Balochistan Liberation Front (PIPS 1.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Zwangsrekrutierung und Drohbriefe

 

Bei der Zwangsrekrutierung handelt es sich um eine Rekrutierung, die unter Androhung von Gewalt oder anderen Formen von Bedrohung durchgeführt wird. Die zu diesem Thema befragten Interviewpartner gaben im Rahmen der FFM 2015 an, dass ihnen keine derartigen Fälle bekannt sind (BFA 9.2015). Allerdings gab es für die Zeit der Besetzung des Swat-Tals durch die Taliban [Anm.: 2009 durch die Regierung beendet] Berichte zu Zwangsrekrutierungen. Die Taliban entführten Kinder und setzen durch, dass Familien entweder Geld oder ein Familienmitglied zur Verfügung stellen (Abbas 2015; vgl. The Telegraph 30.5.2009). Die bei der FFM 2013 interviewte Sozialwissenschaftlerin an der National Defence University erläuterte derartige Beispiele für Rekrutierungen bei der Übernahme des Swat-Tals. Einige Unwillige wurden zur Abschreckung getötet, diese Botschaft verbreitete sich rasch und die Eltern gaben ihre Kinder den Taliban als Kämpfer mit. Ebenso spielten allerdings ökonomische und religiöse Faktoren eine Rolle. Taliban waren eine Art Unternehmen, mit zwar geringer, aber monatlicher Bezahlung, und es wurde propagiert, dass die Jungen etwas für Gott täten, und die Religion studieren würden (BAA 6 .2013). Bildungseinrichtungen und radikale Segmente von religiösen Gruppen sind attraktive Rekrutierungsböden für Aufständische (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Ehemalige Federal Administered Tribal Areas - FATA

 

Das Gebiet der [Anm.: ehemaligen] FATA (Federal Administered Tribal Areas, Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) liegt strategisch bedeutend an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan und ist charakterisiert durch eine überwiegend paschtunische Bevölkerung und eine stark tribale Struktur mit über 24 Hauptstämmen (FRC 24.1.2017). Zur Volkszählung 2017 lebten fünf Millionen Menschen in den [ehem.] FATA (PBS 2017a), das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt 3,76 % (FRC 24.1.2017).

 

Die [ehem.] FATA wurden am 31.5.2018 Teil der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 31.5.2018; vgl. GEO.tv 31.5.2018). Die Verwaltungsgliederung der ehem. FATA innerhalb der Provinz Khyber Pakhtunkhwa besteht aus sieben Tribal Districts - Bezeichnung bis 31.5.2018: Agencies - Bajaur, Khyber, Kurram, Mohmand, Orakzai, Nord- und Süd-Wasiristan (FRC 24.1.2017; vgl. PBS 2017, Dawn 31.5.2018) - denen jeweils ein Deputy Commissioner - Bezeichnung bis 31.5. 2018 Political Agent - vorsteht (FRC 24.1.2017; vgl. Dawn 31.5.2018). Die bis 31.5.2018 bestehenden Frontier Regions, sie werden von den Distrikten Bannu, Dera Ismail Khan, Kohat, Lakki Marwat, XXXX und Tank aus verwaltet (BFA 9.2015; vgl. PBS 2017), werden als Subdivisions in die entsprechenden, bereits bestehenden Distrikte eingegliedert (Dawn 31.5.2018).

 

Die Sicherheitslage in den [ehem.] FATA hat sich aufgrund mehrerer militärischer Operationen seit 2008 verbessert (BFA 9.2015). Die Militäroperationen und Aktionen gegen Aufständische in den [ehem.] FATA sind abgeschlossen, aber die Region ist eine ehemalige Kriegszone und Instabilität ist weiterhin eine Bedrohung (Dawn 29.5.2018). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Gewaltvorfälle in den [ehem.] FATA im Vergleich zu 2015 deutlich zurück (FRC 24.1.2017) und auch im Jahr 2017 war ein Rückgang der Zahl an terroristischen Vorfällen um 16 % im Vergleich zum Vorjahr zu registrieren. Allerdings lag bei diesen Vorfällen die Zahl der Toten um 55 % und die Zahl der Verletzten um 122 % über dem Vorjahreswert (PIPS 1.2018).

 

In Khyber Agency wurde Ende 2014 die Militäroperation "Khyber-1" und von März 2015 bis Juli 2015 "Khyber-2" durchgeführt (BFA 9.2015). 2016 wurde die Militäroperation als "Khyber-3" fortgesetzt (FRC 24.1.2017) und die Operation "Khyber-4" wurde nach einer Dauer von einem Monat am 21.8.2017 erfolgreich beendet (TET 21.8.2017). In Nord-Wasiristan wurde die militärische Operation "Zarb-e Azb" von Juni 2014 bis April 2016 durchgeführt (Nation 6.9.2016). In der Kurram Agency sind die Schiiten in der Mehrheit und diese Agency ist geprägt von religiös-sektiererisch motivierter Gewalt. In den Jahren 2007 bis 2012 gab es besonders viele Kämpfe und nach einer Entspannung aufgrund von Friedensgesprächen (BFA 9.2015) gab es 2017 in der Kurram Agency zahlreiche große Terrorangriffe mit insgesamt 154 Toten (PIPS 1.2018). Aus der Orakzai Agency sind nach der militärischen Operation 2009 die meisten Aufständischen geflohen. Es kommt zu religiös-sektiererisch motivierter Gewalt, jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß wie in Kurram Agency (BFA 9.2015). In Süd-Wasiristan wurde im Jahr 2009 eine militärische Operation durchgeführt. Seitdem hat das Militär seine Präsenz etabliert und es kommt nur noch zu sporadischen Angriffen der Aufständischen (BFA 9.2015).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in den [ehem.] FATA 18 terroristische Angriffe mit 17 Toten und 23 Verletzten. Es kam in allen sieben Agencies zu Vorfällen. Die meisten Todesopfer waren in Kurram zu beklagen (1 Vorfall, 7 Tote), die meisten Vorfälle in Mohmand (5 Vorfälle, 3 Tote). Unter den Todesopfern befanden sich elf Zivilisten und drei Soldaten sowie drei Todesopfer ohne nähere Angabe von Details (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

Im Jahr 2017 waren die [ehem.] FATA die am zweitstärksten vom Terrorismus betroffene Region Pakistans. PIPS registrierte 83 terroristische Angriffe in den [ehem.] FATA, bei denen 253 Menschen ums Leben kamen - darunter 192 Zivilisten, 57 Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte und vier Aufständische - und 491 Personen verletzt wurden. Bei den terroristischen Angriffen in den [ehem.] FATA 2017 kam es zu drei suizidalen Explosivangriffen, 63 Explosionen von unkonventionellen Spreng- und Brandsätzen, zwölf Schießereien, zwei Granatangriffen und einem Raketenangriff (PIPS 1.2018).

 

Obwohl Vorfälle in allen sieben Agencys vorkamen, waren die meisten Opfer in der Kurram Agency zu beklagen: Bei elf Anschlägen, darunter einige religiös-sektiererisch motivierte durch die Gruppen Jamaatul Alar, TTP und Lashkar-e-Jhangvi, wurden 154 Menschen getötet, d. h. ca. 60 % aller Toten in den [ehem.] FATA entfielen auf die Kurram Agency. Die größte Zahl von Anschlägen wurde in der Khyber Agency registriert, wo bei 24 Angriffen durch die TTP, Lashkar-e Islam und Jamaatul Ahrar 24 Menschen getötet und 19 verletzt wurden (PIPS 1.2018).

 

Die TTP führte in den Agencies Nord- und Süd-Wasiristan insgesamt 17 Anschläge mit 43 Toten durch. In der Mohmand Agency führten vorwiegend die Jamaatul Ahrar sowie einzelne unbekannte Gruppen 13 Angriffe mit 15 Toten durch. In der Orakzai Agency waren die TTP gemeinsam mit örtlichen Taliban-Gruppierungen für fünf Anschläge mit vier Toten verantwortlich (PIPS 1.2018).

 

Neben den o. a. 83 terroristischen Angriffen gab es 2017 in den [ehem.] FATA 18 Militäraktionen und vier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen zu verzeichnen. Es gab 27 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan, vorwiegend durch pakistanische Mitglieder der Taliban, die dort Unterschlupf fanden. Weiters gab es neun Dronenangriffe durch die USA, eine stammesübergreifende Fehde und einen Fall von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 143 Gewaltvorfällen unterschiedlicher Art im Jahr 2017 wurden 537 Menschen getötet - davon 195 Zivilisten, 80 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 262 Aufständische und 575 verletzt (PIPS 1.2018).

 

Von PIPS wurden im Jahr 2016 99 Anschläge aus den [ehem.] FATA mit 163 Toten gemeldet. Unter den Todesopfern waren 91 Zivilisten, 43 Sicherheitskräfte und 29 Aufständische. Alle 99 Anschläge wurden durch verschiedene Talibangruppen, hauptsächlich der TTP und Jamaatul Ahrar oder Aufständische mit ähnlichen Zielen durchgeführt (FRC 24.1.2017). Am stärksten von Anschlägen betroffen war die Mohmand Agency mit 36 Anschlägen und 79 Todesopfern, gefolgt von der Khyber Agency mit 19 Anschlägen und 37 Toten. Bajaur erlitt 15 Anschläge mit neun Toten, Kurram sechs Anschläge mit 15 Toten, Nord-Wasiristan acht Anschläge mit elf Toten, Süd-Wasiristan zwölf Anschläge mit zehn Toten und Orakzai drei Anschläge mit zwei Toten (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt waren 2016 147 für die Sicherheitslage relevante Gewaltvorfälle mit 439 Toten (98 Zivilisten, 52 Angehörige der Sicherheitskräfte und 289 Aufständische) zu verzeichnen. Neben den Anschlägen waren dies fünf Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 14 grenzüberschreitende Angriffe aus Afghanistan, 24 operative Schläge der Sicherheitskräfte, zwei Drohnenangriffe, zwei Auseinandersetzungen zwischen militanten Gruppierungen und eine zwischen Aufständischen und Stammesmitgliedern (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in den [ehem.] FATA im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten (42 Anschläge). Weiters waren Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste (18 Anschläge), sowie politisch Tätige oder politische Führer sowie Staatsbedienstete dezidierte Ziele. Allerdings waren 22 Anschläge allgemein gegen Zivilisten gerichtet (PIPS 1.2017).

 

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 20.10.2017) [vgl. Abschnitt 20.1].

 

Im März 2017 wurde ein umfassender Reformplan für die FATA genehmigt (Dawn 2.3.2017). Im sozioökonomischen Bereich sieht er den Abschluss der bestehenden Wiederaufbaumaßnahmen für 2017 und weitere extensive Rekonstruktionsmaßnahmen im Rahmen eines 10-Jahres-FATA-Entwicklungsplans vor (Dawn 1.6.2016). Am 28.5.2018 traten die interimistischen Regulatorien für die FATA (FATA Interim Governance Regulation, 2018) in Kraft (DT 29.5.2018), ein Gesetzespaket, das etwa zwei Jahre lang gültig sein wird (NHT 28.5.2018), und am 31.5.2018 unterzeichnete der Präsident den Verfassungszusatz, wonach die FATA mit Khyber Pakhtunkhwa mit sofortiger Wirkung vereinigt wurden (Dawn 31.5.2018; vgl. GEO.tv 31.5.2018). [vgl. Abschnitt 4.1].

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Khyber Pakhtunkhwa

 

Die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) ist in 25 Distrikte (GovKP o.D.; vgl PBS 2017) und die wiederum in insgesamt 71 Tehsils unterteilt. Laut Zensus 2017 hatte KP ca. 30,5 Millionen Einwohner [Gebietsstand: 30.5.2018]; in der Hauptstadt XXXX leben 4,3 Millionen Menschen (PBS 2017a). Am 31.5.2018 wurden die FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa vereinigt, wodurch die Provinz um sieben Tribal Districts (bis 31.5.2018: Agencies), sechs Subdivisions (bis 31.5.2018: Frontier Regions) (Dawn 31.5.2018) und weitere fünf Millionen Einwohner wuchs (PBS 2017a)

 

[Anm.: In Folge wird die Sicherheitslage der Provinz Khyber Pakhtunkhwa in den Grenzen vor dem 30.5.2018 behandelt. Für die Sicherheitslage im Gebiet der ehemaligen FATA siehe Abschnitt 3.4.]

 

Im Jahr 2009 führte das pakistanische Militär einen Großeinsatz gegen die TPP in Khyber Pakhtunkhwa durch. In den darauffolgenden Jahren hielt das pakistanische Militär eine starke Präsenz, jedoch nahm die Intensität der militärischen Operationen ab. Die regional aktiven Taliban gingen in den Untergrund, übten ihre terroristischen Tätigkeiten, wie Anschläge und gezielte Tötungen jedoch weiter aus (EASO 8.2015). In fast allen größeren Städten von Khyber Pakhtunkhwa können militante Schläfer-Zellen gefunden werden (BFA 9.2015).

 

Die Provinz profitierte von den militärischen Operationen in den [ehem.] FATA, insbesondere, die in der Khyber Agency durchgeführt wurden. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert (Dawn 20.4.2015). Im Jahr 2015 sank die Zahl der Terrorvorfälle in Khyber Pakhtunkhwa weiter, KP gehörte allerdings weiterhin zu den stark betroffenen Regionen (PIPS 3.1.2016). 2016 stieg die Zahl der Anschläge um 2 %, die Zahl der Todesopfer um 5 % gegenüber 2015 (PIPS 1.2017), während 2017 die Zahl terroristischer Anschläge um 44 % und die Zahl der Todesopfer um mehr als die Hälfte gegenüber dem Vorjahr zurückging (PIPS 1.2018).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Khyber Pakhtunhkwa zehn terroristische Angriffe mit 20 Todesopfern und 32 Verletzten. Unter den Toten waren 15 Mitglieder der Sicherheitskräfte, zwei Zivilisten und je ein Mitglied der Shia-Gemeinschaft und einer sunnitischen Gruppe. Die meisten Todesopfer gab es im Distrikt Swat (zwölf Tote bei einem Anschlag), die meisten Vorfälle in D.I. Khan (fünf Vorfälle mit sechs Toten). Zwei Vorfälle ohne Todesopfer gab es in XXXX und in Bannu und Swabi gab es je einen Anschlag mit je einem Todesopfer (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

Im Jahr 2017 wurden von PIPS 71 terroristische Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa registriert, bei denen 91 Personen getötet wurden. Unter den Todesopfern befanden sich 42 Zivilisten, 32 Angehörige der Sicherheitskräfte und 17 Aufständische. Von den 71 Anschlägen waren drei religiös-sektiererisch motiviert; sie fanden alle in D.I. Khan statt und töteten insgesamt fünf Personen (vier Schiiten und einen sunnitischen Politiker). Die übrigen 68 Anschläge mit 86 Toten wurden von militanten Gruppen der TTP, Jamaatul Ahrar, lokalen Talibangruppierungen, Lashkar-e-Jhangvi, Al-Alami, Lashkar-e-Islam u. A. durchgeführt (PIPS 1.2018).

 

Aus 16 Distrikten wurden terroristische Angriffe gemeldet. 24 Angriffe (34 %) fanden in der Provinzhauptstadt XXXX statt, zehn in D.I. Khan, sieben in Charsadda, sechs in Bannu und je vier in Kohat und Lower Dir. In XXXX kamen bei diesen Vorfällen 33 Personen ums Leben, in Charsadda 16 und in D.I. Khan 15 (PIPS 1.2018).

 

Insgesamt fanden in KP 2017 91 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt mit 140 Toten statt. Zusätzlich zu den o. a. 71 terroristischen Attacken gab es in KP noch acht Militärschläge, neun bewaffnete Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, einen bewaffneten Konflikt zwischen Aufständischengruppen und zwei Fälle von Mob-Gewalt.

 

Im Jahr 2016 wurden in Khyber Pakhtunkhwa bei 127 Anschlägen 189 Personen getötet, davon 114 Zivilisten, 62 Angehörige der Sicherheitskräfte und acht Aufständische. Von diesen Anschlägen betrafen 48 die Provinzhauptstadt XXXX mit 62 Toten, 47 Todesopfer forderten sieben Anschläge in Charsadda, 16 Menschen starben bei sechs Anschlägen in Mardan, elf Menschen starben bei 16 Anschlägen in Swat, zehn Menschen bei zehn Anschlägen in Bannu und acht Menschen bei neun Anschlägen in D.I. Khan. Es waren weitere elf Distrikte von Anschlägen betroffen, die insgesamt pro Distrikt zwischen einem und sieben Todesopfern forderten (PIPS 1.2017).

 

Die Hauptziele der Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa im Jahr 2016 waren Angehörige der Sicherheitskräfte sowie deren Kontroll-Posten, 70 Anschläge in Khyber Pakhtunkhwa zielten auf diese. Weitere Hauptziele waren politisch Arbeitende oder politische Führer und Staatsbedienstete, sowie sporadisch auch Mitglieder von Friedenskomitees und gegen Terroristen gerichtete Stammesmitglieder oder Älteste. Allerdings richteten sich 23 Anschläge ganz allgemein gegen Zivilisten (PIPS 1.2017).

 

Von den insgesamt 127 Anschlägen in Khyber Pakhtunkhwa waren acht, mit zehn Todesopfern, religiös-sektiererisch motiviert - zumeist gezielte Tötungen zwischen Schiiten und Sunniten sowie ein Granatenanschlag auf eine Moschee. Die restlichen 119 Anschläge wurden durch die TTP oder lokale Taliban Gruppen bzw. Gruppierungen mit ähnlichen Zielen durchgeführt, wie der Jamaatul Ahrar und der Lashkar-e-Islam. Diesen Anschlägen fielen 179 Menschen zum Opfer (PIPS 1.2017).

 

Insgesamt fanden 2016 154 für die Sicherheitslage relevante Vorfälle von Gewalt statt, neben den Anschlägen waren dies drei Ereignisse ethnopolitischer Gewalt, fünf operative Schläge der Sicherheitskräfte, 15 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, eine Auseinandersetzung zwischen Militanten und Stammesangehörigen sowie drei Vorfälle an der Grenze zu Afghanistan. Alle Gewaltvorfälle zusammen forderten 242 Menschenleben - 122 Zivilisten, 68 Angehörige der Sicherheitskräfte sowie 52 Aufständische (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sindh; Karatschi und Innerer Sindh

 

Die Provinz Sindh unterteilt sich in 138 Tehsils in 29 Distrikten und hat ca. 48 Millionen Einwohner (PBS 2017a). Die Hauptstadt der Provinz Sindh und größte Stadt Pakistans ist Karatschi; die Handels-, Kultur- und Wirtschaftsmetropole Pakistans beherbergt den größten Hafen Pakistans (KMC o.D.). Karatschi hatte laut Zensus 2017 ca. 16 Millionen Einwohner (PBS 2017a).

 

Karatschi bleibt ein lokaler Brennpunkt terroristischer sowie politischer, interethnischer sowie religiös motivierter und krimineller Gewalt, einschließlich sogenannter gezielter Tötungen (AA 20.10.2017) und gelegentlichen Anschlägen und Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 28.3.2018). Es gibt Berichte zu politisch motivierten Tötungen durch verschiedene politische Gruppierungen in Karatschi bzw. Sindh (USDOS 20.4.2018).

 

Seit 5.9.2013 führen die paramilitärischen Rangers Anti-Terror- und Anti-Verbrechens-Operationen in Karatschi durch (USDOS 7.2017; vgl. PF 5.1.2017, TET 11.4.2018), was zu signifikanter Reduktion der Gewalt in der Stadt führte (USDOS 7.2017). Das Mandat der Rangers, Sicherheitsaufgaben in Karatschi zu übernehmen, wurde mehrmals verlängert und läuft Stand April 2018 bis 9.7.2018 (TET 11.4.2018). Die politische, religiös-sektiererische und ethnische Gewalt in Karatschi ist gesunken und die Straßenkriminalität in Form von Gangs ist nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 20.4.2018). Mit der Verbesserung der Sicherheitslage sind auch die Immobilienpreise in Karatschi deutlich gestiegen (Reuters 1.3.2016).

 

Es wurden Vorwürfe vorgebracht, dass die Operationen der Rangers in Karatschi auf bestimmte politische Parteien fokussieren würden (USDOS 7.2017). Die politische Partei Muttahida Qaumi Movement (MQM) aus Karatschi beschuldigte die paramilitärischen Sindh Rangers, bei Sicherheitsoperationen einige ihrer Mitglieder in 21 Fällen im Juli 2017 entführt, gefoltert und getötet zu haben (USDOS 20.4.2018). Bei den Einsätzen der Sicherheitskräfte kommen auffällig häufig die Zielpersonen ums Leben, was von offizieller Seite damit begründet wird, dass diese bewaffneten Widerstand gegen den Zugriff der Sicherheitskräfte geleistet hätten (AA 20.10.2017).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Sindh fünf terroristische Angriffe mit acht Todesopfern und fünf Verletzten. Unter den Toten waren zwei Mitglieder der Sicherheitskräfte, zwei Zivilisten und drei Aufständische. Abgesehen von einem Anschlag im Jänner 2018 in Hyderabad mit einem Todesopfer fanden alle weiteren Anschläge in Karatschi statt (Aggregat aus:

PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

2017 kam es in Sindh zu 31 terroristischen Anschlägen mit 119 Toten. 24 Anschläge davon waren in Karatschi zu verzeichnen und 91 der 119 Tote entfielen auf einen einzigen Anschlag auf den Lal Shahbaz-Schrein in Sehwan Sharif. Von den 119 Toten waren 99 Zivilisten, 18 Polizisten, ein Armeeoffizier und ein Aufständischer. Damit sank provinzweit die Zahl der terroristischen Anschläge um 42 % im Vergleich zum Vorjahr, die Zahl der Toten stieg jedoch im Vergleich zum Vorjahr um 89 % - vorwiegend wegen des Anschlages in Sehwan Sharif. Unter Betrachtung der Stadt Karatschi alleine sank die Zahl der Anschläge im Vergleich zum Vorjahr um 49 % und die Zahl der Toten um 58 % (PIPS 1.2018).

 

TTP, Jamaatul Ahrar Al-Qaeda Indien, ISIS und die neue Gruppe Ansarul Shariah Pakistan führten 22 der 31 Anschläge mit 116 Toten in Sindh durch, die mit Ausnahme des Anschlages in Sehwan Sharif alle in Karatschi stattfanden. Sindhi-Nationalistengruppen waren für sieben Anschläge mit zwei Toten verantwortlich; davon drei in Karatschi und je einer in Ghotki, Hyderabad, Shikarpur, Sukkur. Bei zwei religiös-sektiererisch motivierten Anschlägen starb eine Person in Karatschi (PIPS 1.2018).

 

2016 wurden 60 Menschen in 47 Terroranschlägen in Karatschi und drei Menschen bei sieben Anschlägen im restlichen Sindh getötet. Die Zahl der Toten im Sindh sank außerhalb Karatschis um 97 % und in Karatschi um 60 % und die Zahl der Anschläge im Sindh sank um 47 % im Vergleich zum Jahr 2015. Neben Karatschi war der Sindh von drei Anschlägen in Hyderabad und jeweils einem Anschlag in den Distrikten Khairpur, Larkana, Shikarpur und Sukkur betroffen. Unter den Getöteten waren 35 Zivilisten, 24 Sicherheitskräfte und vier Aufständische. 19 der Anschläge in Sindh im Jahr 2016 waren religiös-sektiererisch motiviert, davon 18 in Karatschi und einer in Shikarpur. Insgesamt wurden dabei 31 Menschen getötet, 29 davon in Karatschi. Von den religiös-sektiererischen Anschlägen in Karatschi richteten sich elf gegen Mitglieder und Führer der schiitischen Gemeinde, sechs gegen die sunnitische Gemeinde und ein Anschlag gegen die Bohra Gemeinde (PIPS 1.2017).

 

Im Jahr 2016 wurden im Inneren Sindh sieben Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 17 im Jahr davor - davon waren sechs nationalistisch und einer religiös-sektiererisch motiviert. Dabei wurden im Inneren Sindh drei Menschen getötet, im Jahr davor waren es 101 Menschen. Sindhi Nationalistische Terrorgruppen, wie die Sindhu Desh Liberation Army (SDLA) und Sindhu Desh Revolutionary Army, führten sieben Anschläge im Sindh durch (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Belutschistan

 

Die Provinz Belutschistan ist in 32 Distrikte mit insgesamt 134 Tehsils eingeteilt. Zur Volkszählung 2017 hat die Provinz 12,3 Millionen Einwohner; in der Hauptstadt Quetta leben ca. 1,7 Millionen Menschen (PBS 2017a). Die nationale Wahlkommission hat für die neue Richtlinie der Verteilung der Polizeikräfte im Vorfeld der Wahlen 2018 21 der 32 Distrikte Belutschistans als "harte Zonen" eingeteilt mit Bezugnahme unter anderem auf eine schwache Durchsetzungskraft des Staates und ein volatiles politisches Klima. Belutschistan führt damit die Liste bei der Anzahl der "harten Zonen" in Pakistan an (Nation 25.2.2016).

 

Rebellen kämpfen für politische Autonomie und größere Anteile an den Einnahmen aus der Öl- und Erdgasförderung in der rohstoffreichen Gegend. Auch Islamistengruppen sind in der Region aktiv (DW 11.4.2015). Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Bodenschätze zurückbekommen (EASO 8.2015).

 

Aufständische und separatistische Kräfte greifen Infrastruktureinrichtungen und Armeekräfte an und verüben Sprengstoffanschläge. Armee und Luftwaffe gehen gegen die Aufständischen vor. Auch Aktivitäten afghanischer und pakistanischer Taliban werden in Belutschistan beobachtet. Daneben kommt es zu religiös motivierten Anschlägen, denen v.a. Schiiten zum Opfer fallen. In Quetta richten sich die Anschläge vielfach gegen die Volksgruppe der Hazara bzw. gegen Christen, die des Missionierens verdächtigt werden (AA 28.3.2018).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Belutschistan 40 terroristische Anschläge mit 56 Toten und 89 Verletzten. Belutschische nationalistische Gruppierungen waren für 26 Anschläge verantwortlich und TTP für zehn. Zwei Anschläge wurden von unbekannten religiösen Gruppen durchgeführt und weitere zwei Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert. Unter den Todesopfern befanden sich 16 Polizisten, 16 Zivilisten, 15 Grenzschützer, zwei Steuereintreiber, ein schiitischer Gelehrter und drei Aufständische. 15 Anschläge mit 31 Toten fanden in Quetta statt (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

 

Wie in den drei Jahren zuvor wurde 2017 die höchste Anzahl an Terroranschlägen und Todesopfern für Pakistan aus Belutschistan gemeldet. Die 165 gemeldeten terroristischen Anschläge stellen 44 % aller Anschläge Pakistans dar und sind ein Abstieg von 9 % im Vergleich zum Vorjahr. 288 Menschen wurden bei diesen Anschlägen getötet, 35 % aller landesweit durch Terrorismus getöteten Personen und ein Rückgang von 30 % im Vergleich zum Vorjahr. Unter den Getöteten waren 193 Zivilisten, 26 Mitglieder des Grenzschutzes, 36 Polizisten, 14 Armeesoldaten, acht Steuereintreiber und elf Aufständische. Belutschische Nationallistengruppen führten 2017 131 Anschläge in 20 Distrikten durch, wobei 138 Menschen ums Leben kamen. Bei sieben sektiererisch motivierten Anschlägen, die sich vorwiegend gegen Hazara richteten, kamen 17 Menschen ums Leben. 2017 wurden in 22 Distrikten terroristische Anschläge durchgeführt. In der Hauptstadt Quetta kam es zu 35 Anschlägen mit 90 Todesopfern. 23 Anschläge gab es in Kech, 16 in Dera Bugti, 13 in Gwadar, zwölf in Panjgur, neun in Nasirabad und acht in Mastung (PIPS 1.2018).

 

133 Todesopfer waren 2017 bei 27 terroristischen Anschlägen durch islamistisch-militante Gruppierungen, wie die TTP, Jamaatul Ahrar, ISIS, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, zu beklagen. Beispiele für schwerwiegende Selbstmord-Sprengstoffattentate waren ein Angriff auf den Konvoi eines Senatsmitgliedes in Mastung, auf den Pir Rakhyal Shah-Schrein in Fatehpur sowie auf eine Polizeidienststelle in Quetta, einen Armeetransporter, einen Konvoi des Grenzschutzes, die Belutschische Polizei und die Berthel Memorial Methodistenkirche (PIPS 1.2018).

 

Zusätzlich zu den o. a. 165 terroristischen Angriffen kam es im Jahr 2017 in Belutschistan zu 39 Militäraktionen gegen Aufständische, 13 bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen, 13 grenzüberschreitenden Zusammenstößen aus Afghanistan oder dem Iran, fünf stammesübergreifenden Fehden und zwei Fällen von Mob-Gewalt. Bei insgesamt 237 für die Sicherheitslage relevanten Vorfällen von Gewalt verloren 430 Menschen ihr Leben. Zusätzlich wurden während des Jahres 29 Leichen in der Provinz aufgefunden. In den meisten Fällen sind die Identitäten der Toten sowie ihrer Mörder nicht bekannt. Sicherheitskräfte konnten 2017 insgesamt 17 Terroranschläge vereiteln (PIPS 1.2018).

 

Im Jahr 2016 wurden bei 151 Anschlägen 412 Menschen getötet, das sind 45 % aller Todesopfer von Anschlägen landesweit. Im Vergleich zu 2015 stieg die Zahl der Todesopfer in Belutschistan um 63 %, während die Zahl der Anschläge um 29 % sank. Unter den Todesopfern waren 230 Zivilisten, 168 staatliche Sicherheitskräfte und 14 Aufständische. Am stärksten betroffen war die Hauptstadt Quetta mit 238 Toten und 458 Verletzten in 49 Anschlägen. 20 Anschläge wurden aus dem Distrikt Dera Bugti, 15 aus Kech, elf aus Mastung, acht aus Khuzdar, sieben aus Nasirbad und je sechs aus Awran und Gwadar gemeldet. 13 weitere Distrikte in Belutschistan waren von jeweils zwischen einem und vier Anschlägen betroffen. Die meisten Todesopfer hinter Quetta gab es in den Distrikten Khuzdar (61), Gwadar (16), Kech und Mastung (je 15) (PIPS 1.2017).

 

Im Vergleich zum Vorjahr sank 2016 die Zahl der religiös-sektiererisch motivierten Anschläge von zwölf auf fünf, während die Zahl der Todesopfer von 34 auf 62 stieg. Grund dafür ist die hohe Anzahl von Todesopfern bei einem einzelnen Anschlag auf einen Schrein im Distrikt Khuzdar mit 54 Toten. Von den fünf Anschlägen fanden drei in Quetta und zwei im Distrikt Khuzdar statt; zwei richteten sich gegen die schiitische Hazara-Gemeinde, zwei gegen Mitglieder der Sunni-Gemeinde und einer gegen Schiiten (PIPS 1.2017).

 

PIPS erklärt den deutlichen Anstieg an Todesopfern bei gleichzeitigem Rückgang der Anschlagszahlen im Jahr 2016, dass die Anschläge von Talibangruppen - vor allem TTP und Jamaatul Ahrar - und von gewalttätigen religiös-sektiererischen Gruppen, besonders Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami stark anstiegen, während die Zahl der Anschläge von belutschischen Terrorgruppen sank. Die belutschisch-nationalistischen Terrorgruppen haben an Stärke eingebüßt und ihre Anschläge gingen 2016 sowohl in Schwere als auch Anzahl zurück. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilisten, jedoch ein großer Anteil auch rein gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gilgit-Baltistan und Azad Jammu und Kaschmir

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10 .2017a). Die Volkszählung 2017 ergab für Azad Jammu & Kashmir 4,45 Millionen (Nation 27.8.2018) und die Bevölkerung von Gilgit-Baltistan wird 2013 auf 1,3 Millionen geschätzt (GovGB 2013). Die Ergebnisse des Zensus wurden von der pakistanischen Statistikbehörde wegen dem besonderen Status der Gebiete nicht zur Bevölkerung Pakistans hinzugezählt (TET 25.8.2017).

 

Der Kaschmirkonflikt ist das zentrale Problem der Beziehungen zwischen Pakistan und Indien. An der Grenze zwischen dem indisch und dem pakistanisch verwalteten Teil Kaschmirs, der sogenannten Line of Control, kommt es immer wieder zu militärischen Zwischenfällen (AA 4 .2018).

 

Extremistische Gruppen, vorwiegend für Anschläge im indisch verwalteten Jammu und Kaschmir verantwortlich, operieren von Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Balitstan aus. Sie haben Verbindungen zu ähnlichen Fraktionen in Pakistan und Afghanistan. Spannungen zwischen pro-Pakistan und nationalistischen, kaschmirischen, aufständischen Gruppen sind verbreitet (FH 29.8.2016).

 

In Gilgit-Baltistan, den früheren Northern Areas, führen Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 28.3.2018).

 

Der Anteil der sunnitischen Bevölkerung in Gilgit Baltistan hat signifikant zugenommen, seit die Einwanderung aus anderen Teilen Pakistans nicht mehr gesetzlich untersagt ist. Es gibt den Vorwurf, dass ein demographischer Wandel in der mehrheitlich schiitischen Region von staatlichen Stellen gefördert wird (FH 29.8.2016).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS in Gilgit Baltistan sowie Azad Jammu & Kashmir keine terroristischen Angriffe (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Im Jahr 2017 wurden drei terroristische Angriffe, darunter ein religiös-sektiererisch motivierter, aus Azad Jammu & Kashmir gemeldet. Sie fanden alle in der Hauptstadt Muzaffarabad statt und forderten ein Todesopfer (PIPS 1.2018). Laut einer teilweisen Datenauswertung durch das South Asia Terrorism Portal (SATP) gab es in Gilgit Baltistan 2017 keinen Todesfall mit Terrorismusbezug (Eurasiareview 27.2.2018). Im Jahr 2016 wurden keine Terroranschläge aus Gilgit-Baltistan oder Azad Jammu und Kashmir gemeldet (PIPS 1.2017).

 

In Azad Jammu und Kaschmir kam es im Vorfeld der Wahlen 2016 zu zwei Vorfällen politischer Gewalt. Im Februar 2016 forderte eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Anhängern der PPP und der PPML-N einen Toten und zehn Verletzte (PIPS 1.2017). Im Juli 2016 forderte eine weitere ähnlich geartete Auseinandersetzung zwei Tote und sieben Verletzte (PIPS 1.2017; vgl. Dawn 14.7.2016). Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Punjab und Islamabad

 

Im Punjab gibt es im Landesvergleich weniger Fälle von organisierten, bewaffneten gewalttätigen Übergriffen aber eine große Zahl von Protesten. In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan, Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017). Die Bevölkerung der Provinz beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen (PBS 2017a). Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016) mit 11,1 Millionen Einwohnern (PBS 2017a). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ist ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017a).

 

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwölf Toten und 23 Verletzten (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018). Sämtliche Todesopfer stammen aus einem Selbstmordattentat vom 14.3. auf einen Polizeiposten vor einer religiösen Versammlung in Lahore. Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) haben sich zu dem Anschlag bekannt (Reuters 14.3.2018; vgl. PIPS 6.4.2018).

 

Im Jahr 2017 hat sich die Zahl der terroristischen Angriffe im Punjab im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Bei 14 Anschlägen kamen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Die Todesopfer umfassten 35 Zivilisten, 18 Polizisten, sechs Armeemitarbeiter und zwei Aufständische. Es gab drei Selbstmordanschläge in Lahore mit insgesamt 50 Toten, die sich gegen Sicherheitskräfte und Zensusmitarbeiter richteten, darunter einen Sprengstoffanschlag auf einen Polizeieinsatz bei der Räumung eines illegalen Marktes mit 26 Toten. Es gab einen religiös-sektiererisch motivierten Vorfall mit einem Todesopfer. Vier Anschläge richteten sich gegen die Gemeinschaft der Ahmadiya. Für die Anschläge verantwortlich zeigten sich die TTP, Jamaatul Ahrar, Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami sowie weitere unidentifizierte Gruppen (PIPS 1.2018).

 

Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2017 drei Anschläge mit zwei Todesopfern. Zwei der Anschläge waren religiös-sektiererisch motiviert und richteten sich gegen Schiiten (PIPS 1.2018). Im November 2017 blockierten Demonstranten - Mitglieder religiöser Parteien wie Tehreek Labbaik Ya Rasool Allah (TLY), Tehreek-i-Khatm-i-Nabuwwat und Sunni Tehreek Pakistan (ST) - 20 Tage lang den Autobahnknoten Fayzabad Interchange. Am 25.11.2017 begann die Regierung mit der gewaltsamen Auflösung der Proteste, bei der sechs Personen getötet wurden. Da die zur Unterstützung gerufene Armee ihr Eingreifen verweigerte, wurde die Blockade letztlich nach weiteren Verhandlungen und Zugeständnissen friedlich aufgelöst [vgl. Abschnitt 2] (Dawn 28.11.2017).

 

Die Zahl der Terroranschläge und Todesopfer im Punjab ging in den Jahren 2015 und 2016 zurück (PIPS 1.2017; vgl. PIPS 3.1.2016). Für das Jahr 2016 wurden sieben Terroranschläge im Punjab mit 80 Toten registriert, wobei 74 Tote alleine auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten, Anschlag in Lahore im März 2016 entfielen. Sechs Distrikte des Punjab waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, vier Polizisten und ein Aufständischer. Das Hauptstadtterritorium Islamabad verzeichnete 2016 einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Naturkatastrophen

 

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und im Jahr 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, die jedoch an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen leiden (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen, zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

 

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Bajaur Agency durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsunregenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen fünf Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016). Im Jänner 2017 gab es in Belutschistan in Folge heftigen Regen- und Schneefalles 13 Tote und 650 Verletzte. Der Rote Halbmond und die Provincial Disaster Management Authority von Belutschistan versorgte etwa 60.000 Menschen in den betroffenen Gebieten mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Schlafsäcken (Reliefweb 8.2.2017). Im August 2017 kamen in Karatschi mindestens 23 Menschen bei Überschwemmungen in Folge starker Regenfälle ums Leben, Armee und Luftwaffe führten Rettungsaktionen durch (DP 31.8.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology - abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen - dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).

 

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).

 

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung von Streitfällen zwischen Lokalregierungen ("original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments") sowie beratende Rechtsprechung ("advisory jurisdiction") auf Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Art. 184 ff der Verfassung). Außerdem kann er sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).

 

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, XXXX High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).

 

In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme (ÖB 10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018 wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt 4.1].

 

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Art. 203C der Verfassung). Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).

 

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Art. 203C der Verfassung). Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).

 

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017). Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt (WJP 2018).

 

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018). Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016 einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).

 

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet (AA 10 .2017a). Laut der neuesten Statistik der Law and Justice Commission of Pakistan (LJCP) sind landesweit 1,869,886 Fälle bei allen Gerichten anhängig (Dawn 21.1.2018) und viele Verfahren ziehen sich über Jahrzehnte hin. In manchen Fällen erhält erst die dritte Generation der Beteiligten ein finales Urteil (Dawn 21.1.2018; vgl. AA 10 .2017a).

 

Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, wie den Zugang zu Rechtsmitteln sowie eine faire und effektive Anhörung (USDOS 20.4.2018). Der Director General der Federal Judicial Academy, schätzt [Stand Mai 2015] die Zahl der Richter auf

4.200 für eine Bevölkerung von 180 Millionen, ein Richter auf 42.857, weit unter den internationalen Standards (ÖB 10.2016). Der Vorsitzende des Lahore High Court (Punjab) erklärte 2017, dass in Punjab ein Richter auf 62.000 Einwohner kommt, und noch mindestens 10.000 Richter in der Provinz benötigt würden (Nation, The 31.12.2017). Im Jahr 2015 wurden in der Provinz Punjab knapp 700 (ÖB 10.2016; vgl. TET 21.1.2015) und in der Provinz Sindh ca. 360 neue Richter eingestellt (TET 31.8.2015).

 

Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z. B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst (AA 10 .2017a).

 

Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 20.10.2017).

 

Im Jänner 2015, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in XXXX , genehmigte das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-sektiererischer Gewalt (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch über 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Am 16.4.2015 entschied der Oberste Gerichtshof Pakistans, dass von Militärgerichten gegen Zivilisten verhängte Todesurteile auszusetzen sind (AI 20.4.2015). Im August 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Rechtssprechung der Militärgerichte, behielt sich aber das Recht ein, die Fälle zu prüfen (USDOS 3.3.2017). Damit hielt er auch die Verhängung von Todesurteilen für Zivilisten durch militärische Gerichte aufrecht (RFE/RL 5.8.2015). Im August 2016 entschied der Oberste Gerichtshof erstmals über Fälle dieser Gerichte, bestätigte die Schuldsprüche sowie Todesurteile über 16 Zivilisten (AI 22.2.2017). Der Fortbestand der Militärgerichte wurde im März 2017 auf weitere zwei Jahre verlängert (ÖB 10.2017; vgl. AI 21.2.2018). Bei Verhandlungen der Militärgerichte ist keine Kaution vorgesehen und die Verhandlungen sind nicht öffentlich (USDOS 20.4.2018).

 

Bisher wurden zwölf derartige Militärgerichte eingerichtet und 274 Personen verurteilt, davon 161 zum Tode und 113 zu (meist lebenslänglichen) Freiheitsstrafen. Die Prozesse werden rechtsstaatlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht gerecht: So ist nicht klar definiert, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren bestimmte Fälle an ein Militärgericht verwiesen werden; die verfahrensleitenden Militärs müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen; die Verfahren müssen nicht öffentlich sein (ÖB 10.2017).

 

Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und der Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann ein Anwalt auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 20.4.2018).

 

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 20.4.2018).

 

Neben dem bisher dargestellten staatlichen Justizwesen bestehen vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans auch informelle Rechtssprechungssysteme und Rechtsordnungen, die etwa auf traditionellem Stammesrecht beruhen. So spielt in von Paschtunen bewohnten Teilen des Landes, vor allem in den [ehem.] Federally Administered Tribal Areas (FATA), der für diese Volksgruppe maßgebliche Rechts- und Ehrenkodex Paschtunwali, der (in Unrechtsfällen) vom Vergeltungsgedanken sowie vom zentralen Wert der Ehre bestimmt wird, nach wie vor eine bedeutende Rolle. Streitigkeiten werden dort auf Basis des Paschtunwali von Stammesräten bzw. -gerichten (Jirgas) entschieden, wobei nicht zuletzt Frauen menschenunwürdige Bestrafungen drohen. Jirgas sind in Pakistan generell auch über paschtunische Gebiete hinaus nach wie vor weit verbreitet (neben den [ehem.] FATA auch in Belutschistan, im inneren Sindh, in ländlichen Gebieten von Khyber Pakhtunkhwa sowie im südlichen Punjab) und wenden neben Stammes- auch Schariarecht an (ÖB 10.2017). Die [ehem.] FATA unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion (AA 20.10.2017). [Zum Rechtssystem in den ehem. FATA siehe Abschnitt 4.1.]

 

In Sindh und Punjab, insbesondere in ländlichen Gebieten, halten feudale Landherren und lokale Führer in paschtunischen und belutschischen Gebieten und Stammesführer manchmal Panchayats oder Jirgas - lokale Ratsversammlungen - außerhalb des etablierten Rechtssystems ab. Diese informellen Rechtssysteme bieten keinen institutionalisierten Rechtsschutz und haben häufig Menschenrechtsverletzungen zur Folge (USDOS 20.4.2018).

 

Der High Court of Sindh erklärte die Abhaltung von Jirgas in der Provinz in einem Urteil aus 2004 ausdrücklich für verfassungswidrig; nichtsdestotrotz finden sie auch in Sindh regelmäßig statt. Der Supreme Court sprach sich bisher mehrmals gegen von Jirgas verhängte Strafen wie die Hingabe von Töchtern als Kompensation für begangenes Unrecht sowie gegen andere verfassungswidrige Praktiken der Stammesräte aus, was deren Fortbestand allerdings nicht verhindern konnte. Darüber hinaus ist selbst in städtischen Gebieten eine zunehmende Ausbreitung von "Sharia Courts" zu beobachten; so wurde etwa im April 2016 ein Verfahren gegen Jamaat ud-Dawa (JuD), eine der größten Hilfsorganisationen Pakistans mit Verbindungen zur Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT), wegen Betreibens eines solchen Tribunals vor dem Lahore High Court eingeleitet (ÖB 10.2017).

 

Als weitere Besonderheiten sind die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung), die sich beide als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Act XLV of 1860) finden, sowie die in den FATA und PATA weiterhin auf Basis der [bis 28.5.2018 gültigen; vgl. Abschnitt 4.1] Frontier Crimes Regulation (FCR) praktizierte Form der kollektiven Bestrafung zu nennen. Im Oktober 2016 wurde die Anti-Honour Killings Bill zur Eindämmung von Ehrenmorden erlassen, die Implementierung geht aber vor allem im ländlichen Bereich nur schleppend voran. Eine wesentliche Neuerung der Anti-Honour Killings Bill ist die Abschaffung des Konzepts der Vergebung (diyat) bei Ehrenmorden, sodass eine Straffreiheit des Täters bei Vergebung durch die Familie der Ermordeten nicht mehr zulässig ist (ÖB 10.2017) [siehe auch Abschnitt 18.2].

 

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen (AA 10 .2017a).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Justizwesen in den ehemaligen FATA

 

[Anm.: Zur geographischen Lage und administrativen Gliederung der ehemaligen FATA siehe Abschnitt 3.4.]

 

In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) hatten [vor dem 28.5.2018] die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine Geltung (AA 10 .2017a). Es galten die Frontier Crimes Regulations (FCR), die gewisse paschtunische Rechtsvorstellungen mit dem Versuch einer externen Kontrolle kombinieren (FRC 24.1.2017). Diese Sondergesetzgebung stammte zum Teil noch aus der britischen Kolonialzeit (AA 10 .2017a). Die Zentralregierung verfügte mit Hilfe des Political Agent über indirekte Einflussmöglichkeiten, während die Stämme über eine gewisse Autonomie verfügten (FRC 24.1.2017).

 

Im März 2017 genehmigte das pakistanische Kabinett einen Reformplan für die FATA (Dawn 2.3.2017). Die FCR wurden als supplementärer Konfliktlösungsmechanismus vorerst beibehalten (Dawn 26.12.2017). Die Integration der FATA nach Khyber Pakhtunhkwa wurde zunächst in die kommende Legislaturperiode (nach den Wahlen im Juli 2018) verschoben (Dawn 17.5.2018a); jedoch wurde am 24.5.2018 von der Nationalversammlung der 31. Verfassungszusatz (Constitution (Thirty-First Amendment) Bill, 2018) beschlossen (BR 24.5.2018). Einen Tag später folgte der Beschluss des Zusatzes durch den Senat (SABA 25.5.2018) und am 27.5.2018 durch die Provinzversammlung von Khyber Pakhtunhkhwa (Dawn 27.5.2018). Der Verfassungszusatz sichert eine Vertretung der Stammesleute in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunhkhwa (Dawn 27.5.2018; vgl. BR 24.5.2018). Die Verfassungsänderung erlangte mit der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 31.5.2018 sofortige Gültigkeit und die FATA wurden in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert (Dawn 31.5.2018; vgl. Geo.tv 31.5.2018).

 

Mit der Unterzeichnung der Übergangsgesetzgebung "FATA Interim Governance Regulation, 2018" durch Präsident Mamnoon Hussain verloren die FCR mit sofortiger Wirkung ihre Gültigkeit. Die FATA werden in die Zuständigkeit der höheren Gerichte gebracht [vgl. Abschnitt 4], Bewohner der FATA können formelle Gerichte anrufen und Kollektivstrafen sind abgeschafft (Geo.tv 28.5.2018; vgl. Nation 29.5.2018). Die volle Wirksamkeit der pakistanischen Verfassung auch am Gebiet der ehemaligen FATA wird nach einer Übergangszeit von ca. zwei Jahren erfolgen (Dawn 31.5.2018) und mit der Eingliederung der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa obliegt nun der Provinz die Durchsetzung der Übergangsgesetze für die FATA (Geo.tv 31.5.2018) Im Zuge des Eingliederungsprozesses und eines Entwicklungsplanes für zehn Jahre werden Gerichte und andere Infrastruktur am Gebiet der FATA errichtet (Hindustan Times 2.3.2017).

 

Gemäß der Übergangsgesetze erhalten Deputy Commissioners (bis 31.5.2018 als Political Agents bezeichnet, die die Tribal Regions, bis 31.5.2018 als Agencies bezeichnet, verwalten) die Befugnisse des District Magistrates laut Strafgesetzbuch 1898 verliehen. Die Deputy Commissioners haben die Befugnis, alle zivilrechtlichen Fälle an einen Ältestenrat zur Konfliktbeilegung, Ermittlung oder Weiterleitung an ein Gericht zu übergeben. Dieser Ältestenrat wird vom Deputy Commissioner ernannt und die Streitparteien können Mitglieder des Ältestenrates ablehnen. Der Deputy Commissioner fällt ein Urteil in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrates (Dawn 31.5.2018).

 

Bei strafrechtlichen Fällen wird der Verdächtige innerhalb von 24 Stunden einem Richter (i.e. Assistant Commissioner) vorgeführt. Assistant Commissioners werden vom Gouverneur für jeden Tribal District eingesetzt und erhalten Befugnisse gemäß des Strafgesetzbuches. Der Richter ruft den Ältestenrat ein, der innerhalb von zehn Tagen nach der Verhaftung zusammentreten muss, um die Ermittlungen durchzuführen. Nachdem der Richter das Ermittlungsergebnis vom Ältestenrat erhalten hatte, fällt er das Urteil in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrates sowie der relevanten Gesetze (Dawn 31.5.2018).

 

Eine Berufung gegen Urteile, Entscheidungen oder Anordnungen, die von einem Deputy Commissioner oder Richter getroffen wurden, die nach den Übergangsregelungen dazu ermächtigt waren, kann innerhalb von 30 Tagen beim Deputy Commissioner oder Assistant Commissioner erfolgen. Das Berufungsgericht ("Appelate Authority") muss innerhalb von 60 Tagen über die Berufung entscheiden. Eine Berufung gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann innerhalb von 30 Tagen am XXXX High Court eingebracht werden (Dawn 31.5.2018)

 

Gemäß der Übergangsgesetze kann der Gouverneur zu jeder Zeit eine Verordnung erlassen, dass ein gemäß der Übergangsgesetze verwaltetes Stammesgebiet "in den Mainstream gebracht" wird. Damit enden die Übergangsregelungen für dieses Gebiet und sie werden durch die normale Gesetzgebung Pakistans ersetzt (Dawn 31.5.2018).

 

Aufgrund der 2011 erfolgten Ausweitung der Verordnung über politische Parteien auf die Stammesgebiete können politische Parteien auch in den [ehem.] FATA aktiv werden. Politische Beobachter sehen diese Verordnung als Grundlage für ein reiferes politisches System in den Stammesgebieten (USDOS 20.4.2018).

 

Die Zahl der Abgeordneten in der Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird von 124 auf 145 erhöht; Insgesamt werden die ehemaligen FATA von 21 Abgeordneten im kommenden Provinzparlament vertreten, davon sind vier Mandate für Frauen und einer für Nicht-Muslime reserviert. Die neue Provinzversammlung von Khyber Pakhtunkhwa wird innerhalb eines Jahres nach den Parlamentswahlen von 2018 erfolgen (Nation 27.5.2018). Die zwölf Sitze der [ehem.] FATA in der Nationalversammlung werden Khyber Pakhtunkhwa zugeschlagen; die Provinz verfügt in der kommenden Legislaturperiode über 60 statt bisher 48 Abgeordnetensitze (Geo.tv 16.5.2018).

 

Nach der Unabhängigkeit Pakistans waren die FCR auch in Belutschistan gültig (Nation 29.5.2018), jedoch hat Belutschistan seit Jahrzehnten dasselbe formale Regierungssystem wie die anderen Provinzen. Dies hat jedoch die Provinz nicht verändert und die Lebensqualität der Menschen nicht erhöht. Die [ehem.] FATA könnten ein ähnliches Schicksal vermeiden, da die Provinz Khyber Pakhtunhkhwa bereits über funktionale Institutionen verfügt (Dawn 29.5.2018). Protest und Widerstand gegen die Vereinigung der FATA mit Khyber Pakhtunkhwa kommt von Stammesvertretern, die ihrer Meinung nach nicht ausreichend in den Reformprozess eingebunden waren (TET 29.5.2018).

 

[Anmerkung der Staatendokumentation: Aufgrund der aktuellen Entwicklung der Situation ist es vorerst nicht möglich, klare Aussagen zu treffen, wie die formelle Abschaffung der Frontier Crimes Regulation sowie die Ausdehnung der staatlichen Gerichtsbarkeit in die ehemaligen Stammesgebiete sich in der Praxis auswirken werden. Aus diesem Grund wird in Folge das Rechtswesen in den FATA beschrieben, wie es sich vor dem 28.5.2018 dargestellt hat.]

 

Der administrative Vorstand jeder "Agency" (Bezirk) der FATA ist ein "Political Agent", der weitreichende administrative und juristische Macht hat. Jede Agency hat je nach Größe zwei bis drei Assistant Political Agents. Unter der pakistanischen Verfassung fallen die FATA ausschließlich in die Zuständigkeit des Präsidenten von Pakistan. Administrativ ist der Gouverneur von Khyber Pakhtunkhwa, als Repräsentant des Präsidenten von Pakistan, die oberste exekutive Führungsperson (chief executive) der FATA. Es gibt drei administrative Einrichtungen, das "Ministry of States and Frontier Regions" (SAFRON), das "FATA Secretariat" und die "FATA Development Authority" (FDA), welche das Gebiet unter der Leitung des Gouverneurs von Khyber Pakhtunkhwa verwalten und unterstützen. Die FATA werden rechtlich durch den "Frontier Crimes Regulation Act" (FCR) von 1901, novelliert 2011, geregelt (FRC 24.1.2017).

 

In den FATA hat sich ein auf dem Stammesrecht (z. B. Pashtunwali) basierendes Rechtssystem mit Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Es greift zur Lösung von Streitfällen auf eine zum Teil archaische, zum Teil an der Scharia orientierte Rechtspraxis zurück. Während sich männliche Angeklagte durch Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für die Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft wurden (AA 20.10.2017).

 

Alle Zivil- und Kriminalfälle in den FATA wurden gemäß dem [bis 28.5.2018 gültigen] FCR durch eine Jirga (Rat von Älteren) entschieden. Die Bewohner konnten allerdings den Supreme Court und den XXXX High Court anrufen bei Fällen, die die Verfassung oder die FCR betreffen. Administrativ finden sich in den FATA zwei regionale Kategorien: "geschützte" Gebiete sind Gebiete unter direkter Kontrolle der Regierung, "nicht-geschützte" Gebiete sind solche, welche indirekt - über lokale Stämme - administriert werden (Gov FATA o.D.).

 

In den "geschützten" Gebieten der FATA wurden Zivil- und Kriminalfälle durch politische Angestellte entschieden, die mit juristischen Vollmachten ausgestattet sind (Gov FATA o.D.).

 

Nach der FCR waren die Assistant Politcal Agents verantwortlich für die Rechtsprechung in den FATA und wurden dabei durch Stammesältere ihrer Wahl unterstützt. Sie hielten Anhörungen nach ihrer Interpretation des islamischen Gesetzes und der Stammesbräuche ab (USDOS 3.3.2017). Die Jirga aus Stammesälteren wurde nach den Ermittlungen mit Zustimmung der Konfliktparteien eingerichtet. Sie fällte das Urteil, das durch den Political Agent geprüft wird. Die Entscheidung konnte beim High Court und Supreme Court beeinsprucht werden. Für die Umsetzung des Urteils war die politische Administration zuständig (Gov FATA o.D.).

 

In den "nicht geschützten" Gebieten der FATA wurden zuerst lokale Mediatoren aktiv, die versuchen, zwischen den Konfliktparteien eine Übereinkunft (tiga) herzustellen bezüglich Sicherheiten, Entschädigungen und Rechtsanwendung (traditionelles oder Scharia-Recht). Danach beriefen die Mediatoren eine Jirga ein. Die meisten Konflikte wurden intern geregelt, schwerwiegendere Fälle benötigten jedoch eine größere Jirga bestehend aus Maliks [Mediatoren], Älteren, dem Political Agent, Mitgliedern der Nationalversammlung und dem Senat und manchmal sogar Vertretern benachbarter Agencies oder Frontier Regions (Gov FATA o.D.).

 

Unter der FCR wurden Kollektivstrafen angewendet. Eine rechtliche Vertretung des Angeklagten war nicht vorgesehen. Durch die Novellierung der FCR von 2011 wurde die Kollektivverantwortung des Stammes eingeschränkt, indem Frauen und unter-16jährige aus der Kollektivbestrafung ausgenommen wurden (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Politischer und rechtlicher Aufbau Giligt-Baltistan und Azad Jammu Kaschmir

 

Pakistan kontrolliert die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 10 .2017a). Die Volkszählung 2017 wurde auch in AJK und Gilgit Baltistan durchgeführt, die Ergebnisse aufgrund des besonderen Status der beiden Gebiete innerhalb Pakistans jedoch nicht veröffentlicht (TET 25.8.2017).

 

Keines der Gebiete wurde formal in das Staatsgebilde inkorporiert, wodurch sie weder unabhängig sind, noch Provinzstatus haben. Stattdessen ist das Verhältnis zueinander durch verschiedene provisorische Übereinkünfte bestimmt, die auf eine finale Übereinkunft im Disput mit Indien warten. Azad Jammu Kaschmir wird anhand einer Übergangsverfassung aus dem Jahr 1974 verwaltet. Ein Präsident, der durch die gesetzgebende Versammlung gewählt wird, ist Staatsoberhaupt, der gewählte Premierminister Regierungschef. Ein Azad Jammu Kaschmir Council arbeitet von Islamabad aus und setzt sich aus kaschmirischen und pakistanischen Amtsträgern zusammen. Dieser Rat hat eine Reihe von Schlüsselkompetenzen im exekutiven, legislativen und rechtssprechenden Bereich inne, wie die Kontrolle über die Ernennung der Höchstrichter und den Wahlbehördenleiter (FH 29.8.2016).

 

Gilgit Baltistan wird unter der "Gilgit-Baltistan Empowerment and Self-Governance Order" (GBESGO) von 2009 verwaltet, die nur durch die pakistanische Regierung verändert werden kann. Die Regierungsstruktur setzt sich aus der Gesetzgebenden Versammlung für Gilgit-Baltistan mit Sitz in Gilgit, die 33 Mitglieder hat, sowie dem 15 Mitglieder starken Gilgit-Baltistan Rat zusammen. Den Ratsvorsitz hat der pakistanische Präsident, den Vize-Vorsitz der föderal ernannte Gouverneur; die Tagungen finden in Islamabad statt. Die Gesetzgebende Versammlung hält die gesetzgebende Gewalt über 61 Themen, wobei die Letztentscheidung beim Gouverneur liegt. Die strategisch wichtigen Themen fallen in die Zuständigkeit des föderal dominierten Gilgit-Baltistan Rat. Eine Mehrheit von hohen Positionen in der lokalen Administration ist unter der GBESGO für pakistanische Staatsbedienstete reserviert. Im Februar 2015 gab es einige Kontroversen in Gilgit-Baltistan, da der neu eingesetzte Gouverneur keinerlei Bezug zu dem Gebiet hat (FH 29.8.2016).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu Kaschmir verbietet politische Parteien, die nicht die mögliche Angliederung des Gebietes an Pakistan befürworten und Regierungsmitglieder müssen ihre Loyalität gegenüber dem Ziel der Eingliederung erklären. Ähnliche Regeln gelten auch in Gilgit Baltistan, womit nationalistischen Führern und Parteien der Zugang zum politischen Prozess und zu Anstellung im öffentlichen Bereich verwehrt ist (FH 29.8.2016).

 

Bei den Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung von Gilgit Baltistan im Juni 2015 konnte die PML-N 15 der 24 direkt zu wählenden Sitze erringen. Die Wahlen fanden unter Sicherheitsvorkehrungen der Armee statt (FH 29.8.2016).

 

Bei den Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung von Azad Jammu und Kaschmir im Juli 2016 konnte die PML-N 31 der 41 Sitze erringen. Die PPP und die Muslim Conference errangen jeweils drei, die PTI zwei Sitze. Für die Wahlen wurden über 37.000 staatliche Sicherheitskräfte abgestellt, davon 22.000 von der Armee (Dawn 23.7.2016).

 

Die beiden Territorien haben keine politische Vertretung im pakistanischen Parlament oder in den Gremien, die verfassungsgemäß für die Beratung und die Koordinierung zwischen der föderalen Regierung und den Provinzen eingerichtet sind, was die Transparenz stark einschränkt. Als Resultat haben der pakistanische Premierminister, der Minister für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan, und durch diese der föderale Verwaltungsdienst volle Kontrolle über die Regierungsfunktion in beiden Territorien. Föderale Geheimdienste sind ebenfalls in den Territorien stationiert und üben beträchtlichen Einfluss über gewählte Repräsentanten und Verwaltungsbedienstete aus. Die Territorien haben auch keine weitgehende fiskalische Unabhängigkeit. Die föderalen Steuern werden in beiden Territorien umgesetzt, während ein Anteil der föderalen Einnahmen wieder durch Förderungen zurückfließt. In den föderalen Gremien, welche die Ressourcenverteilung zwischen den Provinzen verhandeln, sind die Repräsentanten der Territorien nicht vertreten. Die 2015 neu gewählte gesetzgebende Versammlung von Gilgit-Baltistan hat eine Resolution zur Forderung nach dem Status einer verfassungsgemäßen Provinz gestellt (FH 29.8.2016).

 

Gilgit-Baltistan hat ein Oberstes Berufungsgericht und einen Obersten Gerichtshof. Der Höchstrichter und die Richter des Berufungsgerichts werden durch den Premierminister Pakistans in seiner Funktion als Vorsitzende des Gilgit-Baltistan Councils auf Empfehlung des Gouverneurs ernannt. In der Praxis gehen alle Besetzungen der höheren Rechtsprechung über das Ministerium für Kaschmir Angelegenheiten und Gilgit-Baltistan. Der Prozess ist somit langwierig und lässt der föderalen Regierung einen überproportionalen Einfluss. Die föderale Regierung, die Armee und die Geheimdienste üben eine beträchtliche Präsenz in Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan aus. Überwachung von politischen Aktivitäten ist die Norm. Es gibt Berichte zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Todesfällen in Gewahrsam durch die Sicherheitskräfte, insbesondere gegen Unabhängigkeitsbefürworter und Aktivisten (FH 29.8.2016).

 

In Azad Jammu und Kaschmir und Gilgit-Baltistan sind Gesetze in Kraft, welche die Meinungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf den politischen Status der Region einschränken (FH 29.8.2016).

 

Stand Mai 2018 ist eine Erweiterung der Autonomie für Giligt-Baltistan (Government of Gilgit-Baltistan Order 2018) in Arbeit, die jedoch von mehreren Seiten kritisiert wird. So soll Gilgit-Balitstan mehr Autonomie erhalten, ohne jedoch das Gebiet in den Stand einer Provinz zu erheben. Der Premierminister Pakistans soll demnach gesetzgebende Kraft haben. Bewohner von Gilgil-Baltistan erhalten die Staatsbürgerschaft dieser Region, wodurch Staatsbürger Pakistans von außerhalb der Region gegenüber der eingesessenen Bevölkerung bevorzugt würden. Bei den Reformplänen wurde die Bevölkerung Gilgil-Baltistans nicht eingebunden (Dawn 17.5.2018b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol sowie die Terrorismusbekämpfung. Die Abteilung zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der FIA ist der Counter Terrorism Wing (CTWI). In diesem Bereich sind auch die pakistanischen Geheimdienste ISI [Inter-Services Intelligence] und IB [Intelligence Bureau] aktiv. Die einzelnen Provinzen verfügen über eigene Verbrechensbekämpfungsbehörden. Gegenüber diesen Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 20.10.2017).

 

Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI) (AA 20.10.2017). Der ISI gilt als einer der besten Geheimdienste der Welt (BBC News Hub 2.12.2017). Der ISI ist militärisch dominiert und geprägt. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste findet nicht statt (AA 20.10.2017).

 

Der pakistanische Geheimdienst, einst von einem ehemaligen Premierminister als "Staat im Staat" bezeichnet, ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert, sagen pro-Demokratie-Aktivisten. Der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity 15.12.2016). Der ISI verfügt den Geheimdienst betreffend über breit gefächerte Möglichkeiten. Das pakistanische Innenministerium verfügte mehr als zehn Gesetze, welche ein direktes Durchsetzungsrecht für den Geheimdienst beinhalten, obwohl viele dieser Dienststellen unter die operative Kontrolle des Militärs fallen (USDOS 2.6.2016).

 

Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig (AA 20.10.2017).

 

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte ist pro Bezirk sehr unterschiedlich und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 20.4.2018). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u. a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 20.10.2017).

 

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten - wie beispielsweise der Ahmadiyya-Muslimen, den Christen, den schiitischen Moslems und Hindus - Schutz vor Übergriffen zu gewährleisten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei und Fälle, wo lokale Behörden Minderheiten vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützen (USDOS 20.4.2018).

 

Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden (USDOS 20.4.2018).

 

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [~Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).

 

Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtsstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015).

 

Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karatschi, XXXX , Haripur und Buner durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Karatschi und Lahore, Rawalpindi und Mianwali ausgebildet wurden (SHARP 2016). Auch im Jahr 2017 gab es mehrere solcher Lehrgänge, u. A. in Lahore und Bhakkar (SHARP 28.11.2017). SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Es sind bei diesen Schulungen 195 männliche und elf weibliche Polizeibeamte unterschiedlichster Dienstgrade in den Bereichen Menschenrechte und Rechte von Flüchtlingen fortgebildet worden (SHARP 2016).

 

Seit einer Verfassungsänderung im Jänner 2015 haben militärische Gerichte das Recht, auch Zivilisten, die im Zusammenhang mit Terrorismus, Militanz, religiös motivierter Gewalt und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt werden sollen, zu verurteilen (USDOS 19.7.2017) [siehe auch Abschnitt 4.].

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Obwohl die Verfassung Folter und andere grausame und unmenschliche oder degradierende Behandlungen verbietet, beinhaltet das Strafgesetzbuch keinen spezifischen Abschnitt über Folter. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die Folter ausdrücklich verbieten (USDOS 20.4.2018; vgl. Dawn 27.6.2016). Laut der Asian Human Rights Commission trägt das Fehlen angemessener Beschwerdezentren und einer speziellen Sektion im Strafgesetzbuch gegen Folter zu deren Verbreitung bei. Die Kommission meint auch, dass es keine ernsthaften Anstrengungen gibt, Folter zu kriminalisieren und dass die Täter - meistens die Polizei oder Mitglieder der Streitkräfte - straflos davon kommen (USDOS 20.4.2018).

 

Es gibt Berichte, dass Sicherheitskräfte, darunter die Geheimdienste, Personen in der Haft foltern und misshandeln. Laut verschiedenen Quellen führt Folter gelegentlich zum Tod oder zu schweren Verletzungen. Dies wird jedoch häufig nicht dokumentiert. Es gibt Berichte, dass Polizisten grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen gegen Gefangene einsetzen (USDOS 20.4.2018). Auch AI erwähnt Folter als Menschenrechtsverletzung, der die Sicherheitskräfte beschuldigt werden (AI 21.2.2018). Nach Einschätzung der Human Rights Commission of Pakistan hat bei den 2016 in Haft verstorbenen 48 Strafgefangenen in zwei Fällen Folter zum Tod beigetragen oder war die Todesursache. In Fällen mit terroristischem Hintergrund oder von Landesverrat sind Berichte über die Anwendung von Folter durch die Sicherheitsdienste häufig. Sie entziehen sich häufig der gerichtlichen Kontrolle. Unter Folter erzwungene Geständnisse werden zwar als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich nicht zugelassen. Dies gilt allerdings nicht nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus für Geständnisse gegenüber ranghohen Beamten und Offizieren (AA 20.10.2017).

 

Folter wird von der Regierung offiziell verurteilt, doch ist die Strafverfolgung landesweit generell so unzureichend, dass es bisher selbst in Fällen von Folter mit Todesfolge so gut wie nie zu einer Verurteilung der Täter gekommen ist. In einer Reihe von Fällen wurde eine Strafanzeige erst nach gerichtlicher Intervention durch die Angehörigen der Opfer von der Polizei registriert. In einigen wenigen Fällen wurden Verantwortliche vom Dienst suspendiert und Untersuchungen angeordnet, an deren Ende aber in der Regel lediglich die Versetzung der Beschuldigten an eine andere Dienststelle stand. Die Gerichtsbarkeit unternimmt erst seit 2006 größere Anstrengungen, um Fälle von Folter aufzuklären und gegen die Verantwortlichen Strafverfahren einzuleiten. Ein Gesetz, mit dem Folter erstmals zum Straftatbestand gemacht würde, ist im Parlament seit einigen Jahren anhängig. Pakistan hat am 31.12.2015 dem Vertragsausschuss der VN-Anti-Folterkonvention erstmals einen nationalen Umsetzungsbericht vorgelegt. Dieser wurde im April 2017 im VN-Ausschuss gegen Folter kritisch diskutiert (AA 20.10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Korruption

 

Korruption ist in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen nach wie vor weit verbreitet (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Im Corruption Perceptions Index 2016 von Transparency International nahm Pakistan die 116. Stelle von 176 Ländern ein (TI 25.1.2017), im Jahr 2017 die 117. Stelle von 180 Ländern (TI 21.2.2018).

 

Das pakistanische Strafgesetzbuch untersagt, Bestechungen anzubieten, zu bezahlen oder anzunehmen. Schmiergeldzahlungen und Geschenke sind verboten aber weit verbreitete Praxis (GAN Integrity 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Das "National Accountability Bureau" (NAB) dient als höchste Antikorruptionsorganisation mit dem Mandat, Korruption durch Vollstreckung, Bewusstseinsbildung und Prävention zu eliminieren (USDOS 20.4.2018). Trotz solider Gesetzeslage ist Pakistan nicht in der Lage, Korruption in staatlichen Stellen zu verhindern. Die Regierung setzt die Anti-Korruptionsgesetze nicht effizient durch und Beamte, die in Korruption verwickelt sind, bleiben straffrei (GAN Integrity 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018).

 

Korruption ist auch in den unteren Ebenen der Polizei üblich. So werden durch manche Polizeikräfte Gebühren für die Annahme von gerechtfertigten Anzeigen angenommen und Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Anzeigen akzeptiert. Bestechungsgelder zur Vermeidung von Strafzahlungen sind ebenso weit verbreitet (USDOS 20.4.2018). Die Hauptgründe für Korruption sind mangelndes Verantwortungsbewusstsein sowie fehlende leistungsbezogene berufliche Aufstiegschancen bei relativ niedrigen Löhnen (USDOS 29.6.2017; vgl. TI 25.4.2014).

 

Seit 2015 haben Militär und Rangers (dem Innenministerium für Polizeiaufgaben unterstellte militärische Kräfte) auch in der Bekämpfung von gewöhnlicher Kriminalität und Korruption mehrfach die Initiative ergriffen (AA 20.10.2017).

 

Am 28.7.2017 wurde Ministerpräsident Nawaz Sharif aufgrund von Korruptionsvorwürfen vom Obersten Gericht abgesetzt (Zeit Online 28.7.2017). Hintergrund sind die durch die Panama Papers enthüllten Vermögensverhältnisse der Familie, die Sharif Vorwürfe der Geldwäsche und Korruption eingebracht hatten. In Pakistan kann ein Ministerpräsident des Amtes enthoben werden, wenn sich herausstellt, dass er Vermögen verborgen hat (Süddeutsche Zeitung 28.7.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen - auch regierungskritische - können sich in Pakistan betätigen, unterliegen jedoch einer geheimdienstlichen Überwachung und Kontrolle. Bedrohungen und Einschränkungen können erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane tangiert (AA 20.10.2017). Sowohl auf Bundes- als auch auf Provinzebene hat die Regierung die operativen Möglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Organisationen mittels Durchsetzung strenger Regulatorien und Berichterstattungsrichtlinien signifikant eingeschränkt. Internationale und lokale Organisationen müssen vor dem Start unterschiedlicher Projekte offizielle "no-objection certificates" (NOC) einholen. Seit 2015 müssen sich ausländische NGOs einem aufwendigen Wiederregistrierungsprozess unterziehen und viele von ihnen haben zum Jahresende 2016 noch keinen offiziellen Status erhalten (FH 1.2017).

 

NGOs, welche sich auf politische oder Menschenrechtsthemen fokussieren, sind intensiven Überprüfungen und in einigen Fällen auch Schikanen ausgesetzt (FH 4.12.2016). Insbesondere Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform des Blasphemie-Gesetzes und gegen die Todesstrafe engagieren, werden von extremistischen und dschihadistischen Gruppierungen bedroht. Sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen ist die Arbeit nicht nur in den [ehem.] Stammesgebieten (FATA), sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich; mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 20.10.2017).

 

Obwohl einige nationale und internationale Menschenrechtsgruppen ohne gröbere Einschränkungen tätig sind und Menschenrechtsverletzungen untersucht sowie die Ergebnisse veröffentlicht haben, wird die operative Tätigkeit von NGOs durch die Regierung vermehrt eingeschränkt. Gruppen, die über Missstände bei Regierung, Militär, Geheimdienst berichten oder in Bezug auf Binnenvertriebene oder Konfliktgebiete aktiv sind, berichten von zeitweisen Restriktionen ihrer operativen Tätigkeit und der Geldlukrierung, u. A. durch Regulatorien bezüglich Reisen, Visum und Registrierung (USDOS 20.4.2018).

 

Laut der Aid Worker Security Database wurden im Jahr 2016 ein und im Jahr 2015 zwei Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2014 zwölf und in den Jahren 2012 und 2013 je 17 Mitarbeiter getötet (AWSD 12.4.2018).

 

Die HRCP befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP gibt es eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen, die sich mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte beschäftigen. Im Bereich Frauenrechte engagieren sich u. a. die Aurat Foundation, Shirkat Gah, AGHS Legal Aid Cell und zahlreiche kleinere Organisationen. Im Bereich Minderheiten (insbes. Christen) sind das Centre for Legal Aid, Assistance and Settlement (CLAAS), die National Commission for Justice and Peace und die All Pakistan Minorities Alliance tätig. Die Society for Human Rights and Prisoners Aid (SHARP) richtet Konferenzen zu Menschenrechtsthemen aus und bietet kostenlose Rechtsberatung. Im Bereich der Todesstrafe ist die Nichtregierungsorganisation Justice Project Pakistan (JPP) führend, die Statistiken über die Verhängung der Todesstrafe und über Hinrichtungen in Pakistan führt, sich öffentlich gegen die Todesstrafe einsetzt, anhand von Fallbeispielen Rechtsverstöße in Gerichtsverfahren dokumentiert und öffentlich macht und für einzelne Verurteilte, in der Regel unentgeltlich, in Berufungsverfahren als Rechtsbeistand auftritt. Für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein (AA 20.10.2017).

 

Zur Eindämmung der Terrorismusfinanzierung innerhalb und außerhalb des Landes haben Bundes- und die Provinzregierungen eine Registrierung aller Unternehmen, auch Non-Profit-Organisationen, karitativer Einrichtungen und Nicht-Regierungsorganisationen, beschlossen (TIN 9.1.2016). Zur Straffung des Registrierungsprozesses von NGO muss eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein. Dieser Registrierungsvorgang ist für alle nicht staatlichen Organisationen alle fünf Jahre erneut zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung und Beobachtung von verbotenen Organisationen und Einzelpersonen stellte dabei das Hauptanliegen dar - so ein Sprecher des Innenministeriums (Dawn 9.1.2016).

 

Im Jahr 2015 wurden einige NGOs aufgefordert, Pakistan zu verlassen, darunter Norwegian Refugee Council. 20 internationale NGOs wurden durch die pakistanischen Behörden unter Beobachtung gestellt. Der pakistanische Innenminister äußerte in der Öffentlichkeit seine Bedenken, dass NGOs in antistaatliche Aktivitäten wie Spionage und Finanzierung des Terrorismus beteiligt sind. Diese Schritte würden nach Einschätzung von Freedom House dazu dienen, dass die NGOs in einem Klima des Misstrauens und der Unsicherheit operieren würden (FH 4.12.2016).

 

Visa für ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden verzögert. Nur wenige NGOs haben Zugang zu Khyber Pakhtunkhwa, den [ehem.] FATA und Teilen Belutschistans (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Ombudsmann

 

Nach einer präsidialen Verordnung im Jahr 1983 wurde das Amt des Ombudsmannes (Wafaqi Mohtasib) geschaffen (Gov Pak 24.1.1983). Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der öffentlichen Verwaltung ("maladministration"). Die Einschaltung des Ombudsmannes ist gratis und steht jedem Menschen offen. Der Tätigkeitsbereich erstreckte sich auch auf das Gebiet der FATA [Anm.: seit 31.5.2018 Teil von Khyber Pakhtunkhwa] (FOOP o.D.).

 

Für Beschwerden gegen Menschenrechtsverletzung sind in den verschiedenen Provinzen Büros des Ombudsmannes eingerichtet [vgl. auch FOOP 11.1.2018]. Verletzungen der Rechte der Minderheiten fallen ebenso in ihren Zuständigkeitsbereich (BAA 6 .2013). Zum Beispiel wurde im Büro des Ombudsmanns in Sindh ein eigenes Büro für Menschenrechtsbeschwerden eingerichtet. Dieses Büro wird die Menschenrechtslage und die Anwendung der internationalen Menschenrechtskonvention in Sindh beobachten und regelmäßig dem Ombudsmann Bericht erstatten (TET 30.1.2015).

 

Das Gesetz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan und Punjab haben diese eingerichtet. Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad sowie mit Büros in jeder Provinz (USDOS 20.4.2018). Es gibt unabhängige Ombudsleute für Angelegenheiten der Steuer, Versicherungen, Bankangelegenheiten und Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Auch für Beschwerden über die "Karachi Electric Supply Corporation" (KESC) ist der Bundesombudsmann zuständig. Der Ombudsmann behandelt u. A. keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen (FOOP o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Die pakistanische Armee umfasst die Teilstreitkräfte Heer (mit Nationalgarde), Marine (mit Maritime Security Agency) und Luftwaffe (Pakistan Fiza'ya) (CIA 10.4.2018). Pakistans Armee ist eine Freiwilligenarmee (AA 20.10.2017). Das Alter für den freiwilligen Militärdienst beträgt 16 bis 23 Jahre. Soldaten unter 18 Jahre können nicht im Kampf eingesetzt werden. Armeeangehörige bleiben bis zum Alter von 45 im Reservistenstand (Offiziere bis 50) und Frauen dienen in allen drei Teilstreitkräften (CIA 10.4.2018). Angehörige religiöser Minderheiten sind in der Armee deutlich unterrepräsentiert, ihre Karrierechancen sind geringer, außerdem fürchten sie Diskriminierung (AA 20.10.2017).

 

Aufgrund des Status als Freiwilligenarmee in Verbindung mit dem herrschenden Ehrenkodex sind Fälle von Fahnenflucht extrem selten. Im Militärstrafrecht ist in folgenden Fällen die Todesstrafe vorgesehen: Feigheit vor dem Feind, Weitergabe einer Parole an unbefugte Personen, Meuterei oder Gehorsamsverweigerung, Fahnenflucht oder Hilfe zur Fahnenflucht. Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit, die in den drei Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine unterschiedlich gehandhabt wird. Urteile der militärischen Gerichtsbarkeit gegen Militärangehörige sind nicht vor zivilen Gerichten anfechtbar. Gefängnisstrafen sind in Militärgefängnissen zu verbüßen (AA 20.10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 der Verfassung garantiert den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 25 Abs. 1 garantiert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 Abs. 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (AA 20.10.2017).

 

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher nicht in der Lage, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten, auch wenn sich der Oberste Gerichtshof punktuell mit Fällen in der Öffentlichkeit thematisierter Menschenrechtsverletzungen (z.B. dem Verschwindenlassen von Personen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung in Belutschistan und in den Stammesgebieten und dem Schutz der Minderheitenrechte) befasst. In den pakistanischen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas, FATA) haben die in der pakistanischen Verfassung verankerten Bürgerrechte keine Geltung (AA 10 .2017a).

 

Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen bewusst in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung Pakistan sich verpflichtet hat (AA 20.10.2017). Sicherheitskräfte waren im gesamten Land in erzwungenes Verschwinden und extralegale Tötungen verwickelt (HRW 18.1.2018).

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte sind u.a. extralegale und gezielte Tötungen, das Verschwindenlassen von Personen, Folter, fehlende Rechtsstaatlichkeit, schlechte Ausführung und Durchsetzung der Gesetze; häufige Mob-Gewalt und Selbstjustiz bleiben meist straffrei. Weitere Menschenrechtsprobleme sind unter anderem willkürliche Haft, lange Untersuchungshaft, Mangel an Unabhängigkeit der Gerichte unterer Instanzen, häufige Verletzung der privaten Bürgerrechte, Angriffe und Schikanen von Medienvertretern, Einschränkungen der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, Korruption, Verletzung der Religionsfreiheit von Minderheiten, sowie verschiedene Formen schwerwiegender Gewalt gegen Frauen, unter anderem Ehrverbrechen und Diskriminierung. Wegen fehlender Rechenschaftspflicht der Regierung blieben Vergehen oft ungeahndet, was zu einer Kultur der Straflosigkeit der Täter führt, staatlich oder nicht-staatlich. Die Behörden bestrafen Beamte nur selten für Verstöße gegen die Menschenrechte (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 10.1.2017).

 

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führte zum Verschwinden zahlreicher Männer und männlicher Jugendlicher, vor allem in den Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa und Sindh, und war dabei teilweise sogar durch das Antiterrorgesetz und andere Regelungen gedeckt. Obwohl der Oberste Gerichtshof die Regierung 2013 mehrfach unmissverständlich dazu aufgefordert hatte, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären, unternahmen die Behörden nur wenig, um diese Menschenrechtsverletzung gemäß der pakistanischen Verfassung und internationalen Verpflichtungen zu bekämpfen. Anordnungen des Obersten Gerichtshofs, die Verantwortlichen aus den Reihen der Sicherheitskräfte zur Verantwortung zu ziehen, blieben folgenlos. Nur äußerst selten tauchten Aktivisten, die verschwunden waren, lebend wieder auf (AI 25.2.2015). 2015 gab es bei den Fällen, die vor den höheren Gerichten auf Aufklärung warten, nur kleine Fortschritte (HRCP 3.2016).

 

Gemäß der Kommission zur Ermittlung erzwungenen Verschwindens (COIED) wurden im Zeitraum 2011 bis 30.4.2018 4.929 Fälle zur Kenntnis gebracht und davon 3.269 Fälle abgeschlossen; 1.822 Fälle sind noch offen (DPG 7.5.2018). Stand 30.12.2017 waren 4.608 Fälle angezeigt, davon 3.076 abgeschlossen und 1.532 offen (HRCP 4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), davon 867 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 4.2018). HRCP berichtet über 728 Personen, die 2016 als vermisst gemeldet wurden, die höchste Zahl seit mindestens sechs Jahren (HRCP 5.2017). Im Jahr 2017 gingen 868 neue Fälle vermisster Personen ein, während im selben Jahr 555 Fälle abgeschlossen wurden (HRCP 4.2018).

 

Gesetzesvollzugsorgane und Sicherheitsbehörden werden beim Verüben von Menschenrechtsverletzungen wegen ihres großen politischen Einflusses nicht zur Verantwortung gezogen, vor allem in Fragen der nationalen Sicherheit und der Terrorabwehr. Im März 2017 wurde vom Parlament ein Verfassungszusatz beschlossen, wonach geheime Militärgerichte zur Verhandlung gegen Terrorismusverdächtige für weitere zwei Jahre zugelassen sind (HRW 18.1.2018).

 

Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der sogenannten "police encounters" vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Aufständischen oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten, oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten. Laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" kamen 2016 landesweit hunderte Personen bei "police encounters" ums Leben. Demnach sprach die Polizei im Punjab von 340 Getöteten bei "encounters", die Polizei im Sindh zählte 248 Tote. Für die anderen Provinzen und territorialen Einheiten lagen die Zahlen bei 229 (Belutschistan), 315 (FATA - Federally Administered Tribal Areas), 40 (Khyber Pakhtunkhwa) und vier (Gilgit-Baltistan) Getöteten. In der Regel werden diese Fälle nicht gerichtlich untersucht. Die Familien der Opfer, die meist den ärmeren Bevölkerungsschichten angehören, wagen entweder nicht, die Version der Polizei in Frage zu stellen, oder haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, gerichtlich gegen die Beamten vorzugehen (AA 20.10.2017).

 

In zahlreichen Fällen bleiben Strafgefangene über viele Jahre hinweg widerrechtlich inhaftiert, obwohl ihre Haftstrafe bereits verbüßt ist. Ein häufiger Grund ist, dass die Strafgefangenen oder ihre Familienangehörigen nicht die notwendigen Mittel aufbringen können, die gleichzeitig mit der Haftstrafe verhängte Geldbuße nach Ablauf der Haftzeit zu begleichen. Ein anderer Grund ist, dass Gerichtsurteile nicht konsequent umgesetzt werden. Andere Personen werden, ohne dass gegen sie eine Haftstrafe verhängt wurde, nur deshalb in Haft genommen, weil sie nicht in der Lage sind, gegen sie verhängte Bußgelder zu begleichen (AA 20.10.2017).

 

Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück (AA 20.10.2017).

 

Der Senat und die ständigen Komitees der Nationalversammlung zu Recht, Justiz, Minderheiten und Menschenrechten hielten Anhörungen zu einer breiten Reihe von Problemen mit Bezug auf die Menschenrechte, unter anderem Ehrverbrechen und Polizeigewalt ab. Das Gesetz zur nationalen Menschenrechtskommission von 2012 sah Einrichtung eines unabhängigen Komitees, der nationalen Kommission für Menschenrechte, vor. Dieses wurde von der Regierung 2015 eingerichtet. Im November 2015 wurde ein unabhängiges Ministerium für Menschenrechte wieder eingerichtet (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese kann jedoch eingeschränkt werden zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die zahlreichen Medien können grundsätzlich weitgehend frei berichten (AA 20.10.2017). Private und öffentliche Kritik an der Regierung ist erlaubt, die Presse berichtet über Verfolgungen von Minderheiten (USDOS 20.4.2018).

 

Grundsätzlich besteht in Pakistan eine große Medienvielfalt und die Meinungsfreiheit ist verhältnismäßig gut ausgeprägt (ÖB 10.2017). Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch (AA 20.10.2017) und unabhängige Medien verleihen einer Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten Ausdruck (USDOS 20.4.2018). Pakistan verfügt über 160 Radiostationen und über 200 Tageszeitungen (FH 27.1.2016); 455 unabhängige englisch-, urdu- und regionalsprachigen Zeitungen und Magazinen (USDOS 20.4.2018). In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich etwa neunzig private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue Online-Magazine und neue Radiostationen (AA 20.10.2017).

 

In den [ehem.] Stammesgebieten (FATA) gibt es trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mehrere Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern (AA 20.10.2017). Um in Azad Kaschmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis des Kaschmir Rates und des Ministeriums für Kaschmir-Angelegenheiten (USDOS 20.4.2018).

 

Laut Gesetz darf die Regierung Informationen einschränken, die nationalen Interessen entgegenstehen (USDOS 20.4.2018). Journalisten berichten in Einzelfällen, im Zuge von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern, über Repressionen durch Regierungsstellen (AA 20.10.2017). Kritik am Militär kann zu politischen oder wirtschaftlichen Repressalien seitens der Regierungsbehörden führen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017). Kritik an der Institution des Militärs, an den Sicherheitsdiensten oder am Blasphemiegesetz kann - wenn überhaupt - nur vorsichtig geäußert werden (AA 20.10.2017), die geltenden Blasphemiegesetze schränken die Rechte des einzelnen auf freie Meinungsäußerung zu Fragen betreffend Religion und religiöse Lehre ein (USDOS 20.4.2018). Zuletzt war eine drohende Verschlechterung der Meinungsfreiheit - auch über klassische Tabuthemen wie Belutschistan (separatistische Aufstände, extralegale Tötungen, Verschwindenlassen) hinaus - zu beobachten (ÖB 10.2017).

 

Es gibt Fälle von Gewalt und Einschüchterungen, die sowohl von staatlichen Stellen wie auch Extremistengruppen gezielt gegen Medienvertreter gerichtet sind (FH 1.2017). Mutmaßliche Fälle von Verschwindenlassen betreffen auch Aktivisten in sozialen Medien und Journalisten (USDOS 20.4.2018). Die Täter solcher Verbrechen bleiben straffrei (FH 1.2017; vgl. PIPS 1.2018 S 207). Seit Jänner 2002 wurden nur drei von über hundert Mordfällen, die an Journalisten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit begangen wurden, aufgeklärt (PIPS 1.2018 S 207). Pressevertreter klagen oft über ungenügenden staatlichen Schutz vor Drohungen extremistischer Gruppen - dies sei de facto eine Einschränkung der Pressefreiheit (AA 20.10.2017).

 

Für das Jahr 2017 gibt die International Federation of Journalists (IFJ) vier getötete Personen [vgl. PIPS 1.2018 S 207: drei getötete Journalisten und ein Medienarbeiter] und für das Jahr 2018 (Stand März) eine getötete Person aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan an (IFJ o.D.). Im Jahr 2016 wurden laut Committee to Protect Journalists (CPJ) zwei Journalisten (FH 1.2017), laut IFJ mindestens fünf Personen aus dem Bereich Journalismus und Medienarbeit in Pakistan getötet (IFJ o.D.); nach Angaben der Human Rights Commission of Pakistan wurden 2016 sechs Journalisten und ein Blogger getötet (HRCP 5.2017; vgl. AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 gab es einen Anstieg von Angriffen auf Medienverlage, Fernsehstationen, Zeitungsredaktionen und Presseclubs durch aufständische, religiöse oder politische Gruppierungen (HRCP 5.2017).

 

Erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht vor allem von nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppierungen aus. Diese setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, dazu ein, missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen (AA 20.10.2017). Bedrohte Journalisten haben meist über bewaffnete Konflikte, Politik, Korruption und Menschenrechte berichtet. Journalisten wurden nicht nur in abgelegenen Gebieten oder in Konfliktgebieten bedroht oder angegriffen, sondern auch in den Großstädten. Die Ausübung des Journalistenberufes ist in bestimmten Gebieten risikoreicher, insbesondere die [ehem.] FATA und Balutschistan bleiben problematisch. Die Hauptgründe für Sicherheitsrisiken für Journalisten in den [ehem.] FATA ist der schwierige Zugang sowohl zum Gebiet, wie auch zu Information. In Balutschistan kam zusätzlich zu den Problemen der Sicherheitslage auch die Verteilung der Information dazu. Im Oktober 2017 unterbanden Aufständische mehrere Wochen lang die Auslieferung von Zeitungen, um eine Berichterstattung über ihre Sicht zu erzwingen. Im Zuge dessen wurden der Hub Press Club und ein Zeitungsstand mit Granaten angegriffen und mehrere Zeitungslieferwägen in Brand gesteckt (PIPS 1.2018 S 208).

 

Reporter ohne Grenzen (RSF) listete Pakistan im Jahr 2017 im World Press Freedom Index auf Platz 139 unter weltweit 180 Ländern. Im Jahr 2016 belegte das Land den 147. [und 2015 den 159. Rang; vgl. RSF 2015]. Zur Lage der Journalisten im Land stellt RSF fest: "Die pakistanischen Medien gelten als die freiesten in ganz Asien, dennoch stehen Journalisten im Fokus von extremistischen Gruppen, islamistischen Organisationen und der Nachrichtendienste des Landes. Obwohl sich diese in einer stetigen Auseinandersetzung miteinander befinden, sind sie immer bereit, Handlungen von den Medien als ‚Sakrileg' zu verurteilen. Zwangsläufig ist so eine Selbstzensur in den Nachrichten-Organisationen weit verbreitet." (RSF 2017)

 

Im Kontext des verschärften Kampfs gegen Terrorismus und Extremismus seit Anfang 2015 wurde der Freiraum der Medien eingeschränkt (AA 20.10.2017). Ein Beispiel dafür ist das im August 2016 verabschiedete Gesetz "Prevention of Electronic Cybercrimes Act" (PECA), das nach Einschätzungen seiner Kritiker zu einer teilweise erheblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit in den elektronischen Medien führen könnte (AA 20.10.2017; vgl. HRCP 5.2017). Das Gesetz erlaubt den Behörden, die Kommunikation der Bevölkerung zu überwachen, darunter auch Journalisten, politische Aktivisten und Bürgerrechtsaktivisten (HRCP 5.2017).

 

Seit Anfang des Jahres 2017 gibt es im politischen und parlamentarischen Raum eine grundsätzliche Diskussion, wie mit angeblichen oder realen Verstößen gegen das bestehende pakistanische Blasphemiegesetz in den sozialen Medien in Pakistan umgegangen werden soll. Der Islamabad High Court forderte die Regierung im März 2017 auf, alle blasphemischen Inhalte in den sozialen Medien zu entfernen und zu untersuchen, wer hinter deren Verbreitung steht. Anfang 2017 waren für mehrere Wochen in Pakistan fünf Blogger spurlos verschwunden, denen u.a. vorgeworfen wurde, gegen das Blasphemiegesetz verstoßen zu haben. Im April 2017 meldete die Regierung, dass wegen angeblicher Verstöße gegen das Blasphemiegesetz inzwischen 152 Facebook-Seiten geblockt worden seien (AA 20.10.2017).

 

Da Pakistan weder über die Rechte noch die Mittel verfügt, Inhalte, die auf ausländischen Internetplattformen veröffentlicht wurden, zu blockieren oder zu löschen, tendiert die Regierung dazu, einfach ganze Webseiten zu schließen. Diese bleiben jedoch in der Regel über Proxies oder VPN zugänglich (HRCP 4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, werden aber eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Versammlungsfreiheit kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden. Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 20.10.2017). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 20.4.2018). Selten werden willkürliche Versammlungsverbote nach Abschnitt 144 des Strafgesetzbuches angeordnet, wenn die Behörden eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung sehen. Bei Protesten gegen die Regierung im Oktober 2016 in Islamabad und Rawalpindi wurden hunderte Personen nach Abschnitt 144 verhaftet (FH 1.2017). Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren (AA 20.10.2017).

 

Pakistan hat eine blühende und kompetitive Mehrparteienlandschaft. Oppositionsparteien sind generell frei in ihrer Arbeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Repräsentantenhäuser (FH 1.2017). Politische Auseinandersetzungen werden, vor allem in Karatschi, zum Teil mit Gewalt ausgetragen. Dies betrifft vor allem die radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien in Karatschi, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (PIPS 1.2017).

 

Die Übergangsverfassung von Azad Jammu und Kaschmir (AJK) verbietet Aktivitäten, die nachteilig für den Beitritt von Azad Jammu und Kaschmir zu Pakistan sind. Ähnliche Regelungen sind in Gilgit Baltistan in Kraft. In AJK werden politische Aktivisten, die verdächtigt werden, sich den pakistanischen Gesetzen zu widersetzen, sowie Oppositionelle überwacht und sind Belästigung und manchmal auch Haft ausgesetzt. In AJK wird vor allem im Zusammenhang mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegungen und anderen Aktivisten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und Tod während der Haft durch die Sicherheitskräfte berichtet (FH 4.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Haftbedingungen

 

Ein "First Information Report" (FIR) ist die gesetzliche Grundlage für alle Inhaftierungen. Gewöhnlich initiiert eine dritte Person den FIR. Ein FIR erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen 24 Stunden festzuhalten. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft um weitere 14 Tage ist nach Vorführung vor einem Polizeirichter möglich, wenn die Polizei triftige Gründe anführt, dass eine solche Verlängerung für die Ermittlungen unbedingt notwendig ist. Diese Einschränkung wird nicht immer eingehalten. Es gibt Berichte, dass Staatsorgane entweder einen FIR ohne Beweise ausstellten, oder aber erst nach dem Erhalt von Bestechungsgeld. Des Weiteren gibt es Berichte über Verhaftungen von Personen ohne gerichtliche Genehmigung (USDOS 20.4.2018).

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht. Nach Feststellung von UNODC und HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt besonders für zum Tode verurteilte Strafgefangene. Haftanstalten sind chronisch überbelegt. Dies gilt insbesondere für die Gefängnisse in Punjab (AA 20.10.2017), wobei Stand 2016 in der Provinz sieben neue Distriktgefängnisse und ein Hochsicherheitsgefängnis in Bau waren (HRCP 5.2017) und für 2017 der Bau weiterer drei Gefängnisse angekündigt wurde (HRCP 4.2018).

 

HRCP berichtet, dass mit Stand Jahresende 2017 landesweit ca. 82.000 Personen in Haft waren, während die Kapazität der Haftanstalten landesweit auf ca. 56.000 ausgelegt ist. Die Überbelegung war in Punjab am gravierendsten. 2017 lag die Kapazität der 40 Haftanstalten in Punjab bei ca. 32.000 bei einer Belegung von ca. 50.000 Personen (HRCP 4.2018). Mit Verabschiedung der "National Judicial Policy" 2009 wurde zwar versucht, u.a. durch konsequentere Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zur Entlassung auf Kaution und zur Bewährung, das Problem der Überbelegung der Gefängnisse in den Griff zu bekommen, doch war eine deutliche Verbesserung der Lage auch 2015 noch nicht festzustellen (AA 30.5.2016). Ungefähr 70 % [vgl. HRCP 5.2017: fast zwei Drittel; vgl. HRCP 4.2018: ca. 53.000 von 82.000] der Häftlinge sind Untersuchungshäftlinge, nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß (AA 20.10.2017).

 

Die Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten sind großteils schlecht. Obwohl sich die qualitative und quantitative Ernährungssituation verbessert hat, führt unzureichende medizinische Versorgung und unzureichende Nahrungsversorgung in den Gefängnissen zu chronischen Gesundheitsproblemen und Unterernährung bei jenen, die nicht in der Lage sind, ihre Nahrung mit Hilfe von Familie oder Freunden zu ergänzen. In vielen Einrichtungen sind Hygiene, Belüftung, Beleuchtung und Trinkwasserzugang inadäquat. Die meisten Haftanstalten sind veraltet. Zwar besteht ein System für eine allgemeine medizinische Versorgung und einer Grundversorgung für Notfälle, doch verlangsamen bürokratische Verfahren den Zugang zu diesen Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).

 

Die Menschenrechtskommission von Pakistan (HRCP) erklärte in ihrem Jahresbericht von 2017 auf Grundlage von Medienbeobachtung, dass es in diesem Jahr in pakistanischen Gefängnissen zu 47 Fällen von Gewalt oder Folter kam, bei denen 32 Männer gestorben sind (HRCP 4.2018).

 

Es gibt besondere Frauengefängnisse. Bei gemischten Gefängnissen sind Frauen- und Männerabteilungen voneinander getrennt (AA 20.10.2017). Die Zahl der weiblichen Strafgefangenen belief sich laut "Human Rights Commission of Pakistan" Stand 30.11.2017 auf 1442 (2016: 1.497) bei 81.509 (2016: 82.818) männlichen Strafgefangenen (HRCP 4.2018; Werte für 2016: HRCP 5.2017). Weibliche Gefangene sind Belästigungen, unzureichenden hygienischen Bedingungen und Mangel an medizinischer Versorgung unterworfen (AA 20.10.2017). Die Zahl sexueller Übergriffe an weiblichen Häftlingen ist 2016 zurückgegangen. Während jedes Gefängnis einen Dienstposten für eine weibliche Ärztin oder Pflegerin vorsieht, war dieser in einem Großteil der Gefängnisse vakant. Die meisten Gefängnisse haben separierte Frauensektionen, in manchen Fällen sind diese jedoch in unmittelbarer Nähe der Sektionen für Männer (HRCP 5.2017); beispielsweise im Haripur Central Jail in Khyber Pakhtunkhwa. Dies stellt für die weiblichen Gefangenen eine Gefährdung durch sexuelle Gewalt durch ihre männlichen Mitgefangenen - etwa bei Gefängnisunruhen - dar (Dawn 27.2.2016). Laut eines Berichtes des Innenministeriums von Oktober 2016 waren von 939 Frauen, die zum Untersuchungszeitpunkt in der Provinz Punjab inhaftiert waren, 110 gemeinsam mit ihren Kindern inhaftiert (HRCP 5.2017), für die Provinz Sindh wurden im Jahr 2017 40 Babys angegeben, die gemeinsam mit ihren Müttern in Haft waren (HRCP 4.2018).

 

Jugendgefängnisse existieren nicht. Der Jugendstrafvollzug erfüllt nicht die sowohl nach pakistanischem Recht (Juvenile Justice System Ordinance 2000, JJSO) als auch durch die VN-Konvention über die Rechte des Kindes vorgegebenen Mindestanforderungen. Der letzte festgestellte Anteil jugendlicher Strafgefangener zum Stichtag 1.12.2012 betrug 1,7 %. Bürokratische Hindernisse, Korruption auf verschiedenen Ebenen und die Ineffizienz des überlasteten Justizsystems führen auch im Jugendstrafvollzug dazu, dass viele Gefangene eine längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen als sie laut Gesetz als Höchststrafe für ihr Vergehen erhalten könnten. Auch nach Ablauf der Strafhaft kommt es bis zur Freilassung z.T. zu langen Verzögerungen (AA 20.10.2017). Jugendliche Straftäter sind oft in den gleichen Einrichtungen untergebracht wie Erwachsene, allerdings in anderen Abteilungen. Die Trennung ist jedoch nicht strikt, und jugendliche Häftlinge werden oft Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung (USDOS 20.4.2018).

 

Es gibt einen Ombudsmann für Häftlinge mit einem Zentralbüro in Islamabad und einen in jeder Provinz. Inspektoren besuchen die Gefängnisse und Haftanstalten unregelmäßig. Behörden verweigern internationalen Organisationen den Zugang zu Gefängnissen in den Gebieten Khyber Pakhtunkhwa, [ehem.] FATA und Belutschistan. Die Provinzregierungen von Sindh, Gilgit-Baltistan und Azad Kaschmir erlauben einigen internationalen Organisationen unabhängiges Monitoring in Zivilgefängnissen. Vertreter der Organisationen berichten, dass die Kontrollbesuche jedes Jahr weiter erschwert werden. Behörden auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene erlauben einigen Menschenrechtsgruppen und Journalisten die Gefängnisbedingungen für jugendliche und weibliche Häftlinge zu beobachten (USDOS 20.4.2018).

 

Bei einem Besuch in einem Gefängnis durch Mitglieder des Beirats des föderalen Ombudsmannes im Juli 2015, wurde der Fokus besonders auf Frauen und Kinder gerichtet. Demnach beschwerten sich weibliche Gefangene darüber, dass es ihnen nicht erlaubt sei, Kinderbetten zu verwenden. Gegenwärtig gäbe es keine Vorkehrungen, um den Gefangenen eine Berufsausbildung zu bieten. Durch den Ombudsmann wird eine Trennung der Belegschaft der Haftanstalt nach dem Schweregrad des Verbrechens gefordert (Dawn 27.2.2016).

 

Als Verbesserungen gibt USDOS an, dass 2017 die Infrastruktur und die Regeln in bestehenden Haftanstalten verbessert wurde und neue Gefängnisse errichtet wurden. Dadurch können Untersuchungshäftlinge vermehrt von verurteilten Straftätern getrennt untergebracht werden (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Todesstrafe

 

Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion des Terrorangriffs auf die vom Militär geführte Schule in Peshwar [Anm.: der Angriff erfolgte im Dezember 2014] eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten künftig erlaubt, unter Terrorverdacht stehenden Zivilisten den Prozess zu machen. Die Maßnahme wäre im Jänner 2017 ausgelaufen, wurde aber durch die Regierung bis Jänner 2019 verlängert (USDOS 20.4.2018). Das 2008 eingeführte Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe wurde am 17.12.2014 aufgehoben (AA 20.10.2017), zunächst für terroristische Straftaten, später auch für andere Kapitalverbrechen ohne terroristischen Bezug (ÖB 10.2017).

 

Bei Verwirklichung von 27 [vgl. ÖB 10.2017: 31] verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden. Der unter Todesstrafe gestellte Tatbestandskatalog geht weit über den nach dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte gesetzten Rahmen hinaus, den Pakistan ebenfalls ratifiziert hat. Es besteht die Gefahr, dass Personen wegen eines Tatbestandes, der gemäß dieses Paktes von der Verhängung der Todesstrafe ausgenommen ist, dennoch zum Tode verurteilt und auch hingerichtet werden (AA 20.10.2017).

 

Die Todesstrafe kann u.A. bei folgenden Delikten verhängt werden:

Mord; Raub mit Todesfolge; gerichtliche Falschaussage mit dem Ziel, dass eine unschuldige Person zum Tode verurteilt wird; Terrorismus mit Todesfolge; Vergewaltigung und Gruppenvergewaltigung; Haraabah [Straßenraub]; Eisenbahnsabotage; Störung der religiösen Harmonie; Entkleiden einer Frau; Entführung von Minderjährigen oder Entführung mit dem Ziel sexueller Ausbeutung oder Lösegeldforderungen; Import, Export, Schmuggel, Produktion von Drogen; sexueller Kontakt außerhalb einer Ehe; Hochverrat; kriegerische Handlungen gegen Pakistan; Meuterei oder Befehlsverweigerung; unbefugte Weitergabe oder Nutzung militärischer Passwörter; Waffenhandel; Blasphemie (HRCP o.D.).

 

Als besondere Problematik sind die als rechtliche Handhabe zur Unterdrückung religiöser Minderheiten dienenden Blasphemiegesetze anzuführen, die Herabwürdigungen des Propheten mit der Todesstrafe bedrohen. Diese wurde bisher allerdings in diesem Zusammenhang noch nie vollzogen [siehe auch Abschnitt 16. Religionsfreiheit] (ÖB 10.2017).

 

Die Analyse einer Reihe von Fällen zeigt, dass auch in Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wird, immer wieder schwere Rechtsfehler passieren und die Verfahrensrechte der Angeklagten schwer missachtet werden. Urteile werden mitunter ausschließlich aufgrund der Geständnisse der Angeklagten verhängt, wobei davon auszugehen ist, dass Geständnisse immer wieder durch Folter oder Misshandlung im Polizeigewahrsam erzwungen werden. In vielen Fällen beruhen die Todesurteile auf rechtsstaatlich sehr zweifelhaften Verfahren, in mehreren Fällen besteht Grund zur Annahme, dass die hingerichtete Person zum Tatzeitpunkt minderjährig war (AA 20.10.2017). Seit der Aufhebung des Moratoriums seit Dezember 2014 wurden bis Dezember 2016 mindestens sechs Jugendliche hingerichtet (Dawn 22.12.2016).

 

Zum Tode Verurteilten stehen als Rechtsmittel der normale gerichtliche Instanzenweg bis zum Obersten Gerichtshof (Supreme Court) und anschließend die Möglichkeit eines Gnadengesuchs an den Staatspräsidenten offen (AA 30.5.2016). Der Präsident hat die Ermächtigung unter Artikel 45 der Verfassung, zum Tode Verurteilte zu begnadigen (Dawn 12.4.2018). Gnadengesuche werden Berichten zufolge generell ohne Einzelfallprüfung abgelehnt (ÖB 10.2017; vgl. Dawn 12.4.2018). Von Dezember 2014 bis Apil 2018 wurden im Zusammenhang mit Todesurteilen 513 Gesuche zum Zwecke einer Begnadigung von Gefangenen abgelehnt, davon wurden 444 innerhalb der ersten 15 Monate seit der Wiedereinführung der Todesstrafe gestellt (Dawn 12.4.2018).

 

Seit der Aufhebung des Moratoriums wurden in Pakistan, bis Jahresende 2017, 489 Personen hingerichtet (HRCP 4.2018; vgl ÖB 10.2017: 432 mit Stand Oktober); 94% davon wegen nicht-terroristischer Verbrechen (ÖB 10.2017). Amnesty International zählte 2017 mindestens 60 (AI 12.4.2018), HRCP mindestens 64 Hinrichtungen, von denen 43 nach Verurteilungen durch Militärgerichte vollstreckt wurden (HRCP 4.2018). Für das Jahr 2016 gab AI mindestens 87 (AI 11.4.2017) und für 2015 insgesamt 326 Hinrichtungen an (AI 6.4.2016).

 

Die Gesamtzahl der Insassen im Todestrakt pakistanischer Gefängnisse beträgt ca. 8.200 - eine der größten Zahlen an Menschen "on death row" weltweit (HRCP 4.2018; vgl. auch AI 23.2.2016). 2017 wurden 253 Personen zum Tode verurteilt, davon wurden 177 Urteile von normalen Strafgerichten verhängt (HRCP 4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Religionsfreiheit

 

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch [vgl. CIA 14.3.2018: 96,4 %; USDOS 15.8.2017:

95 %], 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten ("scheduled castes") und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 14.3.2018) und USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Hindus, Christen, Zoroastrier, Bahais, Sikhs, Buddhisten, Ahmadis und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Zahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Anhänger (USDOS 15.8.2017).

 

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islams konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973, 2016; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 15.8.2017). Die Praktiken der Regierung und einige Gesetze schränken für religiöse Minderheiten die Religionsfreiheit ein (USDOS 20.4.2018). Vertreter der Minderheiten brachten vor, dass die Regierung bei der Sicherung der Rechte der Minderheiten auf Bundes- und Provinzebene inkonsequent war und dass die Maßnahmen der Regierung zur Unterbindung von Zwangskonvertierungen religiöser Minderheiten zum Islam unzureichend seien. Vertreter religiöser Minderheiten erklären, dass das neue Gesetz der Provinzversammlung von Sindh gegen Zwangskonvertierungen, das im November 2016 beschlossen wurde, Zwangskonvertierungen unterbindet und Minderjährige, die religiösen Minderheiten angehören, besser schützen könne. (USDOS 15.8.2017).

 

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus - sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden, ist weiterhin schwierig. Viele leben in Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten aus (AA 10 .2017a). Religiöse Minderheiten sowie sunnitische Muslime und Sufis, die sich gegen die Terrorgruppen oder deren Ansichten stellen, stehen neben Sicherheitskräften besonders im Fokus terroristischer Gruppen, insbesondere der pakistanischen Taliban und der Lashkar-e-Jhangvi. 2016 waren die Minderheiten von zahlreichen Anschlägen mit Todesopfern betroffen (USCIRF 4.2017). Gezielte Tötungen von Minderheitenangehörigen betreffen vor allem lokal bekannte Personen, die z.B. einflussreiche Positionen in ihrer Gemeinschaft haben, oder angesehene Berufe, wie Ärzte und Rechtsanwälte (BAA 6 .2013; vgl. auch: BFA 9.2015).

 

Im Jahr 2017 wurden in Pakistan 16 Fälle von Gewalt gegen religiöse Minderheiten berichtet, was im Vergleich zum Jahr 2016 (35 Fälle) ein Rückgang um mehr als die Hälfte ist. 231 Personen kamen bei diesen Angriffen im Jahr 2017 ums Leben, dies ist ein Anstieg im Vergleich zum Jahr 2016 (137 Tote) um fast 70 %. (SATP 18.2.2018). Laut PIPS wurden im Jahr 2017 bei sechs Terroranschlägen insgesamt 13 Angehörige von religiösen Minderheiten getötet und 57 verletzt (PIPS 1.2018 S 68), im Jahr 2016 wurden bei fünf Terroranschlägen insgesamt 82 Angehörige von Minderheiten getötet und 236 verletzt (PIPS 1.2017). [Anmerkung: Diese Zahlen beziehen sich in beiden Quellen auf nicht-muslimische Minderheiten und Ahmadis.]

 

Besonderes Angriffsziel radikal-sunnitischer Gruppen waren in den vergangenen Jahren die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan. Die christliche Gemeinschaft ist von sozialer und gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen und immer wieder Opfer von Anschlägen (AA 10 .2017a). Es gibt auch Berichte über Angriffe auf religiöse Plätze, Friedhöfe und religiöse Symbole der religiösen Minderheiten, die nicht von der Polizei unterbunden werden können (USDOS 15.8.2017). NGOs kritisieren die Behörden, dass die Polizei Angriffe auf Mitglieder der religiösen Minderheiten nicht erfolgreich verhindert bzw. erfolglos bei der Verhaftung der Täter ist. Es gibt allerdings Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, wo lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und kommunaler Gewalt schützten (USDOS 20.4.2018).

 

Die umstrittene Blasphemiegesetzgebung, die ursprünglich unter der britischen Kolonialherrschaft zum Schutz der Religionsfreiheit eingeführt wurde, aber seit der Regierungszeit von General Zia-ul Haq in den 1980er-Jahren strenger ausgelegt wird, sieht u.a. für Gotteslästerung die Todesstrafe vor. Außerdem richten sich einige ihrer Paragrafen spezifisch gegen die Ahmadis (AA 10 .2017a). Vertreter der Ahmadis sind besorgt über das Vorgehen der Behörden gegen Ahmadis aufgrund der Blasphemie- und anderer widersprüchlicher, diskriminierender Gesetze (USDOS 15.8.2017). Auch die Gerichte versagen oft beim Schutz der Minderheitenrechte. Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 20.4.2018). Rechtsbeobachter meinen allerdings auch, dass die Behörden einige Schritte unternommen hätten, um einige Personen vor unbegründeten Anschuldigungen der Blasphemie zu schützen, jedoch halten die unteren Gerichte grundlegende Beweismittelstandards in Blasphemieklagen nicht ein (USDOS 15.8.2017).

 

Per Gesetz ist es Madrassen verboten, interkonfessionellen oder interreligiösen Hass oder Gewalt zu propagieren. Es wurde gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Madrassen in einem von fünf Verbänden oder direkt bei der Regierung registrieren lassen und ihre Finanzierung nachweisen müssen. Anführer der Zivilgesellschaft sagen, dass die Lehre religiöser Intoleranz weiterhin weit verbreitet ist. Obwohl mehrere Gruppen Empfehlungen zur Abschaffung diskriminierender Inhalte abgaben, zeigt die Bundesregierung keine Initiative, diese zu unterstützen. Es gab Berichte, dass einzelne Madrassen Gewalt oder Extremismus lehren (USDOS 15.8.2017). Bei der FFM 2013 führte ein Minderheitenvertreter aus, es gäbe eine "Infrastruktur" von Hass und Gewalt, Organisationen, die Hass verbreiten, Institutionen, die sie schützen sowie Interessenvertretungen, die sich einen ökonomischen Vorteil aus der Diskriminierung von Minderheiten erwarten (BAA 6 .2013). Der nationale Aktionsplan gegen Terror sieht auch explizit die Bekämpfung von Hassreden vor und einige Fälle wurden strafrechtlich verfolgt. Auch wurde die Bewegungs- und Redefreiheit von Klerikern eingeschränkt, denen vorgeworfen wird, religiösen Hass zu verbreiten (USDOS 15.8.2017).

 

Im Juni 2014 hat der Oberste Gerichtshof ein wichtiges Urteil als Reaktion auf den Anschlag auf die Allerheiligenkirche in der pakistanischen Großstadt XXXX gefällt. Dieses Urteil forderte nicht nur von der Regierung, die Opfer des Anschlags zu entschädigen, sondern ordnete auch an, dass die Bundes- und Provinzregierungen Institutionen schaffen müssen, um die Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Minderheiten zu überwachen, und dass ein Nationalrat für Minderheiten gegründet werden muss. Als Antwort auf die zunehmende Gewalt gegen Hindus im Sindh fördert die Provinzregierung die Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten. Der Fortschritt ist allerdings langsam und eine effektive Reaktion fehlt (MRGI 2.7.2015).

 

Laut Vertretern der Minderheitsreligionsgemeinschaften hindert die Regierung organisierte religiöse Gruppen prinzipiell nicht daran, Gebetsstätten zu errichten und ihre Geistlichen auszubilden. Es gibt keine offiziellen Einschränkungen zur Errichtung von Glaubensstätten der Ahmadis, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen und Ahmadis dürfen ihre Gebetsstätten nicht als "Moschee" bezeichnen. Die Religionszugehörigkeit wird in Pässen angegeben und bei einem Antrag auf eine Identitätskarte wird danach gefragt (USDOS 15.8.2017).

 

Die meisten Minderheitengruppen berichteten von Diskriminierungen bei Anstellungen in der Regierung und bei der Aufnahme an Hochschulen. Im staatlichen Bereich gilt auf nationaler Ebene eine 5-Prozent-Quote für Minderheiten. Diese wird allerdings nach Aussage von Minderheitenvertretern nicht durchgesetzt (USDOS 15.8.2017). Vertreter religiöser Minderheiten berichten von einer "Gläsernen Decke", die verhindert, dass Nicht-Muslime in höhere Positionen im öffentlichen Dienst befördert würden. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hinderungsgründe, jedoch würden Angehörige von religiösen Minderheiten nur selten in Dienstgrade höher als Colonel [Oberst] aufsteigen (USDOS 15.8.2017). Die Diskriminierungen gehen allerdings nicht in die Richtung einer tatsächlichen Abgrenzung. Im Alltag ist die Kommunikation relativ unproblematisch zwischen den Religionen, dies bestätigten alle Interviewpartner bei der FFM 2013. Man heiratet häufig untereinander, versteht sich, lebt friedlich. Aber die Situation ist labil. Wenn sich ein Vorfall ereignet und jemand die Leute aufhetzt, kann es zu Ausschreitungen kommen. Das Land hat außerdem auch positive Veränderungen im Bereich religiöse Toleranz gesehen. Es ist heute möglich, vieles zu diskutieren. Es gibt unterschiedliche Organisationen in Pakistan, die für Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern unterschiedlicher Religionen finden Minderheitenangelegenheiten Gehör (BAA 6 .2013).

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interkonfessionelle Harmonie organisiert die Teilnahme an der Hajj und anderen islamischen Pilgerfahrten. Das Budget des Ministeriums deckt auch finanzielle Hilfen für autochthone Minderheiten ab; darunter die Renovierung von Glaubensstätten, kleine Entwicklungsprojekte, Stipendien und die Durchführung religiöser Feiertage (USDOS 15.8.2017). Im Rahmen der Umsetzung der 18. Verfassungsänderung wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 20.10.2017).

 

Im Februar 2016 wurde von der Regierung ein Menschenrechts-Aktionsplan mit 16 Punkten mit Rahmenbedingungen für verbesserten Schutz u.A. von Minderheiten angekündigt, jedoch gab es im Frühjahr noch keine konkreten Hinweise auf eine Umsetzung. Im Februar 2017 wurde vom Parlament ein Zusatz zum Strafrecht beschlossen, der die Verbreitung von religiösem, sektiererischen oder ethnischen Hass mittels technischer Hilfsmittel strafbar macht. Jedoch befürchten religiöse Minderheitengemeinschaften, dass dieses Gesetz auch angewendet werden könnte, die Religionsausübung einzuschränken und die Zahl der Verhaftungen und falschen Anschuldigungen wegen Blasphemie zu erhöhen (USCIRF 4.2017).

 

Von den 342 Sitzen im Parlament sind zehn für Angehörige der religiösen Minderheiten reserviert. Im Senat sind vier der 104 Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz. Reservierte Sitze für religiöse Minderheiten bestehen auch in den Provinzversammlungen; drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht im Punjab, neun im Sindh und drei in Belutschistan. Die gewählten Parteien und nicht die Minderheitenversammlungen bestimmen die Minderheitenvertreter (USDOS 15.8.2017). In den lokalen Regierungen ist ein Minimum von einem Sitz pro Zila (Distrikt) und pro Tehsil (~Bezirk) vorgesehen, in Belutschistan mindestens zwei (BFA 10.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Muslimische Denominationen, insbesondere Schiiten

 

Anmerkung: Zur regionalen Aufteilung der Anschläge gegen muslimische Sekten vgl. Abschnitt 3 "Sicherheitslage" samt Unterabschnitten.

 

In Pakistan finden sich viele Variationen der muslimischen Identität und der religiösen Intensität. Die beiden Hauptsekten Schiiten und Sunniten teilen sich in Pakistan auch in mehrere Subsekten. Die Sunniten unterteilen sich in hauptsächlich drei Gruppen. Von diesen formen die Barelvi [auch Ahle Sunnat wal Jama'at] die überwiegende Mehrheit mit ungefähr 60 % der sunnitischen Bevölkerung, nach einer Schätzung des Australian Department of Foreign Affairs and Trade. Deobandi werden auf ungefähr 35 % der Sunniten geschätzt und machen damit die zweitgrößte sunnitische Subsekte aus. Eine kleine Anzahl ungefähr 5 % der Sunniten folgt der Ahl-e Hadith (Salafi) Schule des Islam. Religiöse Intoleranz und Gewalt findet sich auch zwischen den muslimischen Sekten und innerhalb der sunnitischen Konfession, z. B. zwischen der Barelvi-Sekte, die sehr viel Sufi-Einfluss aufweist, aufgeschlossener ist und die Mehrheit der Pakistanis ausmacht, und der Deobandi, die islamistisch geprägt ist (BFA 10.2014). Der Sufismus - eine mystische Strömung im Islam - ist auch heftiger Kritik vonseiten der sunnitischen Orthodoxie und radikaler Kräfte ausgesetzt, die den Sufi-Bruderschaften Häresie und Verstöße gegen die religiösen Regeln vorwerfen (ZDF 26.11.2017).

 

Die Mehrheit der Schiiten in Pakistan gehört den Zwölfer-Schiiten an, Nizari Ismaeliten sind die zweitgrößte Gruppe, weitere Gruppen sind Daudi Bohras und Sulemani Bohras. Laut Australian Department of Foreign Affairs and Trade sind Schiiten im ganzen Land verteilt, machen aber in keiner Provinz die Mehrheit aus. Die Semi-Autonome Region Gilgit-Baltistan ist eine der wenigen Gebiete, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Quer durchs Land leben schiitische und sunnitische Gemeinden im Alltag im Allgemeinen gut integriert nebeneinander. Eine bedeutende Anzahl an Schiiten lebt in XXXX , Kohat, Hangu und Dera Ismail Khan in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa; in den Agencies Kurram und Orakzai in den [ehem.] FATA; in und um Quetta und entlang der Makran-Küste in Belutschistan, in den südlichen und zentralen Gebiete des Punjab sowie verteilt im Sindh. Viele urbane Zentren in Pakistan, wie Karatschi, Lahore, Rawalpindi, Islamabad, XXXX , Multan, Jhang und Sargodha, beheimaten große Shia Gemeinden, wobei Schiiten oft in Enklaven in den Großstädten leben. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich Schiiten weder physisch noch linguistisch von den Sunniten. Schiiten finden sich unter den meisten ethnischen, linguistischen und Stammesgruppen Pakistans, allerdings sind Hazara überwiegend Schiiten und es gibt auch einige Clans oder Stämme, die eine schiitische Identität haben, wie Turis, Bohris, Baltis und einige Clans des paschtunischen Stammes Bangash. Die nationalen Identitätskarten zeigen nicht die Sekte der Person an. Schiiten sind in der Regierung, dem Staatsdienst, den Sicherheitskräften - auch in höheren Positionen - und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes, dem Council of Islamic Ideology und den Scharia-Gerichten vertreten (UKHO 2.2015).

 

Einige Großstädte verbieten jedes Jahr im islamischen Monat Muharram Klerikern, die dafür bekannt sind, sektiererische Gewalt zu propagieren, das Betreten der Stadt (HRCP 4.2018, vgl. USDOS 15.8.2017). Beispielsweise wurden im Jahr 2017 22 Klerikern der Zugang zum Distrikt Abbottabad untersagt (HRCP 4.2018) und 2016 wurden 16 Kleriker an der Einreise ins Hauptstadtterritorium Islamabad gehindert) (HRCP 5.2017, vgl. USDOS 15.8.2017) und hunderttausende Sicherheitskräfte werden im ganzen Land während des Ashuras zum Schutz der schiitischen Zeremonien eingesetzt (USDOS 15.8.2017).

 

Human Rights Watch berichtet für das Jahr 2017, dass militante Gruppen Angriffe auf Schiiten und Sufis durchführten. Im Februar [2017] kam es zu einem Selbstmordanschlag auf einen Schrein in Sehwan, Sind, durch den Islamischen Staat, bei dem 88 Menschen ums Leben kamen und hunderte verletzt wurden (HRW 2017). Laut Berichten der schiitischen politischen Organisation Majlis Wahdat-e-Muslimeen Pakistan (MWM) haben die pakistanischen Taliban und andere terroristische Vereinigungen in der vergangenen Dekade geschätzt 25.000 schiitische Muslime getötet (USCIRF 4.2017).

 

Laut PIPS wurde im Jahr 2017 zum vierten Mal in Folge ein Abwärtstrend bei religiös-sektiererisch motivierter Gewalt in Pakistan verzeichnet. Die Anzahl jener Menschen, welche im Jahr 2017 bei konfessionsbedingten [Anm.: zwischen den verschiedenen muslimischen Konfessionen] Terroranschlägen ums Leben gekommen sind, sank um rund 29 %, d.h. von 104 Toten im Jahr 2016 auf 74 Tote im Jahr 2017. 106 Personen wurden 2017 bei Anschlägen verletzt, (-37 % verglichen mit 2016). Die Anzahl der Angriffe mit einem Zusammenhang zu religiös-sektiererischer Gewalt sank im Jahr 2017 nach PIPS im Vergleich zu 2016 um 41 % von 34 auf 20. Im Jahr 2017 galten 16 Angriffe Mitgliedern der schiitischen Glaubensgemeinschaft und vier Angriffe wurden gegen Sunniten durchgeführt. Schiitische Hazara waren bei drei Vorfällen in Belutschistan Opfer von gezielten Angriffen; im Juli 2017 wurden fünf Hazara im Distrikt Mastung ermordet, im September vier Hazara in Kuchlak und im Oktober drei Hazara in Quetta (PIPS 1.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ahmadis

 

Die sich als Muslime verstehenden und zum großen Teil als gebildet geltenden Ahmadiya, deren Lehren und Riten sich von den beiden muslimischen Hauptkonfessionen insofern unterscheiden, indem sie an die Existenz eines nach Mohammed tätigen Propheten namens Mirza Ghulam Ahmad glauben und zudem einige hinduistische, buddhistische und zorastische Figuren in ihrem Glauben integriert haben, werden vom Islam ausgegrenzt (Gümüs / Ermagan 2016). Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz (AA 20.10.2017).

 

Die Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya Muslim Community wird auf zwischen 400.000 bzw. zwei bis vier Millionen geschätzt. Die Divergenz dieser Werte wird damit begründet, dass die meisten Ahmadis eine Registrierung als Nicht-Muslime ablehnen (UKHO 5.2016). Laut pakistanischer Volkszählung 2017 sind 0,22 % der ca. 207 Millionen Menschen Ahmadis [Anm.: ca. 460.000] (PBS 2017b). Die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiya teilt sich in die Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und die Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischat-i-Islam Lahore). Die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe besteht weltweit aus über 30.000 Anhängern. Etwa 5.000 bis 10.000 davon leben in Pakistan (BFA 10.2014, vgl. UKHO 5.2016).

 

Die Ahmadiya-Gemeinde der Qadiani-Gruppe hat ihr Hauptquartier in Großbritannien. Ahmadis sind über ganz Pakistan verteilt. Hauptsiedlungsräume der Ahmadis in Pakistan, abgesehen von Rabwah sind Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karatschi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala. Das Zentrum der Ahmadis in Pakistan liegt in Chenab Nagar, dem vormaligen Rabwah. Mehr als 95 % - oder etwa 70.000 - der Einwohner der Stadt sind Ahmadis. In Rabwah fühlen sich die Mitglieder der Gemeinschaft vor Ort relativ sicher. Rabwah bietet für Ahmadis ein großes Maß an Freiheit, um ihre religiösen Aktivitäten durchführen zu können. Ahmadis aus ganz Pakistan nehmen die Stadt Rabwah als "sicheren Ort" wahr, wo sie sich nicht verstecken müssen und ihre Identität kein Tabu ist. Allerdings führt diese hohe Konzentration an Ahmadis in Rabwah auch zu Bedrohungen durch Gegner dieser Glaubensrichtung. Mehrmals im Jahr versammeln sich in Rabwah Gegner der Gemeinschaft von außerhalb in großer Anzahl vor die Stadt, um Demonstrationen abzuhalten und Hassparolen zu skandieren, während sich die Ahmadis derweil in ihren Häusern einschließen (UKHO 5.2016).

 

Ahmadis sind von gezielten Angriffen, Blasphemie-Vorwürfen, der Entweihung und Zerstörung ihrer Kultstätten sowie verschiedenen Formen der sozialen Diskriminierung betroffen (UKHO 5.2016). Ahmadis unterliegen strengen gesetzlichen Einschränkungen und staatlicher Diskriminierung (USCIRF 4.2017). Ihnen wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt (AA 20.10.2017), allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 20.10.2017; vgl. USCIRF 28.4.2016).

 

Obwohl sich die Ahmadis selbst als Muslime sehen (Gümüs / Ermagan 2016) führt die zweite Novellierung der Verfassung (Constitutional (Second Amendment) Act of 1974) im Artikel 260 die Ahmadis, insbesondere die Quadiani- und Lahore-Gruppen explizit als nicht-muslimische Minderheit auf (Pakistan Consitution Law 1973, 2016). Paragraf 298-C des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis, sowohl der Lahore- als auch der Quadiani-Gruppe, strafbar, sich selbst als Muslime zu bezeichnen, ihren Glauben Islam zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren, sich in irgendeiner Form als Muslime darzustellen und in irgendeiner Form die religiösen Gefühle der Muslime zu verletzen. Paragraf 298-B behandelt den Missbrauch von Titeln und Bezeichnungen, die für Heiligtümer bzw. heilige Persönlichkeiten reserviert sind. Er verbietet Ahmadis beider Denominationen unter anderem, andere Personen als die dafür im Gesetz definierten "Kalif", ihre Gebetshäuser "Moscheen (masjid)" und ihren Gebetsruf "Azan" zu nennen. Vergehen gegen die beiden Paragrafen können mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden (Pakistan Penal Code 1984).

 

Die vagen Formulierungen des Abschnitts 295-C betreffen die Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft besonders. In einigen Fällen interpretierten Richter die religiöse Überzeugung der Ahmadis als eine Form der Gotteslästerung (ICJ 11.2015). So ist es für Ahmadis auch strafbar, den traditionellen islamischen Gruß "assalaamu alaikum" zu verwenden, öffentlich den Koran zu zitieren, in Moscheen nicht-ahmadischer muslimischer Denominationen zu beten und andere Ausdrücke des muslimischen Glaubens zu zeigen (UKHO 5.2016). Gemäß Paragraf 298-C des Pakistanischen Strafgesetzbuches werden diese Vergehen mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (Pakistan Penal Code 1984). Die "Anti-Ahmadi" Gesetze und die Blasphemiegesetze werden regelmäßig gegen Ahmadis aller Gesellschafts- und Altersgruppen angewandt (UKHO 5.2016).

 

Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht (AA 20.10.2017). Die radikalen (Splitter‑)Gruppen werden mit Einschüchterungen, Drohungen und Gewalt gegen Ahmadis in Verbindung gebracht (MBZ NL 4.2017). Sie verbreiten eine extremistisch-religiöse Überzeugung, Mohammed sei der letzte Prophet und kein anderer Prophet käme jemals nach ihm. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist in den Augen von Khatm-e-Nabuwwat ein Ketzer. Die meisten sektiererischen Parteien haben ihren eigenen Khatme-Nabuwwat-Flügel (MBZ NL 11.2014).

 

Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz (AA 20.10.2017). Wenn die Anklage um den Vorwurf der Blasphemie erweitert wird, kann die Todesstrafe verhängt werden (UKHO 5.2016, vgl. AA 20.10.2017). Sie wurde allerdings wegen Blasphemie noch nie tatsächlich durchgeführt, wobei dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UKHO 5.2016). In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z. B. Entweihung des Korans, § 295b Pakistan Penal Code - PPC), sodass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird (AA 20.10.2017).

 

Laut Vertretern der Ahmadis wurden im Jahr 2016 14 Ahmadis in Fällen mit religiösem Bezug angeklagt, Stand Ende 2016 sind 14 Ahmadis wegen diesen Fällen inhaftiert, darunter seit 2015 ein 80-jähriger Mann aufgrund des Verkaufs von Literatur der Ahmadiya (USDOS 15.8.2017). Laut Auswärtigem Amt wurden im Jahr 2016 14 Personen wegen Blasphemie festgenommen, darunter zehn Muslime und fünf Mitglieder anderer Religionen (AA 20.10.2017). Von 2012 bis Juni 2015 wurden laut Jinnah Institute mehr als 1070 Ahmadis wegen Verstoß gegen die Anti-Ahmadi-Gesetze und 303 Ahmadis wegen Blasphemie angezeigt (Jinnah Institute 8.3.2016).

 

Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis (AA 20.10.2017). Es gibt klare Belege, dass die Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u. a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIR; entspricht einer Anzeige seitens Dritter und stellt den ersten Schritt in einem Strafverfahren dar), der auch zu Untersuchungshaft führen kann. Auch sind die Ahmadis Ziel von Angriffen durch nicht-staatliche Akteure aus den Bereichen der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung (UKHO 5.2016). Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung setzte sich 2016 fort. Vereinzelt kommen auch Maßnahmen staatlicher Stellen vor, wie z. B. die Durchsuchung des Hauptbüros der Ahmadis in Pakistan. Auch wurden Ahmadis Opfer von radikal-sunnitischem Terrorismus. So bekannte sich im März 2017 die Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi zum Mord an Malik Saleem Latif, einem Ahmadi-Führer im Punjab (AA 20.10.2017).

 

Erhebungen von Verbrechen gegen Ahmadis sind laut Jinnah Institut wegen Selbstzensur der Medien in der Berichterstattung über Gewalttaten gegen Angehörige der Ahmadis eine Herausforderung. Das Jinnah Institut zählt für den Zeitraum zwischen 2012 und 2014 43 gezielte Angriffe gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinschaft, 13 Mitglieder wurden wegen Blasphemie angezeigt, fünf Gebetsstätten und sieben Friedhöfe wurden geschändet (Jinnah Institute 8.3.2016). Am 24.5.2018 zerstörte ein ca. 600-köpfiger Mob in der Stadt Sialkot im Punjab die Minarette einer Ahmadi-Gebetsstätte. Bei dem Vorfall wurde niemand verletzt, allerdings wurde seitens der Ahmadiya-Gemeinde die Stadtverwaltung der Beihilfe des Vandalismus bezichtigt. Ein Video zeigt einen angeblichen Anführer einer größeren Partei, wie er der örtlichen Polizei und der Stadtverwaltung für die Mithilfe beim Entfernen islamischer Symbole von der Ahmadiya-Gebetsstätte dankt (Dawn 24.5.2018).

 

USDOS berichtet von drei Todesopfern durch gezielte Angriffe auf Ahmadis im Jahr 2017 (USDOS 20.4.2018); PIPS berichtet von vier Todesopfern durch gezielte Angriffe auf Ahmadis im Jahr 2017 im Punjab (PIPS 1.2018). Die Polizei ist ineffektiv beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis und nur wenige Fälle von Gewalt gegen Ahmadis wurden [im Zeitraum 2013-1/2016] verfolgt (IRB 13.1.2016).

 

Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 5.2016).

 

Laut Minderheitenvertretern erlaubt die Regierung religiösen Gruppen, Glaubensstätten einzurichten und religiöses Personal auszubilden. Auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubens- und Kultstätten, jedoch verweigern lokale Behörden regelmäßig notwendige Baubewilligungen (USDOS 15.8.2017).

 

Die scheckkartenartige "Computerized National Identity Card" (CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Um eine CNIC zu erhalten, ist die eigene Religion bei der NADRA (National Database and Registration Authority) anzugeben. Bei der Beantragung einer National Identity Card müssen alle Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 5.2016), und erklären, dass der Begründer des Glaubens der Ahmadis ein falscher Prophet sowie dessen Anhänger keine Muslime sind. Im Reisepass wird als Religionszugehörigkeit "Ahmadi" angegeben, wenn der Antragsteller sich als solcher deklariert (USDOS 15.8.2017). Bezüglich der Registrierung der Religionszugehörigkeit am Pass berichtete USCIRF für das Jahr 2012, dass es Personen gab, die sich weigerten, die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und dennoch einen Pass erhielten (USCIRF 30.4.2013).

 

Die genannte Voraussetzung hält die Gemeinde der Ahmadis effektiv von der Beschaffung von rechtlichen Dokumenten ab und übt Druck auf sie aus, gegen ihren Glauben zu handeln um ihre Bürgerrechte, einschließlich des Wahlrechts, wahrzunehmen; bzw. wenn sie sich als Muslime deklarieren, riskieren sie rechtliche Probleme (UKHO 5.2016, vgl. USDOS 20.4.2018). Laut Berichten von Vertretern der Ahmadi kam es auch zu physischen Einschüchterungen beim Versuch der Stimmabgabe (USDOS 15.8.2017). Als einzige religiöse Minderheit werden Ahmadiyya-Angehörige auf einer gesonderten Wählerliste geführt (AA 20.10.2017). Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie sich selbst als Muslime verstehen und deshalb nicht für die Listenplätze der Parteien für nichtmuslimische Minderheiten kandidieren (AA 20.10.2017).

 

Der Anlass der etwa dreiwöchigen Blockade des Autobahnknotens Fayzabad Interchange in Islamabad im November 2017 [vgl. Abschnitte 2 und 3.9] war die Novelle des Wahlgesetzes. Nach Meinung der Demonstranten wurde der Khatm-i-Nabuwwat-Eid verändert (Dawn 28.11.2017). So wäre es Ahmadis etwas erleichtert worden, aktiv und passiv an Wahlen teilzunehmen (Nation 19.11.2017). Die Änderung am Eid wurde durch einen Parlamentsbeschluss rückgängig gemacht, dennoch wurden die Proteste fortgesetzt und der Rücktritt des Justizministers erwirkt (Dawn 28.11.2017).

 

Die Ahmadiya-Gemeinde verfügt über finanzielle Mittel, z. B. für rechtlichen Schutz (BAA 6 .2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christen

 

Laut Ergebnis der pakistanischen Volkszählung 2017 sind 1,59 % der ca. 207 Millionen Einwohner Christen [Anm.: ca. 3,3 Millionen]. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung ist in Punjab (2,31 %) und in Islamabad (4,07 %) am höchsten (PBS 2017b). Etwa 60 % von ihnen sind Katholiken und 40 % protestantische Konfessionen (AA 20.10.2017). Etwa 90 % der Christen leben im Punjab, davon ca. zwei Millionen in Lahore (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015; vgl. UKHO 10.5.2016) und eine halbe Million im übrigen Punjab. Große christliche Gemeinden gibt es u.A. auch in Karatschi (UKHO 10.5.2016).

 

Kirchliche Einrichtungen umfassen Schulen, Krankenhäuser und Missionsstationen für die christliche Minderheit, zu denen arme Christen aufgrund der hohen Kosten nur begrenzten Zugang haben, während Bürger, die nicht einer Minderheit angehören und sich die Gebühren leisten können, die Einrichtungen nutzen, weil sie einen guten Ruf haben (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015).

 

Eine gewisse Freiheit der Religion ist vorhanden, man kann Symbole wie das Kreuz zeigen; jedoch kann man damit auch Diskriminierung auf sich ziehen. Die Ausdrucksfreiheit ist durch das Blasphemie-Gesetz eingeschränkt, allerdings trifft dies auch die Mehrheitsbevölkerung (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Im Unterschied zu den Ahmadis sind Christen in der Regel frei in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, insoweit aber verwundbarer, als sie fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht angehören. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten leben in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern; kleine Landbesitzer leben häufig in rein oder überwiegend christlichen Siedlungen. Während die Mehrzahl der pakistanischen Christen aus der Armut nicht herauskommt, versucht die kleine christliche Oberschicht vielfach, das Land zu verlassen (AA 20.10.2017).

 

Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit ist nicht konfliktfrei. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist verbreitet (AA 20.10.2017), wobei Christen aus unteren sozioökonomischen Schichten größerer Diskriminierung ausgesetzt als jene aus höheren (UKHO 10.5.2016). Bis heute gibt es besonders im Inneren Sindh und Sheikhpura Menschen, die Christen als unberührbar und unrein empfinden, da viele Christen Nachkommen von Hindus aus unberührbaren Kasten sind, die im Zuge der Christianisierung konvertierten (BFA 10.2014).

 

Analphabetismus, Armut und Ausgrenzung führen für die christliche Gemeinschaft zu einer Gefährdung, vor Allem durch gesellschaftliche Gewalt. Christliche Frauen und Mädchen arbeiten oft als Hausangestellte. Bei dieser Tätigkeit laufen sie häufig Gefahr, Opfer von Gewalt oder Zwangskonversion zu werden (EASO 8.2015). Einzelne christliche Frauen und Mädchen wurden Opfer von Entführungen, Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen, Zwangskonvertierungen zum Islam und Zwangsverheiratungen mit muslimischen Männern. Es gibt Berichte, dass die Polizei solche Fälle nicht korrekt ermittelt und christliche Frauen nicht adäquat schützt (UKHO 10.5.2016). Zur gestiegenen Anzahl dieser Delikte in den letzten Jahren kommen neue Bedrohungen durch gezielte terroristische Angriffe (MRGI 10.2016). Die christliche NGO Open Doors schätzt, dass jährlich ca. 700 christliche Mädchen und Frauen entführt, oft auch vergewaltigt, mit muslimischen Männern zwangsverheiratet und zum Islam zwangskonvertiert werden (OD 11.2017). Die Jinnah Foundation berichtet zwischen 2012 und 2014 von 20 Fällen von Zwangskonvertierung und sexueller Gewalt an Christen (Jinnah Institute 8.3.2016).

 

Religiöse Minderheiten sind durch den Missbrauch der Blasphemie-Gesetze überproportional betroffen. Anzeigen wegen Blasphemie durch nicht-staatliche Akteure gegen Christen sind häufig motiviert durch Bösartigkeit, persönliche oder geschäftliche Streitigkeiten, Streitigkeiten um Besitz oder Grund; auch bestimmte politische Ereignisse können Anlass für eine Anzeige sein (UKHO 10.5.2016). Im Jahr 2016 wurden laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" 15 Personen wegen Blasphemie festgenommen, zehn Muslime und fünf Angehörige anderer Konfessionen. Je zwei Muslime und Christen wurden demnach 2016 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Der weltweit aufmerksam verfolgte Fall, der 2010 als erster Frau wegen Blasphemie zum Tode verurteilten Christin Asia Bibi, ist aktuell vor dem Obersten Gerichtshof anhängig, der das Todesurteil aufgehoben hat und den Fall noch einmal vollständig überprüfen will. Nachdem sich einer der Richter am Tag der Eröffnung der Überprüfungsanhörung als befangen aus dem Verfahren zurückgezogen hat, ist eine Weiterverhandlung bisher nicht terminisiert (AA 20.10.2017). Zwei Muslime und zwei Christen wurden im Juni 2016 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt (AA 20.10.2017; vgl. USCIRF 4.2017). [Für weiterführende Informationen zum Blasphemiegesetz siehe Abschnitt 16.5.]

 

Auch infolge zunehmender radikalislamischer Strömungen besteht ein wachsender Druck auf christliche Gemeinden (AA 20.10.2017). Die Polizei versagt oft darin, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u. a. Christen, vor Angriffen zu schützen aber es gibt auch Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, dass lokale Behörden Minderheitenangehörige vor Diskriminierung und Gewalt schützen konnten (USDOS 20.4.2018). Zu speziellen Anlässen wie Versammlungen und Prozessionen werden von der Polizei präventive Schutzmaßnahmen ergriffen (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015).

 

Die christliche Gemeinschaft wird auch immer wieder Opfer von Anschlägen (AA 10 .2017a). In den Jahren 2015 und 2016 gab es in Lahore, der Hauptstadt der Provinz Punjab, mehrere gezielt gegen Christen gerichtete terroristische Anschläge mit zahlreichen Opfern (AA 20.10.2017). Am Ostersonntag 2016 wurden durch einen schweren Selbstmordanschlag auf einen von Christen besuchten Park in Lahore 70 Menschen getötet und über 300 verletzt (AA 10 .2017a). Bei einem Selbstmordanschlag durch den Islamischen Staat auf die Bethel Methodist Memorial Kirche am 17.12.2017 in Quetta wurden neun Menschen getötet (BBC 18.12.2017; vgl. Nation, The 18.12.2017).

 

Solche Angriffe belegen, dass es für die christliche Minderheit, die bislang vor allem unter sozialer Diskriminierung litt und im Vergleich zu anderen Minderheiten nur selten direkt angegriffen wurde, auch eine ernst zu nehmende latente terroristische Bedrohungslage gibt (AA 20.10.2017). Die christliche NGO Open Doors berichtet über weitere Morde an Christen im Zeitraum Nov. 2016 bis Okt. 2017, hält aber auch fest, dass es in diesem Zeitraum keinen erfolgreichen Anschlag gegen ein Kirchengebäude gab (OD 11.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hindus

 

Laut Volkszählung 2017 sind 1,6 % von ca. 207 Millionen Einwohnern Pakistans Hindus [ca. 3,3 Millionen; vgl. AA 20.10.2017: ca. 3 Mio.]; der Bevölkerungsanteil der Hindus in Sindh liegt bei 6,51 % und in allen anderen Gebieten Pakistans bei deutlich unter 1 % (PBS 2017b). Die hinduistische Organisation Pakistan Hindu Council schätzt die Zahl der Hindus in Pakistan auf acht Millionen bzw. 4 % der Bevölkerung. 94 % davon, schätzt der Council, leben im Sindh und machen dort 17 % der Gesamtbevölkerung aus.

 

Hindus gehören wirtschaftlich besonders unterprivilegierten Gruppen an. Viele Hindus leben in der südlichen Provinz Sindh in schuldknechtschaftlichen Arbeitsbeziehungen zu ihren jeweiligen Großgrundbesitzern. Sie erhalten wenig Aufmerksamkeit seitens offizieller Stellen und werden manchmal als "fünfte Kolonne Indiens" diffamiert. Die zweitgrößte nicht-muslimische Minderheit in Pakistan, wird nicht durch staatliche Gesetze, sondern durch das Verhalten von Teilen der Gesellschaft weiter diskriminiert und ist dabei auch Opfer religiös motivierter Gewalt. Der Staat kommt seiner Schutzpflicht nicht ausreichend nach (AA 20.10.2017).

 

Hindus sind seit langem marginalisiert und die Gemeinde ist von wachsenden Extremismus und Gewalt betroffen. Die Berichte zu Gewalt gegen Hindus stiegen zwischen 2012 und 2014. 2014 zählte das Jinnah Institut sechs gezielte Übergriffe gegen Hindus, elf Fälle von Drohungen gegen und Zerstörungen von Tempeln und zehn Fälle von Zwangskonversion. Die Datenerhebung ist allerdings schwierig, da viele Fälle nicht in die Medien gelangen (Jinnah Institut 8.3.2016).

 

Im Jahr 2016 kam es zu zwei terroristischen Anschlägen in Karatschi auf die Hindu- und die Ahmadi Gemeinde mit zwei Toten und ein Anschlag in Belutschistan mit einem Toten auf die Hindu Gemeinde (PIPS 1.2017). Bei Mob-Ausschreitungen nach einem Blasphemievorwurf wurden im Juli 2016 im Distrikt Gothki im Sindh zwei Hindus getötet (USDOS 3.3.2017). Bei einer Mob-Ausschreitung in Hub [ein Vorort von Karatschi], gegen einen der Blasphemie verdächtigen Hindu kam im Mai 2017 ein unbeteiligtes Kind ums Leben (PIPS 1.2018).

 

Ungefähr 80 % der hinduistischen Frauen besitzen keinen Personalausweis und sind damit de facto vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen. Der Hindu Marriage Act 2017, der den Sindh Hindus Marriage Act 2016 komplementiert, kodifiziert erstmalig das Eheschließungsrecht und die Registrierung von Ehen unter Hindus. Er gilt als politisches Zeichen gegen eine weitere Marginalisierung religiöser Minderheiten (AA 20.10.2017). Entführungen junger Mädchen mit Zwangskonvertierungen zum Islam bleiben ein ernsthaftes Problem für die Hindu-Gemeinschaft und betreffen vor allem junge Hindu-Mädchen aus dem Sindh im Alter zwischen 12 und 25 Jahren (HRCP 5.2017; vgl. HRCP 4.2018). In den meisten Fällen werden minderjährige Mädchen entführt, zwangskonvertiert und dann mit muslimischen Männern verheiratet (HRCP 4.2018).

 

Im Februar 2016 hat die Provinzversammlung des Sindh Pakistans erstes Gesetz für Hindu-Ehen bestätigt. Seither wurde ein ähnliches Gesetz auch in der Nationalversammlung verabschiedet und der Beschluss dieses Gesetzes in der Provinzversammlung des Punjab ist anhängig. Somit werden erstmals hinduistische Heiraten auch gesetzlich anerkannt (HRCP 5.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Blasphemiegesetze

 

Es bestehen scharfe Gesetze gegen Blasphemie (§§ 295 a-c des pakistanischen Strafgesetzbuches). Seit 1990 verbietet § 295a das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, § 295b die Entweihung des Koran, und § 295c die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht auch bei unbeabsichtigter Erfüllung des Tatbestands der Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt; Berufungsgerichte heben solche Urteile aber oft wieder auf. So wurde bislang kein Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt (AA 20.10.2017).

 

Gerichte wenden die Blasphemiegesetze gegen Mitglieder der Schiiten, Christen, Ahmadis und anderer religiöser Minderheiten an. Gerichte der ersten Instanz verlangten oft keine angemessenen Beweise in Blasphemiefällen (USDOS 15.8.2017). Falschaussagen kommen wegen der vagen Formulierung der Blasphemiegesetze und der minimalen Beweisanforderungen - nur die Aussage eines Zeugen ist notwendig - regelmäßig vor (MBZ NL 4.2017). Einige beschuldigte Personen verbrachten Jahre im Gefängnis, bevor Gerichte höherer Instanzen die Urteile aufhoben und die Freilassung anordneten. Berichten zufolge verweigern die Behörden in Blasphemiefällen manchmal eine Entlassung auf Kaution aufgrund des Risikos, die Angeklagten könnten fliehen oder Opfer von öffentlicher Gewalt werden. NGOs berichten, dass viele Personen, die wegen Vergehens gegen das Blasphemiegesetz in Haft sind, längere Zeiträume in Einzelhaft verbringen. Die Regierung erklärt, dass dies zum Schutz dieser Häftlinge ist (USDOS 15.8.2017).

 

In mehr als 80 % der gemeldeten Fälle zu Blasphemie werden die Angeklagten bei Berufung freigesprochen. Dennoch können Anschuldigungen der Blasphemie Mob-Gewalt auslösen, insbesondere wenn es sich bei dem Beschuldigten um einen Angehörigen einer religiösen Minderheit handelt (UKHO 1.2017).

 

Laut USDOS wurden 2016 18 Fälle von Blasphemie aufgenommen, im Jahr 2015 waren es drei neue Fälle (USDOS 15.8.2017). Im Jahr 2016 wurden laut der NGO "Human Rights Commission of Pakistan" 15 Personen wegen Blasphemie festgenommen: Zehn Muslime und fünf Angehörige anderer Konfessionen. Je zwei Muslime und Christen wurden demnach 2016 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Während in der Mehrheit der Fälle Muslime betroffen sind, sind religiöse Minderheiten im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich überproportional betroffen. Unter den Fällen gegen Muslime nimmt der Anteil der schiitischen Minderheit (15-20 % der Bevölkerung) zu (AA 20.10.2017). Mindestens 19 Personen befanden sich 2017 aufgrund von Blasphemie-Verurteilungen im Todestrakt (HRW 18.1.2018).

 

Diese Fälle zeigen auch, dass die Strafgesetzänderung Ende des Jahres 2004, nach der Ermittlungen nur noch durch höhere Polizeibeamte geführt werden dürfen, nicht die erhoffte Verbesserung der Lage gebracht hat. Eine Person, die einmal wegen Blasphemie verurteilt wurde, wird vielfach auch nach Freispruch durch ein Berufungsgericht zum Opfer von Verfolgung durch extremistische Organisationen. Insbesondere bei Angehörigen religiöser Minderheiten geraten Familienangehörige von Angeklagten häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten und erhalten z.B. anonyme Drohungen. Die Blasphemiegesetzgebung findet beim überwiegenden Teil der pakistanischen Gesellschaft Unterstützung und hat eine problematische Wirkung auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung. Weiterhin sind Blasphemie-Vorwürfe auch Anlass oder Vorwand für gezielte Tötungen oder Mob-Gewalt gegen Personen, die der Blasphemie oder der Verteidigung von Personen unter Blasphemie-Vorwurf bezichtigt werden. Menschenrechtsorganisationen, die sich für eine Reform der Blasphemie-Gesetze einsetzen, werden von extremistischen und dschihadistischen Gruppierungen bedroht (AA 20.10.2017). Zwei hochrangige Politiker, der ehemalige Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, und der damalige Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, wurden 2011 aufgrund ihres öffentlichen Eintretens für eine grundlegende Reform des Gesetzes ermordet. Danach blieben ernsthafte Bemühungen um eine Reform der Blasphemiegesetzgebung aus (AA 10 .2017a).

 

Es gibt Hilfsorganisationen für Blasphemie-Verdächtige. Die "National Commission for Justice and Peace" (NCJP) arbeitet als Rechtshilfeorganisation und bietet in acht regionalen Büros Hilfe an. Nach einer Freilassung benötigen die Betroffenen aus Sicherheitsgründen auch Umsiedlung und Rehabilitation. Die NCJP organisiert und hilft bei der Umsiedlung, dies verursacht hohe Kosten. Es gibt keine staatlichen Einschränkungen bei der Umsiedlung. Bei unbekannten Fällen ist eine Umsiedlung in Pakistan möglich, bei bekannten allerdings nicht. Für diese Fälle steht man auch mit dem Ausland in Kontakt, um für die Betroffenen eine Aufnahme in ein anderes Land organisieren zu können. Es gibt keine systematischen staatlichen Maßnahmen zum Schutz, keine Schutzgesetzgebung oder Policies für solche Fälle. In einigen Fällen gab es Kompensationen, jedoch in den meisten nicht. Auch die Rechtsanwaltskammer hat ein Komitee, das Rechtshilfe anbietet, diese Tradition wird allerdings schwächer (BFA 10.2014; vgl. BAA 6 .2013). Medien berichten, dass die Regierung kleine Schritte in Richtung Schutz vor unbegründeten Blasphemieanklagen unternimmt (USDOS 15.8.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Konversion

 

Grundsätzlich hat jede Person die Freiheit, ihre Religion selbst zu wählen. Artikel 20 der Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung. Die Rechtsordnung schränkt die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht ein. Im Gegensatz zu anderen islamischen Ländern, in denen Apostasie mit dem Tode bestraft wird, gibt es in Pakistan keine entsprechende strafrechtliche Bestimmung. Apostasie ist aber von der Gesellschaft in keiner Weise akzeptiert. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht öffentlich. Eine eventuelle Gefahr für Leib und Leben entsteht nur dann, wenn sich die betroffene Person besonders exponiert (AA 20.10.2017).

 

Die pakistanische Gesellschaft ist Konvertiten gegenüber im Allgemeinen sehr ablehnend eingestellt. Konvertiten werden von ihren Familien und von der Gesellschaft oft als eine Quelle der Schande empfunden und viele halten es für ihre Pflicht, solche Personen zu töten, um die Ehre wieder herzustellen (IRB 14.1.2013; vgl. auch:

UKHO 5.2016).

 

Die Situation ist um einiges schwieriger für eine Person, von der bekannt ist, dass sie vom Islam zum Christentum konvertiert ist, als für eine Person, die als Christ geboren wurde. Es kommt allerdings in Pakistan sehr selten vor, dass jemand offenkundig zum Christentum konvertiert. Es wäre schwer für Personen, von denen bekannt ist, dass sie christliche Konvertiten sind, offen und frei in Pakistan zu leben. Bekannte Konvertiten sind von Gewalt, Einschüchterung und ernsthafter Diskriminierung durch nicht-staatlichen Akteuren betroffen, was im Einzelfall auch zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen kann (UKHO 5.2016).

 

Konvertieren muslimische Eltern zu einer anderen Religion, werden deren Kinder als illegitim angesehen. Der Regierung wäre es erlaubt, die Vormundschaft für diese Kinder zu übernehmen (USDOS 15.8.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Ethnische Minderheiten

 

Pakistan ist ein multiethnischer und multireligiöser Staat (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Laut Volkszählung 2017 leben in Pakistan ca. 207 Millionen Menschen (PBS 2017a). Laut CIA World Factbook ist die ethnische Zusammensetzung: Punjabi 44,7 %, Paschtunen 15,4 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 8,4 %, Muhajirs 7,6 %, Belutschen 3,6 %, andere ethnische Gruppen 6,3 % (CIA 23.2.2018).

 

Laut Volkszählung 2017 ist die Bevölkerungsverteilung nach Muttersprache: Punjabi 44,15 %, Paschto 15,42 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 10,53 %, Urdu 7,57 %, Belutschisch 3,57 %, andere 4,66 % (PBS 2017c). Die Sprachen sind nicht immer deckungsgleich mit der ethnischen Gruppenzugehörigkeit. So verschieden die ethnischen und sprachlichen Gruppen sind, überwiegen doch die Gemeinsamkeiten. Die Armee wird v.a. durch Punjabis dominiert (Murad Ullah 1.-2.10.2012).

 

In Karatschi ging die Regierung in den letzten fünf Jahren u.A. gegen die radikalen Flügeln von politischen Parteien vor, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten. Durch dieses Vorgehen konnten die Opferzahlen von politischer und religiös-sektiererischer Gewalt sowie durch Bandenkriminalität massiv verringert werden (PIPS 1.2018). Ethnisch-politische Parteien sind z.B. wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People's Party) (PIPS 1.2017).

 

Die MQM, eine säkulare Partei, repräsentiert urdu-sprachige Muslime der Mittelschicht, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016). Die MQM wirft den paramilitärischen Sindh Rangers vor, im Zuge von Sicherheitsoperationen im Juli 2017 in 21 Fällen Mitglieder entführt, gefoltert oder getötet zu haben. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 20.4.2018). Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Belutschen

 

Die Belutschen sind eine Volksgruppe und leben in Belutschistan, ein etwa 500.000 km² großes Gebiet, das sich auf die heutigen Staaten Pakistan, Iran und Afghanistan aufteilt und sich nicht mit modernen Verwaltungsgrenzen [i.e. der gleichnamigen Provinz in Pakistan] deckt. Die Belutschen sprechen eine nordwest-iranische Sprache (EI 15.12.1988/15.7.2010). In der pakistanischen Provinz Belutschistan lebten zum Zeitpunkt der Volkszählung 1998 6,5 Millionen Belutschen, der Anteil der Belutschen an der Gesamtbevölkerung Pakistans wird auf 5 % geschätzt (MRG o.D.). Zur Volkszählung 2017 gaben 54,76 % der 12,3 Millionen Bewohner Belutschistans [ca. 6,8 Milionen Menschen] als Muttersprache Belutschisch an, der Anteil der belutschischen Muttersprachler an der Gesamtbevölkerung Pakistans beträgt laut Volkszählung 2017 3,57 % [ca. 7,4 Millionen Menschen] (Aggregiert aus PBS 2017a und PBS 2017c).

 

Die Belutschen sind mehrheitlich Sunniten und folgen der Hanafi-Rechtsschule. Belutschistan nimmt eine sehr große Fläche ein, ist allerdings sehr spärlich besiedelt. Die wirtschaftliche Lage der Minderheit ist sehr schlecht, über 50 % leben unter der Armutsgrenze (MRG o.D.).

 

Aus Sicht der Belutschen wird ihre Provinz immer mehr von nicht einheimischen Migranten dominiert, die wegen der wirtschaftlichen Chancen in die Provinz kommen, während sie selbst nur einen kleinen Teil der Profite aus der Nutzung der Ressourcen zurückbekommen (EASO 8.2015; vgl. MRG o.D). Belutschische Aufständische kämpfen um mehr politische Autonomie und größere Kontrolle über die Bodenschätze. Die pakistanischen Sicherheitskräfte gehen gegen Belutschen vor, von denen vermutet wurde, dass sie Teil der nationalistischen Bewegungen sind (EASO 8.2015).

 

Als aktive belutschische bewaffnete Aufständischengruppen gibt PIPS für das Jahr 2017 an: Belutschistan Liberation Army, Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan und Balochistan Liberation Front. Sie waren 2017 in 132 kleine und mittelgroße terroristische Attacken involviert (vier mehr als 2016), davon war für 42 terroristische Angriffe (2016:55) mit 51 Toten die Belutscihstan Liberation Army verantwortlich (PIPS 1.2018).

 

Im Kontext der Bekämpfung der separatistischen Gewalt in Belutschistan halten Berichten zufolge Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Tötungen durch die Sicherheitskräfte von bewaffneten Separatisten und nationalistischen Aktivisten weiterhin in einem Klima der Straflosigkeit an (MRG 12.7.2016) Diese Fälle bleiben oft straflos wegen des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen zur Ermittlung und Rechtsprechung (AI 22.2.2018).

 

HRCP berichtet, dass es im Jahr 2017 38 Fälle von "Verschwindenlassen" in der Provinz Belutschistan gegeben hat (2014:

106; 2015: 65). Laut Informationen der Pakistanischen Kommission zur Aufklärung erzwungenen Verschwindenlassens sind landesweit mit Stand November 2016 fast 1300 Fälle, welcher der Kommission vorliegen, davon 96 aus Belutschistan, von dieser noch nicht untersucht worden (HRCP 5.2017). Zahlreiche durch die belutschische Organisation International Voice for Baloch Missing Persons dokumentierte Fälle betreffen bekannte Anführer nationalistischer Parteien oder Studentenverbindungen (USDOS 20.4.2018).

 

HRCP berichtet bezugnehmend auf einen Medienbericht, dass in Belutschistan fast 1000 Leichen von politischen Aktivisten und mutmaßlichen bewaffneten Separatisten im Zeitraum 2010-2016 gefunden wurden. Die Regierung macht Kämpfe zwischen Aufständischen für die zurückgelassenen Körper verantwortlich, während zahlreiche Familienmitglieder der Opfer angaben, dass die Opfer vor ihrem Tod von Sicherheitskräften mitgenommen wurden (HRCP 5.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hazara

 

Die Hazara sind eine ethnische Gruppe eurasischer Herkunft. Sie unterschieden sich äußerlich von den meisten anderen Pakistanis. Die Ethnie wanderte vor längerer Zeit aus Zentralafghanistan nach Pakistan ein. Hazara sind überwiegend schiitische Muslime (EASO 8.2015). Quellen schätzen die Hazara in Pakistan auf 500.000 bis eine Million, die sich hauptsächlich auf Quetta und Karatschi konzentrieren. Das Australische Außenministerium schätzt, dass von 900.000 Hazara 700.000 in Quetta leben (UKHO 9.11.2016). Viele Hazara sind von Quetta aufgrund der dort gegen sie gerichteten Gewalt in andere pakistanische Städte gezogen, allen voran Karatschi. Innerhalb Quettas leben Hazara vor allem in zwei Enklaven - Hazara Town und entlang der Almadar Road (UKHO 9.11.2016).

 

Die schiitische Gemeinschaft, insbesondere die schiitischen Hazara, sind das Hauptziel der religiös motivierten Gewalt in Belutschistan. Die Gruppe Lashkar-e-Jhangvi steht hauptsächlich hinter dieser Gewalt (USIP 27.6.2016). Sie ist von mehreren Kategorien des Terrors betroffen - regionaler Gewalt, nationalistischer Gewalt von belutschischen Terrorgruppen gegen Nicht-Belutschen und religiös-sektiererischer Gewalt gegen Schiiten (BAA 6 .2013).

 

Die Hazara sind aufgrund ihrer zentralasiatischen Abstammung leicht zu identifizieren und waren jahrelang in besonderem Maße Opfer anti-schiitischer Anschläge. Sie sind seit 2015 deutlich weniger von Gewalt betroffen (AA 20.10.2017). Die Anschläge gegen Hazara in Belutschistan sind zurückgegangen, vermutlich aufgrund von Verlusten in der Führerschaft der Lashkar-e-Jhangvi (USIP 27.6.2016).

 

Die Anschläge von 2013 in Quetta stellen die schlimmsten Anschläge auf die Hazara-Gemeinde in Pakistan dar, allein im Jänner 2013 starben bei einer Serie von Bombenanschlägen in und um die Almadar Road 126 Hazara (Jinnah Institut 1.1.2016). USDOS zufolge gab es im Jahr 2017 Angriffe auf Hazara in Quetta, bei denen mindestens 13 Menschen starben (USDOS 20.4.2018). PIPS berichtet von sieben Anschlägen auf Hazara mit 17 Toten im Jahr 2017, davon sechs Anschläge in Quetta und einer (vier Tote) in Mastung (PIPS 1.2018).

 

Um Gewaltvorfälle zu vermeiden, haben die Behörden schiitische Prozessionen in Quetta auf die Hazara-Enklaven beschränkt (USDOS 20.4.2018). Die zwei Enklaven in Quetta werden von Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen bewacht (UKHO 9.11.2016). Angehörige der Hazara sind in Quetta Gewaltdrohungen ausgesetzt. Berichten zufolge ist es ihnen nicht möglich, sich außerhalb der beiden von Hazara dominierten Enklaven in Quetta frei zu bewegen. Hazara berichten, es sei ihnen nicht möglich, Anstellung zu finden und eine höhere Ausbildung zu verfolgen (USDOS 20.4.2018). In einem 2014 erschienenen Bericht des Australischen Ministeriums für Äußere Angelegenheiten und Handel hingegen wird berichtet, dass Hazaras sich tagsüber generell frei in Quetta bewegen können (UKHO 9.11.2016).

 

Weiteren Berichten zufolge sind einige höher gebildete Hazara beim Staat angestellt. Einige führen Geschäfte außerhalb der Enklaven. Innerhalb ihrer Enklaven haben sie Zugang zu Ausbildungsstätten und medizinischer Versorgung. Von staatlicher Seite gibt es keine diskriminierende Gesetze, Richtlinien oder Vorgehen der pakistanischen Behörden gegen die Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion (UKHO 9.11.2016). Es wird von Schwierigkeiten für Angehörige der Hazara beim Erlangen von Pässen und Personalausweisen sowie beim Zugang zu staatlichen Leistungen berichtet (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Relevante Bevölkerungsgruppen

 

Frauen

 

Pakistan hat das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ratifiziert. Trotz des in der Verfassung festgeschriebenen Diskriminierungsverbots und einiger wichtiger Gesetzesvorhaben zum Schutz von Frauen in der vergangenen Legislaturperiode, sind Frauen in Pakistan in mehreren Rechtsbereichen, aufgrund traditioneller patriarchalischer Normen und infolge der Anwendung islamisch geprägter Rechtsvorschriften, schlechter gestellt als Männer (AA 10 .2017). Dies gilt unter anderem aufgrund der Anwendung der Scharia, die in Teilen des materiellen und prozessualen Rechts vorrangig zur Anwendung kommt. Rechtliche Bestimmungen, die Frauen benachteiligen, finden sich u. a. auch im pakistanischen Strafgesetz, dem Staatsangehörigkeitsrecht und in der Gesetzgebung zum Schutz der Frau (AA 20.10.2017).

 

Das Gesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, aber die Behörden setzen diese Bestimmung nicht durch. Frauen sind mit Diskriminierung im Beruf, Familien- und Eigentumsrecht sowie im Justizsystem konfrontiert (USDOS 20.4.2018).

 

Die Rolle der Frau in Pakistan wird in erster Linie von einer islamischen Gesellschaft geprägt, in der weite Teile einer sehr konservativen Denkweise anhängen. Dem setzen sich vor allem Frauen aus der wirtschaftlichen Oberschicht entgegen, denen es z.T. gelingt, wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft zu erringen (AA 20.10.2017). Der Status von Frauen in Pakistan hängt somit von Klasse, Religion, Bildung, wirtschaftlicher Unabhängigkeit, Region und Ort (Stadt oder Land), kulturellen und traditionellen Werten, Kaste, Bildungsprofil, Familienstand, Zahl der Kinder usw. ab (EASO 8.2015). Auch unabhängig von ihrer rechtlichen Stellung sind besonders Frauen aus ärmeren Schichten und auf dem Land faktisch von Geburt an benachteiligt (AA 20.10.2017).

 

Der Rat für islamische Lehre in Pakistan, das höchste religiöse Gremium des Landes, beschied, dass es im islamischen Recht, der Scharia, keine Verpflichtung für Frauen gebe, ihr Gesicht, ihre Hände und ihre Füße zu bedecken, demnach sei eine komplette Verhüllung kein Muss. Es genüge, wenn sie ihr Haar mit einem Tuch bedeckten. Faktisch besteht im vom sunnitischen Islam geprägten Pakistan keine Verhüllungspflicht (Spiegel 21.10.2015).

 

Frauen nehmen als Mitglieder politischer Parteien aktiv am politischen Geschehen teil, doch waren sie nicht immer erfolgreich bei der Sicherung von Führungspositionen in den Parteien, mit Ausnahme der Frauensektionen. In ländlichen Gebieten halten kulturelle und traditionelle Barrieren Frauen oft davon ab, zu wählen (USDOS 20.4.2018). Frauen werden in verschiedenen Teilen des Landes bei der Stimmabgabe behindert. Bei der Nachwahl zur Parlamentswahl im Distrikt in Lower Dir, Khyber Pakhtunkhwa, nahm im Mai 2015 keine der 50.000 wahlberechtigten Frauen von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Von Moscheen wurde via Lautsprecher vor einer Stimmabgabe gewarnt und Zeitungsberichten zufolge blockierten mit Stöcken bewaffneten Männer den Zugang für jene wenigen Frauen, die versuchten von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen (HRW 27.1.2016). Das am 2.10.2017 verabschiedete, umfassende neue Wahlgesetz umfasst Maßnahmen, die Wahlbeteiligung von Frauen, religiösen Minderheiten, Transgender-Personen und Menschen mit Beeinträchtigungen zu erhöhen. Nach diesem Gesetz müssen Frauen mindestens 5 % der Kandidatenplätze einer Partei bekommen. Wenn weniger als 10 % der Frauen ihre Stimme abgeben, wird davon ausgegangen, dass die Frauenstimmen unterdrückt wurden. Das Ergebnis für das betreffende Wahlsprengel kann ungültig erklärt werden (USDOS 20.4.2018).

 

Im Global Gender Gap Report 2017, der jedes Jahr vom World Economic Forum herausgegeben wird und die Lebensbedingungen von Männern und Frauen vergleicht, belegte Pakistan in der Gesamtwertung den 143. Platz von 144 erfassten Staaten. Im Teilindex der politischen Gestaltungsmöglichkeiten liegt Pakistan auf Rang 95, im Teilindex der Teilnahme von Frauen am Wirtschaftsleben und Berufsmöglichkeiten liegt Pakistan auf Platz 143, bezüglich gleichberechtigtem Zugang zu Bildung auf dem 136. Rang und bezüglich Gesundheit und Überlebenschancen auf dem 140. Rang (WEF 2017).

 

16 Millionen Mädchen zwischen sechs und elf Jahren gehen keiner Schulbildung nach (AHRC 14.2.2017). 26 % der Frauen (knapp 14 Millionen) im Alter von 15 bis 64 Jahren sind erwerbstätig und kein ökonomischer Sektor beschäftigt mehr als 30 % Frauen. Bis zu 30 % der Frauen, im informellen Sektor 77 %, verdienen weniger als den Mindestlohn (10.000 PKR) und durchschnittlich haben Männer in Pakistan ein um 71 % höheres Einkommen als Frauen (HRCP 2017), seit 2008 ist der Gender-Pay-Gap größer geworden (HRCP 4.2018). Laut einer Statistik des National Police Bureau vom Jahr 2017 waren von den 391.364 Polizisten in Pakistan 5.731 Frauen, das sind weniger als 2 % (Dawn 26.4.2017).

 

Obwohl zahlreiche Gesetze die sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit unter Strafe stellen, war das Problem weit verbreitet. Gesetze sehen die Etablierung von Ombudspersonen in allen Provinzen vor. Sindh setzte als erste Provinz diese Forderung im Jahre 2012 um. Punjab und Gilgit-Baltistan haben ebenfalls Ombudspersonen eingerichtet (USDOS 20.4.2018).

 

Vergewaltigung ist eine Straftat. Der Strafrahmen reicht von zehn bis 25 Jahre Haft und einer Geldstrafe bis zur Todesstrafe. Die Strafe für Gruppenvergewaltigungen ist die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Verbrechen (USDOS 20.4.2018). Geschlechtsverkehr mit Frauen unter 16 Jahren gilt als Vergewaltigung (AA 20.10.2017). Obwohl Vergewaltigungen häufig vorkommen, werden sie nur selten angezeigt. Daher gibt es keine zuverlässigen Statistiken zum Strafbestand. Bei Anzeigen sind Strafverfolgungen selten. Die Polizei setzt manchmal Vergewaltigungsopfer unter Druck, die Anzeige fallenzulassen, insbesondere wenn der mutmaßliche Täter eine einflussreiche Person ist oder die Polizei bestochen hat. Es gibt Fälle, dass die Polizei erst Bestechungsgeld verlangt, bevor eine Anzeige wegen Vergewaltigung aufgenommen wird und dass die Ermittlungen oberflächlich durchgeführt werden. Außergerichtliche Einigungen nach Vergewaltigungen sind häufig, oft muss das Opfer dabei den Täter heiraten (USDOS 20.4.2018).

 

Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament ein neues Anti-Vergewaltigungsgesetz, das die Abnahme von DNS, Datenschutz des Opfers und das Recht auf rechtliche Vertretung vorsieht. Medizinische Tests nach einer Vergewaltigung nehmen zu, in vielen Gebieten ist das medizinische Personal jedoch dazu nicht ausreichend geschult (USDOS 20.4.2018).

 

Das so genannte "Zina-Gesetz" von 1979, das den außerehelichen Geschlechtsverkehr generell unter Strafe stellt, ist weiterhin gültig, wurde aber de facto durch den 2006 verabschiedeten "The Protection of Women Act" weitgehend außer Kraft gesetzt. Der Federal Shariat Court of Pakistan erklärte allerdings bereits Ende 2010 Teile des Protection of Women Act für unislamisch und verfassungswidrig. Über eine Verfassungsklage gegen dieses Gerichtsurteil ist bislang noch nicht entschieden worden. Ehebruch wurde aus den "Hudood"-Verordnungen (diese Gesetze von 1979 sehen die Anwendung von Körperstrafen des islamischen Strafrechts für eine Reihe von Straftaten vor, z. B. Ehebruch oder Diebstahl) entfernt und als "Unzucht" in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Das Delikt wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafe geahndet, die Todesstrafe wird bei Ehebruch nicht mehr verhängt. Für eine Anzeige werden hohe verfahrensrechtliche Hürden aufgestellt. Eine Verhaftung kann nur auf richterliche Anordnung erfolgen; Freilassung auf Kaution ist möglich. Bei Vergewaltigung kann sowohl nach pakistanischem Strafgesetzbuch als auch nach den "Hudood"-Verordnungen durch eine Anzeige und unter Beiziehung forensischer und medizinischer Indizien das Gerichtsverfahren eröffnet werden. Über die Anklage entscheidet ein Richter. Die Umwandlung einer Vergewaltigungsklage in eine Anklage wegen Ehebruchs gegen das Opfer - eine bislang übliche Praxis - wird ausdrücklich ausgeschlossen (AA 20.10.2017). Doch wichtige Gesetze zum Schutz der Frauenrechte wurden nicht verabschiedet und die bestehende Gesetzgebung wird nicht durchgesetzt (AI 21.2.2018).

 

Es gibt kein Bundesgesetz, das häusliche Gewalt verbietet (USDOS 20.4.2018). Nachdem die Domestic Violence (Prevention and Protection) Bill bereits im Jahr 2009 einstimmig von der Nationalversammlung angenommen wurde, wurde sie durch Kleriker im Senat blockiert und mit In-Kraft-Treten der 18. Novellierung der Verfassung fiel die Zuständigkeit für die Verabschiedung eines Gesetzes gegen häusliche Gewalt in das Provinzrecht (Dawn 11.2.2014). Gesetze gegen häusliche Gewalt wurden verabschiedet im Hauptstadtterritorium Islamabad (2012) (Dawn 21.2.2012), im Sindh (2013), in Belutschistan (2014) (Dawn 11.2.2014) und im Punjab (2016) (USDOS 3.3.2017). Ein Gesetz bezüglich Schutz und Verhinderung häuslicher Gewalt wurde 2017 in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa vorgeschlagen jedoch Stand März 2018 noch nicht verabschiedet (Business Recorder 17.3.2018).

 

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und kann in einigen Fällen - unter anderem wegen Mitgiftstreitigkeiten - bis zu Mord, Folter, Verbrennung, Säureangriffen oder zu Verstümmelung führen. Die Gewalt geht sowohl von Ehemännern als auch den Familien der Ehemänner aus (USDOS 20.4.2018).

 

Das Women Development Department der Provinzregierung von Sindh registrierte für die Provinz Sindh zwischen 1.7.2017 bis Anfang April 2018 1.643 Anzeigen von Gewalt gegen Frauen, darunter 13 Ehrenmorde und Streitigkeiten um Unterhalt und Sorgerecht für Kinder (Dawn 5.4.2018).

 

Für das Jahr 2016 berichtete HRCP landesweit mehr als 2500 Fälle von Gewalt gegen Frauen, darunter Morde, häusliche Gewalt, Entführungen und Vergewaltigung. Hunderte Frauen und Mädchen wurden 2017 Opfer von "Ehrenmorden" (HRCP 5.2017). Für das Jahr 2017 wurden 309 "Ehrenmorde" angegeben (HRCP 4.2018) In Khyber Pakhtunkhwa wurden im Jahr 2017 94 Frauen von nahen Angehörigen ermordet und in einigen Fällen gelang es nicht, Ermittlungen aufzunehmen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen (AI 21.2.2018). Im Jahr 2017 wurden 18 Säureangriffe registriert (HRCP 4.2018). Es ist schwierig, das genaue Ausmaß der Gewalttaten gegen Frauen zu ermitteln, da nur über einen geringen Teil der Fälle in den Medien berichtet wird (HRCP 5.2017). Viele Fälle werden nicht polizeilich gemeldet (HRCP 4.2018).

 

Frauen sind ernsthaften Schwierigkeiten ausgesetzt, Misshandlungen anzuzeigen. Polizei und Gerichte sind zurückhaltend bei der Verfolgung von Fällen häuslicher Gewalt, da diese als Familienprobleme angesehen werden. Statt Anzeigen aufzunehmen, ermutigt die Polizei die Streitparteien, sich zu versöhnen und schickt Missbrauchsopfer regelmäßig zu ihrer missbrauchenden Familie zurück (USDOS 20.4.2018).

 

Um den sozialen Normen entgegenzuwirken, die Opfer davon abhalten, geschlechtsspezifische Gewalt anzuzeigen, wurden Frauenpolizeistationen mit weiblichen Angestellten eingerichtet, die Frauen einen sicheren Zufluchtsort für Anzeigen bieten. Diese Stationen sind allerdings von Personalmangel und mangelhafter Ausstattung betroffen (USDOS 20.4.2018).

 

Das Familienrecht legt klare Richtlinien mit Bezug auf Schutz für Frauen im Falle einer Scheidung, Unterhaltsleistungen, sowie das Sorgerecht für minderjährige Kinder vor (USDOS 20.4.2018). Nach Aussage eines Vertreters der HRCP von 2013 war es für eine alleinstehende Frau in Pakistan wegen der Vorurteile gegenüber Frauen und ihrer finanziellen Abhängigkeit von der Familie "praktisch unmöglich", allein zu leben. Ein Bericht besagte, dass 2010 die meisten Frauen in ländlichen Gebieten bei ihren Familien lebten und es für Frauen generell gesellschaftlich nicht akzeptabel war, allein zu leben. In Städten, und hier vor allem in größeren Städten wie Karatschi, Lahore oder Islamabad, war es für gebildete, aus der Oberschicht stammende berufstätige Frauen einfacher, allein zu leben, obwohl dies nur recht selten vorkam. Vom Canadian Immigration and Refugee Board 2010 befragte Quellen sagten aus, es sei für alleinstehende Frauen schwierig, in Städten Wohnungen zu mieten. Vermieter sind zögerlich, alleinstehenden Frauen Wohnungen zu vermieten. Es gibt einige von der Regierung eingerichtete Unterkünfte für berufstätige Frauen, der Bedarf übersteigt das Angebot bei weitem (UKHO 2.2016).

 

Die Regierung unterhielt ein Krisenzentrum für Frauen in Notlagen, welches Frauen, die misshandelt wurden, an NGOs zur Unterstützung weitervermittelte. Weiteres gibt es zahlreiche staatliche "Shaheed Benazir Bhutto"-Frauenschutzzentren, die temporären Schutz, rechtliche Hilfe sowie medizinische und psychologische Betreuung bieten. Von diesen werden die Frauen in eines von landesweit mehreren hundert, von den Provinzen verwalteten, Dar-ul-Aman (Frauen- und Kinderzentren) weitergeleitet, wo Unterkunft und medizinische Versorgung gewährt werden, allerdings keine rechtliche oder psychologische Beratung. Viele Regierungszentren waren überfüllt, stark unter ausgestattet und Ressourcen und Personal unzureichend vorhanden. Es gibt Fälle, in denen Frauen in staatlichen Schutzhäusern missbraucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder gedrängt wurden, zu ihren Misshandlern zurückzukehren. Es gibt auch einige Berichte, dass Frauen in den Zentren zur Prostitution gezwungen wurden (USDOS 20.4.2018).

 

Die Schutzhäuser, die von NGOs betrieben werden, sind Berichten zufolge in einem besseren Zustand (UKHO 2.2016). NGOs gewähren nicht nur Schutz in Frauenhäusern, sondern leisten auch Rechtsbeistand, engagieren sich für eine Ausbildung der Frauen und versuchen, eine gütliche Verhandlungslösung herbeizuführen und in weiterer Folge eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen (ÖB 10.2017).

 

Es bestehen eine Reihe von NGOs, die sich vor allem um betroffene Frauen kümmern, wie Aurat Foundation; All Pakistan Women Association; Blue Veins; Female Human Rights Organization (FEHRO);

Hawa Shelter Home; Jeejal; Mukhtar Mai Women's Organisation;

Pakistani Women's Human Rights Organization (PWHRO); Panah; RYSe - Reclaim your space; Shirkat Gah - Women Resource Center; Simorgh - Women's Resource and Publication center; Struggle For Change (SACH);

Sughar Empowerment Society; The Tribal Women Welfare Association (TWWA); Women Association Struggle For Development (WASFD); Women Rights Association; WomenShade Pakistan (WSP); Women Welfare and Development Organization (WWDO) (ÖB 10.2017); Shirkat Gah; AGHS Legal Aid Cell und zahlreiche kleinere Organisationen (AA 20.10.2017).

 

Die private Edhi Foundation bietet Unterstützung in vielen sozialen Bereichen, u.a. Unterkunft auch für Frauen, die häuslicher Gewalt entkommen sind. In landesweit 18 "Edhi Homes" (Karatschi: sieben; Lahore: drei; Chitral, Islamabad, Multan, Quetta, XXXX : je eines) sind 8.500 Personen untergebracht. (Edhi Foundation o.D.). Die ländliche Entwicklungsorganisation National Rural Support Programm (NRSP) bietet Aus- und Fortbildung u.a. zur wirtschaftlichen und rechtlichen Stärkung der Frauen, Vermittlung von Schriftkunde und Familienplanung und Mikrofinanzierungen für Frauen an. Im Frauenrechtsbereich wurden unterschiedliche Programme umgesetzt:

Unterstützung von Frauen bei der Erlangung der digitalen Identitätskarte (CNIC), um den Zugang zu sozialen Leistungen zu ermöglichen; Programme zur Bewusstseinsbildung gegen Ehrenmorde, gegen häusliche Gewalt und gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz (NRSP o.D.a). NRSP ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm. Laut Angaben der Organisation nehmen Stand Februar 2018 über 3,2 Millionen Männer und Frauen an verschiedenen Programmen teil (NRSP o. D.b).

 

Im Jahr 2013 wurde im Swat-Tal, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, eine Frauen-Jirga eingerichtet, die sich der Belange der Frauen annimmt (DW 29.4.2017; vgl. BFA 7.2016). Tabassum Adnan, die Gründerin der Khwendo Jirga, Pakistans erster Frauen-Jirga, erhielt vom US-Außenministerium 2015 den International Women of Courage Award in KPK. Die Medienaufmerksamkeit nach Bekanntwerden dieser Auszeichnung zog anonyme Drohungen nach sich. Sie musste in eine andere Stadt umziehen (AI 24.2.2016).

 

Die "National Commission on the Status of Women", eine nationale Behörde, die zur Stärkung der Rechte sowie des Schutzes der Frauen beitragen soll, wurde Ende 2012 per Gesetz gestärkt. Sie bleibt in der Praxis jedoch auch weiterhin meist wirkungslos (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ehrverbrechen an Frauen und Männern, unerwünschte Heiraten, Zwangsheirat und andere schädliche traditionelle Praktiken gegen Frauen

 

In einigen Fällen werden Frauen Opfer unterschiedlicher Arten gesellschaftlich bedingter Gewalt, darunter Ehrenmorde, Zwangsehen, Zwangskonvertierung, erzwungene Isolation. Frauen werden als Pfand benutzt, um Stammeskonflikte beizulegen (USDOS 20.4.2018).

 

Das Gesetz verbietet frauenfeindliche Taten, die im Namen der Ehre begangen wurden. Dennoch werden jährlich hunderte Frauen Opfer sogenannter Ehrenmorde und viele Fälle werden nicht gemeldet. Die des "Ehrverbrechens" beschuldigten Männer werden in vielen Fällen nicht getötet, sondern man lässt sie fliehen (USDOS 20.4.2018). Opfer sind somit hauptsächlich Frauen, allerdings sind auch Männer betroffen. Verbrechen in Namen der Ehre - nachdem Frauen beschuldigt wurden, Schande über die Familie gebracht zu haben - sind z.B. Mord, Säureangriffe oder Verstümmelungen (UKHO 2.2016).

 

Die Täter sind meist männliche Verwandte der Frauen. Die Vorstellung, dass das Opfer Schande über die Familie gebracht hat, steht als treibende Kraft hinter den Morden. Der Mord wird als Weg zur Wiederherstellung der Reputation und Ehre der Familie gesehen (AF 1.2015). Im Pashtunwali wird der Würde (Ghairat) hoher Wert beigemessen. Zur Ghairat gehört es auch, die Keuschheit der Frauen beschützen. Wenn beispielsweise auf eine Paschtunin Toor [Anm.:

D.h., dass ihnen eine illegale sexuelle Beziehung vorgeworfen wird] zutrifft, ist es eine Sache von Ghairat, die beschuldigte Frau und ihren Partner zu töten (BFA 7.2016). Die von Männern gebildete Jirga entscheidet über solche Angelegenheiten und ihre Entscheidungen haben [für die Bevölkerung] Vorrang gegenüber der staatlichen Gesetzgebung. Sie entscheidet gemäß Stammeswerten und beinhaltet oft Gewalt (AF 1.2015).

 

In den [ehem.] FATA hat sich z. B. ein auf dem Stammesrecht (z. B. Pashtunwali) basierendes paralleles Rechtssystem mit [bis 27.5.2018 in den FATA erlaubten; vgl. NHT 28.5.2018] im übrigen Staatsgebiet verbotenen Jirga-Gerichten der Stammesältesten erhalten. Während sich männliche Angeklagte im Wege von Geldleistungen der Verhängung schwerer Strafen entziehen können, werden Frauen bei Verstößen gegen den Sittenkodex hart bestraft. Auch sind Fälle bekannt, in denen stellvertretend für Delinquenten weibliche Familienangehörige getötet oder in anderer Weise bestraft werden (AA 20.10.2017). Die Abhaltung von Jirgas, die gewaltvolle Urteile bis zum Tod für Frauen u. a. für die Verletzung der Ehre aussprechen, finden allerdings auch in anderen - insbesondere ländlichen - Gebieten quer durch Pakistan Verbreitung (USDOS 20.4.2018). Ehrenmorde kommen hauptsächlich in ländlichen Gebieten vor, kommen allerdings auch in den Städten vor (UKHO 2.2016).

 

Laut Statistiken der Human Rights Commission Pakistan nimmt die Zahl der Ehrenmorde zu. 2013 berichtet HRCP von insgesamt 932 Ehrenmorden. 2014 wurden 1.005 Frauen im "Namen der Ehre" ermordet:

923 Frauen und 82 minderjährige Mädchen (UPI 25.6.2015; vgl. HRCP 3.2015). 2015 wurden laut HRCP insgesamt 1096 Frauen und 88 Männer Opfer von Ehrenmorden. 170 Opfer waren zum Tatzeitpunkt minderjährig (HRCP 4.2016). Für das Jahr 2016 berichtet HRCP von hunderten Frauen und Mädchen, die von Familienmitgliedern unter dem Vorwand der Familienehre getötet wurden (HRCP 2017) und für das Jahr 2017 von 309 "Ehrenmorden", wobei jedoch angegeben wird, dass die Statistik wegen Änderung der Erfassungsgrundlage nicht mit dem Vorjahr vergleichbar sei (HRCP 4.2018). Amnesty International berichtet für 2016 von etwa 512 Frauen und Mädchen und 156 Männer und Buben, die durch Verwandte im Namen der Ehre getötet wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte viel höher sein (AI 22.2.2017). Amnesty International berichtet, dass im Jahr 2017 in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa 94 Frauen von nahen Verwandten getötet wurden. In einigen Fällen wurden keine Ermittlungen eingeleitet oder die Täter zur Verantwortung gezogen (AI 21.2.2018). Es wird geschätzt, dass jährlich bis zu 1.000 Frauen in Pakistan Ehrenmorden zum Opfer fallen (Guardian 17.6.2016; vgl. HRW 18.1.2018; vgl. HBVA o.D.).

 

Die Dunkelziffer an Ehrverbrechen ist hoch. Von vielen Fällen wird gar nicht erst berichtet. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Frauen hat sich nicht im gleichen Ausmaß verbessert, wie das Maß an Bildung und Freiheiten für junge Frauen angestiegen ist. Wenn Frauen selbstbewusster werden und weniger unterwürfig innerhalb der Familie oder mehr Unabhängigkeit für ihre Entscheidungen übernehmen wollen, z.B. ihrer Ausbildung weiter verfolgen wollen, stoßen sie auf Verbote (BBC 8.8.2016).

 

Die hauptsächlichen Gründe für die Ehrenmorde waren 2015 familiäre Streitigkeiten, Vorwürfe einer unrechtmäßigen Beziehung und die eigene Wahl eines Ehepartners. Hauptsächlich waren die Täter 2015 die Ehemänner oder ehemalige Ehemänner, und die Opfer hauptsächlich Hausfrauen (HRCP 3.2016).

 

Der 2004 verabschiedeten Honour Killing Act stellt "Ehrentötungen" (Karo Kari), deren Opfer z.B. eine außereheliche Beziehung unterhielten oder eine Liebesehe schlossen bzw. diesbezüglich verdächtigt werden, als Mord unter Strafe (AA 20.10.2017). Das Gesetz zur Bekämpfung von frauenfeindlichen Praktiken ("Prevention of Anti-Women Practices Act") aus 2011 verbietet Akte schädlicher traditioneller Praktiken gegen Frauen. Da Ehrenmorde meist innerhalb der Familie geschehen, werden viele allerdings gar nicht angezeigt (USDOS 20.4.2018). Bislang konnte noch keine grundlegende Verbesserung der Situation aufgrund dieser Gesetze festgestellt werden (AA 20.10.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

 

Im Oktober 2016 wurde ein Gesetz durch das Parlament verabschiedet, das darauf abzielt, die "Vergebung" für Ehrenmorde zu eliminieren (HRW 12.1.2017; vgl. HRCP 2017). Das pakistanische Gesetz erlaubt, dass die Familie des Opfers bei einem Mord dem Täter verzeihen kann (HRW 12.1.2017). Dies geht zurück auf die Qisas und Diyat Regelungen im pakistanischen Gesetz (AHRC 14.2.2017). Davon wird bei Ehrenmorden häufig Gebrauch gemacht, da Täter und Opfer aus der gleichen Familie sind (HRW 12.1.2017). Die Strafe für Ehrenmorde ist lebenslange Haft (25 Jahre) (HRCP 2017), auch die Todesstrafe ist möglich. Jedoch obliegt es dem Gericht, zu entscheiden, ob es sich um ein Ehrverbrechen handelt. In einigen Fällen im Jahr 2017 konnten Angeklagte vor Gericht andere Motive glaubwürdig machen und wurden aufgrund der Qisas- und Diyat-Regelungen begnadigt (AI 21.2.2018).

 

Das 2011 erlassene Gesetz "Prevention of Antiwomen Practices Amendment Act" stellt weitere schädliche Praktiken gegen Frauen unter Strafe: Die Gabe einer Frau zur Streitbeilegung, Vorenthalten eines Anspruchs auf Erbe oder Eigentum, erzwungene Eheschließung, sowie der Zwang oder die Erleichterung der "Verheiratung mit dem Koran", i.e. ein Schwur auf den Koran, dass die Frau unverheitatet bleibt und ihr Erbe nicht beansprucht. Obwohl verboten, sind diese Praktiken in manchen Gegenden weiterhin verbreitet (USDOS 20.4.2018).

 

Zwangsverheiratungen sind verboten und obwohl viele Fälle zur Anzeige gebracht werden, bleibt die Strafverfolgung eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Das Phänomen der Zwangsverheiratung trifft Frauen weit stärker als Männer, da sie nur wenige Möglichkeiten haben, sich gegen solche Entscheidungen zu wehren (AA 20.10.2017). Frauen steht es rechtlich frei, ohne Zustimmung ihrer Familie zu heiraten. Doch wird dies von der Gesellschaft oft geächtet. Häufig werden Frauen, die diesen Schritt tätigten, von ihren Familien geächtet oder sie riskieren Verbrechen im Namen der Ehre zum Opfer zu fallen (USDOS 3.3.2017).

 

"Verbotene Heiraten" - Liebesehen, sozial nicht akzeptierte Ehen, Eheschließungen gegen den Willen der Eltern - und die im Extremfall darauffolgenden Ehrenmorde ziehen zwar ein besonderes Medienecho auf sich, sind jedoch landesweit nicht die Norm. Während Eltern aus der gebildeten städtischen Mittel- und Oberschicht eher gewillt erscheinen, die eigene Wahl der Kinder zu akzeptieren, sind arrangierte Ehen (diese sind allerdings nicht mit Zwangsehen gleichzusetzen) besonders in ländlichen Gebieten sowie innerhalb der unteren Mittelschicht sowie der Arbeiter- und Bauernklasse nach wie vor üblich. Sozial nicht akzeptierte Eheschließungen sind gemäß pakistanischer Rechtsordnung gültig, auch Frauen können grundsätzlich ohne Einwilligung der Eltern heiraten. Allerdings werden Ehen, die gegen die Vorgaben des Islams geschlossen werden, nicht anerkannt: So wäre z.B. eine Heirat einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann, selbst wenn er einer der Buchreligionen angehört, nicht gültig (der umgekehrte Fall, muslimischer Mann mit nicht-muslimischer Frau, dagegen schon). Im Allgemeinen gibt es in Pakistan keine dem österreichischen Rechtssystem vergleichbare zivile Ehe: Muslime heiraten nach islamischem Recht und lassen ihre Ehe in der Folge vor staatlichen Stellen registrieren; für andere Religionsangehörige gelten wiederum eigene Regelungen (ÖB 10.2017).

 

Es existieren in Pakistan keine Institutionen, die vom Staat dezidiert zum Schutz von Eheleuten einer sozial nicht akzeptierten Liebesehe eingerichtet wurden, allerdings besteht eine Reihe von NGOs, die sich vor allem um das Wohl der betroffenen Frauen kümmern, sowie staatliche Einrichtungen wie "Crisis Center for Women in Distress", "Shaheed Benazir Bhutto Centers for Women", die jeweils einer kurzfristigen Erstbetreuung dienen, und rund 200 Frauenhäuser (Dar-ul-Aman) [vgl. Abschnitt 18.1.]. Es erscheint in Einzelfällen fraglich, ob Frauen aufgrund einer Liebesheirat die Aufnahmekriterien erfüllen. Ferner können sich Opfer allenfalls direkt an die Human Rights Cell des Supreme Court wenden (ÖB 10.2017).

 

In etwa zwei Drittel der Fälle von Ehrenmorden, in denen es zu einer Strafverfolgung kommt, werden die Angeklagten frei gesprochen. Auch Opfer von Vergewaltigungen können, weil sie die Ehre der Familie verletzt haben, Opfer solcher Verbrechen im Namen der Ehre werden. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Frauen, die angeblich Kontakt zu fremden Männern hatten, von ihren Ehemännern oder Brüdern getötet oder schwer verletzt werden. Besonders verbreitet sind sogenannte Säureangriffe. Die "Human Rights Commission of Pakistan" zählte 2016 51 Säureangriffe. Im Dezember 2011 wurde der "Acid Crime Prevention Act" einstimmig vom Parlament verabschiedet. Säureangriffe werden danach mit Haftstrafen von zehn Jahren bis lebenslänglich unter Strafe gestellt (AA 20.10.2017). Es gibt landesweit zahlreiche Säureangriffe auf Frauen und nur wenige Täter werden vor Gericht gestellt (USDOS 20.4.2018). Laut HRCP wurden 98 % der Fälle von Säureangriffen vor Gericht nicht entschieden und nur bei einer Handvoll Fällen kam es zu Strafen (HRCP 3.2016). In einem Präzedenzfall wurde 2015 ein Mann von einem Anti-Terror-Gericht für einen Säureangriff zu 28 Jahren Haft verurteilt. Er wurde nach § 336 des Strafgesetzbuches (Körperverletzung mit bleibenden Schäden) und § 7 des Anti-Terrorismus-Gesetzes angeklagt und in beiden Punkten für schuldig befunden (HRCP 5.2017).

 

Im Sindh wurden bei der Polizei Karo-Kari Einheiten mit einer gebührenfreien Telefonnummer in den Bezirken Sukkur, Ghotki, Khairpur und Nausharo Feroze eingerichtet. Obwohl viele Fälle von Ehrenmord nicht berichtet werden, meinen Polizei und NGOs, dass die zunehmende Behandlung in den Medien es der Rechtsdurchsetzung ermöglicht, einige Aktivitäten gegen eine begrenzte Anzahl von Tätern zu unternehmen. Ständige Komitees der Nationalversammlung hielten Anhörungen u. a. zu Ehrenmorden ab (USDOS 3.3.2017). Es werden auch spezielle Seminare für die Öffentlichkeit im Sindh gehalten, um Bewusstsein für die Problematik der Ehrenmorde zu schaffen (TET 21.4.2014; vgl. TET 30.11.2017). Der Pakistan Ulema Council erklärte in einer Fatwa eindeutig, dass das Ermorden von Frauen oder Mädchen im Namen der "Ehre" unislamisch sei (Dawn 6.6.2014). Im Juni 2016 erklärte der Sunni Ittehad Council in einer Fatwa ebenfalls das Morden im Namen der Ehre als unislamisch und hob hervor, dass im Islam die Wahl des Ehepartners frei steht. Er verlangte härtere Maßnahmen von der Regierung (Guardian 14.6.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kinder

 

Kinder, welche in Pakistan geboren werden, sind berechtigt, in der nationalen Datenbank registriert zu werden. Eine Registrierung erfolgt dabei mit einer entsprechenden Geburtsurkunde, sowie der Dokumentation des Namens des Kindes und jener der Elternteile (Gov Pak 24.11.2015).

 

Stand 2012 [neueste verfügbare Daten, vgl. UNICEF 11.2017] sind 34 % der Kinder unter dem fünften Lebensjahr in Pakistan registriert. Das bedeutet, dass rund zehn Millionen Kinder landesweit nicht registriert sind. Diese Zahl erhöht sich jährlich um rund weitere drei Millionen unregistrierte Geburten. Eine Geburtsurkunde kann das Recht des Kindes auf Bildung, Gesundheit, Zugang zum Rechtssystem sicherstellen und zum Schutz vor Gewalt, einer frühen Heirat und Kinderarbeit beitragen (UNICEF 7.2015). Laut Angaben von UNICEF ist die pakistanische Regierung bemüht, einen systematischen Ansatz in Hinblick auf den Kinderschutz umzusetzen. In diesem Zusammenhang sei es der pakistanischen Regierung auch bewusst, dass die universelle Geburtenregistrierung ein wichtiges Mittel zur Umsetzung von Kinderschutzmaßnahmen, besonders in Hinblick auf Kinderehen, Kinderarbeit und vermisste Kinder nach Katastrophen sei. Die niedrige Rate an Geburtenregistrierungen ist vor allem im Zusammenhang mit staatlichen/rechtlichen Schutzmaßnahmen problematisch, da oft nicht festgestellt werden kann, ob es sich in bestimmten Fällen (Kinderehen, Jugendgerichtsbarkeit etc.) um Minderjährige handelt oder nicht (ÖB 10.2017).

 

Die Geburtenregistrierung soll durch Digitalisierung und der Nutzung von Mobiltelefonen insbesondere im ländlichen Raum erleichtert werden (TET 1.10.2016; vgl. UNICEF 2.5.2016; vgl. GSMA 12.1.2017). Bei einem Pilotprojekt ab 2015 im Union Council Dhabeji, Provinz Sindh, wurden 2015 95 % der Neugeborenen innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt registriert, im Vergleich zu 5 % im Jahr davor (UNICEF 2.5.2016). Das Projekt soll ab Mitte 2017 auf den gesamten Sindh ausgedehnt werden (GSMA 12.1.2017).

 

2016 wurde das Strafgesetzbuch hinsichtlich der Strafmündigkeit von Kindern geändert: Kinder unter zehn (davor: sieben) Jahren sind in Pakistan gemäß § 82 PPC [Pakistan Penal Code] strafunmündig. Gemäß § 83 PPC ist ein Kind über zehn (davor: sieben) und unter vierzehn (davor: zwölf) Jahren bereits strafmündig, wenn es die Tragweite seiner Tat begreifen kann. Ab vierzehn Jahren ist ein Kind uneingeschränkt strafmündig (AA 20.10.2017).

 

Pakistan hat das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert, allerdings mangelt es nach wie vor an einer adäquaten Implementierung. Menschenrechtsorganisationen sind mit den Berichten der Regierung an das Committee on the Rights of the Child (CRC) nicht zufrieden und erstellen eigene "Schattenberichte". Als Erfolge listet das CRC u.a. die folgenden Entwicklungen auf: verbesserte Geburtsregistrierung (aber immer noch nur rund 30 %); Bemühungen gegen Prügelstrafen in Schulen; Verabschiedung des Criminal Law (Third Amendment) Act 2011 53 zur härteren Bestrafung bestimmter Formen von Kinderzwangsheirat (Wanni, Swara, Budla-a-sulh); Einrichtung von nationalen und regionalen Child Protection Centres, National Rehabilitation Centres for Child Labourers und Pakistan Sweet Homes (allerdings gibt es nach wie vor kein Pflegeelternmodell, zudem entsprechen private Waisen- und Schutzhäuser oft nicht den erforderlichen Qualitätsstandards); Errichtung von Mobile Service Units für Familienplanung und Fortpflanzungsmedizin (ÖB 10.2017).

 

Kinderarbeit ist laut Verfassung illegal. Pakistan hat das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit von 1999 ratifiziert. Gleiches gilt für die Kinderrechtskonvention (AA 10 .2017). Es gibt keine landesweit einheitliche Gesetzgebung zum Mindestalter für Erwerbsarbeit. Im Jahr 2016 wurden in den Provinzen Punjab und Sindh das gesetzliche Minimalalter mit 15 Jahren festgelegt, des Weiteren wurden bestimmte gefährliche Arbeiten für Personen unter 18 (Punjab) bzw. 19 Jahren (Sindh) verboten. Die Provinz Belutschistan hat keine Gesetze bezüglich Mindestalter für Arbeit bzw. gefährliche Arbeiten (USDOL 30.9.2017). Die Verfassung und das Gesetz zur Beschäftigung von Kindern verbieten die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren an gefährlichen Arbeitsplätzen wie im Bergbau, in Teppichwebereien und Ziegelbrennereien (AA 20.10.2017). Nach dem Gesetz kann über den Arbeitgeber im Fall von Kinderarbeit eine Haftstrafe verhängt werden, doch passiert dies kaum (BAA 6 .2013). Die Zahl der Arbeitsinspektoren ist für die Größe der Erwerbsbevölkerung Pakistans unzureichend (USDOL 30.9.2017).

 

Das Verbot der Kinderarbeit wird weitgehend missachtet. Nichtregierungsorganisationen schätzen, dass Kinderarbeit weiterhin sehr verbreitet ist, vor allem in der Landwirtschaft und im häuslichen Bereich (AA 10 .2017). Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt die Anzahl der arbeitenden Kinder in Pakistan auf zwölf Millionen, UNICEF auf zehn Millionen. Von diesen sind der Organisation Child Rights Movement (CRM) zufolge 2,58 Millionen unter 15 Jahre alt (AA 20.10.2017). Laut dem "national child labour survey" der nationalen Statistikbehörde [2016] sind 3,8 Millionen Kinder unter 14 von Kinderarbeit betroffen, davon die Hälfte im Alter zwischen fünf und neun Jahren. 2,7 Millionen Kinder sind im landwirtschaftlichen Sektor tätig (Hamariweb 16.8.2017). Viele Kinder sind von Elementen der Zwangsarbeit betroffen (USDOL 30.9.2017). Bait-ul-Mal unterhält Schulen und Zentren für Kinder, die aus gefährlicher Kinderarbeit befreit wurden (USDOL 30.9.2017). Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten Eltern 300-600 Rupien pro Monat, wenn ihre Kinder in die Schule gehen und nicht einer Arbeit nachgehen (PBM o.D.; vgl. BAA 6 .2013).

 

Kindesmissbrauch ist weit verbreitet. Junge Mädchen und Buben, die als Hausangestellte arbeiten, werden misshandelt und haben lange Arbeitszeiten bei ihren Arbeitgebern. Viele dieser Kinder sind Opfer von Menschenhandel (USDOS 20.4.2018).

 

Nicht staatliche militante Gruppen entführen Buben und Mädchen oder verwenden betrügerischen Versprechungen, um Eltern zu überzeugen, ihnen ihre Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren mitzugeben, um sie zur Durchsetzung ihrer Ziele als Späher, Kämpfer oder als Selbstmordattentäter einzusetzen. Manchmal werden Kinder den Eltern abgekauft. Oftmals werden die Kinder sexuell und körperlich missbraucht und unter psychologischen Druck gesetzt, um sie zu überzeugen, dass die Handlungen, die sie begehen, gerechtfertigt sind. Die Regierung betreibt eine Einrichtung zur Wiedereingliederung und Ausbildung ehemaliger Kindersoldaten in Swat (USDOS 20.4.2018).

 

Die Strafen für Kinderehen wurden im Februar 2017 deutlich verschärft auf mindestens fünf bis maximal zehn Jahre Haft (davor: bis zu einem Monat Haft) und zusätzlich kann eine Geldstrafe von bis zu einer Million Rupien [ca. 7.000 EUR] (davor: 1000 Rupien) verhängt werden. Trotz Verbot kommen Kinderehen dennoch vor. Viele Fälle wurden angezeigt, jedoch bleibt die Strafverfolgung eingeschränkt. Rechtlich liegt das Heiratsalter für Männer bei 18 und Frauen bei 16 Jahren, in Sindh für Männer und Frauen bei 18 Jahren. Laut einer repräsentativen Gallup-Erhebung wurden fast ein Viertel der Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In ländlichen Gebieten verkaufen arme Eltern manchmal ihre Töchter zum Zwecke einer Heirat, um etwa Schulden zurückzahlen zu können oder Streitigkeiten zu begleichen (USDOS 20.4.2018).

 

Die Verfassung sieht vor, dass für alle Kinder zwischen dem fünften und 16. Lebensjahr eine kostenlose Schulpflicht besteht. Dennoch stellen die staatlichen Schuleinrichtungen oft den Eltern Kosten für Bücher, Schuluniformen und andere Materialien in Rechnung (USDOS 20.4.2018).

 

Pakistan hat mit 55 % laut UNECSO [vgl. UNICEF 27.12.2013: 54,9 % für den Zeitraum 2008-2012] eine der niedrigsten Alphabetisierungsraten der Welt (Archivist 19.2.2015). Im Jahr 2017 lag die Alphabetisierungsrate bei 58 %, was einen Rückgang von zwei Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr bedeutet (Nation 8.2.2018). Besonders in den großen Städten Pakistans kommen immer mehr Schulen und Colleges zu einer Bildungsindustrie hinzu, doch leiden jene im ländlichen Raum an einem Mangel. Viele Kinder können nicht studieren, weil ein Mangel an Ressourcen herrscht, oder familiärer Druck diesen Ambitionen entgegensteht. Der Hauptgrund warum Familien ihren Kindern - vor allem Mädchen - nicht erlauben zu studieren liegt wiederum im Analphabetismus (Archivist 19.2.2015).

 

Der United Nations Global Education Monitoring Report (Sept. 2016) ergab, dass 5,6 Millionen Kinder keine Grundschule besuchen, 5,5 Millionen besuchen keine Sekundärstufe und 10,4 Millionen Jugendliche besuchen keine Oberstufe. Laut dem Wilson Centre Report (Juli 2016) haben mehr als die Hälfte der Achtjährigen in der Schule trotz drei- bis vierjährigem Schulbesuch nichts gelernt und trotz einer Verdoppelung des Bildungsbudgets auf 7,5 Mrd USD in den letzten sechs Jahren bleiben die Abbrecherquoten katastrophal (HRCP 5.2017). Gemäß Angaben des Skills Development Plan (SDP) der [ehem.] FATA - er fußt auf die National Skills Strategy (NSS) waren zum Stichtag 2015 insgesamt 1.342 Bildungseinrichtungen in den [ehem.] FATA geschlossen oder aufgrund von Beschädigungen nicht nutzbar (Dawn 27.2.2015).

 

Es bestehen verschiedene Einrichtungen zum Schutz von Minderjährigen, wobei es sich zumeist um nicht staatliche Waisen- bzw. Schutzhäuser handelt. In diesen werden den minderjährigen Schutz und Versorgung gewährt, bis die Gerichte entsprechende Beschlüsse gefasst haben (ÖB 10.2017). Laut unterschiedlichen Quellen wurden 26 bis 36 staatliche Unterkünfte für Waisenkinder auf Bezirksebene eingerichtet - die Pakistan Sweet Homes. In jedem sind circa 100 Kinder untergebracht, womit durch die Bait-ul-Mal Sweet Homes ungefähr 3.000 bis 3.500 Waisenkinder versorgt werden (BAA 6 .2013; vgl. Dawn 28.12.2014; PSH o.D.). Bait-ul-Mal ist die erste nationale Regierungseinrichtung, die sich mit Waisen beschäftigt, ansonsten übernehmen dies Madrassen und NGOs. Die meisten Kinder ohne Eltern leben bei ihren Großfamilien (BAA 6 .2013). In Pakistan gibt es zwölf SOS-Kinderdörfer für 1.800 Kinder (SOS CV PK o.D.)

 

Die Edhi Foundation betreibt zahlreiche Einrichtungen landesweit [vgl. Abschnitt 21.2] und vor jeder dieser Einrichtungen befinden sich Wiegen, wo ungewollte Babys anonym abgelegt werden können. Diese Kinder werden von der Stiftung aufgenommen, betreut und in Folge - 250 Kinder pro Jahr - zur Adoption abgegeben. Laut eigenen Angaben unterhält die Edhi Foundation 18 Wohneinrichtungen für ca. 8500 Kinder, darunter Waisen und zurückgelassene Kinder (Edhi o.D. c).

 

Kinderrechtsorganisationen und Aktivisten wie z. B. die Society for the Protection of the Rights of the Child üben hinsichtlich Kinderarbeit und Kinderehen mit gewissem Erfolg (siehe dahingehende Gesetzgebungsinitiativen wie etwa den Sindh Child Marriages Restraint Act 2013) Druck auf die Regierung aus; dabei muss allerdings stets mitbedacht werden, dass die Diskrepanz zwischen der Gesetzeslage und der tatsächlichen Implementierung in Pakistan in vielen Bereichen beträchtlich ist. Dies gilt in diesem Zusammenhang vor allem für den Bereich sexuelle Gewalt gegen Kinder und Kinderehen (ÖB 10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sexuelle Minderheiten

 

Homosexualität ist gem. § 377 PPC ("gewollter unnatürlicher Geschlechtsverkehr") verboten; für eine Verurteilung ist der Beweis des Geschlechtsaktes zwingend erforderlich. Das Strafmaß beträgt im Regelfall zwei bis zehn Jahre Haft, in besonders schweren Fällen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen werden nur selten verfolgt (USDOS 20.4.2018). Dem Auswärtigen Amt sind keine Strafverfahren gegen männliche oder weibliche Homosexuelle, die Beziehungen auf einvernehmlicher Basis unterhalten, bekannt. Diese werden aber leicht Opfer von Erpressungen seitens der Polizeibehörden (AA 20.10.2017). Es gibt daher kaum Informationen zu Verhaftungen und Verurteilungen von Personen aufgrund homosexueller Handlungen (SFH 11.6.2015). LGBTI-Personen (Lesbian, gay, bisexual, transgender, and intersex) machen ihre sexuelle Orientierung oder Gender-Identität nur selten öffentlich. Es bestehen keine Gesetze zum Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 20.4.2018).

 

Homosexualität ist in Pakistan gesellschaftlich nicht akzeptiert, wird aber im privaten Bereich toleriert (AA 20.10.2017). Das Internet ermöglicht soziale Vernetzung und Treffen im Verborgenen. Internet und Smartphone-Apps erleichtern es homosexuellen Personen, Kontakte zu knüpfen und Partys zu organisieren. Der Präsident der Neengar Society weist jedoch darauf hin, dass diese Art der Kontaktaufnahme nur homosexuellen Personen aus der oberen Mittelschicht, den Eliten und den intellektuellen Kreisen zugänglich ist und nur in bestimmten Städten wie zum Beispiel in Lahore, Karatschi und Islamabad stattfindet. Obwohl virtuelle Gruppen und "Gayzonen" in Lahore, Karatschi und Islamabad existieren, gibt es keine sich öffentlich bekennende "Gay-Community" (SFH 11.6.2015).

 

In den Jahren 2014 bis 2015 wurden mehr als 45 Transsexuelle in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet (BBC 28.6.2016). Die Polizei verweigerte weitgehend, bei Fällen, die LGBTI-Personen betreffen, aktiv zu werden. In Karatschi war die Polizei u.A. zögerlich, in Verbrechen gegen Transgender-Frauen zu ermitteln, darunter auch ein Mordfall und zwei Gruppenvergewaltigungen. NGOs berichten, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Transgender-Personen und der Polizei in Khyber Pakhtunkhwa verbessert hätte (USDOS 20.4.2018).

 

Die Gesellschaft grenzt Transgender, Eunuchen und zwischengeschlechtliche Personen generell aus und bezeichnet sie als "Hijra". Diese Bezeichnung wird von manchen als abwertend betrachtet und sie bevorzugen die Bezeichnung "Khwaja Serra" (USDOS 20.4.2018). Die Hijra sind eine alte und ausgegrenzten Gruppe in Pakistan, Indien und Bangladesch, deren Mitglieder als Männer geboren, sich jedoch mit der Seele einer Frau identifizieren. Es bedarf keinerlei physischer Übergänge wie Operationen um in die Hirja-Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Hijras kleiden sich in der Regel wie Frauen. Die meisten von ihnen identifizieren sich weder als Männer noch als Frauen, sondern vielmehr als ein "drittes Geschlecht". Hirjas sind in Pakistan rechtlich anerkannt aber dennoch Außenseiter. Viele von ihnen sind von den meisten Berufen ausgeschlossen (Muftha 30.3.2016). Neben Tanzen auf Hochzeiten oder Segnung der Neugeborenen stellen Bettelei und Prostitution Einkommensquellen für die Hijras dar. Hijras leben zumeist in engmaschigen Gemeinschaften (Muftha 30.3.2016; vgl. USDOS 20.4.2018) in Slumvierteln (USDOS 20.4.2018).

 

2012 urteilte das Oberste Gericht, dass Transgender als "drittes Geschlecht" anerkannt und ihnen korrekte Personalausweise ausgestellt werden. Bei den 2013 durchgeführten Wahlen konnten Hirjas erstmals als Kandidaten und Wähler teilnehmen (USDOS 20.4.2018). Der oberste Gerichtshof ordnete 2016 der Regierung an, Transgender-Personen durch soziale Wohlfahrtsprogramme wie Benazir Income Support Programms und das Bait-ul-Mal finanziell zu unterstützen. Zu diesem Zwecke hat das Höchstgericht den Sozialhilfeabteilungen der vier Provinzen des Landes angeordnet, bundesweit zu erheben, wie hoch die genaue Anzahl der Transgender-Personen ist (CSJ 2016). Im Jahr 2017 wurde erstmals ein Reisepass mit der Angabe Transgender als Geschlecht ausgestellt und bei der Volkszählung gab es auf den Erhebungsbögen die Wahlmöglichkeit für das dritte Geschlecht (HRCP 5.2018). 10.418 Personen (ca. 0,05 % der Gesamtbevölkerung) deklarierten sich beim Zensus 2017 als Transgender (TET 25.7.2017); nach Angaben der lokalen Interessensvertretung Trans Action leben etwa 500.000 Transgender-Personen in Pakistan (BBC 28.6.2016).

 

Im Juni 2016 wurde von einer Gruppe religiöser Führern ein Urteil ("Fatwa") gesprochen, welches Transgender-Personen erlaubt, andere Transgender-Personen zu heiraten (USDOS 3.3.2017). Doch ist diese "Fatwa" rechtlich nicht bindend (BBC 28.6.2016). Der konservative Rat für islamische Lehre in Pakistan stellte sich hinter Transsexuelle, indem er Familien kritisierte, die Transsexuelle verstoßen und enterben würden (Spiegel 21.10.2015). Örtliche Behörden verweigern oft Transgender-Personen Zugang zu Schulbildung oder Krankenhäusern und Grundeigentümer weigern sich oft, ihnen Land oder Wohnungen zu verkaufen oder zu vermieten (USDOS 20.4.2018).

 

Im April 2018 wurde in Lahore eine Schule eröffnet, in der Transsexuelle aller Altersgruppen Schulbildung und berufliche Fortbildung absolvieren können. So soll auch Erwachsenen, denen bisher Bildung verwehrt wurde, der Zugang zu einem Erwerbseinkommen erleichtert werden. Die Eröffnung weiterer solcher Schulen in Karatschi und Islamabad ist für die Zukunft geplant (Dawn 18.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung, doch die Regierung beschränkt diese Rechte. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der [ehem.] FATA, Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein. Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein "no objection certificate" einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene gegen die ein Kriminalverfahren vor höheren Gerichten anhängig haben, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 20.4.2018).

 

Die Bewegungsfreiheit in Pakistan wurde in den Jahren 2016 und 2017 häufig aufgrund einer Reihe von Faktoren wie militärische Operationen und Naturkatastrophen eingeschränkt. Auch blieben Reisebewegungen von Frauen, Transgenderpersonen und bestimmten religiösen Minderheiten im Laufe des Jahres gefährlich. Der Zugang zu Gebieten in den [ehem.] FATA, wo die Armee Operationen gegen Aufständische durchführte, war eingeschränkt (HRCP 4.2018; vgl. HRCP 5.2017).

 

In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karatschi, XXXX oder Multan, leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben (AA 20.10.2017).

 

In Anbetracht der tief in der Gesellschaft verwurzelten Aversion gegen die religiöse Minderheit der Ahmadis sei es unmöglich, dass diese einer Verfolgung durch einen Wohnortwechsel innerhalb Pakistans entkommen würden (ÖB 10.2017). Ahmadis bietet ein Umzug nach Rabwah, ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen, weil sie dort weitgehend unter sich sind, auch wenn sie dort für ihre Gegner sichtbar sind. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 20.10.2017).

 

Für verfolgte Angehörige der christlichen Minderheit bestehen - abgesehen wiederum von den Fällen, die überregionale Bekanntheit erlangt haben - generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Angehörige der schiitischen Minderheit der Hazara stammen ursprünglich aus Afghanistan und leben in Pakistan beinahe ausschließlich in der Provinz Belutschistan. Hazaras würden durch ihr Aussehen und ihre Sprache überall in Pakistan auffallen. Zwar gibt es nördlich von Islamabad eine weitere Ansiedlung von Hazara (ca. drei Millionen), diese sind aber Sunniten und mit den aus Afghanistan stammenden Hazara nicht verwandt. Im Ergebnis sind inländische Ausweich- oder Fluchtmöglichkeiten zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, scheinen aber im Falle der Hazara aus Belutschistan deutlich beschränkt (AA 20.10.2017).

 

Auszuschließen ist eine innerstaatliche Fluchtalternative für Personen, die von nicht-staatlichen Akteuren (vor allem terroristischen Gruppierungen) verfolgt werden und bei einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Blasphemiegesetze. Letzteres kann analog auch auf andere ähnliche Sachverhalte und Verfolgungsgründe wie z.B. sexuelle Orientierung angewandt werden (ÖB 10.2017). Männer können bei privaten Disputen oder der Gefährdung, Opfer eines Ehrverbrechens zu werden, also in Fällen, wo nur durch Privatpersonen eine Verfolgung besteht, grundsätzlich meist in andere Gebiete Pakistans ausweichen. Es kommt allerdings auf die Vernetzung und den Einfluss der verfolgenden Person bzw. Personengruppen an. Wenn ein ganzer Stamm eine Person aufgrund einer Ehrverletzung verfolgt, wird er, laut Aussage von HRCP, auch "in New York gefunden" werden. Es ist somit der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen (BAA 6 .2013).

 

Allein schon aufgrund der Größe des Landes bestehen innerstaatliche Fluchtalternativen in humanitären Notfällen und im Falle von Kampfhandlungen (neben den vergleichsweise sicheren Provinzen Punjab und Sindh etwa auch IDP-Camps in Jalozai, Khyber Pakhtunkhwa, und New Durrani, ehem. FATA), allerdings stellt sich die humanitäre Lage in Bezug auf IDPs Berichten der in diesem Bereich tätigen Hilfsorganisationen zufolge als besorgniserregend dar (ÖB 10.2017).

 

Für Angehörige aller Gruppen gilt, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringt (AA 20.10.2017). Grundsätzlich ist eine Einzelfallprüfung für die Feststellung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative notwendig (ÖB 10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

IDPs und Flüchtlinge

 

IDPs

 

Pakistan beherbergt lt. UNHCR ca. 1,4 Millionen registrierte und 0,6 bis eine Million unregistrierte Flüchtlinge aus Afghanistan. Neben dieser beträchtlichen Flüchtlingspopulation befanden sich in Pakistan laut des UN-Büros für humanitäre Hilfe (UN-OCHA) und dem UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) Ende August 2017 rund 40.000 binnenvertriebene Familien (rund 262.000 Personen) (ÖB 10.2017). Die Mehrheit der IDPs stammen aus den [ehem.] FATA (GPC 8.2016). Seit 2008 wurden 5,3 Millionen Menschen aus den [ehem.] FATA binnenvertrieben - einige von ihnen sogar mehrfach - von denen etwa fünf Millionen wieder zurückkehren konnten. Die hohe Anzahl an Vertriebenen resultiert aus den Aktivitäten aufständischer Gruppen und den militärischen Operationen in den [ehem.] FATA. (USDOS 20.4.2018; vgl GPC 8.2016) [vgl. auch Abschnitt 3]. Die Militäroperationen und Aktionen gegen Aufständische in den [ehem.] FATA sind abgeschlossen, aber die Region ist eine ehemalige Kriegszone und Instabilität ist weiterhin eine Bedrohung (Dawn 29.5.2018).

 

Als Folge der Mitte 2014 begonnenen Militäroperation "Zarb-e Azb", die sich im Wesentlichen auf die [damaligen] zentral verwalteten Stammesgebiete FATA an der Grenze zu Afghanistan konzentrierte, mussten rund 1,8 Millionen Menschen ihre Wohngebiete verlassen und galten seither als IDPs. In einer groß angelegten Rückkehraktion sind seit März 2015 rund 260.000 der 300.000 binnen vertriebene Familien in ihre ursprünglichen Wohngebiete zurückgekehrt. Die pakistanische Regierung strebte die Rückkehr aller IDPs und den Wiederaufbau bis Ende 2017 an (ÖB 10.2017).

 

Am Höhepunkt der Vertreibung im Jahr 2014 wurde die Zahl der registrierten Binnenflüchtlinge in den [ehem.] FATA auf etwa 1,4 Millionen Personen geschätzt. Vom Beginn der Krise bis Juni 2016 hat die National Database and Registration Authority (NADRA) 210.714 Flüchtlingsfamilien überprüft und registriert, welche nach Nord-Wasiristan, Süd-Wasiristan, Khyber, Kurram und Orakzai zurückgekehrt sind. Diese Zahl von Binnenflüchtlingen beinhaltet jedoch nicht die beträchtliche Anzahl von 117.508 innerstaatlichen Flüchtlingen, welche zwar zurückgekehrt waren, während des Zeitraumes der Vertreibung aber nicht registriert worden waren (GPC 8.2016).

 

Bei der Registrierung der IDPs war die Regierung mit Herausforderungen konfrontiert. Oft ist es schwierig, festzustellen, aus welchen Gegenden und aus welchen Gründen die Menschen fliehen. Von einem lokalen Experten wurde im Zuge der Fact Findung Mission des BFA 2015 berichtet, dass die Regierung bei der Registrierung der IDPs im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat. Es gibt lokal geführte Organisationen, wie Zalan Communications, die eine Hotline für Beschwerden der IDPs eingerichtet haben (BFA 9.2015).

 

Bei der Registrierung innerstaatlicher Flüchtlinge (IDPs) durch NADRA müssen die Computerized National Identity Cards (CNICs) vorgewiesen werden. Doch besaßen einige der Vertriebenen nie eine solche. Vor allem Frauen und Kinder waren davon betroffen. Gründe dafür liegen etwa im Verlust der CNICs während der Flucht, oder aber weil viele Frauen, oder Haushalte unter der Leitung von Frauen nicht registriert worden waren. Auch waren einige Stammesführer gegen eine Registrierung von Frauen (GPC 8.2016).

 

Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren. Das bedeutet, die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die IDPs zum Teil bei der Rückkehr unterstützen. Für die Versorgung und den Schutz der IDPs ist in erster Linie die pakistanische Regierung zuständig (BAA 6 .2013; vgl. BFA 10.2014). Die Regierung kooperierte mit dem UNHCR und anderen Menschenrechtsorganisationen bei der Gewährleistung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, Asylsuchende und zurückkehrende Flüchtlinge (USDOS 20.4.2018).

 

Die durch die Konflikte vertriebenen Personen finden gewöhnlich bei Gastfamilien, in gemieteten Objekten oder in geringerem Ausmaß in IDP-Camps Unterkunft. Etliche IDPs ließen sich auch in informellen Siedlungen außerhalb der großen Städte wie Lahore und Karatschi nieder (USDOS 20.4.2018). Rund ein Drittel der registrierten IDPs hatte Schätzungen von UNOCHA zufolge Anfang 2016 keinen Zugang zu Trinkwasser, zwei Dritteln fehlte es an ausreichender Nahrung; weitere Problembereiche betrafen die oft unzureichende Unterbringung, die mangelnden Bildungs- (69 % der minderjährigen IDPs gehen nicht zur Schule) und Gesundheitseinrichtungen sowie generell die ungenügende Infrastruktur (Stromversorgung, sanitäre Einrichtungen, etc.). Aktuelle Zahlen dazu liegen nicht vor, aufgrund der großen Zahl an Rückkehrer/innen kann aber von einer Verbesserung der humanitären Lage ausgegangen werden (ÖB 10.2017).

 

Gemäß UNOCHA sind seit 2015 90 % der intern Vertriebenen in die [ehem.] FATA zurückgekehrt (USDOS 20.4.2018). Mit Stand 21.9.2017 sind seit 16.3.2015 insgesamt 262.623 Familien in die [ehem.] FATA zurückgekehrt und 42.225 Familien sind heimatvertrieben. In 14 % der rückgekehrten Familien stellen die Frauen das Familienoberhaupt (OCHA 27.9.2017). Laut OCHA sind mit Stand 28.2.2018 seit Dezember 2010 441.754 Familien in die FATA zurückgekehrt und noch 29.372 Familien bzw. 6 % heimatvertrieben (OCHA 28.2.2018).

 

Verbleibende Landminen und Sprengkörper in den von Kämpfen betroffenen Gebieten in den [ehem.] FATA einschließlich Nord-Wasiristan stellen ein Sicherheitsrisiko für die rückkehrende Zivilbevölkerung dar (SFH 2.5.2016).

 

Es liegen keine Berichte über unfreiwillige Rückkehr vor. Angeblich wollten trotz des Mangels an lokaler Infrastruktur viele Vertriebene heimkehren. Für Binnenvertriebene, welche nicht willens oder nicht in der Lage waren, zurückzukehren, koordiniert die Regierung mit dem UNHCR und anderen internationalen Organisationen die Rückkehr. Das World Food Programm stellt Lebensmittelrationen für einen Zeitraum von sechs Monaten für jene Vertriebenen zu Verfügung, welche in ihre Heimatregionen zurückgekehrt sind (USDOS 20.4.2018).

 

Bestimmte Formen der Unterstützung bzw. Versorgung von IDPs in den Camps wird vom Militär, von der Bundesregierung, sowie von NGOs gewährleistet. Wie oben erwähnt, stehen IDPs vor großen Herausforderungen, v.a. Bildung hat nur eine niedrige Priorität. In den Camps wird Bildung in informeller Form von NGOs und der pakistanischen Regierung gewährleistet. Die meisten IDPs leben jedoch nicht in Camps und ihre Kinder sind an Schulen eingeschrieben (BFA 9.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Afghanische Flüchtlinge

 

Laut aktuellen Zahlen des UNHCR beherbergt Pakistan knapp unter 1,4 Millionen registrierte afghanische Flüchtlinge. Hinzu kommen etwa 600.000 bis eine Million Afghan/innen, die in Pakistan nicht als Flüchtlinge registriert sind (ÖB 10.2017). Ein großer Anteil der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan sind Migranten der zweiten oder dritten Generation, die Afghanistan kaum kennen. Viele, der in Pakistan lebenden Afghanen, flohen schon in den 1980er-Jahren vor den Kämpfen zwischen sowjetischen und afghanischen Truppen (Newsweek 14.11.2016); Stand 2005 sind 80 % der afghanischen Flüchtlinge in den Jahren 1979-1985 in Pakistan angekommen (PCO und UNHCR 3.2005). 2007 hatte Pakistan die Registrierung von Flüchtlingen aus Afghanistan eingestellt, allen danach Angekommenen wurde keine "Proof of Registration Card" ausgestellt (IRIN 10.11.2016).

 

Da keine neuen PoR-Cards mehr ausgestellt werden, betrieb UNHCR Pakistan ein Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft für Afghanen, die nicht im Besitz einer PoR Card sind, zum Beispiel, weil sie erst vor kurzem eingereist sind bzw. in besonderen Einzelfällen, in denen UNHCR aufgrund der besonderen Verletzlichkeit der betreffenden Person/Familie eine Weiterwanderung in ein Drittland (Resettlement) vorsieht. Das Flüchtlingsfeststellungsverfahren wird von UNHCR auf der Basis seines Mandates und in Vertretung der pakistanischen Regierung durchgeführt, da Pakistan weder zu den Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gehört, noch über ein nationales Flüchtlingsgesetz verfügt. Eine leitende Mitarbeiterin schätzt, dass circa 50 % aller afghanischen Antragssteller in Pakistan vom UNHCR anerkannt werden. Der pakistanische Staat anerkennt das Non-Refoulement Prinzip für vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge (BAA 6 .2013).

 

Die Lage registrierter Flüchtlinge ist aufgrund ihres legalen Aufenthaltsstatus in der Regel durch höhere Rechtssicherheit und einen verbesserten Zugang zu Unterstützungsangeboten des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sowie zu bestimmten Dienstleistungen geprägt (Eröffnung von Bankkonten, Erhalt eines Führerscheins, Eröffnung einer Firma, etc.). Dies gilt nicht für die Gruppe der nicht registrierten Flüchtlinge, die offiziell als illegale Migranten gelten. Sie werden im Alltag eher Opfer von Diskriminierung und Schikanen durch die Polizei, da ihnen jederzeit die Abschiebung droht. (AA 20.10.2017).

 

Die Proof of Registration (PoR) Cards, die Flüchtlinge zum Aufenthalt in Pakistan berechtigen, wurden zuletzt mehrmals für nur kurze Zeiträume verlängert; den nicht registrierten Afghan/innen wurde eine unrealistische und ergebnislos verstrichene Deadline für die Ausreise bis 15.11.2016 gesetzt (ÖB 10.2017). Die Gültigkeitsdauer der PoR-Cards der registrierten Flüchtlinge wurde bis März 2017, Dezember 2017 (Dawn 2.12.2016), 31.1.2018, 31.3.2018 und 30.6.2018 (ÖB 13.3.2018) mehrmals verlängert. Die kurzfristigen Verlängerungen der PoR-Karten führte zu Gefühlen der Unsicherheit afghanischer Flüchtlinge, die aufgrund des vorübergehenden Aufenthaltes in Pakistan eine ungewisse Zukunft im Lande haben (UNHCR 28.2.2018). Auch ist der Status der Aufenthaltserlaubnis bzw. der Staatsbürgerschaft von afghanischen Eheleuten pakistanisch-afghanischer Mischehen unsicher (Alimia S. 3.2018).

 

Internationalen Medien und Hilfsorganisationen zufolge ging die Ankündigung der Deadline mit einer breiten Kampagne der Einschüchterung und Belästigung durch die Sicherheitskräfte einher;

auch gab es weitere Berichte über Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Einfordern von hohen Bestechungsgeldern und anderen Formen der Belästigungen durch die Polizei sowie Abschiebungen (VOA 16.10.2016;

vgl. IRIN 13.9.2016; Newsweek 14.11.2016) - zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen wie neuen Visabestimmungen, kürzeren Verlängerungen der "Proof of Registration (POR) Card" und vermehrt durchgeführten Razzien (VOA 16.10.2016). Aufgrund der gehäuften Razzien wurde es auch zunehmend schwieriger in den bisher üblichen Nischen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (IRIN 23.6.2016). UNHCR sei auch aufgrund vermehrter flüchtlingsfeindlicher Aussagen hochrangiger pakistanischer Politiker äußerst besorgt (ÖB 13.3.2018).

 

Eine Vertreterin des UNHCR Regionalbüros in Pakistan schilderte am 12.4.2018, dass afghanische Flüchtlinge in Pakistan in drei Gruppen eingeteilt werden: (1) 1,4 Millionen PoR Karteninhaber, welche einem besonderen Schutzsystem unterliegen; (2) nicht registrierte afghanische Staatsbürger; und (3) nicht registrierte Afghanen ohne Ausweisdokumente. Sie erläuterte die große Bedeutung dieser Unterscheidung für Pakistan und warnte die Geberstaaten vor der Aufforderung, Pakistan solle afghanische Flüchtlinge gleich behandeln, da dies eine erhebliche Verschlechterung der PoR Karteninhaber befürchten ließ. Außerdem begrüßte sie die im August 2017 gemeinsam mit der Regierung Pakistans und IOM gestartete Initiative der National Database and Registration Authority, welche es Afghanen ohne Ausweispapiere ermöglichte, bis zum 28.2.2018 einen Antrag auf Afghan Citizen Cards (ACC) in Pakistan zu stellen, ohne nach Afghanistan reisen zu müssen. Insgesamt wurden 800.000 derartige Anträge gestellt und befinden sich derzeit in Bearbeitung (ÖV Genf 13.4.2018).

 

Die pakistanische Regierung forciert derzeit eine auf Freiwilligkeit basierende Rückführungspolitik. Die Rückkehr afghanischer Flüchtlinge sowie unregistrierter Afghan/innen gewann ab der zweiten Hälfte 2016 aufgrund zahlreicher Faktoren (z. B. Aufruf von Präsident Ghani zur Heimkehr sowie Verdoppelung des UNHCR Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant auf USD 400,-) eine beachtliche Dynamik (ÖB 10.2017). So sind im Jahr 2016 381.094 registrierte und 236.724 nicht registrierte Flüchtlinge (OCHA 2.12.2016) sowie im Jahr 2017 59.020 registrierte und 96.204 nicht registrierte Flüchtlinge im Zuge des freiwilligen Rückkehrprogrammes nach Afghanistan zurückgekehrt (OCHA 7.12.2017). Die durch den UNHCR organisierten Rückführungen wurden während der Winter 2016/17 (ÖB 10.2017) und 2017/18 (OCHA 7.12.2017) ausgesetzt.

 

UNHCR-Vertreter in Pakistan bezeichneten im Oktober 2016 die Rückkehr der registrierten afghanischen Flüchtlinge allerdings als "großteils freiwillig" (VOA 16.10.2016). Die Rückkehr afghanischer Flüchtlinge in ihre Heimat sei laut UNHCR zwar für alle Beteiligten die "bevorzugte Lösung", allerdings seien die aktuellen Bedingungen in Afghanistan, v.a. die schlechte Sicherheitslage und der Mangel an Einrichtungen, für eine massenhafte Rückkehr nicht förderlich. Daher sei es sehr wichtig, einen angemessenen Zeitraum für die Repatriierung afghanischer Flüchtlinge vorzusehen, um sicherzustellen, dass es sich wirklich um eine freiwillige Rückkehr handle. Betont wurde pakistanischerseits erneut v.a. die Notwendigkeit, mehr Aufmerksamkeit auf die Anreize ("pull factors") für die freiwillige Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen zu richten (ÖB 13.3.2018). Eine Vertreterin des UNHCR Regionalbüros in Pakistan stellte klar, dass Afghanistan kein sicheres Rückkehrland sei, jedoch das Recht in das Heimatland zurückzugehen ein Menschenrecht sei und daher UNHCR nur die freiwillige Rückkehr unterstützen würde (ÖV Genf 13.4.2018).

 

Rückkehrern werden von der pakistanischen National Database and Registration Authority (NADRA) de-registriert und ihre zum Aufenthalt in Pakistan berechtigenden Proof of Registration (PoR) Cards ungültig gemacht. Zur Sicherstellung, dass kein Rückkehrer den vom UNHCR ausbezahlten Voluntary Repatriation and Reintegration Cash Grant iHv mehrmals bezieht, wird sodann ein Iris-Scan abgenommen, ehe ein Voluntary Repatriation Form (VRF) ausgestellt wird. Daraufhin wird die Weiterreise nach Afghanistan angetreten. Innerhalb von sieben Tagen nach Ausstellung der VRF wird die finanzielle Unterstützung in sogenannten Encashment Centre (EC) ausbezahlt (ÖB 30.9.2016).

 

91 % der registrierten und 87 % der nicht-registrierten rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge passierten im Jahr 2016 den Grenzübergang Torkham in die afghanische Provinz Nangarhar (OCHA 2.12.2016). Am 20.5.2017 wurde das Transit Centre der IOM für unregistrierte afghanische Rückkehrer am Grenzübergang Torkham nach Vergrößerung wiedereröffnet. Die Kapazität wurde für die Unterbringung von 30 Familien bzw. 210 Personen verdoppelt (IOM 23.5.2017). Eine große Zahl der Rückkehrer (30 % der registrierten und 80 % der unregistrierten Flüchtlinge) des Jahres 2016 verbrachten den folgenden Winter in der afghanischen Provinz Nangarhar; die Hauptstadt Jalalabad nahm ca. 200.000 von ihnen auf (Afghanistan, I.R. 1.3.2017). Doch sieht sich Nangarhar selbst mit den Problemen innerstaatlicher Flüchtlinge konfrontiert aufgrund von Gefechten zwischen Regierungstruppen - unterstützt von alliierten Streitkräften - und den Taliban bzw. des IS (IRIN 13.9.2016). Die internationale Organisation für Migration (IOM) und UNHCR warnten auch im Zusammenhang mit Binnenflüchtlingen in Afghanistan vor einer schweren humanitären Krise (IOM 9.9.2016).

 

Pakistan arbeitet an der Fertigstellung eines flexiblen Visa-Regimes für afghanische Flüchtlinge (für qualifizierte, gering qualifizierte oder nicht qualifizierte Arbeitskräfte, Geschäftsleute, Studenten/innen, Ehepartner/innen und für Personen, die aus medizinischen Gründen in PK bleiben müssen). Die Umsetzung dieses Regimes hängt jedoch von der Ausstellung afghanischer Reisepässe durch die Botschaft ab. Laut Auskunft der afghanischen Botschaft werden derzeit in Pakistan aufgrund einer weltweiten Umstellung von handgeschriebenen auf gedruckte Reisepässe keine neuen afghanischen Pässe ausgestellt (ÖB 13.3.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Pakistan ist mit ca. 207 Millionen Einwohnern (PBS 2017a) der sechst-bevölkerungsreichste Staat der Erde. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, das Durchschnittsalter der Pakistani wird mit 23,8 Jahren angenommen und der Abhängigenquotient [Bevölkerung bis 14 und ab 65 Jahre / Bevölkerung 15-64 Jahre] liegt bei 65 % (CIA 14.3.2018).

 

Pakistan verfügt über ein hohes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, bedingt durch seine günstige geographische Lage mit Brückenfunktion zwischen Zentral- und Südasien sowie zwischen China und dem Arabischen Meer, seinen Ressourcenreichtum, niedrige Lohnkosten, eine junge, wachsende Bevölkerung und eine wachsende Mittelschicht. Dieses Potenzial wird jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten die teils fragile Sicherheitslage, Korruption und die unzureichende Energieversorgung (AA 10 .2017c).

 

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u.

a. Bankwesen, Versicherungswesen, Transportwesen, der Kommunikationssektor, aber auch der überproportional große öffentliche Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig sind. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört in vielen Bereichen (unter Anderem Getreideanbau und Viehzucht) zu den weltweit größten Produzenten und verfügt über das größte zusammenhängende landwirtschaftliche Bewässerungsgebiet weltweit (AA 10 .2017c).

 

Das Wirtschafts- und Investitionsklima in Pakistan leidet unter mangelnder Investitionssicherheit, schlechter Regierungsführung und Korruption. Die Sicherheitslage hat sich über die vergangenen Jahre verbessert und auch bei der Bekämpfung der Energiekrise kann die Regierung Erfolge vorweisen (AA 10 .2017c).

 

Trotz vieler Schwierigkeiten bleibt Pakistan angesichts des erklärtermaßen großen Interesses der Regierung an einer Ausweitung der außenwirtschaftlichen Beziehungen in den Bereichen Investitionen und Handel, des hohen Investitionsbedarfs in vielen Bereichen, insbesondere Energie (inkl. Erneuerbare Energien), Landwirtschaft, Infrastruktur und Hochtechnologie, sowie im Hinblick auf die Kaufkraft einer wachsenden Mittelschicht ein interessanter Markt für ausländische Firmen (AA 10 .2017c).

 

Die Kosten der Korruption für Pakistan werden auf rund 5 bis 7 % des jährlichen BIP geschätzt. Diese Schädigungen treten in einer Vielzahl von Erscheinungen auf: Fehlen von staatlichen Einnahmen, Steuerhinterziehung, Unterschlagungen im öffentlichen Beschaffungswesen, falsche Preise bei Immobilientransaktionen im öffentlichen Sektor, Betrug, Provisionen und Kommissionen bei öffentlichen Investitionsprojekten etc. In Kombination mit Steuerhinterziehung schätzt die pakistanische Staatsbank (SBP) die daraus resultierende Kapitalflucht für die letzten drei Jahre auf etwa USD 8 Milliarden (Dawn 11.11.2016). Der Leiter der nationalen Rechenschaftsbehörde (National Accountability Bureau) Pakistans, schätzt, dass Pakistan täglich USD 133 Millionen aufgrund von Korruption verliert (Dawn 1.4.2016).

 

Pakistan steht in seiner politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten Millenniumsentwicklungsziele hat das Land bis Ende 2015 nicht erreichen können. Im Index der menschlichen Entwicklung (HDI 2014) belegt Pakistan Platz 147 von 188 Ländern und schneidet damit im regionalen Vergleich schlecht ab. Zwar wurden die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung deutlich gesteigert, doch sie sind weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Das Bildungssystem hat sich seit 2013 verbessert, insbesondere das Berufsbildungswesen. Nach wie vor brechen aber zu viele Kinder die Schule zu früh ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Jährlich streben sechs Millionen Jugendliche auf den Arbeitsmarkt. Für sie gibt es zu wenige zertifizierte Ausbildungsplätze. Viele junge Menschen haben keine Aussicht auf eine Arbeit. Eine weitere Folge des Bevölkerungswachstums ist die zu intensive Nutzung der knappen natürlichen Ressourcen, insbesondere der Agrarflächen und des Wassers (BMZ o.D.).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich gibt für das Jahr 2016 rund 60,6 % der pakistanischen Bevölkerung [im erwerbsfähigen] Alter zwischen 15 und 64 Jahren an. Ca. 68 Millionen Pakistani waren Erwerbspersonen (WKO 10.2017). Die Arbeitslosenquote wird von unterschiedlichen Quellen zwischen 6,0 und 6,2 % angegeben (WKO 10.2017, CIA 12.1.2017, Statista 2018). Lt. WKO lag im Jahr 2016 die Jugendarbeitslosigkeit (Altersgruppe 15-24 Jahre) bei 10,8 % (WKO 10.2017), CIA gibt diese für das Jahr 2014 mit 8,6 % an (8 % bei Männern, 10 % bei Frauen) (CIA 14.3.2018).

 

CIA hält fest, dass die Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 14.3.2018). Unter Nichtbetrachtung der Landwirtschaft sind 72,6 % der Beschäftigten im informellen Sektor tätig, wobei der Anteil des informellen Sektors in urbanen Gebieten (69,2 %) niedriger ist als im ländlichen Raum (76,1 %). Etwa 30 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Etwa 7,1 Millionen Arbeitskräfte in Pakistan hatten 2016 Zugang zum Sozialversicherungssystem und hunderttausende Pakistani sind in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig, insbesondere in der Landwirtschaft im Sindh und in Ziegelöfen im Punjab und in Khyber Pakhtunkhwa (HRCP 5.2017).

 

Unterstützt werden Arbeitssuchende vom Tameer-e-Pakistan Programm, einer Armutsbekämpfungsmaßnahme zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen; unter Anderem durch Unterstützung arbeitsintensiver Klein- und Mittelbetriebe (IOM 2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Soziale Wohlfahrt und staatliche Beschäftigungsförderungsprogramme

 

Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Zakat und Ushr, verwaltet die staatlich eingehobene Zakat [Anmerkung: religiöse Pflicht für Muslime, einen geregelten Anteil des Einkommens an Arme und Bedürftige abzugeben, in Pakistan wird sie staatlich eingehoben], die 2,5 % des Einkommens beträgt, und finanziert damit Projekte für Arme und Bedürftige (EASO 8.2015; vgl. BFA 7.2016). Aber auch in diesem Bereich herrscht Korruption (Murad Ullah 1.-2.10.2012). Ein durchgehendes, konsistentes Sozialsystem ist auf Regierungsebene laut IOM nicht vorhanden. Das staatliche Zakat System finanziert Pakistan Bait-ul-Mal (PBM), das dem Premierminister untersteht, sowie das "Benazir Income Project" (BAA 6 .2013). PBM ist eine autonome Behörde, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut durch die verschiedenen Maßnahmen für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft leistet und Unvermögende, Witwen, Waisen, Invaliden sowie schwache und andere bedürftige Menschen unterstützt (PBM o.D). Der Finanzminister hat 2015 das Budget von PBM von zwei Milliarden Rupien auf vier Milliarden Rupien (ca. 34.379.503 €) erhöht (Dawn 6.6.2015). Anträge müssen mit der Kopie der nationalen ID Karte beim District Officer eingereicht werden. Es gab mit Stand 2013 144 zuständige District Officers für Pakistan, 30 für die [ehem.] FATA, 40 für Gilgit Baltistan und 40 für Kaschmir. Die Zahl der Empfänger des individuellen Unterstützungsprogramms betrug 2013 ca. 50.000. Die private Wohltätigkeitsebene ist in Pakistan sehr gut ausgeprägt (BAA 6 .2013).

 

Die Finanzierungsunterstützung richtet sich an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige mit einer Fokussierung auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung für bedürftige Waisen, Stipendien für hervorragende, bedürftige Studenten für höhere Berufsausbildung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Wohlfahrt-NGOS

 

Private Einrichtungen wie die Edhi Foundation spielen eine wichtige Rolle in der sozialen Versorgung (BAA 6 .2013). Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie ist unter anderem der größte Rettungsdienstleister in Pakistan und bietet eine breite Palette an Sozialprojekten für Arme und Benachteiligte an (Gov Pak. 16.10.2015), darunter Gewährung von Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Rollstühle, Krücken und andere Dienstleistungen für Behinderte, etc. sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o. D.).

 

Der Bunyad Literacy Community Council (BLCC) ist eine NGO, die sich hauptsächlich im Bereich Bildung für junge Mädchen und Jugendliche im ruralen Raum engagiert. Bunyad bietet in 14 Bezirken in Punjab Alphabetisierung und Bildung für Randgruppen, wie Frauen und Kinder, an (UNESCO o.D.).

 

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) unterstützt bei der Selbstorganisation der Landbevölkerung. Es ist in 67 Distrikten der vier Provinzen - inklusiv Azad Jammu und Kaschmir - aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,2 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 204.000 kommunalen Gemeinschaften bilden. NRSP ist das größte ländliche Unterstützungsprogramm Pakistans, nach Angaben der Organisation nehmen Stand Jänner 2018 ca. 3,3 Millionen Personen an ihren verschiedenen Programmen teil. NRSP bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an (NRSP o.D).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Rückkehrhilfe und -projekte

 

Staatliche - oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden. Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. ERIN, sollen hier Unterstützung leisten, aber diese Projekte laufen erst langsam an (AA 20.10.2017).

 

Von 1.7.2015 bis 31.12.2016 implementierte die internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt RESTART - eine Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan, Pakistan und andere Staaten.(IOM 18.9.2017). IOM führt in seinem Länderinformationsblatt für Pakistan mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm - einer Armutsbekämpfungsmaßnahme mit Ziel Arbeitsplätze im Land und Einkommensquellen für Armutsbevölkerung zu schaffen, erhalten können (IOM 7.1.2016).

 

Das Rückkehrprogramm ERIN wird von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt. In 113 Bezirken werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird mit dem Bedarf am Arbeitsmarkt und an die jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen geboten. Es gibt verschiedene Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung ist weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert. (AA 27.3.2018). Den meisten öffentlichen medizinischen Einrichtungen fehlt es an qualifiziertem Personal, Arzneimitteln und Medizinbedarf. Die Mehrheit der Pakistani greift daher auf private Gesundheitsversorgung zurück (EASO 8.2015).

 

Für medizinische Versorgung verfügt Pakistan über 1.201 Krankenhäuser, 683 ländliche Gesundheitszentren, 5.518 medizinische Grundversorgungseinrichtungen und 731 Mutter-Kind-Gesundheitszentren (HRCP 4.2018). Für die Patientenversorgung stehen Stand 2016 184.711 Ärzte, 16.652 Zahnärzte und 118.869 Krankenhausbetten zu Verfügung (HRCP 5.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 997 Personen, ein Krankenhausbett für 1.584 Personen und einen Zahnarzt für 10.658 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 4.2018).

 

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzverwaltungen, mit Ausnahme der [ehem.] FATA, wo die Bundesregierung zuständig ist. Die Gesundheitsversorgung kann in Pakistan auf allen Ebenen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erfolgen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) die eine ambulante Grundversorgung bieten. Die Sekundärversorgung erfolgt in District Headquarter Hospitals (DHH), die eine gesamte Spanne ambulanter und stationärer Versorgung anbieten. Der tertiäre Sektor (hoch spezialisierte Versorgung) ist auf akademischer Ebene angesiedelt, die Krankenhäuser an Universitäten, Fakultäten und anderen Bildungseinrichtungen umfasst und auf welcher alle Fachrichtungen vertreten sind (EASO 8.2015). Das Gesundheitssystem besteht aus Leistungen bei Krankenhausaufenthalt (hospitalization benefit) und Leistungen bei der medizinischen Versorgung schwererer Krankheiten (optional major medical care benefit). Bei Krankenhausaufenthalten werden entstandene Kosten aufgrund von Krankheit, Unfall und Operation gedeckt. Entstandene Kosten für Krankenhausaufenthalte werden bis zu einer Jahresobergrenze für verschiedene Krankheiten gedeckt. Ausgenommen sind Schwangerschaft und Geburt. Bei der medizinischen Versorgung in Folge von schwereren Krankheiten wird die Kostenobergrenze für stationäre Patienten für alle versicherten Personen für Ausgaben, die von der jeweiligen Leistungsstruktur gedeckt werden, erweitert. Eine Notfallbehandlung für die ersten 24 Stunden ist kostenfrei. Andere Behandlungskosten sind von der jeweiligen Krankheit abhängig (IOM 7.1.2016).

 

In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten Krankheiten festgestellt werden. In staatlichen Krankenhäusern, die i. d. R. europäische Standards nicht erreichen, ist bei Bedürftigkeit die Behandlung kostenlos (AA 20.10.2017). Die beste medizinische Behandlung wird vom Militär angeboten. Für Zivilisten ist in militärischen Gesundheitseinrichtungen die Behandlung kostenpflichtig (BFA 9.2015; vgl. PAF o.D.). Da der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durchführen, tendieren die Leute dazu, private Einrichtungen aufzusuchen. Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji Zohra et al 2016).

 

Beinahe alle Krankheiten und medizinischen Probleme sind in Pakistan, laut IOM (BAA 6 .2013; vgl. BFA 9.2015) und einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spital, behandelbar und lösbar, auch in den öffentlichen (staatlichen) Spitälern. Medizinische Dienstleistungen werden jedoch nicht aktiv angeboten. In kleinen Spitälern, wie z. B. dem Rawalpindi Lepra Spital, werden keine Medikamente importiert, sondern sogar selbst produziert werden (BFA 9.2015). Darüber hinaus werden in Pakistan medizinische Geräte entwickelt, verfügbar gemacht (BFA 9.2015), hergestellt und teilweise auch exportiert. Beispielsweise produziert die Stadt Sialkot 80 % des Weltbedarfs an chirurgischen Instrumenten (Independent 19.1.2015).

 

Es gibt eine starke Diskrepanz in der medizinischen Versorgung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Insgesamt ist in städtischen Gebieten die medizinische Versorgung besser als in den ländlichen Gebieten. Auch zwischen den Provinzen bestehen starke Unterschiede BAA 6 .2013; vgl. Kurji Zohra et al 2016). In den ländlichen Gebieten des Sindh (BAA 6 .2013) oder in Punjab (BFA 9.2015) ist die Situation besser als in jenen anderer Provinzen (BAA 6 .2013). Belutschistan hat beispielsweise weniger medizinische Einrichtungen (BFA 9.2015). Ein Teil des Problems ist die Gewalt in der Grenzregion zu Afghanistan sowie die von Aufständischen ausgehende Gewalt in Belutschistan, was die ohnedies mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Regionen verschlechterte. So sieht ein leitender Gesprächspartner des UNHCR den fehlenden bzw. kaum vorhandenen Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen Gebieten Pakistans als eines seiner wichtigsten Menschenrechtsprobleme an. Besonders Frauen und Kinder sind davon betroffen (BAA 6 .2013).

 

Die Neugeborenen-, Mütter- und Kindersterblichkeit gehört in Pakistan zu einer der höchsten weltweit (BAA 6 .2013). Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen schätzte für 2015 ca. 9.700 Fälle von Müttersterblichkeit in Pakistan; die Müttersterblichkeitsrate (MMR) betrug 178 [Def. lt. WHO o.D:

Todesfälle von Frauen während der Schwangerschaft oder bis 42 Tage nach Schwangerschaftsende pro 100.000 Lebendgeburten] (WHO 11.2015; vgl. UNFPA 2017). Der pakistanische Population Council schätzt 2017 die MMR für den Punjab auf 302 und für Khyber Pakhtunkhwa auf 275. Schätzungen des Pakistan Demographic and Health Survey (PDHS) gaben für 2006 bis 2007 die MMR landesweit mit 276 an. Geburtshämorrhagie und schwangerschaftsinduzierte Hypotonie sind die beiden häufigsten Ursachen für Müttersterblichkeit in Pakistan (Daily Times 22.10.2017).

 

Laut einer Ärztin des Rawalpindi Lepra Spitals hängt die Qualität der Krankenpflege stark von der Familie bzw. dem Clan des Patienten ab. Ist die Familie aktiv bei der Unterstützung, dann ist es möglich die besten Behandlungsmöglichkeiten zu erhalten. In Pakistan ist es wichtig, aktiv zu sein, wenn es darum geht die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten, die Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten sowie die Standorte ausfindig zu machen. In Pakistan sind die durchschnittlichen Liegezeiten in Spitälern kürzer, da nicht genug Betten und Personal vorhanden sind. Die Krankenpflege in pakistanischen Spitälern ist nicht sehr umfangreich und es ist daher von hoher Wichtigkeit, dass sich die Familie um den Patienten kümmert. In solchen Fällen wird die Familie von Krankenschwestern instruiert, wie der Patient gepflegt werden soll. Der Familienzusammenhalt ist in Pakistan sehr stark ausgeprägt (BFA 9.2015).

 

Gemäß IOM ist die Qualität der Humanressourcen, insbesondere der Ärzte, hoch. Pakistan verfügt über sehr viel Expertise auf diesem Gebiet. Auch die Deutsche Botschaft schätzt die Qualität der Ärzte als hoch ein; und zwar auch in den Regierungsspitälern, wobei diese hier allerdings überlastet sind. Die medizinische Forschung, u.a. zu Humanressourcen, ist ausgeprägt und ausgesprochen produktiv. Laut Lancet gab es 2012 88 medizinische Hochschulen und Colleges im Land, an denen 2012 171.450 Absolventen abschlossen. Bezieht man die privaten Krankenhäuser mit ein, lässt sich in Pakistan nach Einschätzung der Deutschen Botschaft im regionalen Kontext eine verhältnismäßig gute Qualität der medizinischen Versorgung feststellen. Es besteht jedoch neben den regionalen Diskrepanzen meist ein starker Unterschied zwischen staatlichen und privaten Krankenhäusern (BAA 6 .2013). Die staatlichen Krankenhäuser sind oft grenzwertig, auch hier sind zwar die Ärzte gut ausgebildet, die Wartezeiten sind jedoch übermäßig lange, die hygienischen Bedingungen oft mangelhaft. Die Ausstattung in staatlichen Krankenhäusern, die Wartung des Equipments und die Kontinuität der Finanzierung bereiten oft Probleme (BAA 6 .2013; vgl. EASO 8.2015). Oft fehlen den Primärgesundheitseinrichtungen in ländlichen Gebieten die Versorgungsmittel. Viele Basisgesundheitseinrichtungen und auch Sekundärgesundheitseinrichtungen funktionieren oft nicht ausreichend, weshalb die Spezialkrankenhäuser aufgrund von Fällen, die eigentlich nur Basisversorgungsfälle sind, überlastet sind. Es gibt jedoch auch im öffentlichen Bereich Vorzeigespitäler. Zur Finanzierung der medizinischen Versorgung erhält Pakistan zusätzlich Gelder von globalen Fonds (BAA 6 .2013).

 

Einige Beispiele für Krankenhäuser in Lahore sind das King Edward Medical College, das Allama Iqbal Medical College, das Fatima Jinnah Medical College für Frauen, das Mayo Hospital, Lady Willington, das Lahore General Hospital, das Sir Ganga Ram Hospital, das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital & Research Centre, das Services Hospital und das Sheikh Zayed Hospital. Islamabad/Rawalpindi beherbergt u.a. das Pakistan Institute of Medical Sciences (PIMS), das Shifa International Hospital, das Marghala Institute of Health Sciences (MIHS), das Al-Shifa Eye Hospital, das Rawalpindi General Hospital, das Holy Family Hospital, das Army Medical College und das Rawalpindi Medical College. In Karatschi findet sich das Fazal Hospital, das Agha Khan University Hospital (AKUH), das Karatschi Adventist Hospital, das Bismillah Taqee Hospital, das Sindh Medical College und Jinnah Postgraduate Medical Centre, das Liaquat National Hospital, die Imam Clinic und das General Hospital, das Dow Medical College und das Civil Hospital Karatschi. In Gujranwala gibt es u.a. das Fazal Hospital in Jhelum, das Jinnah Memorial Hospital und in Bahawalpur das Bahawalpur Victoria Hospital (IOM 8.2014).

 

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 20.10.2017; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden. Medikamente sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 20.10.2017). Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auch gefälschte Produkte verkauft werden (AA 27.3.2018). In der Vergangenheit traten Probleme mit gestreckten Medikamenten auf. Als Reaktion darauf wurde 2012 eine Medikamentenregulierungsbehörde (Drug Regulatory Authority of Pakistan, DRAP) eingerichtet und ein entsprechendes Gesetz erlassen. Die Behörde orientiert sich an Einrichtungen in den USA und Kanada. Das Problem mit gefälschten Medikamenten könne auftreten, wenn man sie nicht bei zugelassenen oder seriösen Anbietern kauft (BAA 6 .2013). Die Apotheken der großen Privatkliniken bieten ein breites Spektrum zuverlässiger Medikamente an (AA 27.3.2018; vgl. BAA 6 .2013; BFA 9.2015). Im Laufe des Jahres 2016 wurden die Preise von zahlreichen Medikamenten stark erhöht, sodass sie für Patienten mit niedrigen und mittleren Einkommen unerschwinglich geworden sind. Der Drug Regulatory Authority of Pakistan (DRAP) und anderen Behörden wird vorgeworfen, keine Maßnahmen gegen die ungesetzlichen Preiserhöhungen ergriffen zu haben (Lancet 7.11.2016).

 

Für die Behandlung psychischer Störungen gibt es keine spezialisierten Einrichtungen; im Tertiärsektor und in der privaten Gesundheitsversorgung sind jedoch Psychiater und Psychologen tätig. Entsprechende Medikamente sind leicht erhältlich. Im öffentlichen Bereich ist die Behandlung psychischer Störungen kostenlos, die Arzneimittel ebenso. Es ist vor allem in den oberen Gesellschaftsschichten die Auffassung weit verbreitet, dass Menschen mit psychischen Störungen Schande über sich und ihre Familien bringen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es u. a. 2011 fünf psychiatrische Kliniken sowie einen Psychiater und zwei Psychologen auf 10.000 Menschen (EASO 8.2015; vgl. Lancet 2.2017: 1 Psychiater auf 400.000 Menschen).

 

In Pakistans zunehmend kommerzialisiertem Gesundheitswesen hat die Zahl privater Krankenhäuser, Kliniken, Diagnoselabors und moderner Apotheken stark zugenommen. Aufgrund dieser Kommerzialisierung stehen Gesundheitsdienste für Arme immer weniger zur Verfügung (EASO 8.2015). 70 % der Bevölkerung müssen Behandlungen selbst bezahlen, da es kein durchgehendes Krankenversicherungssystem gibt. Es gibt Versicherungen auf staatlicher Organisationsbasis, z.B. für das Militär oder die Fluggesellschaft PIA. Es gibt auch private Krankenversicherungen, die relativ günstig sind, dennoch können sich diese nur wenige leisten bzw. ist der Vorsorgegedanke kaum vorhanden. Angestellte bei größeren Firmen erhalten meist eine private Versicherung über die Firma. In einigen sozialen Bereichen haben NGOs eigene Systeme (BAA 6 .2013).

 

Die staatlichen Krankenhäuser müssen die arme Bevölkerung gratis behandeln, für Bedürftige ist somit die medizinische Versorgung kostenfrei (BAA 6 .2013; vgl. AA 20.10.2017). Für über das Notwendigste hinausgehende Behandlungen halten sich die Krankenhäuser nicht immer an die Vorgabe der kostenlosen Behandlung, meint der stellvertretende Leiter der staatlichen Sozialbehörde Bait-ul-Mal (BAA 6 .2013). Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies nicht auf schwierige Operationen (z. B. Organtransplantationen) zu (AA 20.10.2017). Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung bleibt vor allem für arme und Frauen aus ländlichen Regionen begrenzt (USDOS 3.3.2017).

 

Zusätzlich gibt es ein staatliches Wohlfahrts-Programm, das von Pakistan Bait-ul-Mal administriert wird. Es bietet eine medizinisch-finanzielle Hilfestellung für Bedürftige, bei der die Behandlung dem staatlichen Krankenhaus mit der Bestätigung für die Behandlungskosten vorab bezahlt wird. Für bedürftige Menschen wird somit die medizinische Versorgung durch die Krankenhäuser selbst, durch Bait-ul-Mal und verschiedene Programme der Provinzregierung übernommen, womit, in der Einschätzung des Gesprächspartners, grundsätzlich die Fälle ohne andere Möglichkeiten abgedeckt sind. In erster Linie wird allerdings die Finanzierung in Notlagen durch die Familie aufgebracht. Auf der anderen Seite wurzelt im Zakat auch eine Tradition der Wohltätigkeitsprogramme und Spendenbereitschaft, es gibt wichtige Wohltätigkeitseinrichtungen im medizinischen Bereich (BAA 6 .2013). Es gibt viele NGOs und staatliche Stellen, die medizinische Dienstleistungen im Rahmen verschiedener Projekte bereitstellen. Solche Angebote umfassen folgende Aktivitäten:

psychosoziale Unterstützung, medizinische Notversorgung, Familienplanung, kostenlose Apotheken, Mobile Krankenlager, Notunterkünfte, Krankentransport (auch Luftrettung), Blutbanken (IOM 8.2014).

 

Einige Organisationen wie das Shaukat Khanum Memorial Cancer Hospital and Research Centre in Lahore bemühen sich für einige wenige Patienten um eine Behandlung unabhängig von deren finanzieller Mittel. Das Bait-ul-Sukoon Cancer Hospital and Hospice in Karatschi bietet sehr armen Patienten Krebsbehandlung an (EASO 8.2015; vgl. BAA 6 .2013). Auch die Aga Khan Stiftung leistet sehr viel auf dem medizinischen Gebiet. Es gibt ein großes Aga Khan University Hospital in Karatschi mit einem Labornetzwerk, das eine sehr gute medizinische Versorgung bietet, in dem Vermögende zahlen müssen und Arme gratis behandelt werden. Die Stiftung hat auch medizinische Einrichtungen in anderen Städten Pakistans (BAA 6 .2013).

 

Pakistan ist [neben Afghanistan] eines der verbleibenden zwei Länder weltweit, in denen Polio [Anm.: Poliomyelitis, (spinale) Kinderlähmung, Heine-Medin-Krankheit] endemisch ist, allen voran im Khyber- XXXX -Korridor, Karatschi, Quetta und im nördlichen Sindh. Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen für Impfpersonal während der Impfkampagnen führte landesweit zu einer Reduktion der Poliofälle (SHCC 5.2017). 2017 wurden landesweit acht Fälle von Polio-Infektionen gemeldet, das ist ein Rückgang von 98 % seit 2014, als über 300 gemeldet wurden. Die Impfakzeptanz ist auf 95 % gestiegen (HRCP 4.2018). Dennoch kam es zu gezielten Angriffen unterschiedlichen Ausmaßes auf Impfpersonal, typischerweise im Zuge von Impfaktionen, in Gebieten mit endemischen Polioinfektionen, durchgeführt vorwiegend von aufständischen Gruppen wie den Taliban (SHCC 5.2017).

 

Am 18.1.2018 wurden in Quetta zwei Frauen, die Polio-Impfungen durchführten, von unbekannten Tätern erschossen (Reuters 18.1.2018) und am 18.3.2018 wurden in den [ehem.] FATA zwei Männer, die Polio-Impfungen durchführten, von unbekannten Tätern erschossen (CNN 18.3.2018). Im Jahr 2017 gab es drei Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen bzw. Polio-Impfpersonal mit zwei Todesopfern (PIPS 1.2018), für das Jahr 2016 wurden zehn Angriffe auf Einrichtungen oder Personal für Polio-Impfungen registriert (SHCC 5.2017).

 

Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunhkwa erließ eine Verordnung zur Ausstellung von Haftbefehlen für Eltern und Erziehungsberechtigte, die sich einer Immunisierung ihrer Kinder widersetzten (Dawn 24.11.2016). Über 1000 Eltern wurden im Jahr 2016 von der Polizei verhaftet und erst freigelassen, nachdem sie einer Impfung ihrer Kinder eingewilligt hatten. Da es Proteste aus der Bevölkerung gab und Impfpersonal in Gegenden, wo es Verhaftungen gab, einem größeren Risiko ausgesetzt waren, werden [Stand 4.2017] keine Verhaftungen mehr durchgeführt. Stattdessen sollen die Union Council Level Kommittees, bestehend aus Geistlichen, gewählten Vertretern und Mitgliedern der Bezirksverwaltung, die Menschen überzeugen, ihre Kinder impfen zu lassen (Dawn 30.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen, auch für zurückkehrende, alleinstehende Frauen und unbegleitete Minderjährige, sind in Pakistan nicht vorhanden (AA 20.10.2017).

 

Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979), namentlich, wenn sie über keinen "letter of appointment of a work permit from a foreign employer or an employment visa or an emigration visa from foreign Government" verfügen (Art. 8 Abs. 2 leg. cit.) oder auch gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt (außer es besteht ein Zusammenhang mit Menschenhandel). Abgesehen von der geschilderten Rechtslage sind vereinzelte Fälle bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden; entsprechende Vorfälle sind an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt (ÖB 10.2017).

 

Zurückgeführte Personen haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Aus Ländern wie der Türkei, Großbritannien und aus der gesamten EU werden regelmäßig Abschiebungen nach Pakistan durchgeführt. Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten so genannten "emergency passport" möglich, nicht aber mit deutschen oder europäischen Passersatzdokumenten (AA 20.10.2017).

 

Der österreichischen Botschaft Islamabad, die zur Überwachung/Abwicklung der Ankunft von Rückkehrer/innen mittels FRONTEX-Flügen am Flughafen Islamabad regelmäßig einen Vertreter abstellt, sind bisher keine Probleme i.G. bekannt. Es wurde allerdings beobachtet, dass Rückkehrer/innen nach der Einreise nach Iqbal Town in Rawalpindi zu einer sog. "Anti-Human Trafficking Cell" gebracht werden, um dort zu ihrer Ausreise befragt zu werden, um relevante Informationen hinsichtlich Schlepperei und Schleppernetzwerken zu erfragen (ÖB 10.2017).

 

UNOCHA arbeitet - neben anderen UN-Agenturen/-Programmen wie UNHCR - in Bezug auf IDPs eng mit internationalen sowie nationalen NGOs zusammen, wobei das Pakistan Humanitarian Forum, welches 60 NGOs vereint, und das aus mehr als 180 nationalen NGOs bestehende National Humanitarian Network als "Dachorganisationen" dienen. Zu den Partner-NGOs von UNOCHA zählen etwa die folgenden: ACTED; Action Against Hunger (ACF); Asia Humanitarian Organization (AHO); Centre of Excellence for Rural Development (CERD); Community Research & Development Organization (CRDO); Creative Approaches for Development (CAD); Ehsar Foundation; Foundation For Rural Development (FRD); Frontier Primary Health Care(FPHC); Hayat Foundation; Health & Rural Development Services Foundation (HRDS); Help In Need (HIN); Human Development Organization Doaba (HDOD); Initiative for Development and Empowerment Axis (IDEA); Initiative Organization for Rural Development (IORD); International Rescue Committee (IRC); Lawari Humanitarian Organization (LHO); Médecins du Monde (MdM); Muslim Aid; Muslim Hands; Pakistan Village Development Program (PVDP);

Poverty Alliance W Welfare Trust (PAWT); PREPARED; Punjab Rural Support Programme (PRSP); Sarhad Rural Support Programme (SRSP);

Society for Human and Institutional Development (SHID) (ÖB 10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

Dokumente

 

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierung. So sollen über 96 % der Bürgerinnen und Bürger biometrische Personalausweise - einschließlich der Smart Nationalidentität - Karte (SNIC) - besitzen. Solche Ausweise sind erforderlich, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Diese reichen von der Eröffnung eines Bankkontos bis zur Ausstellung eines Reisepasses (PI 7.2016).

 

Die nationale Datenbank- und Registrierungsbehörde (NADRA) ist für die Ausstellung der Ausweispapiere (National Identity Card, Pakistan Origin Card - PIC, National Identity Card for Overseas Pakistanis - NICOP und Children Registration Certificates) verantwortlich. Zuständigen Swift Centres sind in den meisten Städten zu finden. Die Pakistan Origin Card (POC) können ausländische Staatsbürger erhalten, die früher pakistanische Staatsangehörige waren und/oder deren Eltern oder Großeltern pakistanische Staatsbürger sind oder waren. National Identity Card for Overseas Pakistanis - (NICOP) werden durch die NADRA-Behörde an Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit Doppelstaatsbürgerschaft vergeben, wenn sie bei einer NADRA-Behörde gemeldet sind. Children Registration Certificate werden durch die NADRA-Behörde für jedes Kind unter 18 Jahren ausgestellt (NADRA o.D.).

 

Die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten antragsbegründenden Unterlagen ist hoch. Die zum Nachweis eines Verfolgungsschicksals vorgelegten Strafanzeigen, Haftbefehle, Gerichtsurteile und die Rechtsanwaltsschreiben erweisen sich häufig als gefälscht oder inhaltlich unrichtig. Die Ausführungen und Erklärungen zu einer geltend gemachten Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen halten einer Nachforschung vor Ort häufig nicht stand. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein‑)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z. B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 20.10.2017).

 

Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z. B. das Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche Urkunden zu erhalten, deren Inhalt nur teilweise der tatsächlichen Faktenlage entspricht. Merkmale auf einigen modernen Personenstandsurkunden zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können so mühelos unterlaufen werden. Die Passbehörden haben mit dem Aufbau eines zentralen Passregisters unter Erfassung einzelner Biometriemerkmale und der Einführung fälschungssicherer Reisepässe die Fälschung von Pässen theoretisch deutlich erschwert. Die eingebauten Sicherheitssysteme versagen allerdings, da sie bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte unterlaufen werden können. Im Übrigen zirkulieren aufgrund der Urkundenproblematik (vgl. oben) zahlreiche echte Identitätsdokumente falschen Inhalts (AA 20.10.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage gerät und von staatlichen Stellen oder seitens Privatpersonen einer Verfolgung ausgesetzt ist und er seine Heimat aufgrund solcher Verfolgung bzw. Bedrohung verlassen hat.

 

2. Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage sowie dem Beschwerdeschreiben des BF fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

Im gegenständlichen Fall ist anzuführen, dass die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführte und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenfasste. Die Erstbehörde hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt.

 

II.2.2. Die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

 

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

 

Anzuführen ist, dass der BF im Zuge seiner Asylantragstellung und Erstbefragung angab, er sei am XXXX geboren. Das BFA hat schlüssig darauf hingewiesen, dass diese Angaben offenbar der Wahrheit entsprechen. Wenn der BF eine Geburtsregistrierung in Kopie vorlegte, wonach der BF am XXXX geboren sei, ist dem BFA zu folgen, dass der BF diese nicht unverzüglich der Behörde, sondern vielmehr dem zuständigen Pflegschaftsgericht vorlegte, ohne dass dieses offenbar wusste, dass der BF im Asylverfahren ein anderes Geburtsdatum angeführt hat. Auffällig und kaum erklärbar ist, dass im Obsorgebeschluss angeführt wird, dass der BF die afghanische Staatsbürgerschaft innehat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und des Ergebnisses eines Sachverständigen, der zusammengefasst zum Ergebnis kam, dass eine Minderjährigkeit des BF zum Zeitpunkt der Asylantragstellung nicht mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden kann und das Geburtsdatum XXXX mit dem Ermittlungsergebnis vereinbar ist, hat das BFA nachvollziehbar erläutert, dass von der Richtigkeit der Angaben des BF im Zuge seiner Asylantragstellung auszugehen ist. Das BFA hat zudem zutreffend bemerkt, dass der BF zum Zeitpunkt seiner Antragstellung bzw. als er Pakistan verließ, minderjährig war. Der BF hat bis dato keine echten authentischen Dokumente in Bezug auf seine Identität vorgelegt.

 

Wenn im Zuge des Beschwerdeschreibens zusammengefasst angeführt wird, dass dem BF das Verhalten seiner gesetzlichen Vertretung im Asylverfahren nicht angelastet werden kann, kann dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werden. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 18.10.2017, Zl. 2016/19/0351) fallen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 erster Satz BFA-VG erst weg, wenn mittels pflegschaftsgerichtlichem Beschluss eine geeignete Person oder - wenn eine solche geeignete Person nicht zu finden ist - der Jugendwohlfahrtsträger (§ 209 ABGB) mit der Obsorge betraut ist, weil nunmehr keine Vertretungsvakanz mehr vorliegt und der nun betraute Obsorgeberechtigte als gesetzlicher Vertreter die Interessen des Minderjährigen wahrnehmen kann. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig mit XXXX , wurde die Obsorge bezüglich des BF an XXXX XXXX , übertragen. Das Verfahren des BF wurde mit XXXX zugelassen und wurde der BF am XXXX einer Betreuungsstelle zugewiesen. Folglich war zum Zeitpunkt, als der BF eine Kopie einer Geburtsregistrierung erlangte, nach § 10 Abs. 3 BFA-VG der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde, gesetzlicher Vertreter im Verfahren. Der gesetzliche Vertreter handelt somit für die und im Namen der Partei mit der Wirkung, als würde sie selbst den Verfahrensakt setzen oder entgegennehmen. Wenn weiters angeführt wird, der BF sei zum Zeitpunkt seiner Einreise und Asylantragstellung sehr erschöpft und müde gewesen, erklärt dies nicht, warum er ein falsches Geburtsjahr angeführt hat.

 

Bezüglich der Staatsangehörigkeit ist - in Überstimmung mit der belangte Behörde - zu berücksichtigen, dass der BF zweifelsfrei pakistanischer Staatsangehöriger ist. So weist der BF umfassendes örtliche Kenntnisse sowie Sprachkenntnisse auf, die darauf schließen, dass der BF aus Pakistan stammt. Zudem hat der BF im Asylverfahren stehts behauptete pakistanischer Staatsbürger zu sein.

 

Die Angaben des BF zu seinen persönlichen, wirtschaftlichen Verhältnissen in seinem Heimatland sowie seiner Religionszugehörigkeit ergeben sich aus den schlüssigen und im Verfahren stets gleichbleibenden Ausführungen. Sofern die Volksgruppenzugehörigkeit des BF zu berücksichtigen ist, ist dem BFA zu folgen, dass eine diesbezügliche Feststellung nicht möglich war. Der BF legte im Zuge seiner Erstbefragung dar, dass er dem XXXX XXXX angehören würde. In der Einvernahme vor dem BFA am 03.04.2017 erörterte der BF, dass er nicht wüsste, welcher Volksgruppe er angehöre. Er würde vermuten, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. In der Einvernahme am 19.02.2018 führte der BF dann aus, er würde der Volksgruppe der XXXX anzugehören. XXXX sei eine Untergruppe der Paschtunen. Da der BF selbst schilderte, er wisse nicht, welcher Volksgruppe er angehöre, ist eine diesbezügliche Feststellung daher nicht möglich.

 

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF, konkret, dass der BF an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Der BF gab vor dem BFA stets an, dass er gesund sei. Dass der BF in der Lage ist einer Arbeit nachzugehen und somit auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Der BF legte dar, dass er in Pakistan die Schule besuchte. Dass der BF im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat seinen Unterhalt durch berufliche Tätigkeiten, wenn auch anfänglich durch Gelegenheitsjobs, nicht bestreiten kann, dafür gibt es keine Hinweise.

 

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

 

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse - der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

 

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die schwierige Sicherheitslage in Pakistan und dass das zentrale Problem für die innere Sicherheit Pakistans die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10 .2017a). Die Regierung ergreift zum Schutz der Bevölkerung bzw. zur Bekämpfung dieser Gruppen zahlreiche Maßnahmen. 2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch. Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi (USDOS 7.2017). Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt (PIPS 3.1.2016). Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung", Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017). Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren (USDOS 7.2017).

 

Auf Grundlage dieser Länderberichte kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in ganz Pakistan gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Pakistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist.

 

In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass es keine Hinweise gibt, dass die pakistanischen Behörden grundsätzlich nicht fähig und nicht willens seien, Schutz vor strafrechtswidrigen bzw. terroristischen Übergriffen und Bedrohungen gegen Privatpersonen zu gewähren. Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort (AA 20.10.2017). Es ist aber ebenso darauf hinzuweisen, dass aus der Berichtlage ableitbar ist, dass eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 10 .2017a) erfolgte. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2015 wurden in der Provinz Punjab knapp 700 (ÖB 10.2016; vgl. TET 21.1.2015) und in der Provinz Sindh ca. 360 neue Richter eingestellt (TET 31.8.2015). Das Vereinigte Königreich arbeitet mit der pakistanischen Polizei, Staatsanwälten und Justizbehörde zusammen, um deren Fähigkeiten bei Ermittlungen, Verfolgung und Verurteilungen von Terrorverdächtigen zu stärken sowie Menschenrechtsstandards und Rechtstaatlichkeit zu verbessern (FCO 12.3.2015). Im Jahr 2016 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge für Polizeibeamte durchgeführt, bei denen 206 Polizeibeamte von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) in Rawalpindi, Lahore, Mianwali, Karatschi, XXXX , Haripur und Buner ausgebildet wurden. (SHARP 2016). Auch im Jahr 2017 gab es mehrere solcher Lehrgänge, u. A. in Lahore und Bhakkar (SHARP 28.11.2017). SHARP-Pakistan pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der FIA, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge nicht illegal inhaftiert werden und sie auch keiner unangemessenen Behandlung ausgesetzt werden. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den "Bezirks-Nazims" [Bezirksleiter], Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).

 

Ebenso kann auf Grundlage der vom BFA herangezogenen Länderberichten die Deckung der Grundbedürfnisse und eine medizinische (Grund‑)Versorgung als gewährleistet angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass in Pakistan eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, es geht jedoch aus den Länderfeststellungen nicht hervor, dass die individuelle Versorgungslage für alle Personen - ohne Hinzutreten von besonderen Umständen - gefährdet wäre.

 

Angesicht der in der Beschwerde auszugsweise zitierten Berichte zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der pakistanischen Sicherheitsbehörden ist weiters anzumerken, dass bei einem Land wie Pakistan mit einer sehr hohen Berichtsdichte, in dem praktisch ständig neue Erkenntnisquellen entstehen, es de facto unmöglich ist, sämtliches existierendes Berichtsmaterial zu berücksichtigen, weshalb die belangte Behörde bzw. das ho. Gericht ihrer Obliegenheit zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan nachkommt, wenn sie bzw. es sich zur Entscheidungsfindung eines repräsentativen Querschnitts des bestehenden Quellenmaterials bedient. Abgesehen davon zeichnen die zitierten Quellen kein wesentlich anderes Bild, als jene, welche der Entscheidung zugrunde gelegt wurden.

 

II.2.4. In Bezug auf den festgestellten Sachverhalt zu den Fluchtgründen ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig ist.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der VwGH führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern.

 

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass das Vorbringen des BF in seiner Gesamtheit betrachtet insgesamt nicht als asylrelevant zu bewerten ist.

 

II.2.4.1. Der BF brachte vor dem BFA unter anderem vor, er habe seine Heimat aufgrund der Suche nach einer besseren Zukunft verlassen. Dieser Sachvortrag wird - wie die belangte Behörde darlegte - aufgrund der Schlüssigkeit der Angaben des BF der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.

 

Dem BFA ist zuzustimmen, wenn es darlegt, dass aus den Umständen, dass der Bruder des BF Opfer eines Terrorangriffes in seiner Schule wurde bzw. ein Anschlag in der Nähe des Wohnhauses des BF erfolgte, keine individuelle Verfolgung oder Bedrohung des BF ableitbar ist bzw. nicht davon auszugehen ist, dass im Falle des BF der pakistanische Staat unwillig und unfähig ist, Schutz zu gewähren. Die belangte Behörde hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der BF eine öffentliche Schule besuchte, sein Bruder hingegen eine Schule der Armee. Anhand der Berichtslage ist zweifelsfrei erkennbar, dass Anschlagsziele terroristischer Gruppierungen insbesondere Militärstützpunkte und Kasernen sind und das Militär in Pakistan im Allgemeinen von Übergriffen seitens terroristischer Gruppierungen betroffen ist. Der pakistanische Staat ergreift und ergriff zudem umfassende Maßnahmen um die Bevölkerung vor derartigen Anschlägen zu schützen. Im Jänner 2015 hat, als Reaktion auf das Schulmassaker der Taliban in XXXX , bspw.das Parlament die Strafverfolgung von Zivilisten vor Militärgerichten bei Anklagen wie Terrorismus und religiös-sektiererischer Gewalt genehmigt0 (USDOS 20.4.2018). Im Februar 2015 berichtete Dawn, dass diese Gerichte auch über 6000 zivile Häftlinge, die seit 2009 in Militäroperationen gefangen genommen wurden, Recht sprechen können (USDOS 13.4.2016). Die Sicherheitslage verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017 fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP) zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0361). Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. dazu VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0137, mit Hinweisen auf Rechtsprechung des EGMR und EuGH). Das Vorliegen derartiger Umstände vermag der BF im gegenständlichen Fall nicht zu erfüllen bzw. darzulegen.

 

In Anbetracht der oa. Erwägungen geht das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit dem BFA daher davon aus, dass der BF keiner unmittelbaren, konkreten und individuellen asylrelevanten Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt war. Dem BF ist es entgegen der Ausführungen in der Beschwerde nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

II.2.5. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Den Ausführungen in der Beschwerde, wonach das BFA seinen Ermittlungspflichten nicht in einem ausreichenden Maß nachgekommen sei, kann nicht gefolgt werden. Es muss festhalten werden, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichts die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat.

 

Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass die Protokolle der Einvernahmen vor dem BFA den Eindruck vermittelt, dass die zuständige Organwalterin den BF ausführlich und objektiv zu seinem behaupteten Herkunftsstaat und seinem Fluchtvorbringen befragt und den BF mit entscheidungswesentlichen Fragen konfrontiert hat. Bei Betrachtung der gegenständlichen Niederschrift kann der Vorwurf einer mangelhaften Befragung daher nicht nachvollzogen werden. Die Asylbehörde hat die materielle Wahrheit von Amts wegen zu erforschen. Hierbei kann oftmals nur auf eine genaue Befragung des Asylwerbers zurückgegriffen werden.

 

Zu bedenken ist, dass in einem Großteil der Asylverfahren die mündliche Aussage eines Asylwerbers, das einzige unmittelbare Beweismittel darstellt, um das zentrale Element des Fluchtvorbringens zu erforschen. Nicht auf ein Unterbleiben von Ermittlungsschritten kann sich der BF dann berufen, wenn der maßgebende Sachverhalt von Amts wegen vollständig ermittelt und festgestellt wurde. Im konkreten Fall konnte der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch die Angaben des BF erhoben werden.

 

Soweit in der Beschwerde erwähnt wird, dass der BF in Österreich weder die Moschee besucht noch Ramadan begeht und dadurch bei seiner Rückkehr neben staatlicher Verfolgung auch Verfolgung durch radikale Islamisten befürchtet bzw. eine Verfolgung durch seinen ehemaligen Chef befürchtet, da der BF gekündigt habe, handelt es sich hierbei um ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Der BF hat im Verfahren vor dem BFA ein derart erstattetes Vorbringen nicht ansatzweise angeführt. Vielmehr führte der BF in seiner ergänzenden Einvernahme am 19.02.2018 an, er habe bereits in der am 03.04.2017 durchgeführten Befragung alles gesagt. Es würde nichts mehr zu ergänzen geben.

 

Das gegenständliche Verfahren hat keinen hinreichenden Anhaltspunkt für das Vorliegen eines der in § 20 Abs. 1 BFA-VG normierten Ausnahmetatbestände hervorgebracht und wurden solche auch in der Beschwerdeschrift nicht dargetan. Dem Beschwerdeschriftsatz mangelt es an jedweder Begründung für dieses neue Fluchtvorbringen. Eine Mangelhaftigkeit des verwaltungsbehördlichen Verfahrens, die ursächlich dafür ist, dass er dies nicht schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren hätte darlegen können, ist nicht ersichtlich. Der BF hat einen Ausnahmetatbestand auch in seiner Beschwerde nicht aufgezeigt. Es ist somit nicht nachvollziehbar, weshalb der BF dies nicht schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren hätte vorbringen können, wenn es den Tatsachen entsprechen würde, zumal er dazu in den Einvernahmen vor dem BFA ausreichend Gelegenheit hatte. Auf das in der Beschwerde erstmals neu vorgebrachte Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung des BF aufgrund religiöser Gesinnung und wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der zu Unrecht angezeigten Personen und gerichtlich verfolgten Personen brauchte daher nicht näher eingegangen werden.

 

II.2.6. Die Angaben des BF bezüglich seiner familiären und wirtschaftlichen Lage wurden von der belangten Behörde aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben als wahr und somit der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

 

II.2.7. Der Sachvortrag des BF bezüglich seiner privaten und familiären Interessen in Österreich wird als den Tatsachen entsprechend angesehen, da diese Ausführungen einerseits mit den amtlich zur Verfügung stehenden Informationen, wie Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) im Einklang stehen und zudem keine Zweifel an den Angaben des BF aufkamen.

 

Das BFA hat zudem eine ausführliche Befragung bzw. Ermittlungen bezüglich der privaten und familiären Verhältnisse des BF in Österreich durchgeführt, im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung Feststellungen dazu getroffen und eine Gegenüberstellung der vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung vorgenommen. Das BFA kam nachvollziehbar zum Ergebnis, dass es zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes gekommen ist.

 

II.2.8. Der BF beantragte in seiner Beschwerdeschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - persönlichen Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

 

II.2.9. Dem BF ist es mit dessen Beschwerde weder gelungen eine wesentliche Unschlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, noch ist er dieser im Rahmen der Anfechtungsbegründung, soweit diese infolge partiell unzulässiger Neuerung überhaupt zu berücksichtigen ist, in substantiierter Form entgegengetreten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Zu A)

 

II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

II.3.2.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

 

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

(2) [...]

 

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

 

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

 

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

[...]"

 

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag des BF inhaltlich zu prüfen ist.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

II.3.2.2. Hinsichtlich des Bestehens des Willens und der Fähigkeit des Staates, Schutz zu gewähren wird Folgendes erwogen:

 

Unter richtlinienkonformer Interpretation (Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004) kann eine Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden von nichtstaatlichen Akteuren (nur) dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten (das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation der entsprechenden asylrechtlichen Bestimmungen entspricht auch dem Gesetzgeber (vgl. Wortlaut der RV zum AsylG 2005: "...Mit dem

vorgeschlagenen Entwurf werden folgende Richtlinien umgesetzt ... :

Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 304 vom 30.09.2004 S. 12, CELEX Nr. 32004L0083 ; ...".

 

Nach der Rsp des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache als "erwiesen" (vgl § 45 Abs 2 AVG) allerdings keine "absolute Sicherheit" (kein Nachweis "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich (VwGH 20.9.1990, 86/07/0091; 26.4.1995, 94/07/0033; 20.12.1996, 93/02/0177), sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht 2004, 168f: an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033; 19.11.2003, 2000/04/0175; vgl auch VwSlg 6557 F/1990; VwGH 24.3.1994, 92/16/0142; 17.2.1999, 97/14/0059; in Hengstschläger-Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, 2. Teilband, Rz 2 zu § 45).

 

In Bezug auf diese Umstände - nämlich, dass der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "nicht in der Lage" oder "nicht willens" sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art 7 leg cit zu bieten - besteht für den Berufungswerber somit ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde. Die (bloße) Glaubhaftmachung ist gem. Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.April 2004 demnach als Beweismaß dafür nicht ausreichend. Es muss "erwiesen" werden. Gelingt dies nicht, ist davon auszugehen, dass sie dazu sowohl in der Lage als auch willens sind, wenn der Staat oder die Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat. Diesfalls gilt gem. Art 7 Abs 2 leg cit, dass "generell Schutz gewährleistet ist".

 

Im gegenständlichen Fall hat der BF weder (glaubwürdig) behauptet noch bescheinigt, dass Übergriffe von Privatpersonen auf ihn persönlich stattgefunden hätten oder derartige Übergriffe nicht pönalisiert wären bzw. die Polizei oder auch andere für den Rechtsschutz eingerichtete Institutionen grds. nicht einschreiten würden. Darauf weisen auch die den Feststellungen der belangten Behörde bzw. des erkennenden Gerichts zu Grunde liegenden Quellen nicht hin, wenngleich die Berichte zu erkennen geben, dass durchaus auch noch erhebliche Defizite bestehen, ergibt sich weiters aus den von der belangten Behörde bzw. vom erkennenden Gericht herangezogenen Quellen, dass im Herkunftsstaat des BF kein genereller Unwille bzw. die Unfähigkeit der Behörden herrscht, Schutz zu gewähren.

 

Der BF bescheinigte im Rahmen seiner Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht konkret und substantiiert den Unwillen und die Unfähigkeit des Staates, gerade in seinem Fall Schutz zu gewähren. Es kann dem Vorbringen auch nicht entnommen werden, dass er keinen Zugang zu den Schutzmechanismen hätte, bzw. dass gerade in seinem Fall ein qualifizierter Sachverhalt vorliege, der es als "erwiesen" erschein lässt, dass die im Herkunftssaat vorhandenen Behörden gerade im Fall des BF untätig blieben. Im Verfahren kam auch nicht konkret hervor, dass der Staat selbst der Verfolger wäre.

 

Im Ergebnis hat der BF letztlich im Verfahren kein derartiges Vorbringen konkret und substantiiert erstattet, welches hinreichende Zweifel am Vorhandensein oder an der Effektivität der Schutzmechanismen - dies wurde unbescheinigt und unsubstantiiert nicht glaubhaft gemacht (vgl. EGMR, Fall H.L.R. gegen Frankreich) noch kann dies als erweislich angesehen werden - verursacht hätte.

 

II.3.2.3. Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

Im gegenständlichen Fall sind die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Der BF vermochte eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft zu machen.

 

II.3.2.4. Der BF hat seinen Herkunftsstaat letztlich aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen. Diese Gründe stellen jedoch keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Es war daher im Hinblick auf die ausschließlich persönlichen und wirtschaftlichen Beweggründe des BF, den Herkunftsstaat zu verlassen, der Schluss zu ziehen, dass die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nur aus dem Grund erfolgte, sich nach erfolgter Einreise unter Umgehung der den Aufenthalt regelnden Vorschriften den weiteren Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

 

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

 

II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

 

II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

 

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

 

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

 

2. [...],

 

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

[...]"

 

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahingehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränkt.

 

Art. 2 EMRK lautet:

 

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

 

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

 

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

 

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

 

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

 

Während durch das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

 

Art. 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

 

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

 

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

 

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

 

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

 

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Falle ihrer Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

 

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gemäß der Judikatur des EGMR muss ein BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

 

Der VwGH geht davon aus, dass der BF vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

 

II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

 

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Da sich der Herkunftsstaat des BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

 

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in wesentlichen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen zu sein.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, arbeitsfähigen Mann, welcher über eine Schulausbildung verfügt. Eine Arbeitsunfähigkeit konnte - wie oben näher dargelegt - nicht festgestellt werden. Es steht dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das - wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige - Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

 

Zudem stammt der BF einerseits aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf seine individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und der BF könnte daher Unterstützung durch seine Familie erwarten. Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse - etwa eine lebensbedrohende Erkrankung - können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

 

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine allfällige, Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

 

II.3.4. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

II.3.4.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der gegenständliche, nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte, Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

 

Der Aufenthalt des BF ist nicht geduldet. Der BF ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im obigen Sinn.

 

Es liegen folglich keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

 

II.3.4.2. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Gemäß § 52 Abs 3 FPG ist unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

 

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen. Die Erlassung der Entscheidung ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 9 Abs 3 AsylG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

 

II.3.4.2.1. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie hier der Rückkehrentscheidung, kann folglich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

 

Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

 

Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig.

 

Artikel 8 EMRK schützt das Privatleben umfassend und sichert dem Einzelnen einen Bereich,

 

innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten kann.

 

II.3.4.3. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF war im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als XXXX (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom XXXX bis XXXX für eine Ganztagesbeschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von €

700,-- brutto. Der BF hat die Lehre als XXXX abgebrochen. Der BF ist im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom XXXX bis XXXX . Der BF hat Deutschkurse besucht und hat diesbezügliche Prüfungen auf A1 Niveau mit "gut bestanden", auf A2 Niveau ebenfalls mit "gut bestanden" absolviert. Der BF hat einen Lehrgang an der BHMS für Jugendliche ohne Kenntnis der Unterrichtssprache Deutsch mit der Fachpraxis kaufmännische Praktikum absolviert. Der BF hat in den Monaten XXXX beim XXXX XXXX Reinigungsarbeiten und Gartenarbeiten durchgeführt. Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF ist unbescholten.

 

II.3.4.4. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

 

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

 

II.3.4.5. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

 

Der BF verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich und wurden diesbezüglich auch keine anderen Ausführungen in der Beschwerde getroffen.

 

Da somit im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen ist, bleibt zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung ein Eingriff in dessen Privatleben einhergeht.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH). Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Der BF ist illegal im August 2015 nach Österreich eingereist und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat. Das Gewicht eines zwischenzeitig entstandenen Familien- und Privatlebens wird somit schon dadurch gemindert, dass sich der BF nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung der Asylverfahren in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Familien - bzw. Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

 

Der BF war im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als XXXX (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom XXXX bis XXXX für eine Ganztagesbeschäftigung mit einem monatlichen Entgelt von € 700,-- brutto. Der BF hat die Lehre als XXXX abgebrochen. Der BF ist im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom XXXX bis XXXX . Der BF hat Deutschkurse besucht und hat diesbezügliche Prüfungen auf A1 Niveau mit "gut bestanden", auf A2 Niveau ebenfalls mit "gut bestanden" absolviert. Der BF hat einen Lehrgang an der BHMS für Jugendliche ohne Kenntnis der Unterrichtssprache Deutsch mit der Fachpraxis kaufmännische Praktikum absolviert. Der BF hat in den Monaten XXXX beim XXXX XXXX Reinigungsarbeiten und Gartenarbeiten durchgeführt. Der BF hat Freunde in Österreich. Der BF ist unbescholten.

 

Zugunsten des BF ist zu berücksichtigen, dass dieser während seines Aufenthalts in Österreich bemüht war die deutsche Sprache zu erlernen. Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Auch wenn sich der BF um seine sprachliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration bemüht zeigte, kommt seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gesamtbetrachtend vor dem Hintergrund der angeführten Judikatur kein allzu großes Gewicht zu, zumal die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt überwiegend auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, wesentlich gemindert wird.

 

Die Feststellung, wonach der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten des BF ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbrachte, dort sozialisiert wurde und zur Schule ging, hingegen die Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Vergleich zu seinem Lebensalter als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal er dort familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter und Geschwister hat und er die Sprache des Herkunftsstaates beherrscht.

 

Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung des Asylverfahrens denkbar ist, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seinem Verhalten im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

 

Zusammenfassend sprechen folgende Aspekte für eine bestehende Integration und ein schützenswertes Familien- bzw. Privatleben des BF: Kenntnisse der deutschen Sprache, Ausbildung, berufliche Tätigkeit, Bekanntenkreis, ehrenamtliche Tätigkeit;

 

Unter Abwägung der Interessen und in wertender Gesamtschau überwiegen allerdings folgende öffentlichen Interessen, die gegen einen Aufenthalt des BF in Österreich sprechen: illegale Einreise, unsicherer Aufenthalt, der sich lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag gründete.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie an einem geordneten Zuwanderungswesen im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die familiären und privaten Interessen des BF. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK daher nicht geboten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

II.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Im gegenständlichen Fall liegen im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt.

 

II.3.6. Frage der Erteilung einer Frist zur freiwilligen Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Hingegen besteht gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

 

Im vorliegenden Fall wurde seitens der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 3 BFA-VG aberkannt, jedoch mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , GZ: XXXX , festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung zukommt, weshalb das Verwaltungsgericht im Falle der Bestätigung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung im Spruch seines Erkenntnisses eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen hat (vgl. Filzwieser/ Frank/ Kloibmüller/ Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht K9 zu § 55 FPG).

 

Besondere Umstände im Sinne des § 55 Abs. 1 FPG wurden nicht dargetan und es liegen keine Anhaltspunkte vor, die in concreto für eine längere Frist sprächen, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage beträgt.

 

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

 

II.3.7. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung, für eine Abschiebung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

II.3.8 Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Pakistan dort mit der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 Abs. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Auch die Voraussetzungen für die getroffene Rückkehrentscheidung liegen vor.

 

II.4. Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

 

* der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und

 

* bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen

 

* die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und

 

* das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen

 

* in der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde im Verfahren den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde daher nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung des BFA festgestellt.

 

Das BFA hat die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und das Bundesverwaltungsgericht teilt die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung (vgl. diesbezüglich die auch unter Punkt II.2.4.1 wiedergegebene Argumentation des BFA). Bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes weist die Entscheidung des BFA immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf. Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in diesen kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger Fluchtgründe. Es liegt vielmehr ein Vorbringen vor, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auch tritt der BF in der Beschwerde den seitens der belangten Behörde getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter Weise entgegen. Im Ergebnis bestand daher kein Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei im Übrigen darauf hinzuweisen ist, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu keinem anderen Verfahrensausgang geführt hätte.

 

Im gegenständlichen Fall wurden zudem die seitens des BF getätigten Äußerungen zu seinen Integrationsschritten im Bundesgebiet in ihrem objektiven Aussagekern als wahr unterstellt und letztlich der für den BF günstigste Sachverhalt, wie er sich darstellen würde, wenn sich das Gericht im Rahmen einer Verhandlung einen positiven Eindruck verschafft hätte, der rechtlichen Beurteilung unterzogen, weshalb auch in Bezug auf die Rückkehrentscheidung keine Verhandlung durchzuführen war (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289).

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe und der Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung, zum Flüchtlingsbegriff, der hier vertretenen Zurechnungstheorie und den Anforderungen an einen Staat und dessen Behörden um von dessen Willen und Fähigkeit, den auf seinem Territorium aufhältigen Menschen Schutz vor Übergriffen zu gewähren ausgehen zu können, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. Entsprechende einschlägige Judikatur wurde bereits zitiert.

 

Ebenso wird zu diesem Thema keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

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