AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:I412.2249098.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2021, ZI. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VIII. ersatzlos behoben wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine marokkanischer Staatsangehörige, reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte mit Datum 13.09.2021 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am darauffolgenden Tag wurde die BF hinsichtlich ihres Antrages auf internationalen Schutz vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab die BF wirtschaftliche sowie familiäre Probleme an.
I.3. Am 14.09.2021 erfolgte auch eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde). Dabei führte die BF erneut wirtschaftlichen Fluchtgründe sowie Probleme mit ihrer Schwester und eine erlebte Vergewaltigung an.
I.4. Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 30.09.2021 gab die BF dezidiert zu Protokoll, dass sie entgegen ihren vorherigen Angaben keine Probleme mit ihren Schwestern, sondern mit ihren Brüdern wegen Eheschließungen habe und auch geschlagen worden sei.
I.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.11.2021, ZI. XXXX , wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VII.). Mit Spruchpunkt VIII. wurde gegen die BF ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot wegen Mittellosigkeit erlassen.
I.6. Gegen den Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz vom 03.12.2021 fristgerecht Beschwerde.
I.7. Mit Schriftsatz vom 06.12.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.12.2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
Die volljährige BF ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger von Marokko. Sie gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum islamischen Glauben mit sunnitischer Ausrichtung. Sie spricht muttersprachlich Arabisch, etwas Französisch und Berberisch. Ihre Identität steht nicht fest.
Sie reiste im August 2018 legal von Marokko aus in die Türkei, lebte dort drei Jahre lang und reiste über Griechenland, Albanien, Kosovo, Serbien und Ungarn nach Österreich. Sie reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.09.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die BF ist gesund und arbeitsfähig. In Marokko leben nach wie vor ihr Vater, ihre vier Brüder und ihre fünf Schwestern. Mit einem Bruder besteht nach wie vor gelegentlich Kontakt. Im Bundesgebiet verfügt die BF über keine familiären Anknüpfungspunkte und keine privaten Beziehungen.
Die BF war vor ihrer Ausreise aus Marokko als Haushälterin bzw. Haushaltshilfe tätig. Aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in Marokko hat sie auch künftig eine Chance im marokkanischen Arbeitsmarkt unterzukommen.
Sie geht keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Sie ist seit 14.09.2021 in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht.
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten.
Die BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.
1.2. Zu den Fluchtmotiven der BF:
Die BF hat für das Verlassen ihres Herkunftsstaates in erster Linie wirtschaftliche Gründe und familiäre Probleme angeführt.
Die BF wird in ihrem Herkunftsland Marokko weder aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund ihrer politischen Gesinnung verfolgt und ist in ihrem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden.
Die BF wird im Fall ihrer Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung sowie der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall ihrer Rückkehr nach Marokko droht der BF nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in ihrem Herkunftsstaat in ihrer körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihr droht im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in ihrer Existenz bedroht zu werden.
1.3. Zur Situation im Herkunftssaat:
Hinsichtlich der aktuellen Lage in Marokko sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 11.11.2021 getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko auszugsweise zitiert. Den Länderberichten wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten und sind im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Zudem gilt Marokko nach § 1 Z 9 HStV als ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG.
COVID-19
Letzte Änderung: 30.09.2021
Marokko ist von COVID-19 stark betroffen, wobei von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionszahlen auszugehen ist. Marokko ist als Hochrisikogebiet (AA 3.9.2021) bzw. als hohes Sicherheitsrisiko (Stufe 4) (BMEIA 7.9.2021) eingestuft. Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehrs (AA 3.9.2021; vgl. BMEIA 7.9.2021). Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 7.9.2021).
Die marokkanische Regierung hat aufgrund der steigenden COVID-Zahlen in Marokko die Präventivmaßnahmen im Land verschärft. Folgende Maßnahmen sind ab dem 3.8.2021 um 21:00 Uhr in Kraft getreten:
Eine landesweite Ausgangssperre von 21:00 bis 5:00 Uhr. Ausgenommen sind Personen, die in lebenswichtigen Sektoren tätigt sind, sowie jene, die dringende medizinische Versorgung benötigen.Reisen von und nach Casablanca, Marrakesch und Agadir sind nur für Personen erlaubt, die voll immunisiert sind oder dringende medizinische Versorgung benötigen oder Warentransporte durchführen oder dienstlich unterwegs sind und eine Bestätigung (ordre de mission) des Arbeitgebers mitführen.Die Kapazitäten von Hotels und anderen touristischen Einrichtungen sind auf 75% reduziert.Die Kapazitäten von öffentlichen Verkehrsmitteln, Kaffeehäusern, Restaurants und Freibädern bleiben auf 50% reduziert.Kaffeehäuser und Restaurants schließen um 21:00 Uhr.Hallenbäder, Fitnessstudios sowie Hamams sind geschlossen.Versammlungen im Freien oder in geschlossenen Räumen sind mit maximal 25 Personen erlaubt, soweit eine behördliche Genehmigung vorgewiesen werden kann.Bestattungszeremonien mit mehr als 10 Personen sind verboten.Hochzeiten und andere Feierlichkeiten bleiben verboten (WKO 17.8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 23.9.2021
BMEIA - Bundesministerium europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/ , Zugriff 23.9.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (17.8.2021): Coronavirus: Situation in Marokko, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in-marokko.html , Zugriff 23.9.2021
Politische Lage
Letzte Änderung: 18.11.2021
Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed VI. (AA 9.2.2021; vgl. AA 31.1.2021, USDOS 30.3.2021). Die Verfassung belässt maßgebliche exekutive Reservat- und Gestaltungsrechte beim König. Er steht über den Staatsgewalten und ist staatsrechtlicher Kontrolle entzogen. In Bezug auf die Königsmacht bringt die Verfassung nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung, aber keinen Bruch mit dem bisherigen politischen System an sich (ÖB 8.2021).
Seit der Reform der Verfassung aus dem Jahr 2011 wird die Regierung jedoch durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021). Diese Reformen haben die Autorität über die Regierung teilweise vom Monarchen zur gewählten Legislative verschoben. Marokko führt regelmäßig Wahlen in einem parlamentarischen Mehrparteiensystem durch (FH 3.3.2021). Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die Verfassung aus dem Jahr 2011 aufgewertet, und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Neu ist die Einführung einer regionalen Staatsebene mit demokratisch gewählten Institutionen und gestärkter Selbstverwaltung, die im Zuge des Jahres 2015 mit zahlreichen Wahlgängen konkret Gestalt angenommen hat (ÖB 8.2021). Dennoch verfügt König Mohamed VI. durch formale Machtbefugnisse sowie informelle Einflussmöglichkeiten in Staat und Gesellschaft über eine dominante Stellung (FH 3.3.2021).
Am 8. September 2021 wurde ein neues Parlament gewählt. Aus der Wahl ging die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI) als Sieger hervor. Sie erhielt 102 Sitze. Die ebenfalls liberale Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) stellt 87 Abgeordnete vor der Mitte-Rechts-Partei Istiqlal, welche auf 81 Mandate kommt. Die seit 2011 führende gemäßigt-islamistische Partei für Recht und Gerechtigkeit (PJD) konnte lediglich 13 ihrer 125 Sitze verteidigen. Als Reaktion auf die Wahlniederlage traten die Mitglieder des Generalsekretariats der PJD sowie der bisherige Parteivorsitzende und Regierungschef zurück. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50%. Im Rahmen der Wahlen ist es laut Collectif Associatif pour l’Observation des Élections (CAOE) zu Unregelmäßigkeiten gekommen (BAMF 13.9.2021).
Die Verwaltungsstrukturen sind vornehmlich zentralistisch. Marokko ist in 12 Regionen unterteilt, die sich ihrerseits in 62 Provinzen und 13 Präfekturen untergliedern. Hierin ist auch die Westsahara enthalten, die Marokko als integralen Teil seines Territoriums betrachtet, was international jedoch nicht anerkannt wird (AA 9.2.2021).
Die Judikative wird in der Verfassung 2011 als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist dennoch vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 8.2021).
Am 24.8.2021 sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Algerien und Marokko aufgrund von Spannungen zwischen den beiden Ländern seitens Algerien abgebrochen worden (Reuters 25.8.2021). Auslöser war u.a., dass Marokko die interne Krise in Algerien ausgenutzt hat, um in den letzten Jahren Erfolge im Bereich der Westsahara-Frage zu verbuchen - etwa den Beitritt zur Afrikanischen Union (AU) 2017 und die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die USA. Die im Zuge dieser Anerkennung erfolgte Normalisierung der marokkanischen Beziehungen zu Israel hat Algerien ebenfalls unter Druck gesetzt. Gleichzeitig interpretierte Algerien einige marokkanische Äußerungen der jüngerer Vergangenheit als „feindliche Aktionen“ - etwa die Forderung eines marokkanischen Diplomaten nach Selbstbestimmung für die algerischen Kabylen (ACWDC 4.11.2021).
Am 1.11.2021 wurden darüber hinaus drei algerische Staatsbürger im umstrittenen Territorium der Westsahara bei einem Drohnenangriff getötet. Die rhetorischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko sind in der Folge weiter angestiegen (MEI@75 10.11.2021). Algerien hat Gaslieferungen nach Marokko via Maghreb-Europa- Gaspipeline ebenfalls am 1.11.2021 eingestellt (MEU@75 10.11.2021; vgl. ACWDC 4.11.2021) und liefert Gas nur noch nach Spanien (ACWDC 4.11.2021). Die Lage kann als regionaler kalter Krieg bezeichnet werden, diplomatische Bemühungen von beiden Seiten sind nötig, um militärische Konfrontationen zu vermeiden (MEU@75 10.11.2021), die jedoch als unwahrscheinlich gelten. Die gegenwärtigen diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Marokko hingegen könnten Jahrzehnte dauern (ACWDC 4.11.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.2.2021): Marokko - Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/politisches-portrait/224120 , Zugriff 23.9.2021
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
ACWDC - Arab Center Washington DC (4.11.2021): Western Sahara Figures Prominently in Algeria-Morocco Tensions, https://arabcenterdc.org/resource/western-sahara-figures-prominently-in-algeria-morocco-tensions/ , Zugriff 17.11.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.9.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 20.9.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
MEI@75 / Zine Labidine Ghebouli (10.11.2021): Algeria-Morocco tensions: The onset of a regional cold war, https://www.mei.edu/publications/algaeri-morocco-tensions-onset-regional-cold-war , Zugriff 17.11.2021
Reuters (25.8.2021): Algeria cuts diplomatic relations with Morocco, https://www.reuters.com/world/algeria-says-cutting-diplomatic-ties-with-morocco-2021-08-24/ , Zugrrff 17.11.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 30.09.2021
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 30.8.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 19.8.2021), bzw. wird deutschen Staatsbürgern von Reisen abgeraten (AA 3.9.2021). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 3.9.2021; vgl. EDA 30.8.2021). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 3.9.2021; vgl. FD 19.8.2021, BMEIA 7.9.2021).
Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 3.9.2021; vgl. EDA 30.8.2021, BMEIA 7.9.2021).
Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 30.8.2021; vgl. BMEIA 7.9.2021).
Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Seit November 2020 haben die Spannungen in der Westsahara zugenommen. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen (EDA 30.8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.9.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080 , Zugriff 23.9.2021
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.9.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/ , Zugriff 23.9.2021
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (30.8.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html , Zugriff 23.9.2021
FD - France Diplomatie [Frankreich] (19.8.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush , Zugriff 23.9.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 30.09.2021
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 30.3.2021). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen (USDOS 30.3.2021). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 3.3.2021). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der teils von der Verfassung gefordert und teils von der Justizverwaltung angestoßen worden ist. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt - Oberster Justizrat) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 31.1.2021).
Die Verfassung sieht darüber hinaus eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (der erwähnte Oberste Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch vor oder am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 8.2021).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 31.1.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 3.3.2021; vgl. AA 31.1.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam (garde à vue) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 31.1.2021). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt, und Verteidiger stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen auf Hindernisse (FH 3.3.2021).
Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 31.1.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 30.09.2021
Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen „roten Linien“ - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als „Baugesetze“ des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 8.2021). In den Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte. Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 31.1.2021).
Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt (AA 31.1.2021).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und in den sozialen Medien ein (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021). Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich. Die unabhängige Presse wurde in der Covid-19-Krise ruhig gestellt (Stopp von Printmedien, Online-Berichterstattung weitgehend über offizielle Kommuniqués, Gesetzentwurf gegen Nutzung sozialer Medien) (AA 31.1.2021). Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten – Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten – vor allem im Gebiet der Westsahara selbst – besonders exponiert sind (ÖB 8.2021).
Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der oben genannten drei Tabuthemen ersetzt (AA 31.1.2021). Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität bzw. den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021, AA 31.1.2021, FH 3.3.2021, ÖB 8.2021). Dies gilt auch für Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (HRW 13.1.2021; vgl. ÖB 8.2021). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Zwischen September 2019 und Januar 2020 verhafteten und verfolgten die Behörden in verschiedenen Städten mindestens zehn Aktivisten, Künstler, Studenten oder andere Bürger, weil sie sich in sozialen Medien kritisch über die Behörden äußerten. Sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, unter anderem wegen "mangelnden Respekts vor dem König", "Diffamierung staatlicher Institutionen" und "Beleidigung von Amtsträgern" (HRW 13.1.2021). Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 31.1.2021).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die „roten Linien“ Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 31.1.2021). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 30.3.2021). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 31.1.2021; vgl. FH 3.3.2021, USDOS 30.3.2021, HRW 13.1.2021). Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation AMDH haben die Behörden im Jänner und Feber 2020 mindestens 13 öffentliche Versammlungen, Proteste oder Veranstaltungen verboten (HRW 13.1.2021).
2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort „Hirak“ zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 31.1.2021).
Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 30.3.2021). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 13.1.2021). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Frauen
Letzte Änderung: 01.10.2021
Die Lage der Frauen in Marokko ist gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Status und der Lebenswirklichkeit. Insbesondere im ländlichen Raum bestehen gesellschaftliche Zwänge aufgrund traditioneller Einstellung fort. Auch in internationalen Abkommen hat sich Marokko zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen verpflichtet, aber auch hier den Vorrang des Islams geltend gemacht. Es gibt eine meinungsstarke Zivilgesellschaft, die immer wieder die vollständige Gleichstellung von Frauen, auch unter Missachtung religiöser Vorschriften, fordert. Sie erhält dabei dezente Schützenhilfe des Königs (AA 31.1.2021). Das gesetzliche Mindestalter für Heirat ist 18 Jahre. Ein Richter kann auf Ansuchen der Familie eine Genehmigung zur Heirat im Alter von 15-18 Jahre erteilen (HRW 13.1.2021; vgl. ÖB 8.2021). In der Praxis kommt dies häufig vor, im Jahr 2018 waren es 20% aller registrierten Heiraten (HRW 13.1.2021).
Zahlreiche Probleme in Bezug auf Diskriminierung von Frauen bleiben bestehen, da die verfassungsmäßig und gesetzlich vorgesehenen Regelungen nur unzureichend vollzogen werden (USDOS 30.3.2021). Es besteht weiterhin signifikante gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen (FH 3.3.2021). Obwohl die Verfassung Frauen mit Männern in zivilen, politischen, ökonomischen und kulturellen Angelegenheiten rechtlich gleichstellt, werden Männer im Eigentumsrecht (USDOS 30.3.2021) bei Erbschaften (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 31.1.2021, HRW 13.1.2021) sowie bei Scheidungen bevorzugt (HRW 13.1.2021). Obwohl die „Moudawana“ eine deutliche Verbesserung für Frauen bedeutete, gibt es somit weiter Defizite in der Gleichberechtigung. Mit dem Gesetz 62.17 soll Frauen wenigstens ein Anspruch auf Teilhabe an landwirtschaftlichem Gemeinschaftseigentum zugestanden werden; es geht dabei um 15 Millionen Hektar Land in Verwaltung von ethnischen Minderheiten und 6 Millionen bislang ausgeschlossenen Frauen (AA 31.1.2021).
Außerehelicher Geschlechtsverkehr ist strafbar. Alle ledigen Mütter sind damit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht. Tatsächlich wird außerehelicher Geschlechtsverkehr nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt. Meist geschieht dies auf Anzeige von Familienangehörigen und nur in Ausnahmefällen auch direkt durch den Staat (AA 31.1.2021).
Vergewaltigung steht unter Strafe. Das Strafmaß beträgt fünf bis zehn Jahre; wenn das Opfer minderjährig ist, zehn bis zwanzig Jahre (USDOS 30.3.2021). Es kann vorkommen, dass Frauen, die Vergewaltigungen anzeigen, selbst einer Strafverfolgung wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr ausgesetzt sind (HRW 13.1.2021). Es kommt häufig zu Gewalt gegen Frauen. Die Straftaten Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe sind nicht gesondert kodifiziert. Diese Fälle werden von den betroffenen Frauen in aller Regel nicht zur Anzeige gebracht. Kommt es zu einer Anzeige, gestaltet sich der Nachweis der Straftat schwierig (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). 2018 trat ein neues Gesetz in Kraft, das einen stärkeren Rechtsrahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt, sexueller Belästigung und Missbrauch schafft (USDOS 30.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Nach dem neuen Gesetz kann eine Verurteilung wegen sexueller Gewalt zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und einer Geldstrafe von 60.000 bis 120.000 Dirham (6.300 bis 12.600 US-Dollar) führen. Allgemeine Beleidigungs- und Verleumdungsklagen bleiben im Strafgesetzbuch. Eine Gesetzesnovelle im März 2020 verpflichtet Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte dazu, spezialisierte Einheiten bezüglich geschlechtsspezifischer Gewalt einzurichten. Wo es solche Einheiten noch nicht gibt, werden Beamte gesondert ausgebildet (USDOS 30.3.2021). In den Monaten des Lockdowns kam es zu einer Zunahme der häuslichen Gewalt (HRW 13.1.2021). Nach Angaben von lokalen NGOs melden Opfer die überwiegende Mehrheit sexueller Übergriffe nicht an die Polizei, da sie unter sozialem Druck stehen und befürchten, dass die Gesellschaft die Opfer höchstwahrscheinlich zur Verantwortung ziehen würde. Die Polizei untersucht Fälle selektiv; von der geringen Zahl, die vor Gericht gestellt werden, bleiben erfolgreiche Strafverfolgungen selten (USDOS 30.3.2021).
Viele Richter sind voreingenommen und urteilen zugunsten des Mannes. Neben gesellschaftlichen Ursachen (Gewalt gegen Frauen, insbesondere in der Familie, wird von den meisten Männern als legitim betrachtet) gibt es auch staatliche und rechtliche Defizite. Die Anzahl von Frauenhäusern und Zufluchtsorten für Frauen ist begrenzt (AA 31.1.2021). Das Ministerium für Solidarität, Frauen, Familien und soziale Entwicklung hat in den letzten Jahren zahlreiche Frauenberatungszentren gegründet. Aus Regierungsstatistiken geht außerdem hervor, dass 30,8 Millionen Dirham zur direkten Unterstützung von 172 Beratungsstellen für weibliche Opfer häuslicher Gewalt investiert wurden. Ein paar NGOs gewährleisten auch den Schutz von der Frauen in Frauenhäusern und bieten darüber hinaus Unterstützung und Beratung. Berichten zufolge sind diese Schutzhäuser für Frauen mit körperlichen Einschränkung oftmals nicht adaptiert (ÖB 8.2021).
Auch im Berufsleben bleibt die Lage der Frauen schwierig, insbesondere auf dem Land, wo patriarchale Strukturen dominant sind. In höheren Ämtern nimmt der weibliche Anteil im Vergleich mit männlichen Amtsinhabern rasch ab, auch wenn Frauen vereinzelt besonders exponierte Führungspositionen einnehmen. Bei den Parlamentswahlen wurden lediglich 10 von 305 direkt gewählten Parlamentsmandaten von Frauen gewonnen. 90 weitere Sitze sind über eine spezielle Liste für Frauen und junge Menschen reserviert (AA 31.1.2021; vgl. FH 3.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html , Zugriff 20.9.2021
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/document/2043675.html , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 01.10.2021
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte üblicherweise (USDOS 30.3.2021). Auch Sahrawis/Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 31.1.2021). Die Regierung stellt Sahrawis üblicherweise weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Es wird allerdings von Fällen berichtet, wo die Behörden Sahrawis daran hinderten, Reisen anzutreten (USDOS 30.3.2021).
Wer nicht per Haftbefehl gesucht wird, kann unter Beachtung der jeweiligen Visavorschriften in der Regel problemlos das Land verlassen. Dies gilt auch für bekannte Oppositionelle oder Menschenrechtsaktivisten (AA 31.1.2021).
Es gibt einige Berichte wonach Regierungsbehörden lokalen und internationalen Organisationen sowie der Presse den Zugang zum Rif und der östlichen Region verweigern. Die Regierung bestreitet dies (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048171.html , Zugriff 20.9.2021
Grundversorgung
Letzte Änderung: 01.10.2021
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 31.1.2021).
Die marokkanische Wirtschaft ist grundsätzlich in einer guten Verfassung und von einem langjährigen Aufschwung geprägt. Der Anstieg in den zwei Jahren vor der Corona-Pandemie wurde in erster Linie von staatlichen und ausländischen Investitionen, dem privaten Konsum, stärkeren Exporten und durch verbesserte Agrarerträge getragen. Für die Jahre 2021/2022 wird das Wirtschaftswachstum auf 4 bis 5% prognostiziert. Die Leistungsbilanz wird weiterhin von der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus Europa stark beeinflusst. Eine Rückkehr der Wirtschaftsleistung auf das Niveau von 2019 ist erst ab 2022 realistisch (WKO 2021).
Abgesehen von den Firmen- und Grenzschließungen aufgrund der Covid-19 Pandemie ist die Wirtschaftslage Marokkos von weiteren Faktoren beeinflusst. Positiv wirken sich auf die Wirtschaftslage z.B. die steigenden Exporte in der Automobilindustrie aus. Dennoch hängt das Wachstum weiterhin stark vom wetterabhängigen Agrarsektor ab. Im industriellen Bereich kam es bereits zu zahlreichen Investitionen in Umwelt- und Wassertechnologien, außerdem wurde der Maschinenpark modernisiert. Vor allem gibt es bei der absolut notwendigen und auch von der EU unterstützten Modernisierung des Industriesektors (programme de mise à niveau) zahlreiche Investitionschancen (WKO 2021).
Mittel- bis langfristig können die Wachstumsperspektiven, nicht zuletzt auch aufgrund der politischen Stabilität, als sehr gut eingestuft werden. Es herrscht eine grundsätzlich optimistische Stimmung und die Entwicklung Marokkos hin zu einem höheren Entwicklungsstand ist im Land auch visuell wahrnehmbar (WKO 2021).
Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20% des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18% als Ackerland. Da davon nur rund 15% systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40% der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als drei Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4% am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 15.9.2021).
Der Beschäftigungsgrad der Bevölkerung liegt bei 47%, die Arbeitslosigkeit hat sich 2018 von 10,2% leicht auf 9,8% vermindert (WKO 15.9.2021). Nach anderen Angaben lag die Arbeitslosigkeit 2018 laut marokkanischem Statistikamt bei 12,8%. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org ), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/ ) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).
Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.9.2021): Die marokkanische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-marokkanische-wirtschaft.html , Zugriff 23.9.2021
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2021): Marokko - Los geht's - Länderreport Außenwirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/marokko-laenderreport.pdf , Zugriff 23.9.2021
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 01.10.2021
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern und gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards (AA 31.1.2021). Der öffentliche Gesundheitssektor ist in seiner Ausstattung und Qualität sowie bei der Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten (ÖB 8.2021). Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 31.1.2021).
Private Spitäler, Ambulanzen und Ordinationen bieten medizinische Leistungen in ähnlicher Qualität wie in Europa an, wenn auch nicht in allen fachmedizinischen Bereichen gleich und örtlich auf die Städte beschränkt (Casablanca, Rabat, Tanger und andere größere Städte). Diese Dienstleistungen sind freilich mit entsprechenden Honoraren verbunden. Ein Konsultation beim Wahlarzt (Allgemeinmedizin) kostet ab 150 Dirham (13 €), beim Facharzt ab 200 (17 €) Dirham bis 500 (45 €) Dirham und mehr bei Spezialisten (zum Vergleich der Mindestlohn: 2.570 Dirham/234 €) (ÖB 8.2021).
Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 31.1.2021).
Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 152 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 25.440 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.381 Einwohner); daneben bestehen 2.408 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei erhalten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 8.2021). Nach anderen Angaben sind medizinische Dienste kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine Carte RAMED zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 31.1.2021).
Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. auf vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis (Carte RAMED), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
Rückkehr
Letzte Änderung: 01.10.2021
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).
Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021). Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 8.2021).
Mit August 2021 konnten die seit der Verhängung des Ausnahmezustandes aufgrund der Covid-19 Pandemie am 20. März 2020 auf „stand by“ befindlichen Rückführungsaktivitäten von Österreich nach Marokko wiederaufgenommen werden (ÖB 8.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf , Zugriff 20.9.2021
ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (8.2021): Asylländerbericht Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060711/MARO_%C3%96B_Bericht_2021_08.pdf , Zugriff 20.9.2021
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.09.2021 und vor der belangten Behörde am 14.09.2021 sowie am 30.09.2021, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS), des Hauptverbandes österreichischer Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) und des Strafregisters eingeholt. Zudem wurde Einsicht in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Marokko genommen.
Die BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.
2.2. Zur Person der BF:
Die Feststellungen zur Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, zum Familienstand, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen sowie zur Herkunft der BF ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubwürdigen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und jenen vor der belangten Behörde. In Ermangelung der Vorlage eines identitätszeugenden Dokumentes im Original konnte ihre Identität nicht festgestellt werden.
Hinsichtlich der Reiseroute gilt es, auf die Angaben der BF im Zuge ihrer Erstbefragung (Protokoll vom 14.09.2021, S 5) zu verweisen.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde gab die BF zu Protokoll, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, nicht in ärztlicher Behandlung, Betreuung oder Therapie zu stehen und keine Medikamente einzunehmen. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass die BF gesund ist, zumal auch aus dem unbestrittenen Akteninhalt nichts Gegenteiliges entnommen werden konnte.
Aufgrund des Gesundheitszustandes lässt sich auf die Arbeitsfähigkeit der BF schließen, überdies aufgrund des erwerbsfähigen Alters der BF. Auf den Angaben der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 14.09.2021, S 2) und der belangten Behörde (Protokoll vom 14.09.2021, S 4) beruhen die Feststellungen ihrer Tätigkeit in Marokko als Haushaltshilfe. Der Umstand, dass die BF im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich aus dem Sozialversicherungsdatenauszug zur Person der BF.
Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF und die Gewährung der Grundversorgung in Österreich ergibt sich aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.
Die Feststellungen zu den in Marokko lebenden Familienangehörigen beruhen ebenfalls auf den Angaben der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 14.09.2021, S 3) und der belangten Behörde (Protokoll vom 14.10.2021, S 5 und 7; Protokoll vom 30.09.2021, S 6). Der Umstand, dass die BF im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus den Ausführungen der BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 14.09.2021, S 6).
Dass die BF über keine maßgeblichen privaten Beziehungen im Bundesgebiet verfügt und auch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht aufweist, ist dem Umstand geschuldet, dass die BF erst seit 13.09.2021 im Bundesgebiet aufhältig ist und eine Integration in der kurzen Zeit von zirka drei Monaten realistischerweise nicht möglich ist, zudem auch nichts vorgebracht bzw. urkundlich nachgewiesen wurde. Der Umstand, dass die BF kein Deutsch spricht, ergibt sich daraus, dass die BF befragt nach ihren Sprachkenntnissen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll vom 14.09.2021, S 2) und der belangten Behörde (Protokoll vom 14.09.2021, S 7; Protokoll vom 30.09.2021, S 4) lediglich Arabisch, etwas Französisch und Berberisch angeführt hat.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF lässt sich dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug der Republik Österreich entnehmen.
2.3. Zu den Fluchtgründen der BF:
2.3.1. Die BF thematisierte in sämtlichen Befragungen wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie familiäre Probleme.
2.3.2. Betreffend ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte die BF an, dass es in Marokko keine regelmäßige Arbeit gebe und sie dort keine Zukunft habe (Protokoll Erstbefragung vom 14.09.2021, S 6).
Diesen Angaben ist zum einen entgegenzuhalten, dass es der BF möglich gewesen ist, sich € 2.000,-- für ihre Ausreise durch ihre Arbeitstätigkeit zusammenzusparen (Protokoll Einvernahme belangte Behörde vom 14.09.2021, S 4), was nicht für exponentiell schlechte Umstände spricht und zum anderen, dass der BF wegen ihrer wirtschaftlichen Gründe im Falle ihrer Rückkehr keine Gefahr einer persönlichen Verfolgung drohen würde.
2.3.3. Zudem hat die BF zwar familiäre Schwierigkeiten mit ihren Geschwistern und eine Vergewaltigung vorgebracht, aber keine Bedrohung im Herkunftsland glaubhaft gemacht, die zu einer Asylgewährung reichen würde.
Das Vorbringen betreffend Problemen mit ihren Geschwistern ist nicht glaubhaft, zumal sie bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde vom 14.09.2021 erklärte, dass sie Schwierigkeiten mit ihren Schwestern gehabt habe (Protokoll vom 14.09.2021, S 5); in der Einvernahme vom 30.09.2021 aber vermeinte, Probleme mit den Brüdern gehabt zu haben (Protokoll vom 30.09.2021, S 5)
Betreffend die vorgebrachte Vergewaltigung als fluchtauslösendes Ereignis ist anzuführen, dass die BF gegenüber der belangten Behörde anführte, dass diese 2015 stattgefunden habe (Protokoll vom 14.09.2021, S 5), was zum einen einen zeitlichen Zusammenhangs zu ihrer Flucht 2018 entbehrt und war es ihr zum anderen in der Zwischenzeit möglich, weiterhin in Marokko zu leben und einer Beschäftigung nachzugehen.
Des Weiteren gab sie am 30.09.2021 erstmals Probleme wegen Eheschließungen und Zwangsverheiratung an. Das diesbezügliche Vorbringen blieb aber ebenso vage und oberflächlich, zumal sie erklärte, nicht in der Lage zu sein, dieselben Sachen noch einmal zu erzählen, da dies sehr belastend sei (Protokoll vom 30.09.2021, S 5). Würde sie aber tatsächlich eine diesbezügliche Verfolgung fürchten, dann ist davon auszugehen, dass sie ein entsprechendes substantiiertes Vorbringen erstatten würde. Außerdem geht der Verwaltungsgerichtshof ohnehin davon aus, dass ein nachträglich gesteigertes Fluchtvorbringen als unglaubhaft zu qualifizieren ist, denn kein Asylwerber würde wohl bei lebensnaher Betrachtung eine sich bietende Gelegenheit, ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).
Die BF machte im Zuge ihrer Befragungen vor der belangten Behörde folglich vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass von der Konstruiertheit ihres gesamten Fluchtvorbringens auszugehen und ihr die Glaubwürdigkeit zu versagen war.
Das Vorbringen betreffend die Verfolgung durch ihre Geschwister würde – bei hypothetischer Wahrunterstellung – auch keine Asylrelevanz aufzeigen. Es würde sich um eine Verfolgung durch Privatpersonen handeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates könnte gegenständlich aber nicht ausgegangen werden.
Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Die BF gibt vielmehr selbst an, mit den staatlichen Behörden Marokkos keine Probleme gehabt zu haben (Protokoll belangte Behörde vom 14.09.2021, S 5). Aus ihrem Vorbringen ist kein Indiz zu entnehmen, wonach der BF ernstlich Gefahr drohen könnte, in Marokko aus politischen, rassischen, nationalen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden.
2.3.4. Glaubhaft erscheint das Vorbringen der BF Marokko aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Es ist nachvollziehbar, dass sie ihr Heimatland aufgrund von fehlenden Zukunftsperspektiven den Rücken gekehrt hat.
Eine Verfolgungsgefahr aufgrund von familiären Schwierigkeiten konnte die BF hingegen weder glaubhaft darlegen, noch würde es sich dabei überhaupt um eine asylrelevante Verfolgung handeln.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher – wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es der BF nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.
2.4. Zum Herkunftsstaat der BF:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Marokko und den dort zitierten Quellen. Dieser Bericht fußt sowohl auf Berichten verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche dargestellt wird, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung von rund drei Monaten haben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ergeben. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.
Auch wenn die angespannte wirtschaftliche Lage in Marokko durchaus nicht verkannt wird, steht es für das Bundesverwaltungsgericht nach Würdigung sämtlicher Umstände fest, dass Marokko ein Staat ist, der hinsichtlich seiner Bürger schutzfähig und schutzwillig ist, und dass der jungen, gesunden und arbeitsfähigen BF daher aufgrund der Lage im Herkunftsstaat mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Gefahr an Leib und Leben oder einer unmenschlichen Strafe droht, wenn er nach Marokko zurückkehrt. Das unsubstantiierte Vorbringen im Zuge der Beschwerde vermag dabei keine gegenteilige Ansicht zu erwirken.
3. Rechtliche Beurteilung:
Marokko ist gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019, ein sicherer Herkunftsstaat.
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art. 1 Absch. A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, vermochte die BF im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, sondern haben sie wirtschaftliche Gründe zum Verlassen ihres Herkunftsstaates bewogen.
Das Vorbringen betreffend ihre familiären Schwierigkeiten war, wie sich ebenfalls aus Punkt 2.3. ergibt, nicht glaubhaft.
Selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung wäre dieses Vorbringen nicht asylrelevant. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).
Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.
Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vg. zum Ganzen VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).
Im vorliegenden Fall hat die BF keine fallbezogenen Umstände aufgezeigt, die im gegenständlichen Fall gegen eine Schutzfähigkeit und -willigkeit der Behörden Marokkos spezifisch ihr gegenüber sprechen würden. Dem Vorbringen der BF ist auch nicht zu entnehmen, dass sie sich hinsichtlich der von ihr behaupteten Verfolgung durch ihre Geschwister überhaupt an die Sicherheitsbehörden gewendet hätte (Protokoll belangte Behörde vom 14.09.2021, S 5). Anstatt also sofort das Land zu verlassen, wäre es daher an der BF gelegen gewesen, die staatlichen Behörden um ihren Schutz und ihre Hilfeleistung zu ersuchen.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/14/0368).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie bereits dargelegt wurde, droht der BF in Marokko keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Die BF hat Berufserfahrung als Haushaltshilfe vorzuweisen. Sie ist gesund und arbeitsfähig, es ist daher davon auszugehen, dass sie durch die (Wieder-)Aufnahme einer Beschäftigung in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt in Marokko sicherzustellen. Darüber hinaus leben ihr Vater und Geschwister nach wie vor in Marokko und ist die BF bei einer Rückkehr daher auch nicht auf sich allein gestellt.
Damit ist der BF durch die Abschiebung nach Marokko nicht in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, zumal die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Das Gericht verkennt nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Marokko. Diese betreffen jedoch jeden marokkanischen Staatsangehörigen in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Dass die BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber ihrer Situation in Marokko bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, sie würde in Marokko keine Lebensgrundlage vorfinden und somit ihre Existenz nicht decken können. Zumal auch im Zuge des Beschwerdevorbringens diesbezüglich nichts substantiiert ausgeführt wurde, fehlen hierfür im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem gilt Marokko als ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Marokko, die nahelegen würden, dass bezogen auf die BF ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Diesbezüglich vermag auch eine etwaige Reisewarnung keine gegenteilige Ansicht erwirken.
In Zusammenhang mit der COVID-19-Situation gilt es nochmals anzumerken, dass es sich um eine weltweite Pandemie handelt, somit sowohl Österreich als auch Marokko davon betroffen ist. Das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, ist in Österreich ebenso gegeben wie in Marokko. Die BF gehört zudem zu keiner Risikogruppe und ist bei ihr aufgrund ihres Alters auch bei einer Infektion von keinem schweren Krankheitsverlauf auszugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem wiederholt festgehalten, dass bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, es nicht darauf ankommt, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. VwGH 05.03.2021, Ra 2020/14/0553, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Rechtslage:
Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG 2005). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Indizien dafür, dass die BF einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist die BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
3.4.1. Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Dabei hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Auf Grundlage des § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG – wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird – zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Nachdem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen war, hat sich die belangte Behörde zutreffenderweise auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Punkt 3.3.2. ergaben sich auch keine Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre.
Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
Dabei stellt die Aufenthaltsdauer für sich zunächst lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289) und der Aufenthalt der BF zudem auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage beruhte, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Die BF ist seit ihrer illegalen Einreise (spätestens) am 13.09.2021, somit rund drei Monate, in Österreich aufhältig. Zwischen der Asylantragstellung am 13.09.2021 und der negativen Entscheidung seitens der belangten Behörde am 11.11.2021 sind lediglich zwei Monate vergangen.
Die BF führt kein Familienleben in Österreich. Auch private Anknüpfungspunkte haben sich im Verfahren nicht ergeben. Nennenswerte integrative Merkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht liegen – schon ob der geringen Dauer des Aufenthaltes von rund drei Monaten – nicht vor. Demgegenüber verfügt die BF in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen ist und den Großteil ihres bisherigen Lebens verbracht hat, über sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie auch über familiäre Anknüpfungspunkte.
Es sind bei einer Rückkehrentscheidung in weiterer Folge aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen. So sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0076). Im gegenständlichen Fall ist dahingehend keine besondere Vulnerabilität der BF hervorgekommen. Sie wird bei einer Rückkehr durch ihre Berufserfahrung in der Lage sein, sich ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.
Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF vermag ihre Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht entscheidend zu verstärken (VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt schwerer, als die nur schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher – nach Abwägung der privaten mit den öffentlichen Interessen – nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art. 8 EMRK, vgl § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Die BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
3.5.1. Rechtslage:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. Bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da der BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.6. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt. Sichere Herkunftsstaaten sind ua die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (§ 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG).
Nach § 1 Z 9 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019 gilt Marokko als sicherer Herkunftsstaat.
Der belangten Behörde ist auch beizurtreten, dass die Gründe für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG vorliegen, zumal die BF keine Verfolgungsgründe vorgebracht hat.
Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen der BF und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.7. Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht ua. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG erfolgt ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 11.11.2021 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie oben ausgeführt – aberkannt.
Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Wie bereits oben erörtert, besteht bei der Rückkehr der BF nach Marokko keine Gefahr, dass diese die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art. 8 EMRK geschützter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben ist ebenfalls mangels Bestehens eines schützenswerten Privat- und Familienleben in Österreich nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen der BF und jenen Österreichs ergibt, wie bereits oben ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gegeben.
Zu Recht hat daher die belangte Behörde § 55 Abs. 1a FPG 2005 zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.8. Zur Behebung des mit Spruchpunkt VIII. erlassenen Einreiseverbotes:
3.8.1. Rechtslage:
Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
[…]
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
[…]“
3.8.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG 2005 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).
Der Verwaltungsgerichtshof hält in seiner Entscheidung vom 25.09.2020, Ra 2020/19/0132 fest: „Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12 sowie VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309)".
Bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen. (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).
Wie sich aus § 53 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Beurteilung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gestützt und insbesondere mit dem Umstand begründet, dass die BF aufgrund ihrer Mittelosigkeit als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzusehen sei. Zu dieser Annahme kommt die belangte Behörde nach nur zwei Monaten Aufenthalt der BF in Österreich und müsste nach diesem Gedankenmodell jeder Asylwerber, der nach Antragstellung automatisch in die Grundversorgung aufgenommen wird, mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG belegt werden. Zu gegebenem Zeitpunkt hält sich die BF knapp drei Monate in Österreich auf und kann selbst heute aus dem Bezug von Grundversorgung seit der Antragstellung noch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der BF erkannt werden. Aufgrund der nur sehr kurzen Aufenthaltsdauer haben sich bislang keine maßgeblichen Umstände ergeben, die eine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes der BF erlauben würden. Bislang trat sie nur aufgrund der Asylantragstellung in Erscheinung und ist einem Asylwerber wohl eine gewisse Zeit zuzugestehen, um positive Schritte in einem ihm fremden Land zu tätigen und auch um überhaupt die Möglichkeit zu erhalten, ihren Unterhalt aus eigenem bestreiten zu können bzw. diese Mittel nachzuweisen. Ihr vorzuwerfen, dass sie „offensichtlich“ nicht bereit wäre, sich an die österreichischen Gesetze zu halten, weil sie illegal einreiste und „in Zeiten des Migrationsstromes nach Mitteleuropa“ das Asylrecht als Einwanderungsrecht missbrauchte, geht ins Leere. Der Aufenthalt der BF ist seit dem ersten Tag an aufgrund der Asylantragstellung rechtmäßig und ist eine Einreise, die zumeist illegal erfolgt, der Asylantragstellung in einem fremden Staat immanent. Die angesprochenen „Zeiten des Migrationsstromes“ beziehen sich auf die Jahre 2015/2016 und ist ein Ausnutzen durch die BF heute nicht vorzuwerfen. Zudem liegt gegen die BF weder eine strafgerichtliche, noch eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung vorliegt.
Insgesamt kann weder aufgrund des bisher gesetzten Verhaltens, das sich im bloßen Aufenthalt erschöpft, noch aufgrund des Persönlichkeitsbildes der BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erkannt werden. Eine Zukunftsprognose kann mangels feststellbarem Persönlichkeitsbildes und nach nur drei Monaten Aufenthalt nicht getätigt werden und steht nicht fest, dass die BF künftig eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen wird.
Im Ergebnis war das mit Spruchpunkt VIII. erlassene Einreiseverbot nach § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ersatzlos zu beheben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht ca. ein Monat liegt – die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente, es wurde weiterhin auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn, es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 5 VFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
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